Warum man Babys nicht allein schreien lassen sollte

Wird ein Baby geboren, ist es über alle Maßen schutz- und hilflos. Es benötigt Personen, die es füttern, kleiden, lieben, wärmen, also alle seine Grundbedürfnisse erfüllen. Um dies verlässlich einfordern zu können, hat das Kind nur eine einzige, aber mächtige Möglichkeit: sein Schreien. Sobald irgendwo auf der Welt ein Baby schreit, kann man beobachten, wie nahezu alle Menschen in der Umgebung darauf reagieren. Hört das Schreien nicht innerhalb kürzester Zeit auf, beginnen fast alle, die Köpfe zu recken, das Baby zu suchen, zu schauen, ob es versorgt wird oder ob man eingreifen muss. Das ist ein tief in uns verwurzelter Instinkt, mit dem die Natur das Überleben der Menschen sinnvoll absichert. 

Jede Mutter kennt das zerreißende Gefühl in den ersten Tagen und Wochen, wenn ihr erstes Neugeborenes aus tiefstem Herzen schreit - die eigenen Reaktionen  darauf reichen von Nervösität, über Herzrasen bis hin zu Schweißausbrüchen - man fühlt versucht instinktiv sofort alles, um die Ursachen für das durchdringende Weinen zu beseitigen und fühlt sich von der Umgebung genau beobachtet.

Baby schreit
 

Babys schreien nur in höchster Not 


Zu Schreien bedeutet für das Baby einen unglaublichen Kraft- und Energieaufwand - daher versucht es zunächst, durch vielfältige andere Signale darauf aufmerksam zu machen, dass es ein Bedürfnis hat. Bei Hunger wird es schmatzen, das Fäustchen in den Mund stecken und den Kopf suchend bewegen, ist es müde, reibt es die Ohren oder gähnt. Im Schnitt kündigt das Baby seine Bedürfnisse erst einmal 31 Minuten lang mit zunehmender Intensität an (Gill 1984). 

Werden all diese Signale missachtet, muss der Forderung nach Erfüllung des Bedürfnisses Nachdruck verliehen werden, es wird - in der Regel sofort in beeindruckender Lautstärke - geschrieen. Ein Baby schreit erst dann, wenn es in höchster Not ist - wenn es sein Leben durch Hunger oder Alleinsein bedroht sieht. Daher wird es auch nicht eher damit aufhören, bis entweder das Bedürfnis befriedigt wird oder es vollkommen erschöpft ist. 

Babys schreien niemals ohne Grund - auch, weil das Schreien die Gefahr erhöht, dass Jäger auf potentielle Beute aufmerksam werden. Zwar leben wir mittlerweile in vollkommen anderen Umständen, als noch vor ein paar hundert Jahren, dieser Lebenswandel ist bei der evolutionären Prägung unserer Kinder jedoch noch nicht angekommen - sie sind verhaltenstechnisch noch für ein Leben in Wanderherden in der Steppe mit Fressfeinden ausgerüstet. Daher ist der Körper auch noch immer mit einem damals wichtigen  Schutzmechanismus, dem Totstellreflex, ausgestattet. Dieser lässt ein Baby, auf dessen Schreien nicht reagiert wird, in eine Starre/in den Schlaf verfallen - leise in der Ecke liegend ist ein Baby sicherer, als laut nach Menschen schreiend, die nicht reagieren. 

Was passiert im Körper des Babys? Welche Auswirkungen hat es? 


Schreien ist also das letzte Mittel der Wahl um sich verständlich zu machen - so dass man davon ausgehen kann, dass sich ein schreiender Säugling in höchsten Nöten befindet und gerade massivstem Stress ausgesetzt ist. Das Gehirn schüttet dabei Adrenalin und Cortisol aus und überflutet den Körper damit. Diese Hormone können in größeren Mengen toxisch (=giftig) wirken und bestimmte Regionen im Gehirn dauerhaft schädigen. 

Ein Baby kann sich noch schwer bis gar nicht selbst beruhigen - es ist dafür zwangläufig auf Erwachsene angewiesen. Erst das Beruhigen, das in den Arm Nehmen, das Streicheln und Trösten sorgen dafür, dass Oxytocin ausgeschüttet wird, das den Körper beim Abbau der Stresshormone unterstützt. Wird das Kind nicht beruhigt und ist der Cortisolspiegel oft und lange erhöht, kann dies vielfältige und vor allem dauerhafte Auswirkungen haben. So kann beispielsweise das Wachstum des Hippocampus stark eingeschränkt werden. Dieser ist für die Angstregulation verantwortlich. Entwickelt er sich durch dauerhaften Stress nicht ausreichend, können die Babys ihr Leben lang Probleme mit der Verarbeitung von Ängsten haben. Erfahrungen und Gefühle im Babyalter speichern sich im Amygdala (Mandelkern) im Gehirn ab - Angst, Frustration und Enttäuschung werden dort tief verankert und wirken sich  unter Umständen dann nach Jahrzehnten plötzlich aus.

Durch langanhaltendes Schreien wird auch das Immunsystem geschwächt, Wachstum und Lernfähigkeit können ebenso beeinträchtig sein. Auch Auswirkungen auf das Nervensystem sind zu befürchten - die Stressschaltkreise werden auf "überempfindlich" programmiert. Die Synapsenbildung im Gehirn wird nachhaltig beeinflusst - ein Vorgang, der nicht mehr rückgängig zu machen ist. In späteren Jahren reagiert das Gehirn dann auf Stresssituationen entweder mit einer Überproduktion an Hormonen (Depressionen, Angststörungen) oder mit einer Unterversorgung (Gefühlskälte, Aggression). Wissenschaftler gehen davon aus, dass der derzeitige Anstieg an Depressionen und Angststörungen auch auf das seit etwa 80 Jahren regelmäßig empfohlene und praktizierte Schreien lassen aus Erziehungszwecken zurück zu führen ist.

Verzweifeltes Schreien aktiviert außerdem die Schmerzrezeptoren im Gehirn - das Kind empfindet tatsächlich körperlichen Schmerz. Auch der psychische Einfluss ist massiv: Wird vorsätzlich nicht reagiert, signalisiert das dem Kind: "Ich kümmere mich nicht um Dich, Du bist mir nicht wichtig, Du musst allein zurecht kommen". Das hat Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl - die Kinder versuchen verzweifelt, ihre Ängste allein zu regulieren. Gezieltes Schreien lassen führt letztendlich zu physischer Erschöpfung - wird dauerhaft nicht auf die Bedürfnisse reagiert, kann der Säugling die kumulativ aufgebauten Angstgefühle nicht mehr bewältigen und resigniert. Das Schreien wird wegen mangelnder Erfolgsaussicht eingestellt oder der Totstellreflex setzt ein - das Baby scheint unproblematisch einzuschlafen, dabei handelt es sich um eine extreme Stressreaktion.

Der Druck der Gesellschaft 


Die in unserem Blog meistgelesenen Artikel sind vor allem die über das Schlafen - auch in vielen Foren sieht man, dass das ein Thema ist, das ganz viele Eltern bewegt. Offenbar sind die Annahmen darüber, was betreffs des Schlafs von Babys normal ist, grundlegend abweichen davon, wie Babys tatsächlich schlafen. In jedem Ratgeber werden Wege beschrieben, wie man es schafft, dass Kinder möglichst schnell allein ein- und durchschlafen. Dass dies gar nicht ihrem grundlegenden Bedürfnis entspricht, wird dabei ignoriert - Babys wollen nicht alleine einschlafen und meist am allerliebsten nur in Mamas oder Papas Arm.
 
Baby schläft im Arm

Eltern fühlen sich von ihrem Umfeld unter Druck gesetzt, wenn ihr Kind nicht alleine einschläft oder noch lange nachts wach wird. Aus unerfindlichen Gründen ist "Und - schläft Dein Kind schon durch?" eine der meistgestellten Fragen im Leben von Eltern. Und eine der Fragen, bei der am häufigsten geflunkert wird - offenbar empfinden es viele als erzieherisches Versagen, wenn ihr Kind nicht den Erwartungen entspricht. 

Dass ihre Kinder sich vollkommen normal verhalten, überrascht viele - die Vorstellung, dass Kinder alleine einschlafen müssen, ist eine Erfindung der letzten Jahrzehnte. In den paar Tausend Jahren davor kam niemand auf die Idee, Kinder abseits von der Familie in gesonderten Zimmern zu betten - seit Urzeiten war es vollkommen normal, dass Kinder und Eltern zusammen schliefen. Kinderzimmer sind eine Erfindung der Neuzeit - leider sind unsere Babys verhaltenstechnisch dort noch nicht angekommen.

Die "Neuzeit" führte auch dazu, dass die altbewährten Zusammenlebensmuster zerfielen - aus Rudeln, in denen sich jeder um jeden kümmerte wurden kleine Familien, die nun fast ausschließlich auf sich allein gestellt ihre Kinder aufziehen. Das ist aufwändig und stressig, so dass Eltern ein grundlegendes Bedürfnis nach abendlicher Ruhe haben. Kinder jedoch haben das Bedürfnis, ganz besonders abends nicht allein zu sein, so dass hier ein scheinbar unlösbarer Interessenskonflikt besteht.

Dazu kommt ein noch gravierenderer Sachverhalt: Die zwei Generation vor der unsrigen haben eine Erziehung genossen, deren Wurzeln im Dritten Reich liegen (mehr dazu in unserer Artikelserie "Die Erziehung unserer Großeltern und Eltern") - das damalige Standard-Erziehungsbuch "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind" gab es bis in die 80er Jahre als nur leicht abgewandeltes "Die Mutter und ihr erstes Kind". Die dort beschriebenen Erziehungsmethoden basieren vor allem auf dem Grundsatz, dass Kinder zu funktionieren haben - notfalls durch das Brechen ihres Willens.

Wenn unsere Mutter uns nun vorhält "Du musst Dein Kind mal schreien lassen, das stärkt die Lungen", dann ist das eine in ihrer Generation weit verbreitete Annahme, deren Wahrheitsgehalt mangels anderer Informationen nicht hinterfragt wurde. Tief wurzelt in unseren Eltern und Großeltern ist die Angst, Kinder könnten durch ein Übermaß an Zuneigung verzogen werden - das ist das, was ihnen Jahrzehntelang gepredigt wurde. Sicher jeder hat schon mal die Warnung gehört "Du ziehst Dir einen Tyrannen heran, wenn Du bei jeder Kleinigkeit sofort reagierst" - das ist absoluter Unfug. Babys im ersten Lebensjahr sind überhaupt nicht in der Lage, das Schreien gezielt zur Manipulation einzusetzen. Das würde planvolles Handeln erfordern, wozu Babys kognitiv gar nicht in der Lage sind - dies belegen wissenschaftliche Arbeiten eindeutig.

