"Kindheiten" - Michaela Schonhöft im Interview


Ist mein Kind wirklich glücklich und zufrieden?" ist eine Frage, die sich viele Eltern stellen. Dass deutsche Kinder in Bezug auf ihre Lebenszufriedenheit im unteren Drittel (Platz 22 von 29) aller Industrienationen rangieren, zeigt eine nachdenklich machende
Unicef-Studie aus diesem Jahr. Warum sind die Kinder in den Niederlanden so viel glücklicher und belegen den Platz 1 sowohl in Bezug auf ihre Zufriedenheit als auch beim kindlichen Wohlbefinden? Warum sind französische Kinder mit ihrer strengen Erziehung und frühen Fremdbetreuung glücklicher, als deutsche?  Was macht Kinder glücklich? 



Das Buch


"Mama, wo wohnt eigentlich das Glück?" Die Autorin Michaela Schonhöft hat sich nach dieser Frage ihrer kleinen Tochter auf auf die Suche begeben und mit Müttern und Vätern auf der ganzen Welt über ihre Erziehung, ihre Erwartungen, Ziele und Erlebnisse gesprochen und nimmt uns in ihrem Buch "Kindheiten: Wie kleine Menschen in anderen Ländern groß werden" mit auf eine interessante Erziehungs-Weltreise.

Das Buch ermöglicht einen sehr interessanten Blick über unseren eigenen Tellerrand. In unserem kleinen Mikrokosmos übersehen wir gelegentlich, dass es so vielfältige andere Herangehensweisen an das Leben mit Kindern gibt, die manchmal ungewöhnlich sein können und manchmal inspirierend. Die deutsche Gesellschaft ist noch immer geprägt von der Erziehung unserer Großeltern und Eltern - Disziplin und Gehorsam gelten als Erziehungsziele - weit verbreitet ist die Angst, die Kinder zu verwöhnen. Dabei kann man in anderen Ländern wie beispielsweise Thailand ganz genau beobachten: "verwöhnte" Kinder entwickeln sich nicht zu den vielbeschworenen Tyrannen, sondern zu selbständigen, selbstbewussten und vor allem zufriedenen Heranwachsenden.

In Deutschland gibt es eine deutliche Entwicklung von Mehrgenerationenhaushalten  zur klassischen Kleinfamilie mit Mutter, Vater und Kind(ern). Dies führt dazu, dass deutsche Mütter durch mangelnde Unterstützung und räumliche Isolation schnell an den Rand ihrer Kräfte kommen und sich fragen: "Warum ist es nur so anstrengend, ein Kind großzuziehen?" In den meisten anderen Ländern ist es üblich, dass die gesamte Familie bei der Betreuung der Kinder hilft - Großeltern  hierzulande sind hingegen oft weit weg, gelegentlich nur nervig, selten jedoch eine Unterstützung. Eine steigende Zahl an Schreikindern, eine hohe Rate an postnatalen Depressionen und jährlich knapp 150 Kinder, die elterlichen Gewaltverbrechen zum Opfer fallen - in einigen Ländern sind solche Entwicklungen nicht zu beobachten.

Das Buch "Kindheiten" zeigt, wo die globalen Unterschiede beim Thema Erziehung liegen und welche Alternativen einige unserer Probleme lösen könnten. Betrachtet werden die verschiedensten Aspekte - vom Umgang mit Neugeborenen über die Ansichten zu Strenge, Disziplin und dem Verwöhnen bis hin zur Fremdbetreuung. Die weltweit teils sehr unterschiedlichen Herangehensweisen werden unterhaltsam erzählt und führen zur alten afrikanischen Erkenntnis: "Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind in einen erwachsenen, reifen Menschen zu verwandeln...und eine Menge Humor!"

Fazit: Ein sehr gelungenes Buch, dass kurzweilig und interessant viele verschiedene Aspekte der Erziehung rund um den Globus beschreibt und die eigene Perspektive gelegentlich zurecht rückt.

Wir hatten die Gelegenheit, der Autorin ein paar Fragen zu stellen:

Interview


Michaela, Du hast für Dein Buch mit Menschen aus aller Welt gesprochen - mal unabhängig von irgendwelchen Studien: Wo leben Deiner Meinung nach die glücklichsten Kinder? Und w
arum glaubst Du, dass diese Kinder besonders glücklich sind?

Kindern geht es vor allem in den Gesellschaften gut, in denen Erziehung als gemeinschaftliche Aufgabe betrachtet wird, in denen sich die Erwachsenen an Kindern erfreuen und ihnen viel Aufmerksamkeit schenken. In Italien und Spanien zum Beispiel erleben Kinder eine große Geborgenheit innerhalb der Familie. Sie fühlen sich aber auch grundsätzlich sehr willkommen, ob in Restaurants, Geschäften, Behörden. Kaum jemand stört sich dort an laut spielenden Kindern. Kinderfreundlichkeit ist definitiv ein kulturelles Phänomen. Kindheitsglück möchte ich aber gar nicht an einer Kultur, an einem Land festmachen. Auch wenn einige Studien natürlich darauf hinweisen, dass es Kindern zum Beispiel in den Niederlanden oder Skandinavien vergleichsweise gut geht. Kindheitsglück kann überall Zuhause sein, egal ob in einer Klein- oder Großfamilie, am Nordpolarkreis, in einem Münchner Vorort, einem Dorf in Kamerun oder einem winzig kleinen Appartment in Tokio. Es hängt auch sehr davon ab, welches Umfeld Eltern ihren Kindern verschaffen. Wichtig ist die Offenheit anderen Erziehungsmodellen gegenüber. Mir gefällt zum Beispiel sehr, wie zum Beispiel Japaner mit Kleinkindern umgehen, wieviel Geduld sie an den Tag lehnen. Niemand käme dort auf die Idee von „kleinen Tyrannen“ zu sprechen, wenn sie mal einen Trotzanfall haben. Kinder lernen von Vorbildern, vor allem von empathischen Vorbildern.

Wenn Du frei wählen könntest - in welchem Land würdest Du gerne mit Deinen Kindern leben wollen? In welchem eher nicht? Warum?

Da ich so gerne reisen, könnte ich mir vorstellen, in sehr vielen Ländern zu leben. Hätte ich die Möglichkeit, würde ich allerdings meine Kinder ganz sicher in Skandinavien aufziehen. Das Familienmodell ist sehr egalitär, die gesetzlichen Rahmenbedingungen, Beruf und Familie zu vereinbaren, sind exzellent. Kindern wird viel Raum gegeben. Sie haben viel Mitspracherechte. Die Kindergärten sind gut. In den Schulen wird neun Jahre lang gemeinsam gelernt. Es gibt also keinen frühen Übergangsstress wie in Deutschland. Das skandinavische Schulsystem ist erfolgreich, die Schülern lernen, haben aber auch viele Ruhephasen und können noch recht lange Kind bleiben. Vätern wird es leichter gemacht, sich viel Zeit für die Familie zu nehmen, es wird auch von ihnen erwartet.

In meiner derzeitigen Situation, mit zwei kleinen Kindern in der Kita, würde ich es eher vermeiden, nach Großbritannien zu ziehen oder in die USA, es sei denn man hat ein großes Budget für eine qualifizierte Nanny zur Verfügung. Kleinkindbetreuung ist in diesen Ländern bis zum vierten Lebensjahr (dann beginnt die Schule) den Familien überlassen. Private Einrichtungen sind teuer, die öffentlichen oft nicht besonders gut. Sobald die Kinder dort das Schulalter erreichen, wird es einfacher.

Was denkst Du - woran liegt es, dass deutsche Kinder so vergleichsweise unglücklich sind? Wie könnten wir sie Deiner Meinung nach glücklicher machen?