Mütter und Väter sind also in einem Konflikt - einerseits sagt ihr Bauchgefühl ganz instinktiv, dass sie sich dem kleinen Wesen unbedingt immer sofort liebevoll zuwenden sollten. Andererseits fehlt ihnen durch die unterstützenden Hände Kraft und Zeit, sich um die eigenen Belange zu kümmern und zusätzlich unken Bekannte, Verwandte und sogar manche Hebamme oder mancher Kinderarzt, dass ein Kind ab einem gewissen Alter allein einschlafen müsse, weil es sonst in Gefahr liefe, tyrannisches Verhalten zu entwickeln: "Es tanzt Euch doch schon auf der Nase herum" oder "Es schläft mit 18 Jahren noch in Eurem Bett!" Das führt dazu, dass Schlafprogramme wie "Jedes Kind kann schlafen lernen" oder die "Freiberger Sanduhr" angewendet werden. Diese Programme basieren auf gezieltem Schreien lassen. Damit das Kind alleine einschläft wird nach einem festen Zeitmuster das Schreien reaktionslos abgewartet und dann halbherzig getröstet (ohne das Kind aus dem Bett zu nehmen). Nach einer bestimmten Zeit wird der Raum wieder verlassen und der Zeitraum des Abwartens ausgedehnt. Das Kind erlebt also immer und immer wieder, verlassen zu werden und vor allem: Dass ihm vorsätzlich Zuwendung und Trost dauerhaft entzogen werden. Dabei ist es unbedingt erforderlich, sich einem schreienden Kind sofort zuzuwenden und es zu trösten.

Auch während der abendlichen Schreiphasen bzw. der sogenannten Dreimonatskoliken bei Neugeborenen, die sich über Stunden hinweg ziehen können, sollte man das Kind niemals alleine lassen - auch wenn man das Gefühl hat, dem Kind so oder nicht helfen zu können; sollte die Zuwendung aufrecht erhalten werden. Falls man jedoch so nervlich angespannt ist, dass die Gefahr besteht, das Kind zu schütteln oder andere Aggressionsformen entstehen, dann MUSS man das Kind kurz weg legen - oft reichen wenige Minuten aus, um sich wieder in den Griff zu bekommen. Strategien für die Wutbewältigung findest Du in einem gesonderten Artikel in unserem Blog. Es gibt außerdem einen ausführlichen Artikel über Schreibabys, die ganz viele Tipps und Methoden enthalten, mit denen man schreiende Kinder beruhigen kann.

Die Schlafprogramme sind meist erfolgreich und werden daher leider immer noch sehr gerne weiterempfohlen. Die Frage ist: Um welchen Preis? Der Säugling wird das Schreien bei dauerhaftem Ignorieren irgendwann einstellen - er tut dies jedoch aus Resignation, nicht etwa, weil er "schlafen gelernt" hat. Tatsächlich wachen Kinder nach wie vor genauso oft auf, wie bisher, sie wissen jedoch, dass es sinnlos ist, nach Mama zu rufen, weil sie nicht kommen wird. Das Urvertrauen ist zerstört - das Baby hat gelernt: Egal wie sehr ich rufe, wie sehr ich mich quäle, niemand reagiert verlässlich auf mich, immer und immer wieder werde ich verlassen. Diese fehlende Feinfühligkeit wirkt sich massiv nachteilig auf die Bindung aus. 

Mutter mit Kind

Fazit 


Ein Baby sollte niemals vorsätzlich und auf gar keinen Fall allein schreien gelassen werden. Kein Baby wird dauerhaft schaden nehmen, weil die Bezugsperson mal auf die Toilette muss oder sich gerade dringend um das Geschwisterchen kümmert. Babys haben durchaus feine Antennen dafür, ob ihre Eltern gerade nicht "können" oder nicht "wollen" - und können kurze Zeiträume des Schreiens durchaus tolerieren.

Man sollte aber grundsätzlich im Interesse des Kindes versuchen, die Momente, in denen es schreien muss, zu begrenzen, so gut man das kann. Zumindest sollte das Ziel sein, dass das Kind nicht alleine weinen muss. Das ist in den ersten Lebensmonaten aufwändig und manchmal nervenaufreibend - aber hier wird dauerhaft der Grundstein für die Bindung zwischen Eltern und Kind und für die psychische Gesundheit im weiteren Leben gelegt.

Ein Kind, das man über längere Zeit schreien lässt, trägt Schäden davon - das ist nachgewiesen. Eltern, die ihre Kinder geferbert haben, sagen: "Ich habe doch trotzdem ein gesundes, fröhliches Kind" - die Auswirkungen werden sich jedoch wahrscheinlich erst im Jugend-/Erwachsenenalter zeigen. Natürlich kann es auch Kinder geben, auf die das Schreien lassen keine Auswirkungen hat - ebenso, wie Helmut Schmidt ohne Lungenkrebs ganz lange geraucht hat... Warum aber unnötig ein Risiko eingehen?

Ein Baby ist nur kurz ein Baby - daher sollte man in dieser Zeit alle Bedürfnisse kompromisslos erfüllen - man hat danach noch jahrelang Zeit, das Kind zu erziehen. Im ersten Lebensjahr ist ein Verziehen schlicht unmöglich.


Erkältungen, Husten, Schnupfen bei Kindern behandeln

Hausmittel gegen Husten und Schnupfen bei Kindern


Das Immunsystem von Babys ist zunächst noch sehr anfällig - etwa zehn bis zwölf Mal im Jahr leiden Babys und Kleinkinder unter Infekten. Der erste tritt meist zwischen dem 3. und 6. Monat auf. Auch wenn sie lästig sind, die Infekte sind sehr wichtig, um die Abwehrkräfte zu stärken und das Immunsystem reifen zu lassen. 

Am anfälligsten sind die Atemwege, da die Nebenhöhlen und Rachengänge noch sehr eng sind, behindern auch kleinere Schwellungen schnell die Atmung. Wenn die Kinder dann hauptsächlich durch den Mund atmen, trocknet dieser schnell aus und die Rhinoviren lassen sich dort nieder. Sie lieben das feucht-warme Klima von 33°C der oberen Atemwege, so dass sich eine Infektion schnell ausbreitet. Das Baby schnieft, hustet und ist unleidlich - oft beginnt eine Woche mit wenig Schlaf und viel Gejammer.

Verstopfte Nase durch Schnupfen

 
Die verstopfte Nase stört Babys oft am meisten, da sie reine Nasenatmer sind. Weit verbreitet ist die Empfehlung, dem Baby Muttermilch in die Nase zu träufeln - diese wird jedoch auch kritisch diskutiert. Zwar enthält Muttermilch Antikörper, die zur Besserung der Symptome beitragen, durch den hohen Gehalt an Laktose, einem Zweifachzucker, kann es jedoch auch dazu kommen, dass die feinen Flimmerhärchen der Nase verkleben und den Schleim nicht mehr ausreichend abtransportieren können. 

Daher sollte eher eine isotonische Kochsalzlösung das Mittel erster Wahl sein. Diese befeuchtet die Schleimhäute, löst den Schleim und unterstützt die Funktion der Flimmerhärchen. Man kann die Kochsalzlösung fertig kaufen, es ist aber relativ unkompliziert, selbst eine solche Lösung herzustellen: auf einen Liter abgekochtes Wasser kommen 9 g Salz. Die Lösung kann man in Pipettenflaschen aufbewahren. Sie hält sich ca. 48 Stunden im Kühlschrank und sollte dann neu hergestellt werden. 

Ist die Nase stark verstopft, können Babys sehr schlecht trinken - in diesem Falle helfen meist nur noch abschwellende Nasentropfen. Es gibt Präparate für Babys (0-1 Jahr), Kinder (2-6 Jahre) und Schulkinder und Erwachsene (ab 7 Jahren).

Bei Babys haben sich Nasenspülungen bewährt - dazu wird eine Kochsalzlösung mittels Pipette in die Nase gegeben und kurze Zeit später abgesaugt. Dazu eignen sich Nasensauger, wie der AngelVac, der an einen Staubsauger angeschlossen wird und mit verminderter Saugleistung den Schnodder aus der Nase saugt.

Das Ganze kann man auch mit dem eigenen Mund machen - z. B. mit dem Nosefrida. Mechanische Saug-Systeme mit Ballon zum Drücken haben bei uns komplett versagt - wenn jemand gute Erfahrungen mit anderen Methoden hat, würde ich mich über einen Kommentar freuen.

Oft wird auch Majoranbutter für die Nase empfohlen - einen wissenschaftlichen Nachweis für die Wirksamkeit gibt es jedoch nicht. Engelwurzbalsam auf die Nase geschmiert zeigt bei vielen Kindern gute Erfolge.

Hausmittel gegen Husten 


Das beste Mittel gegen Husten sind Zwiebeln - sie werden aufgeschnitten und in die Nähe des Babys gelegt. Stinkt bestialisch, hilft aber enorm. Ältere Kinder  (ab einem Jahr) bekommen einen Hustenzwiebelsaft: Die Zwiebel klein schneiden, ein bis zwei Esslöffel Zucker darüber streuen und abdecken - die Zwiebel gibt dann ihren Saft ab. Dieser kann löffelweise über den Tag verteilt gegeben werden. Viele Kinder mögen die Süße des Zwiebelsaftes, einige verabscheuen ihn trotzdem zutiefst. Bei uns half immer: Saft mit einer Spritze verabreichen - da wird er an den meisten Geschmacksnerven vorbei schon ein gutes Stück in Richtung Ziel transportiert (bitte in die hintere Wangentasche, nicht in den Rachen spritzen!) Auch aus schwarzem Rettich lässt sich ein guter Hustensaft für Kinder ab einem Jahr gewinnen: Den Rettich aushöhlen und ein paar Esslöffel Zucker oder Honig einfüllen und etwa 2 Stunden ziehen lassen. Sowohl Zwiebel- als auch Rettichsaft halten sich etwas 48 Stunden im Kühlschrank.

Wasserdampf öffnet die Atemwege und verbessert das Abhusten. Wegen der Verbrühungsgefahr sind Dampfbäder für Babys noch nicht geeignet. Man kann sich jedoch mit dem Kind ins Bad stellen und dort die längere Zeit Dusche heiß aufdrehen (Fenster und Türen sind geschlossen) - so steigt die Luftfeuchtigkeit im Raum schnell an. Zwar nicht ganz so umweltfreundlich, aber so kann das Kind bis zu 15 Minuten ungefährdet "inhalieren".

Leidet Euer Baby öfter unter Husten, dann kann die Anschaffung eines Inhaliergerätes erwogen werden. Kinderärzte verschreiben bei entsprechender Indikation (bspw. mehrfache Bronchitis) in der Regel einen PariBoy für Kinder, den man sich auch einfach selbst kaufen kann (eine günstigere Variante ist dieses Gerät). Durch eine Babymaske ist es zwar schwierig, aber nicht unmöglich, auch mit kleinen Kindern regelmäßig zu inhalieren. Übrigens - so unpädagogisch es ist, so wirksam ist es auch: selbst mit den kleinsten Babys schafft man es am besten, vor dem laufenden Fernseher zu inhalieren. Diese Geräte vernebeln ohne Wärmeentwicklung eine Natriumchloridlösung so fein, dass sie bis in die Bronchien gelangt. Bei einer Bronchitis können vom Arzt verordnete Medikamente beigemischt werden.


Eine weitere Möglichkeit, dem Kind Linderung zu verschaffen, sind Brustwickel. Ein Mulltuch wird gefüllt mit Magerquark, gehackten Zwiebeln oder klein gequetschten Pellkartoffeln (alles im Ofen/der Mikrowelle anwärmen - bitte Temperatur prüfen!) gefüllt und auf die Brust gelegt. Darüber kommt ein großes Frotteehandtuch. Der Wickel kann so lange angewendet werden, bis er ausgekühlt ist.

Honig wirkt entzündungshemmend, darf aber KEINESFALLS Kindern unter 12 Monaten gegeben werden (Vergiftungsgefahr durch Säuglingsbotulismus).

Auch wichtig: Auf keinen Fall in Kindernähe rauchen und viel frische Luft!

Ein kurzes Wort zu Hustensäften: Sie werden zwar gerne verschrieben, um den Eltern das Gefühl der Hilflosigkeit zu nehmen - fragt man jedoch mal explizit nach, sind viele Ärzte der Meinung, dass der Nutzen eher zweifelhaft ist. Keine einzige Studie zu dem Thema konnte den Nachweis erbringen, dass irgendein (schleimlösender) Hustensaft wirksam war. 

Fieber bei Babys und Kleinkindern 


Erkältungen gehen oft auch mit Fieber einher. Dazu gibt es einen separaten Artikel in unserem Blog: Fieber - Warum Fieber wichtig ist und wann man es wie senken sollte.

Unterstützende Hausmittel bei Erkältungen 


Erkältungslindernd wirkt Holunderblütentee - einen Teelöffel der Blüten mit 200 ml kochendem Wasser übergießen und auf Trinktemperatur abkühlen lassen.
 
Die Räume, in denen sich das erkältete Kind aufhält, sollten oft gelüftet werden. Ideal ist eine Luftfeuchtigkeit von 40-70% - das Raumklima kann man mit günstigen Hygrometern (ca. 10-20 EUR) überprüfen. Bei einigen Babyphonen ist diese Funktion sogar eingebaut (z. B. beim AVENT SCD580). Die Luftfeuchtigkeit lässt sich durch verschiedene Maßnahmen effektiv erhöhen: feuchte Tücher aufhängen, elektrische Vernebler oder Schüsseln auf der Heizung. Es lohnt sich auf jeden Fall, grundsätzlich ein ideales Klima im Schlafbereich des Babys zu schaffen, da die Feuchtigkeit der Luftwege einen großen Einfluss auf die Infektanfälligkeit hat. 

Bei Erkältungen schlafen Babys am besten leicht angeschrägt, da dies das Ablaufen der Sekrete erleichtert. Am besten funktioniert das Anschrägen des Oberkörpers mit einem Keilkissen, das unter die Matratze oder das Laken gelegt wird. Man kann auch mit Handtüchern unter der Matratze experimentieren - das ist billiger, aber aufwändiger. Bei uns funktionierte das leider nur mittelmäßig, da meine Kinder dazu neigten, dann quer unten ans Fußende zu kullern und dann doch wieder eben lagen. Ist die Haut um die Nase gerötet, lindert übrigens Vaseline die Beschwerden.

Wann sollte man mit Erkältungen zum Arzt gehen? 


Grundsätzlich gilt: Je jünger, desto schneller. Kinder, die jünger als 3 Monate sind und eine Erkältung haben, sollten immer einem Arzt vorgestellt werden. Danach kann man es von der Schwere der Symptome und dem Allgemeinbefinden abhängig machen - leider holt man sich in Kinderarztpraxen mit einer eigentlich harmlosen Erkältung dann oft noch einen gemeinen Magen-Darm-Infekt oder andere unangenehme Krankheiten.

Trinkt das Kind schlecht oder gar nicht, schreit es vermehrt oder wirkt es schlapp, ist ein Arztbesuch unumgänglich. Ebenso, wenn es schnell atmet, das Atmen Geräusche verursacht oder der Husten einen bellenden, harten Ton hat. Bei Atemnot (blaue Lippen, pfeifendes Einatmen, graue Haut) muss sofort eine Rettungsstelle aufgesucht werden.


Bei Fieber gibt es altersabhängige Empfehlungen: Für Kinder, die jünger als 3 Monate sind, ist Fieber bereits ab 37,7°C bedenklich, zwischen 3 und 6 Monaten sollte ab 38,2 °C ein Arzt aufgesucht werden, ab 6 Monaten ab 39,2 °C. Hat das Baby "nur" eine Erkältung, sollte diese nach spätestens 10 Tage abgeklungen sein - ist dies nicht der Fall, sollte ebenfalls eine ärztliche Untersuchung erfolgen.

Wenn sich das Baby vermehrt die Ohren reibt (das ist üblicherweise auch ein Anzeichen für Müdigkeit), kann eine Mittelohrentzündung vorliegen - dies sollte ebenso abgeklärt werden. Ein Indiz dafür ist, wenn mit Ohrthermometern in einem Ohr eine höhere Temperatur gemessen wird, als im anderen. Auch unbedingt abgeklärt werden sollte länger anhaltender Husten oder wenn der ausgehustete Schleim grün, gelb oder braun gefärbt ist - dies ist ein Anzeichen für eine zusätzliche bakterielle Infektion, diese muss ggf. antibiotisch behandelt werden.

Vorsicht - ätherische Öle! 


Ätherische Öle können schwere Reaktionen - von der Verkrampfung des Kehlkopfes bis hin zur Atemnot auslösen - das Bundesinstitut für Risikoforschung warnt daher vor ihrer Verwendung bei kleinen Kindern - sowohl am Körper als auch in der Raumluft. Für Kinder unter 3 Jahren sind insbesondere Kampfer, Eukalyptus, Thymian und Pfefferminz (=Menthol) problematisch. Daher sind streng genommen weder Babix noch Wick Babybalsam (enthalten beide Eukalyptus) für Babys geeignet. Beim Thymian kommt es auf die Sorte an - in speziellen Säuglingsprodukten wie Engelwurzbalsam oder Transpulmin Babybalsam sind unbedenkliche Öle enthalten. Grundsätzlich sollten für Baby alle Erkältungssalben und -bäder, die ätherische Öle enthalten, tabu sein. Auch Duft- und Lampenöle können übrigens solche Öle enthalten.

© Danielle

Mein Kind ist krank - Ansprüche auf Freistellung von der Arbeit


Statistisch gesehen erkranken Kita-Kinder bis zu zehn Mal im Jahr - in der Regel für mehrere Tage, an denen der Arbeitgeber dann das Gehalt kürzt. Im Folgenden möchte ich eine kurze Übersicht der derzeitigen Rechtslage bezüglich der Freistellung für die Betreuung erkrankter Kinder  und ihrer Bezahlung geben.

Kind-krank-Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch 


Es besteht grundsätzlich für jeden Arbeitnehmer ein Anspruch auf eine vorübergehende Freistellung, die sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ergibt:
§ 616 Vorübergehende Verhinderung 
Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt. 
Stetoskop und Stift

Die Rechtssprechung hat definiert, wie lang die "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" sein darf, nämlich pro Jahr bis zu 5 Tage. Das heißt also: Jedem - unabhängig davon, ob das Kind privat oder gesetzlich versichert ist - stehen nach dem BGB pro Jahr 5 vollbezahlte Tage zu, an denen er seine kranken Kinder betreuen kann.

Dieses Recht kann durch einen Tarifvertrag oder eine individuelle Regelung im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden - das sollte man also überprüfen. Für Beamte gibt es in den meisten Ländern Sonderurlaubsverordnungen, die die Freistellung regeln.

Steht im Arbeitsvertrag nichts zum § 616 BGB, dann gilt diese Regelung und man kann jährlich 5 Tage daheim bleiben, ohne dass Lohn oder Gehalt gekürzt werden.

Krankengeld für gesetzlich versicherte Kinder 


Sind die Kinder und das betreuende Elternteil gesetzlich versichert, gilt § 45 des Sozialgesetzbuches V (SGB V). Danach erhalten die Eltern Kinderkrankengeld, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Das Kind hat das 12. Lebensjahr noch nicht beendet.
  • Der Arzt bescheinigt die Notwendigkeit der Betreuung (blauer Kinderkrankenschein).
  • Eine andere im Haushalt lebende Person kann das Kind nicht betreuen.

Der Anspruch auf Kinderkrankengeld besteht für jedes Kind für maximal 10 Tage im Kalenderjahr, ist aber auf 25 Tage insgesamt begrenzt (4 Kinder bedeuten also nicht 40 Tage). Alleinerziehende haben Anspruch auf 20 Tage je Kind - maximal jedoch 50 Tage pro Jahr. "Im Kalenderjahr" bedeutet, dass auch bei Arbeitsverträgen, die beispielsweise am 1. Dezember beginnen, der Anspruch noch in voller Höhe geltend gemacht werden kann und nicht nur anteilig gewährt wird.

Der Anspruch nach § 616 BGB geht übrigens vor - das wissen und praktizieren viele Personalabteilungen nicht. Das heißt konkret: Von den 10 Krankentagen pro Kind sind die ersten 5 Tage grundsätzlich vollbezahlt - für die übrigen 5 Tage besteht dann Anspruch auf Krankengeld. Ist die BGB-Regelung vertraglich ausgeschlossen, dann erhält man für 10 Tage Krankengeld.

Der Arbeitgeber erhält eine Kopie des blauen Kinderkrankenscheines (formal "Ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes"), das Original wird zur Krankenkasse geschickt. Diese holt sich dann die notwendigen Informationen zur Berechnung des Kinderkrankengeldes vom Arbeitgeber und überweist das Geld auf das auf der Bescheinigung angegebene Konto. 

Eine Übertragung der Tage von einem Elternteil zum anderen ist dann möglich, wenn beide Eltern einen Anspruch auf Kinderkrankengeld haben (ist der Vater bspw. privat versichert, hat er keinen Anspruch - es kann also nichts übertragen werden). Dafür ist die Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich, auf dessen Arbeitnehmer die Tage übertragen werden sollen (und ggf. eine Bescheinigung, ob und wie viele Tage bereits verbraucht wurden).

Medikamente und Geld

Die Höhe des Kinderkrankengeldes wurde zum 01.01.2015 angepasst und beträgt nun 90 % des Netto-Gehaltes. Wurde in den letzten 12 Monaten eine Prämie gezahlt, dann sogar 100 %.

Privat versicherte Kinder 


Eltern von privat versicherten Kindern haben normalerweise keine Ansprüche gegenüber ihrer privaten Krankenversicherung - sie können sich also allenfalls für die 5 Tage pro Jahr (nicht pro Kind) nach § 616 BGB freistellen lassen.

Einzelne Versicherer bieten jedoch bereits ein Kinderkrankengeld analog zu den Regeln der gesetzlichen Versicherung an (z. B. Signal Iduna). Voraussetzung ist in der Regel, dass sowohl Kind als auch Elternteil dort versichert sind.

Für Arbeitnehmer, die dem TVÖD oder BAT unterliegen, gilt: Die Freistellung ist auf vier Tage pro Jahr begrenzt - allerdings gibt es auch Tage für erkrankte Partner (einen) oder wenn der Partner krank ist und man das Kind deshalb betreuen muss (vier). Insgesamt ist die Zahl all dieser Tage auf fünf insgesamt begrenzt.