Erziehung und Fürsorge gilt hierzulande vor allem als Angelegenheit der Eltern. Ständig wird in den Medien über zu nachlässige, zu nachgiebige Eltern geschimpft, die den Lehrern das Leben schwer machen. Ständig fällt wieder das Wörtchen „mehr Disziplin“. Genau das ist aber nicht die Lösung. Es geht eher um mehr Nähe, mehr Bindung, stärkere Loyalitäten. Es gibt ein schönes afrikanisches Sprichwort: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen“. Natürlich sind auch die Lehrer für die Erziehung der Kinder verantwortlich, nicht nur für deren Bildung. Doch im Lehramts-Studium wird darauf noch viel zu wenig Wert gelegt. Kinder lernen bei guten, einfühlsamen Lehrern ganz besonders gut, ob nun kognitives oder soziales Wissen. Nicht selten kommen Eltern in einer Sache mit ihren Kindern einfach nicht voran, eine andere Person hat vielleicht ein besserer Idee oder in dem Moment einen besseren Zugang zum Kind.


Hinzu kommt, dass auf Müttern in Deutschland sehr hohe Erwartungen lasten. Die Mütter haben auch selbst sehr hohe Erwartungen an sich. Sie glauben, alles stemmen zu müssen. Aber der Blick in andere Gesellschaften zeigt, dass Kinder umso glücklicher sind, auf je mehr Vertrauenspersonen sie sich verlassen können.

Kinder in Deutschland fühlen sich häufig nicht willkommen, ganz besonders im öffentlichen Raum. Sie haben das Gefühl, sie nerven nur und dürfen sich nur in eigens für sie vorgesehen Plätzen aufhalten, haben de Erwachsenen bitte nicht zu stören. Ich frage mich sehr häufig, woher diese Unfreundlichkeit gegenüber Kindern kommt? Warum man sich ihrer nicht so freut wie in Spanien, Italien, Indonesien, Japan, Kamerun, Marokko, Norwegen und vielen, vielen anderen Ländern.

Wie haben die Interviews zu Deinem Buch Deine eigene Erziehung beeinflusst?

Ich habe begonnen, meine eigenen Erziehungsmuster, aber auch meine Kindheit, stark zu reflektieren. Durch die vielen Interviews kam ich schon sehr ins Grübeln. Ich bewundere die Einstellung der Niederländer zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eltern nehmen ihren Beruf, ihre Karriere ernst. Sie nehmen sich aber auch viel Zeit für ihre Familie. Überstunden sind eher verpönt. Gleichzeitig gibt es dort auch nicht das Rabenmutter-Image, wie es manchmal in Deutschland auftaucht. Die Niederländer setzen zudem sehr auf eine partnerschaftliche Beziehung zu Kindern im Teenager-Alter. Sie haben sehr viele Freiheiten, genießen viel Vertrauen. Diese Einstellung hat mir geholfen, bei den „Großen“ ein wenig mehr Toleranz walten zu lassen. Bei Gesprächen mit Eltern in vielen ostasiatischen Ländern habe ich gelernt, stärker die Perspektive meiner kleinen Kinder einzunehmen, wenn sie sehr trotzig sind. Sozial verträgliches Benehmen wird Kindern im ostasiatischen Raum, abgesehen von einigen Ausnahmen, vor allem durch Erklärungen nahelegt. Man appelliert an Empathie, sieht von Bestrafungen eher ab. Geduld ist für mich allerdings noch eine schwierige Übung. Ich erhebe oft mahnend meine Stimme, um dann „Du sollst nicht“, „Du darfst nicht“, etc. auf meine Töchter niederprasseln zu lassen, in der Regel ohne Erfolg. Aber ich arbeite dran:-).


Vielen Dank für das Interview! 

© Danielle

Wir machen eine kleine Pause

Hallo zusammen,
 
nach ziemlich genau 7 Monaten, in denen knapp 60 Beiträge veröffentlicht wurden, gönnen wir uns eine kleine (Kreativ-)Pause von ungefähr 3 Wochen :-).
 
Wir möchten uns an dieser Stelle herzlich bei all unseren Lesern, Facebook-Likern und Weiterempfehlern bedanken!
 
Allmählich haben wir das Gefühl, über so gut wie jedes Thema etwas geschrieben zu haben. Wir haben zwar noch das eine oder andere Thema im Visier - aber wir möchten Euch an dieser Stelle fragen: Was fehlt Euch? Worüber würdet ihr gerne lesen? Welche Themen interessieren Euch noch?
 