Freiwillig gesetzlich versicherte Selbständige 


Die Selbständigen, die sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert haben, haben zwar einen Anspruch auf Kinderkrankengeld - in der Regel jedoch erst am 43. Tag der Krankheit (wie bei eigener Erkrankung auch). Die Regelung für den Versicherten ist also maßgeblich dafür, wann für ein erkranktes Kind Krankengeld bezahlt wird. Einige Krankenkassen bieten auch Krankengeld ab dem 1. Krankheitstag - diese Information findet man in den Satzungen der Kassen.

Was passiert, wenn die Freistellungs-Tage aufgebraucht sind? 


Wenn das Kind länger oder öfter erkrankt sein sollte, bleibt einem nur noch eine unbezahlte Freistellung von der Arbeit. Diese ist auf Berufung auf
§ 275 Ausschluss der Leistungspflicht
...
(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.
möglich. Ist die Erkrankung lebensbedrohlich, ist der Bezugszeitraum für das Kinderkrankengeld im Übrigen unbegrenzt.

Wenn den Eltern durch den längeren Arbeitsausfall nachweislich der Verlust des Arbeitsplatzes droht, besteht die Möglichkeit, sich an das Jugendamt zu wenden und eine Betreuungshilfe für die sogenannte „Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen“ zu beantragen.

Übrigens: Falls das Kind im Urlaub erkrankt, ist es nicht möglich, sich den Urlaub "gutschreiben" zu lassen.

© Danielle

Verbrennungen und Verbrühungen bei Kindern behandeln

Vorab ein Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt selbstverständlich keine ärztliche Beratung und auch keinen Erste-Hilfe-Kurs. Wir wollen an dieser Stelle lediglich in einigen Beiträgen eine kurze Übersicht über erste Hilfe bei Babys und Kleinkindern geben - am sinnvollsten ist in jedem Falle der Besuch eines entsprechenden Kurses - beispielsweise beim Deutschen Roten Kreuz.
 
Verbrennungen und Verbrühungen sind neben Vergiftungen die häufigste Unfallursache in den ersten Lebensjahren. Oft ist es schwierig, das Ausmaß der Verletzung zu bestimmen, schon mittelgroße Verbrennungen und Verbrühungen können lebensgefährlich sein.



Einschätzung des Ausmaßes der Verbrennung - wann ist welche ärztliche Hilfe erforderlich? 


Lebensgefahr für Kinder besteht, wenn mehr als 8% der Körperfläche schwere Verbrennungen aufweisen. Die Abschätzung erfolgt am einfachsten, wenn man die die Oberfläche der Kinderhand als Maßstab nimmt - sie entspricht ungefähr einem Prozent der Hautoberfläche. Für die anderen Körperteile gelten folgende Anteile:

  • Kopf und Hals 16%
  • je Arm 9%
  • Rumpf: Vorder- und Rückseite je 16%
  • je Bein 17%.

Allein die Verbrennung eines Armes kann also schon tödliche Folgen haben. Mit einer einzigen Tasse heißem Tee kann man allein bis zu 30% der Hautoberfläche eines kleinen Kindes verbrühen - dabei reicht eine Temperatur von 52°C schon aus. Verbrennungen sind deshalb gefährlich, weil der Körper über die verbrannte Fläche sehr viel Flüssigkeit verliert. Ab einer Gesamtfläche von 5% verbrannter Haut besteht akute Schockgefahr.

Man unterscheidet drei Schweregrade bei Verbrennungen. Das tatsächliche Ausmaß ist meist nicht sofort zu erkennen und entwickelt sich oft erst über eine gewisse Zeit.

Verbrennungen ersten Grades 


Die Haut ist rot, heiß und geschwollen, das Kind empfindet brennende, ziehende Schmerzen - bspw. ein Sonnenbrand. Die Haut sollte nicht abgedeckt werden und heilt ohne Eingreifen innerhalb von 5 bis 10 Tagen vollständig. 

Verbrennungen zweiten Grades 


Die Haut ist rot, heiß und stark geschwollen, das Kind empfindet brennende, starke Schmerzen und es bilden sich zusätzlich Blasen. Man unterscheidet in

2a (oberflächlich): Die Wunde nässt und heilt ohne operativen Eingriff.
2b (tief): Die Wunde ist trocken und verfärbt sich weißlich/grau - sie muss operiert werden und hinterlässt Narben.

Verbrennungen dritten Grades 


Mehrere Hautschichten sind zerstört - bis hin zur Verkohlung (schwarz) - Schmerz wird oft durch die Schädigung der Nerven nicht empfunden. Es kommt häufig zu Atem- oder Kreislaufstörungen. Die Wunde muss operiert werden, es bleiben Narben.
Sofort (not-)ärztliche Hilfe ist erforderlich, wenn

  • Gesicht oder Genitalien verbrannt sind
  • bei Verbrennungen 3. Grades
  • wenn bei Verbrennungen 2. Grades mehr als 5% der Haut betroffen sind.

Das Kind sollte nicht selbst in eine Klinik gefahren werden, sondern der Rettungsdienst verständigt werden - dieser weiß, welche Klinik für die Behandlung eher in Frage kommt und bringt das Kind - je nach Schwere der Verletzung - in ein entsprechend spezialisiertes Krankenhaus.

Eine zügige aber nicht sofortige ärztliche Behandlung ist erforderlich, wenn die verbrannte Hautfläche größer als 1% der Hautoberfläche (also "eine Hand") ist.

Erste Hilfe bei Verbrennungen und Verbrühungen 


Bei einem Brand gilt: Kind aus der Gefahrenzone bringen, brennende Kleidung löschen (auf dem Boden wälzen oder mit einer Decke ersticken - Feuerlöscherinhalte wegen der Erstickungsgefahr unbedingt vom Kopf fern halten) und den Brand - soweit möglich - löschen (Fettbrände nie mit Wasser löschen, immer ersticken!). Ist dies nicht möglich muss die Feuerwehr alarmiert werden.

Dann sollten die Vitalfunktionen geprüft werden - ist das Kind bei Bewusstsein? Atmet es? Ist dies nicht der Fall, sind lebensrettende Sofortmaßnahmen erforderlich. Ist das Kind bewusstlos und atmet, muss es in die stabile Seitenlage gebracht werden.

Die Kleidung sollte schnellstmöglich entfernt werden, wenn dies möglich ist - dabei mit der Haut verklebte Teile (bei Verbrennungen leider häufig) nicht abreißen sondern ggf. vom Rest der Kleidung abschneiden.

Sind mehr als 10% Körperfläche betroffen, muss sofort der Notarzt (112) alarmiert werden. In solchen Fällen darf nicht gekühlt werden, vielmehr muss die Körperwärme erhalten werden. Dazu eignen sich wärmeerhaltende Rettungsdecke (Verwendung der Decke: außen silber, innen gold). 

Sind weniger als 10% der Haut verbrannt, sollte sofort gekühlt werden, da dies tiefer gehende Hautschäden verhindert. Dabei lösen sich dann  auch u. U. festgebrannte Kleidungsstücke. Es darf immer nur der betroffene Bereich gekühlt werden und das Wasser darf dabei nicht zu kalt sein - eher lau (15-20 °C), da es sonst zu Unterkühlungen kommen kann. Das Kühlen sollte bei größeren Flächen über 1% nicht länger als  fünf bis zehn Minuten dauern - bei Kleinkindern unter 3 Jahren eher nur 2 bis 3 Minuten). Wenn das Kind fröstelt oder es die Kühlung als unangenehm empfindet, sollte sie sofort beendet und das Kind zugedeckt werden.
 
Kleinkindhand, Hand, Finger, Wasser, Wasserhahn

Kleinere Verbrennungen (bis zur Größe der Oberfläche eines Fingers) können länger - etwa bist zu 20 Minuten lang - gekühlt werden. Nehmt dafür kein Eis - das lindert zwar den Schmerz zunächst effektiver, führt jedoch zu einer stärkeren Durchblutung, so dass noch stärkere Schmerzen die Folge sind.

Also Faustregel gilt also: Je mehr (verbrannt), desto weniger (kürzer Kühlen)!
Es sollten keinerlei fremde Substanzen (Hausmittel oder ähnliches) auf die Wunde aufgebracht werden. Keinesfalls dürfen Brandblasen geöffnet werden - es besteht sonst eine hohe Infektionsgefahr.

Offene Wunden (nicht im Gesicht) können mit einem sterilen Verband (der in der Hausapotheke vorrätig sein sollte) oder idealerweise einem Metallinetuch (verklebt nicht mit der Wunde) abgedeckt werden - im Notfall können auch nicht fusselnde, saubere, gebügelte Taschen- oder Geschirrtücher verwendet werden.

Bei kleinflächigen Verbrennungen 1. Grades, die nicht ärztlich behandelt werden müssen, können Bepanthen-Salbe®, Fenistil-Gel® oder von Weleda die Combudoron-Salbe® verwendet werden.

Verbrennungen vorbeugen 


Die meisten Verbrennungs-/Verbrühungsunfälle sind vermeidbar - folgende Maßnahmen reduzieren das Risiko enorm:

  • Streichhölzer und Feuerzeuge konsequent außer Reichweite räumen,
  • das Kind nie allein an offenem Feuer (Kerze) oder am Grill lassen,
  • niemals Spiritus oder andere Brandbeschleuniger beim Grillen verwenden, es sind Verpuffungen möglich,
  • keine herunter hängenden Tischdecken verwenden,
  • Bügeleisen (auch zum Abkühlen) immer außer Reichweite stellen,
  • nichts heißes Essen, während das Kind auf dem Schoß sitzt,
  • Flaschen und Brei aus der Mikrowelle vorher immer umrühren und die Temperatur prüfen,
  • beim Baden niemals erstmal nur heißes Wasser einfüllen - entweder gleich die richtige Temperatur suchen oder mit kaltem Wasser beginnen, das heiß aufgefüllt wird,
  • Wasserhähne nicht auf der Position "heiß" lassen - Verbrühungen können schon ab 52°C entstehen - mit Thermostat am besten auf 50°C begrenzen,
  • keine Wärmeflaschen verwenden - besser sind Körnerkissen verwenden (Achtung - Kirschkerne entfalten ihr Temperatur zeitverzögert, Traubenkernkissen sind besser geeignet),
  • nicht mit Kindern über heißem Wasser inhalieren - lieber Vernebler verwenden,
  • möglichst mit den hinteren Herdplatten/-feldern kochen und den Herd mit einem Herschutzgitter sichern,
  • Griffe von Töpfen und Pfannen so drehen, dass ein Herunterreißen erschwert wird,
  • bei Wasserkochern und Tauchsiedern darauf achten, dass nicht am Kabel gezogen werden kann,
  • keine Heizdecken in Kinderbetten verwenden,
  • Heizkörper und Öfen sichern - Kontaktverbrennungen sind ab 50°C möglich und 
  • keine Wunderkerzen verwenden - die Funken können Kleidung in Brand stecken.

Am wichtigsten ist Aufklärung - dem Kind sollten die Gefahren bewusst gemacht werden. Im Falle eines Feuers soll es laut "FEUER!" rufen - Kinder neigen zu stillen Fluchtreaktionen (Verstecken im Gefahrenbereich) oder unüberlegten Handlungen (Kuscheltier retten). Fluchtwege sollte gezeigt werden und unbedinbt geübt werden, wie man kriechend den Brandort verlassen kann (am Boden atmet es sich leichter).

Und nicht vergessen: Rauchmelder retten Leben.

© Danielle 

Trotzphase - Umgang mit Wutanfällen in der Autonomiephase

Hilfe, mein Kind trotzt - wie lernt es mit seiner Wut umzugehen?

Ich weiß noch, dass der erste Wutanfall einer meiner Töchter mich unvorbereitet traf wie ein Schlag aus dem Nichts. Mein Kind war 14 Monate alt, wir hatten im Bio-Laden gerade eingekauft und sie gebärdete "Keks!". Ich gab ihr einen Keks und .... "WUUUUÄÄÄÄÄÄÄHHHHHHHH!!!!!!!". Wie vom Donner gerührt stand ich da und guckte ungläubig auf mein bis dato liebes Kleinkind. Wie jetzt, "Wuäh?" Ich habe dir doch deinen erbetenen "Keks" gegeben? Aber nein, das Kind schrie und stampfte und wurde immer wütender, weil ich nur Bahnhof verstand. Nach langem mühevollen Ausprobieren mehrerer Optionen, bei dem ich im Übrigen tierisch ins Schwitzen und ziemlich in Panik geriet, wurde klar: Das Kind will keinen Keks, das Kind will die gerade eingekaufte Banane! Sie konnte aber Banane noch nicht gebärden. Ach herrjemine, dachte ich, das kann ja lustig werden mit der Trotzphase in den nächsten Monaten!
 
Wütendes Kleinkind
 


Entwicklungsmodell der Stressregulation 


Wenn Kinder größer werden und feststellen, dass ihre Wünsche und Vorlieben nicht immer mit denen ihrer Mitmenschen übereinstimmen und es deshalb vorkommt, dass sie nicht erfüllt werden, werden sie unvermeidlich mit den Gefühlen Wut, Trauer, Enttäuschung und Angst konfrontiert - sie kommen in Trotzphase. Es ist wichtig, dass sie lernen, diese Gefühle zu regulieren und zu tolerieren und den dabei entstehenden Stress auszuhalten. Einen Grundstock an Fähigkeiten bringen sie bereits aus dem Mutterleib mit, der Rest ist angenommenes Verhalten und wird maßgeblich durch die Hilfe der Eltern (oder anderer feinfühlig reagierender Personen) erlernt.

Das nun folgende Entwicklungsmodell von Band, Weisz und Koop beschreibt diesen Lernprozess wie folgt (vgl. Band, Weisz, 1988; Koop, 1989):
0 - 3 Monate: Kinder drehen sich von unangenehmen Reizen weg und lutschen am Daumen, um sich selbst zu beruhigen, wenn sie in Stress geraten. Das schaffen sie aber nur bei leicht unangenehmen Reizen, zu starker Stress kann noch nicht selbst reguliert werden. Das bedeutet, Eltern müssen zunächst ihre Kinder unbedingt durch Körperkontakt, möglichst sogar Hautkontakt, fremdregulieren.

3 - 9 Monate
: Nun sind unsere Kinder bereits in der Lage, sich an etwas zu erinnern, das sie in der Vergangenheit beruhigt hat. Sie werden leiser und entspannen sich, bevor der antizipierte Reiz ausgeführt wird, da sie das Ergebnis gedanklich bereits vorweg nehmen können. Wenn unsere Töchter sehr, sehr hungrig waren und weinten, hörten sie zum Beispiel sofort auf, sobald ich mich mit ihnen und dem Stillkissen in unseren Stillstuhl setzte. Ich hatte noch nicht einmal meine Brust freigelegt - sie wussten trotzdem schon,
dass sie nun gleich stillen durften. Andere Mütter beobachten, dass das Kind zu weinen aufhört und lächelt, sobald sie mit dem Pucksack vor ihm auftauchen. Auch in diesem Alter gilt: Die Kinder sind noch sehr leicht überfordert von Stressoren und benötigen weiterhin stark die Unterstützung der Eltern, um sich zu regulieren, auch hier ist Fremdregulation noch die Haupttechnik.

1 - 4 Jahre:
Dies ist der intensivste und wichtigste Abschnitt des Erlernens von Stressbewältigung (Coping). "Primäres Coping" setzt voraus, dass eine Situation bewusst als stressauslösend erkannt wird und beinhaltet eine Abfolge von Handlungen, die auf die Veränderung der äußeren Situation gerichtet sind. Wenn wir zum Beispiel Besuch bekommen - ein Vorkommnis, das eine unserer Töchter unter starken Stress setzt - geht ebendiese Tochter gezielt in ein anderes Zimmer, um dort eine Spieltätigkeit aufzunehmen, bei der andere nicht mitmachen können. Schafft sie es nicht, an der fremden Person vorbeizukommen, wirft sie sich schnellstmöglich in unsere Arme, dreht dem Besucher bewusst den Rücken zu und erstarrt solange in dieser Position, bis dieser wieder geht. In diesem Entwicklungsalter nutzen Kinder gern sogenannte Übergangsobjekte wie Kuscheltiere oder Kuscheldecken, um Stress abzubauen. Leider haben unsere Töchter nie wirklich ihre Liebe zu einem Kuschelobjekt entdeckt, so dass ihnen diese Stressabbau-Strategie nicht zur Verfügung steht. Zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr haben Wutanfälle ihren Höhepunkt. Sie sind ein Ausdruck primären Copings und ein Versuch, die stressauslösende Situation durch Schreien zu verhindern. Viele Eltern lassen ihre Kinder in diesen Situationen allein wüten, weil sie meinen, dass die Kinder damit selbst fertig werden müssen bzw. können. Das ist jedoch nicht der Fall. Gerade in diesem Alter ist eine feinfühlige Unterstützung bei Wut und Stress, d. h. eine Fremdregulation durch die Eltern, noch sehr wichtig!

4 - 7 Jahre:
In diesem Alter entwickelt sich das sekundäre Coping. Sie bezeichnet die Änderung der inneren Situation, d. h. die Fähigkeit, sich an bestehende äußere Umstände anzupassen. Das primäre Coping bleibt allerdings noch einige Zeit die bevorzugte Strategie. Nur in Situationen, in denen Kinder das Gefühl haben, wenig Kontrolle über die Umstände zu haben, wird das sekundäre Coping eingesetzt, z. B. wenn sie eine Spritze bekommen oder sich an Gepflogenheiten und Regeln im Kindergarten und in der Schule anpassen müssen. Es ist dann so, dass sie z. B. im Kindergarten gut "funktionieren" und dort ohne Murren ihre Sachen selbst anziehen, jegliches Essen probieren und ohne Probleme beim Mittagschlaf einschlafen - also Dinge, die sie bei ihren Eltern zuhause nicht so ohne Weiteres tun. Wenn sie dann abgeholt werden, fallen sie manchmal in den Armen der Eltern in sich zusammen und bewältigen den Stress der stundenlangen Anpassung durch ...na? Genau, einen Wutanfall. Das ist gut und richtig so, unsere Kinder sollten darin von ihren Eltern unterstützt werden. Der bewusste Umgang mit Ärger und Wut stellt eine sekundäre Coping-Strategie dar. Es wird davon ausgegangen, dass unsere Kinder diese erst im Grundschulalter wirklich beherrschen.


8 - 12 Jahre: Mehr und mehr greifen die Kinder nun auf sekundäres Coping zurück, mit 12 Jahren wird es zur Hauptstrategie. Beim Umgang mit Ärger und Wut dient das laute Denken und das Selbstgespräch der Verhaltenssteuerung. (vgl. Band, Weisz, 1988; Koop, 1989).

Neuronale Grundlagen: Wütende Kleinkinder verstehen 


Nach Dr. Harvey Karp, Autor des Buches Das glücklichste Kleinkind der Welt, dominiert im Gehirn eines Kleinkindes - anders als bei Erwachsenen oder älteren Kindern - die rechte Gehirnhälfte. Diese ist besonders "gut" darin, kreativ und gefühlvoll zu sein, sie lässt das Kind intuitiv und spontan entscheiden, hilft ihm dabei, Gesichter zu erkennen und ist ein Experte für die Entschlüsselung von Bildersprache/Gebärden.
 
 
Der linken Gehirnhälfte werden Funktionen wie logisches Denken, Sprache und analytisches Denken zugeschrieben, d. h. sie hilft unseren Kindern, beim Sprechen das richtige Wort auszuwählen, sich beim Gummibärchen-Aufteilen für den größeren Anteil zu entscheiden und den Schlüpfer vor der Hose anzuziehen und nicht anders herum. Im Gegensatz zur strukturierten linken Hälfte, ist laut Karp die rechte Seite leicht ablenkbar, impulsiv und emotional - und unsere Kinder somit auch (vgl. Karp, 2010: 30). Tritt nun noch ein Stresserlebnis während der Autonomiephase ein, z. B. wenn ein Erwachsener etwas verbietet, wird die vernünftige, geduldige linke Gehirnhälfte unserer Kinder sogar komplett ausgeschaltet und die rechte Seite trifft alle Entscheidungen und duldet keinen Widerspruch. Das Kind wütet. Es wirft sich auf den Boden, schreit, tritt, spuckt, haut und ist ganz allgemein gesagt völlig außer sich. Wer da mit Worten das Kind erreichen möchte, hat schlechte Karten - die linke Gehirnhälfte ist gerade im Urlaub. Das Kind hört eigentlich nur "Blablablabla, Paul, blablablabla." Kein Wunder, dass unsere üblichen Beruhigungsversuche so destaströs fehlschlagen - sie verstehen uns einfach nicht! Sie können uns nicht verstehen. 

Fremdregulation: Wütende Kleinkinder beruhigen 


Nun ist also die linke Gehirnhälfte so gut wie ausgeschaltet und die rechte Gehirnhälfte wütet und wütet und wütet und die Eltern stehen verloren und unschlüssig vor dem Kind und wissen nicht weiter. Ansprache funktioniert nicht. Anfassen macht alles noch schlimmer. Uns gehen die Optionen aus. Kind allein wüten lassen und abwarten, bis es vorbei ist? Klar, kann man machen, das dauert aber für alle Beteiligten gefühlt ewig und hinterlässt eine völlig verausgabte Familie. Der Vater ist fertig, weil er es nicht ertragen kann, dass es dem Kind so schlecht geht, die Mutter ist erledigt, weil das Geschrei in ihr negative Gefühle ihrer eigenen Kindheit getriggert hat, das Kind ist durchgeschwitzt und emotional am Ende, weil es gerade von den heftigsten Gefühlen aller Zeiten geschüttelt wurde. Das kann doch nicht die Lösung sein? Hier kommt die wirklich spektakuläre Fähigkeit der rechten Gehirnhälfte ins Spiel, die uns in solchen Wutmomenten im wahrsten Sinne des Wortes viel Leid erspart: sie kann nach Karp nonverbale Kommunikation ganz wunderbar entschlüsseln. Mimik, Gestik, Tonfall, all das kommt im Gehirn auch während eines Wutanfalls an! Heureka! (vgl. Karp, 2010: 31).

Wenn man also mithilfe von Stimme und Körpersprache das aufgebrachte Kleinkind anspricht und seine Gefühle widerspiegelt, kann man ihm helfen, sich schnell zu beruhigen (vgl. ebd., 2010: 32). Das klingt jetzt erst mal seltsam, klappt aber wirklich ganz hervorragend bei allen trotzigen Kindern, bei denen ich es bisher ausprobiert habe. Ich muss sagen, je jünger man damit beginnt (ab 12 Monate), desto einfacher wird es natürlich in der Hochzeit der Autonomiephase. Aber auch, wenn das Kind jetzt schon 2 oder 3 Jahre alt ist, kann man noch damit beginnen. Dann werden die Erfolge erst mal nicht so schnell eintreten, aber sie werden kommen. 

1. Schritt: Respektvoll Kontakt aufnehmen 


Der Schlüssel zur Kommunikation mit aufgebrachten Kleinkindern ist nach Dr. Karp die respektvolle Kontaktaufnahme. Er nennt das die "Fast-Food-Regel" (vgl. ebd., 2010: 69). Es ist klar, dass dabei der Aufgebrachtere zuerst spricht - im Falle unserer Kinder hört sich das dann etwa so an: "WWWUUUÄÄÄÄHHH!!!! NEIN! NEIN! AAAARRRGGGGGHH. GGGGRRRAAAHHHH. WWWUUUÄÄÄÄHH!"

Der andere hört zu und wiederholt zunächst, was der Aufgeregte sagt. Dabei ist weniger wichtig, was man sagt, sondern wie man es sagt (man muss ja damit die rechte, nicht die linke Gehirnhälfte ansprechen). Die Mutter spiegelt also mit etwas aufgeregter Stimme und empathischer Mimik und Gestik: "Du bist wütend! Wütend! Du sagst: "Nein! Nein! Nein!" Der wirklich alles entscheidende Punkt dabei ist, den richtigen emotionalen Ton zu treffen. Man darf die kindliche Emotion in Stimme und Körpersprache nicht zu stark wiederspiegeln oder gar lächerlich überziehen - dann fühlt es sich unverstanden und nicht ernst genommen. Man darf aber auch nicht angenervt oder nur halbherzig spiegeln so nach dem Motto "Jaaaa, schon klar, du bist wütend, hab ich verstanden...". Sagen wir, das Kind brüllt mit 100%er Stärke "Wuäh! Nein!", dann sollten die Eltern ungefähr mit 30%-50% spiegeln "Du bist wütend! So wütend! Du sagst Nein!" und - ganz wichtig - die Gefühle des Kindes eben auch durch Mimik und Gestik und kindlich aufgeregter Stimmlage wiedergeben (vgl. ebd., 2010: 70ff). 

Das, was ich an dieser "Fastfood-Regel" so angenehm finde ist, dass ich meinem Kind nicht nur mit Liebe, sondern vor allem mit Respekt begegne. Ich respektiere seine Gefühle, denn sie haben immer einen für das Kind guten Grund und ich zeige meinem Kind durch das Spiegeln, dass ich verstanden habe, wie es sich fühlt und das es okay ist, sich so zu fühlen. Das bedeutet nicht, dass ich ihm keine Grenzen setze. Es bedeutet nur, dass ich ihm sage, dass alle Gefühle richtig und wichtig sind und dass ich ein offenes Ohr für seine Emotionen habe (vgl. ebd., 2010: 88f). Im Übrigens ist das keine radikal neue Idee, sondern einfach eine Abwandlung von aktivem Zuhören und gewaltfeier Kommunikation auf dem Niveau von Kleinkindern.

Es ist gar nicht so schwer, respektvoll Kontakt aufzunehmen, wenn man im Hinterkopf behält, dass die linke Gehirnhälfte während eines Trotzanfalls momentan außer Betrieb ist. Drei Punkte sollten wir dabei beachten:
  1. Gefühle wiederspiegeln: Wir sollten leiser als das Kind sprechen, aber mit der Stimme ungefähr den selben emotionalen Level der Aufgebrachtheit anstreben. Das Kind ist wütend, also sollten wir etwas von der Frustration, der Wut und Angst in unsere Stimme, unserem Gesicht und der Körpersprache übernehmen (daher der Begriff "Spiegeln"). Es ist wichtig, dabei wirklich ausdrucksstark zu sein, damit unsere Botschaft ankommt. Die Augenbrauen heben, die Augen aufreißen, die Stirn runzeln, den Kopf schütteln, mit den Achseln zucken, mit den Füßen aufstampfen, mit den Armen fuchteln - all das ist wichtig (vgl. ebd, 2010: 108f)! Auf keinen Fall jedoch sollte sich so über das Kind lustig gemacht werden, es also nachgeäfft werden. Das Spiegeln ist eine aufrichtige, liebevolle Methode und dient nicht dazu, den Wutanfall ins Lächerliche zu ziehen. Und nochmal: unsere Spiegelung ist in ihrer Intensität geringer, als die Emotion des Kindes
  2. Kurze Sätze: Statt "Ja, Paul, ich weiß, dass du vor dem Hund Angst hattest, aber er ist ja nun weg." sollten wir versuchen, mit prägnanten Schlagworten vorzudringen: "Angst! Angst! Großer Hund! Weg, sagst du, weg! Weg!"
  3. Wiederholungen: Damit die Worte im wütenden Gehirn überhaupt ankommen, müssen sie oft wiederholt werden. Bei leichten oder anfänglichen Trotzreaktionen genügen 1 - 2 mal. Hat sich das Kind bereits so richtig in Rage geschrien, kann es sein, dass man die Gefühle 6 - 8 Mal spiegeln muss, bevor das Kind sich einem zuwendet und fragend guckt: "Moment mal, redest du mit mir?" (vgl. ebd., 2010: 107).
Es ist kaum zu glauben, aber schon nach dieser einfachen Maßnahme des respektvollen Kontakaufnehmens durch Spiegeln der Gefühle beruhigen sich die meisten Kinder soweit, dass man sie wieder normal ansprechen kann. Das heißt zwar nicht, dass der Wutanfall schon ausgestanden ist, aber immerhin hat man jetzt eine Basis auf der man mit dem Kind normal verbal in Kontakt treten kann. Das Kind liegt nicht mehr schreiend und strampelnd auf dem Boden, sondern guckt die Eltern erwartungsvoll an, als wolle es sagen: "Okay, ihr habt mein Problem erkannt. Was machen wir nun?" 

2. Schritt: Elterliche Botschaft "....., aber...." 


Nun da unsere Kleinkinder ihr Problem ausgedrückt und sich durch das Verstanden fühlen halbwegs beruhigt haben, sind wir mit unserer Botschaft an der Reihe. Der Sturm der Gefühle hat sich ein wenig gelegt, die linke Gehirnhälfte nimmt ihre Arbeit wieder auf und wir können anfangen, in normaler Sprache zu erklären, warum jetzt gerade nicht geht, was das Kind gerne möchte. "Du möchtest so gerne noch weiterspielen, aber wir müssen nun los zum Kindergarten. Ich komme sonst zu spät zur Arbeit".
Natürlich wird das "berühmte elterliche "Aber" (Karp, 2010: 86) von unseren Kindern nicht mit Freude aufgenommen. Das seelische Gleichgewicht ist immer noch fragil, es kann sein, dass der Wutanfall in diesem Augenblick nochmal aufflammt. Er ist aber in der Regel schwächer. Wir sollten ihm noch einmal mit dem respektvollen Spiegeln der Emotionen ("Fast-Food-Regel") begegnen, so, wie wir es gerade schon gemacht haben. Wenn das Kind dann wieder ruhiger wird, bieten wir ihm einen Kompromiss an. 

3. Schritt: Lösung des Problems anbieten 


Ich persönlich finde diesen Punkt den schwierigsten, denn nicht immer fällt mir so auf die Schnelle ein, wie mein Kind und ich beide als Gewinner aus dem Konflikt herausgehen können. Ich suche einen win-win Kompromiss oder biete Wahlmöglichkeiten an. "Du möchtest so gern noch weiterspielen, aber wir müssen los. Du kannst deine Puppe im Rucksack mitnehmen und sie wartet dann in der Kindergarten-Garderobe auf dich". "Du möchtest so gerne noch weiterrutschen, aber der Papa wartet mit dem Abendbrot auf uns. Möchtest du noch einmal oder zweimal rutschen, bevor wir gehen?" "Du willst so gern die Gummistiefel anziehen, aber draußen ist es soooo heiß. Pass auf, du kannst die Gummistiefel anziehen und wir nehmen deine Sandalen mit und tauschen sie später".

Manchmal, wenn etwas wirklich überhaupt nicht geht, erfülle ich den Wunsch in der Fantasie (vgl. Karp, 2010: 85): "Du möchtest sooo gern jetzt ein Kugeleis essen, aber es ist Winter draußen und der Laden hat zu. Ich wünschte, ich könnte all den Schnee wegpusten. Das wäre schön! Ich würde die Sonne hinter den Wolken hervorholen und es warm werden lassen. Dann könnten wir ein Eis essen. Ich freue mich schon wirklich auf den Sommer, wenn der Laden wieder offen ist. Wollen wir dann ein Schoko- oder ein Erdbeereis essen?" Erstaunlicherweise klappt das sehr gut und lenkt die Aufmerksamkeit meiner Töchter auch in heiklen Situationen (Quengelware beim Einkaufen) gut um. Die Bedürfnisbefriedigung in der Fantasie hat auch den Vorteil, dass sie Geduld und eine aufgeschobene Bedürfnisbefriedigung lehrt. 

Wenn das Beruhigen nicht funktioniert 


Die Methode ist natürlich nicht unfehlbar. Nicht immer zu jeder Zeit und bei jedem Kind kann man sie anwenden. Sie hilft nicht in allen Situationen gleich gut und manchmal hilft sie gar nicht. Aber - es schadet auch nicht, sie während eines Wutanfalls auszuprobieren. Man hat eigentlich nichts zu verlieren. Entweder es klappt und das Kind beruhigt sich oder es klappt nicht und man ist in der gleichen Situation wie vorher. Natürlich ist es, nun ja, sagen wir, gewöhnungsbedürftig, als Erwachsener im Einkaufszentrum in Kleinkindsprache mit einem sich wütend auf dem Boden wälzenden Kind zu reden. Ist mir das unangenehm? Klar. Mir ist aber auch unangenehm, wenn mein lautes Kind so viel Aufmerksamkeit in dem Laden auf sich zieht. Die Blicke der anderen, das Kopfschütteln, das gemurmelte "Früher hätte es das nicht gegeben..."- ist mir furchtbar unangenehm. Wenn ich das Szenario also abkürzen kann, ohne das wild um sich schlagende Kind unter dem Arm geklemmt aus dem Laden tragen zu müssen, dann mache ich das! 

Manchmal klappt es aber einfach nicht. Woran kann das liegen? 


Zu viel oder zu wenig gespiegelt 


Es kommt beim Spiegeln wirklich vornehmlich darauf an, den richtigen Ton zu finden, also die richtige Intensität der Wut auszudrücken. Lebhafte Kinder sind gefühlsbetonter, deshalb brauchen sie vielleicht 50% Spiegelung. Schüchterne Kinder wiederum könnten sich durch eine solch intensive Spiegelung unwohl fühlen, bei ihnen muss man als Elternteil viel "tiefer" ansetzen, vielleicht bei 30%. Auch bei älteren Kindern sollte das Spiegeln weniger theatralisch ausfallen, damit sie nicht das Gefühl haben, wir machen uns über sie lustig (vgl. ebd., 2010, 110f). Wenn das Spiegeln also nicht klappt, sollte man als Eltern zunächst versuchen, die Intensität zu variieren - vielleicht klappt es dann. 

In die falsche Richtung gespiegelt 


Wenn man als Elternteil spiegelt: "Du bist wütend! Wütend! Du sagst: Keks, Mama, Keks! Keks!" und das Kind beruhigt sich nicht, sondern heult eher noch stärker auf und wütet mehr, hat man vermutlich den Grund für die Wut des Kindes nicht richtig verstanden und das Kind versucht einem das durch noch stärkeres Weinen mitzuteilen. Dann muss man schnell umdenken und überlegen, was es stattdessen sein könnte. Dieser Punkt ist, finde ich, nicht immer leicht zu erreichen, denn manchmal ist es für einen Erwachsenen einfach nicht nachvollziehbar, warum ein Kind nun weint. Es scheint, es wütet ohne Grund. Ich habe aber festgestellt, dass man "Ohne-Grund-Wüten" sehr wohl entschlüsseln kann, allerdings muss man sein Kind gut kennen. Gründe könnten sein:

  • Kind will etwas alleine machen und ist wütend darüber, dass Mama oder Papa es ihm abnehmen wollen.
  • Kind will etwas Bestimmtes haben und Mama versteht nicht, was genau, weil das Kind sich noch nicht gut genug ausdrücken kann.
  • Kind will etwas Bestimmtes nicht tun, aber die Eltern sagen, es soll das tun.
  • Kind will etwas selber machen, aber es klappt nicht so, wie es möchte.
  • Kind hat etwas in der Hand und es geht aus Versehen kaput.
  • Kind denkt, die Mutter will ihm etwas Bestimmtes nicht geben und weint schon los, bevor sie überhaupt darüber geredet haben (das sind die besonders kniffligen Fälle).
  • Kind denkt, die Eltern machen mit Absicht etwas falsch/anders, als es das möchte.

Ich denke, jede Mutter kennt solche Situationen, aber ich möchte trotzdem noch zwei Beispiele geben. Das erste Beispiel bezieht sich auf den letzten Punkt: Das Kind denkt, die Eltern machen mit Absicht etwas falsch. Als meine Töchter ca. 16 Monate alt waren, lag viel Schnee und wir fuhren mit dem Schlitten aus. Eine Tochter wollte irgendwie auf spezielle Art auf dem Schlitten sitzen, ich konnte aber nicht herausfinden, wie genau. Ich probierte alle möglichen Positionen, aber sie wurde immer noch wütender mit mir. Das Problem: Da sie selbst noch keinen
Perspektivenwechsel einnehmen konnte, kam ihr nicht in den Sinn, dass ich nicht wissen könnte, was genau sie meint. In ihrem Kopf war ja die Sitzposition ganz klar aufgezeigt! Dass ich nicht in ihren Kopf reingucken konnte, bzw. wir nicht die exakt selben Gedanken haben, konnte sie in ihrem Alter natürlich nicht nachvollziehen. Natürlich wurde sie deshalb sauer mit mir - in ihren Augen benahm ich mich absichtlich unkooperativ, ich enthielt ihr in ihren Augen die richtige Sitzhaltung vor.

Das zweite Beispiel bezieht sich auf den zweiten und den vorletzten Punkt: Das Kind kann sich nicht gut genug ausdrücken und das Kind denkt, die Mutter will ihr etwas Bestimmtes nicht geben und weint schon los, bevor es das Bedürfnis nach diesem Gegenstand überhaupt geäußert hat. Meine Töchter haben spezielle kleine Glasbecher zum Safttrinken. Einer Tochter war dieser Glasbecher am Vortag heruntergefallen, deshalb hatte ich, um gerecht zu sein, zum Abendbrot zwei andere identische Gläser herausgesucht, die jedoch ein bisschen kleiner waren. Als ich nun mit den Gläsern zum Tisch kam, fing die Tochter, deren Originalglas eigentlich noch ganz war, wütend an zu rufen: "Mehr, mehr!" Ich sagte: "Puppe, das Glas ist doch randvoll? Ich kann da gar nichts mehr eingießen." Sie wurde immer aufgeregter, zappelte herum und rief weiterhin: "Nein, nein, mehr!" (Man beachte hier: Sie war 24 Monate alt und konnte eigentlich schon in ganzen Sätzen sprechen. Durch ihre innerliche Aufgewühltheit kamen aber nur noch Wortbrocken raus und sie konnte ihr "mehr" auch nicht durch ein anderes Wort, das vielleicht besser erklärt hätte, ersetzen. Ihre linke Gehirnhälfte war schon blockiert.) Ich antwortete: "Du kannst mehr Saft haben, aber trink doch erst mal diesen hier aus!" In diesem Moment fing sie fürchterlich an zu weinen und ich konnte absehen, dass das in einem Wutanfall enden würde. Also fing ich an zu spiegeln, erst mal ins Blaue hinein, denn ich wusste wirklich nicht, was sie von mir will: "Du willst mehr! Mehr! Du sagst.... (an dieser Stelle hatte ich einen Geistesblitz) ....anderes Glas! Größeres Glas! Du willst dein anderes Glas haben!" Sofort zeigte sich Erleichterung, verstanden zu werden, auf dem Gesicht meiner Tochter und sie antwortete: "Ja, anneres Glas." Sie wollte ihr Originalglas haben - verständlich, oder? Nur weil ich es fair finde, dass beide Kinder die gleichen Gläser haben, ist das in den Augen meiner Töchter nicht ebenso.
 

Kind ist zu müde 


Eigentlich der Klassiker: wenn ein Kind zu müde ist, ist es nichts und niemandem mehr zugänglich. Dann kann man verstehen wollen, wie man will und spiegeln, bis einem die Zunge abfällt, das Kind wird trotzdem weiterwüten. Hier gibts nur eine Lösung: Ab ins Bettchen und mit Mama oder Papa einschlafkuscheln. 

Einer dieser Tage 


Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Kinder weiterhin Entwicklungssprünge haben, auch, wenn sie aus den Schüben, die in Oje ich wachse aufgelistet werden, herausgewachsen sind. Man kann im Alltag gut erkennen, dass Kinder eine schwierige Phase um den 2. und 3. und 4. Geburtstag herum haben, ebenso mit 2,5, 3,5 und 4,5. Leider hat sich noch kein Wissenschaftler die Mühe gemacht, darüber ein Buch zu schreiben.

Mir ist bei meinen Töchtern außerdem aufgefallen, dass es immer mal einen Tag gibt, an dem sie von morgens bis abends in sogenannten Wut-Ketten gefangen sind. Solche Tage erkennt man gut daran, dass das Kind nicht wie gewöhnt glücklich plappernd aufwacht, sondern schon auf das Wecken mit Jammern und Maulen reagiert. Dann gibt es beim Zähneputzen schon den ersten Wutanfall, weil die Zahnpasta falsch aus der Tube gekommen ist, die Lieblingsstrumpfhose ist heute ganz schrecklich und möchte auf gar keinen Fall angezogen werden, beim Frühstück gibt es einen Nervenzusammenbruch, weil die Milch weiß ist und das geht immer so weiter. Hat man das Kind aus einer Krise erfolgreich herausgebracht und es scheint halbwegs stabil, kündigt sich schon der nächste Wutanfall wegen einer Nichtigkeit an. 

Solche Tage sind ganz, ganz schwer auszuhalten für die Eltern - sicher fühlen sich auch die Kinder darin nicht besonders wohl. Ich habe das letzte halbe Jahr mal mitgeschrieben, wann "diese Tage" bei meinen Töchtern auftreten und überraschenderweise ist das relativ gut vorhersehbar einmal alle vier Wochen. Ich vermute, dass das Gehirn sich an solchen Tagen irgendwie neu vernetzt oder, wie bei einem Computer, eine Säuberung der Festplatte vonstatten geht und sich unsere Kinder daher an diesem Tag so fühlen, wie unsere Babys in den Sprungzeiten: seltsam. An "einem dieser Tage" kann man eigentlich nichts weiter tun, als das Kind liebevoll begleiten, auch, wenn es schwer fällt. Das Gute daran: morgen ist es vorbei. 

Selbstregulation: Kindern Stressregulations-Techniken beibringen 


Wie ich am Beginn meiner Ausführungen bereits erwähnte, werden Kinder immer wieder mit Stresssituationen konfrontiert werden. Es ist daher unabdingbar, dass sie Techniken lernen, um ihre Gefühle in unangenehmen Situationen zu regulieren, denn in Kindergarten, Schule oder im Arbeitsalltag ist es wenig förderlich, bei Kleinigkeiten förmlich zu explodieren. 

Solche Techniken zu erlernen bedeutet jedoch nicht, diese Gefühle zu unterdrücken!
Das Gefühl der Wut hat durchaus konstruktive Seiten. Es ist ein wichtiges Signal an andere, dass man sich gerade gedemütigt, gekränkt oder unangemessen von anderen "beherrscht" fühlt. Ganz automatisch hält man den Gegenüber durch einen Wutausbruch auf Abstand - man strahlt Gefahr aus (vgl. Cierpka, 2005: 88f). 

Daher ist gerade in der Ablösungsphase (veraltet auch "Trotzphase" genannt) wichtig, dass unsere Kinder ihre Wut über unsere Regeln und Grenzen ausdrücken dürfen. Sie sollen und müssen sich von uns abgrenzen und lösen, gleichzeitig aber auch lernen, dass unterschiedliche Bedürfnisse in einem Konflikt von allen beteiligten Personen besprochen werden sollten, um eine für alle annehmbare Lösung zu finden. Sie müssen auch lernen, dass es manchmal eben nicht anders geht, als sich der Situation und dem "Nein" zu fügen. Dass das ein schwieriger Balanceakt ist, brauche ich sicher nicht erwähnen.
1 - 2 Jahre: Das Kind kann lernen, bei Wut mit dem Fuß aufzustampfen, den Kopf zu schütteln und laut "Nein!" zu sagen. Auch wenn das anstrengend für uns Eltern ist - das alles sind Entspannungstechniken bei Wut, die dem Kind dabei helfen, sich selbst zu beruhigen. Auch lautes Schreien gehört dazu. Da ich es selbst sehr unangenehm finde, wenn meine Töchter laut schreien, habe ich ihnen beigebracht, dies in ihre Armbeuge oder in ein Wutkissen zu tun. Der Stoff des Pullovers oder des Kissens dämpft die Lautstärke zuverlässig. Das Buch "Wenn kleine Tiere wütend sind" war übrigens sehr hilfreich in diesem Alter - es zeigt verschiedene Möglichkeiten auf, wie jemand seine Wut auf sichere Art und Weise loswerden kann.
2 - 4 Jahre: Neben den oben genannten Techniken können unsere Kinder nun lernen, Gefühle bei sich selbst und anderen zu identifizieren. Ich habe das im Artikel über Empathie schon näher erklärt. Wenn das Kind also gut gelaunt ist, kann man mit ihm Gesichtsausdrücke vor dem Spiegel üben. Wie siehst du aus, wenn du zornig bist? Zeig mir dein ängstliches Gesicht! Siehst du, wie groß deine Augen werden, wenn du dich freust?
Hat das Kind Freude daran, kann man Fotos von verschiedenen Gesichtsausdrücken machen und ein Gefühle-Buch erstellen oder ein Gefühle-Memory basteln. Wichtig ist, nach Wut-, Angst- oder anderen Gefühlsausbrüchen darüber zu reden, wie sich das Kind im Inneren angefühlt hat. Meine Töchter wippten neulich auf dem Spielplatz, als eine von beiden laut lachend rief: "Mein Bauch tut so weh!" Ich war etwas irritiert, weil sie nicht so aussah, als hätte sie Schmerzen, sie war sichtlich vergnügt auf der Wippe. Also fragte ich nach: "Kribbelt es in deinem Bauch?" - "Ja!" - "Ja, das ist ein schönes Gefühl, oder? Dieses Kribbeln entsteht beim Wippen und fühlt sich gut an". "Ja, es kribbelt schön!" Meine Tochter hatte einfach noch nicht gewusst, wie sie dieses schöne Gefühl im Bauch in Worte fassen sollte. Doch je mehr Wortschatz wir unseren Kindern zur Verfügung stellen, desto besser lassen sich Gefühle einordnen und - ja - beherrschen.
Laut Karp kann man bereits ab 2 Jahren mit Atemübungen zur Selbstberuhigung beginnen, er nennt diese "Zauberatem" (vgl. Karp, 2010: 172 ff). Ich habe es versucht, muss aber sagen, dass ich bisher grandios gescheitert bin. Das kann aber daran liegen, dass ich selbst kein gutes Vorbild bin. Ich denke, dass Mütter, die selbst Yoga oder Pilates machen, hier viel mehr Erfolg haben werden, als ich. Dennoch gebe ich nicht auf - ich werde jetzt, da meine Töchter fast 3 sind, wieder mit dem Zauberatem beginnen. 
Man setzt sich dabei als Mama bequem auf den Boden oder auf einen Stuhl, Hände im Schoß, Schultern entspannt hängen lassen, gerader Rücken. Dann atmet man langsam durch die Nase ein, zählt dabei im Kopf bis fünf, und atmet mit einem zischenden Geräusch durch den Mund aus (dabei auch wieder bis fünf zählen). Beim Einatmen nimmt man die Hände aus dem Schoß und hebt sie gemächlich nach oben, beim Ausatmen lässt man sie wieder sinken. Wird das Kind neugierig und möchte mitmachen, kann man es einladen, mitzuatmen. Dabei wird die Handbewegung der Mutter wichtiger, denn gehen die Hände nach oben, atmet das Kind ein (auch durch den Mund, wenn es es anders nicht schafft), sinken sie nach unten, atmet das Kind aus. Zunächst gibt man also den Atemrhythmus vor, schnell lernt das Kind aber, diese Technik selbst einzusetzen (vgl. ebd., 2010: 173f).

Ich persönlich bin ganz begeistert von einer Wut-Technik namens "Schieben", das ich in dem Buch Interaktionsspiele für Kinder Teil 2 entdeckt habe. Eine meiner Töchter war einmal so wütend mit mir, dass sie mich hauen wollte, an meinem Pullover zerrte und versuchte, mich wegzuschubsen. Sie war ganz und gar außer sich vor Wut, sie war wütend mit mir. Ich ließ sie ein wenig wüten und mir zeigen, dass sie mit meiner Entscheidung nicht einverstanden war. Als sie anfing, mich wegzuschubsen, sagte ich freundlich: "Oh, du willst mich wohl schieben? Ja, das ist eine gute Idee! Komm, nimm meine Hände und schiebe mich weg so fest du kannst!" Sie nahm mein Angebot ein wenig verwirrt an und da sie weiterhin wütend war, schob sie mit aller Kraft. Ich kommentierte das mit: "Oh, du bist ja sehr wütend! Du schiebst wirklich doll." Sie schob eine Minute und wurde zusehends ruhiger. Nicht nur, dass ihre Kräfte nachließen, meine Worte drangen zu ihr durch, sie konnte hören, dass ich verstanden hatte, dass sie gerade sehr, sehr wütend mit mir war. Als sie mit dem Schieben aufhörte, konnte ich sie gleich in den Arm nehmen und ausgiebig bekuscheln.
Beim Schieben stehen sich die zwei Kontrahenten also gegenüber und fassen sich an den Händen an. Ein Schiedsrichter gibt normalerweise den Startschuss, beide Kinder (oder der Erwachsene und das Kind) dürfen nun so stark schieben, wie sie können. Sie sollen durch die Intensität des Schiebens ihre Wut ausdrücken. Dabei darf aber nichts anderes als geschoben werden. Kein Hauen, kein Stoßen, kein Treten. Es soll auch vermieden werden, dass einer der beiden wirklich weggeschoben wird. Das Schieben geschieht nur an einer Stelle im Raum. Schieben ist ein sicheres Spiel, und sollte wirklich nur nach den Regeln angewandt werden. Nach ein bis zwei Minuten ist Schiebestopp, nach dieser Zeit müsste die größte Wut aus dem Körper heraus sein. Dann können die beiden Streithähne miteinander sprechen. Wie habe ich mich beim Schieben gefühlt? Geht es mir jetzt besser? Fühle ich mich erleichtert? Warum war ich wütend? Was kann ich beim nächsten mal anders machen? etc. (vgl. Vopel, 2008, 53ff)

Ich werde von Müttern, denen ich das Schieben ans Herz lege, übrigens immer seltsam angeguckt: "Das ist nichts für uns..." Ich weiß, dass es sich erstmal komisch anhört. Aber ich praktiziere das Spiel nun schon seit Jahren erfolgreich an der Grundschule und es trägt wirklich immer dazu bei, dass sich die Wogen zwischen den streitenden Parteien ersteinmal soweit glätten, dass hinterher darüber geredet werden kann. Insofern: Probiert es ruhig mal aus.
ab 5 Jahren: Wie ich oben schon ausführte, entwickelt sich ab diesem Alter die sekundäre Coping-Strategie im Umgang mit Ärger und Wut (vgl. Band & Weisz, 1988, Koop, 1989). Das nun folgende Konzept des Ärger-Managements versucht, den spiralförmigen Kreislauf von Ärgereskalation zu unterbrechen. Ärgereskalation meint hier: Wenn ein Kind eine Stresssituation erlebt und physisch erregt wird (heiß, angespannt, erhöhte Herzfrequenz) und sich innerlich immer stärker darauf konzentriert ("Das macht mich so wütend! Der ist so blöd! Dem werde ich es zeigen!") führt das zu noch stärkerer Erregung und die Wut wird größer (vgl. Novaco, 1979). Dass das nicht nur Kindern so geht, kann man übrigens prima in Paul Watzlawicks Buch "Anleitung zum Unglücklichsein" in der Geschichte mit dem Hammer nachlesen. Durch lautes Denken und positive Selbstgespräche soll dieses Erregungsmuster durchbrochen werden. Das passiert in vier Schritten:
1. Beobachte: Wie fühlt sich dein Körper an?
2. Beruhige dich selbst: Hole dreimal tief Luft./ Zähle langsam rückwärts. / Denke an etwas Schönes. / Sage: "Beruhige dich!" zu dir selbst.
3. Denke laut über die Lösung des Problems nach.
4. Denke später noch einmal darüber nach: Warum hast du dich geärgert? Was hast du dann gemacht? Was hat funktioniert? Was hat nicht funktioniert? Was würdest du beim nächsten Mal anders machen? 
Vor allem, wenn das Kind immer wiederkehrende Konflikte hat, bietet es sich an, diese in Rollenspielen mit ihm nachzuspielen und es durch die Fragen (Was hat funktioniert, was nicht? Was würde ich anders machen?) auf neue Verhaltensmöglichkeiten aufmerksam zu machen. Können Kinder das in sicherem Rahmen üben, fällt es ihnen leichter, aus destruktiven Spiralen auszusteigen und Konflikte anders zu lösen bzw. mit stressigen Situationen anders umzugehen. Das muss natürlich immer altersadäquat geschehen (bitte das Kind nicht überfordern!)
 

Fazit


Der Auslöser jedes Wutanfalls - sei es der eines Kleinkindes, eines Schulkindes oder auch eines Erwachsenen - ist ein Bedürfnis, das nicht erfüllt ist. So kann Wut für uns sehr wertvoll sein, da sie uns zeigt, dass wir die Grenze unseres Gegenübers nicht wahrgenommen haben. Wir sollten uns daher (wenn wir dazu gerade in der Lage sind) bei jedem Wutanfall unserer Kinder zunächst einmal zurücknehmen und überlegen, was gerade schief läuft und ob es sich mit einfachen Mitteln beheben lässt. Das bedeutet ganz und gar nicht, unseren Kindern keine Grenzen aufzuzeigen. Es bedeutet auch nicht, in lebensgefährlichen Situationen eine Diskussion darüber anzufangen, ob das Kind jetzt selbstbestimmt auf die Straße laufen darf. Es bedeutet einfach nur, die oftmals berechtigten (wütenden) Gefühle des anderen anzuerkennen und auszuhalten und ihm dann im richtigen Augenblick eine Hand anzubieten, um aus dem Wutanfall herauszufinden. 

Unser Buch


Die Autonomiephase ist für alle Eltern eine besondere Herausforderung. Wir haben diesem Thema ein ausführliches Buch gewidmet: "Der entspannte Weg durch Trotzphasen". 


Außerdem ist ein Kartenset mit Impulsen für die herausforderndsten Situationen in der Autonomiephase erhältlich:




© Snowqueen  



 

Quellen 


Band, E.B. & Weisz, J. R. (1988). "How to feel better when it feels bad: Children's persepectives on coping with everyday stress. ", Developmental Psychology, 24, S. 247 - 253

Karp, H. (2010), "Das glücklichste Kleinkind der Welt. Wie Sie Ihr Kind liebevoll durch die Trotzphase begleiten.", Goldmann Verlag, München

Koop, C. B. (1989), "Regulation of distress an negative emotions: A developmental view." Developmenteal Psychology, 25, S. 343 - 354

Novaco, R. W. (1979), "The cognitive regulation of anger and stress." In: P.C. Kendall & S. P. Hallon (Eds.), "Cognitive-behavioral interventions." Orlando: Academic Press 

Vopel. K. W. (2008), "Interaktionsspiele für Kinder Teil 2", Iskopress, Salzhausen