Schreibt uns! Seit 2 Tagen gibt es unten auf unserer Seite ein Kontaktformular - ihr erreicht uns auch über Facebook oder könnt in diesem Beitrag einen Kommentar hinterlassen.
 
Wir lesen uns bald wieder!
Ganz herzliche Grüße
Snowqueen und Danielle
 
 

Erziehungsstile - welche sind warum erfolgreich?

Früher war es im Grunde ganz einfach: Man bekam Kinder - häufiger als heute auch unerwartet oder unerwünscht - und eigentlich gab es nur zwei Erziehungsstile. Der autoritäre Stil hatte das Ziel, dass Kinder sich unterordnen und ausnahmslos gehorchen, um im Familiengefüge zu funktionieren. Wer hingegen auch auf die Bedürfnisse der Kinder Rücksicht nahm und ihnen ein gewissen Maß an Mitbestimmung zugestand, der wurde in die Schublade "antiautoritär" gesteckt (und ihm wurden schlimme Tyrannen prognostiziert).

Seit einigen Jahren wird das Thema Erziehung jedoch differenzierter betrachtet - die Ansicht, wonach Kinder vor allem aktiv geprägt und durch Strafen und Belohnungen zu Gehorsam angeleitet werden müssen, wurde nach und nach in Frage gestellt. Mittlerweile trifft man auf die verschiedensten Erziehungsstile - eine Vielzahl von Psychologen hat Modelle entworfen, in denen die Stile bezüglich ihrer Ausprägung bei bestimmten Merkmalen eingeordnet werden.

Die folgende Grafik zeigt unterschiedliche Modelle, bei denen die Einordnung der Erziehungsstile nach verschiedensten Aspekten vorgenommen wurde - eingesetzte Autorität, Kontrolle, Lenkung, Wertschätzung, Kommunikationsbereitschaft, emotionale Wärme. Die zweidimensionalen Modelle sind jedoch nur bedingt für die Einordnung der praktizierten Erziehungsmethoden geeignet (sehr schön dazu auch dieser Link) - auch wenn sich die meisten Eltern relativ problemlos einem Stil zuordnen würden.

verschiedene Klassifizierungsmodelle von Erziehungsstilen
            o. l. Lewin (1936)                   o. r. Baumrind (1967)
            u. l Tausch&Tausch (1977)   u. r. Hurrelmann (2002)
Quelle: Stilfehler / Wikipedia.de

 

Die "klassische" Einteilung der Erziehungsstile


Autoritärer Erziehungsstil 


Bei autoritärer  Erziehung (auch autokratisch genannt) bestimmen die Eltern die Aktivitäten der Kinder, ohne Rücksicht auf deren Wünsche zu nehmen. Das vorrangige Ziel ist das uneingeschränkte Gehorsam des Kindes. Der elterliche Wille wird dabei mit Drohungen und Einschüchterungen durchgesetzt. Die Kommunikation ist sehr einseitig und befehlstonartig.

Der Stil basiert auf dem Prinzip des Belohnens und Bestrafens. Positive Verhaltensweisen werden durch Lob oder Belohnung gefördert, negative mit Strafen belegt. Dem Kind wird seine Meinung zugestanden, es entscheidet jedoch grundsätzlich das Elternteil. Die Beziehung zwischen Elternteil und Kind ist wenig emotional, es wird wenig Zuwendung und Unterstützung angeboten. 

Dieser Stil führt zur Unselbständigkeit, da das Kind daran gewöhnt wird, dass alle Entscheidungen von anderen getroffen werden. Die mangelnde Einflussnahme verursacht Frustration und Aggression, die gegenüber Schwächeren abgebaut werden. Darüber hinaus ist die Entfaltung des Kindes als Individuum stark behindert. Studien haben gezeigt, dass autoritär erzogene Kinder über eine geringe soziale Kompetenz und ein geringes Selbstwertgefühl verfügen. Das Kind hat kaum eine Möglichkeit, sich zu entfalten.

Laissez-Faire-Erziehungsstil 


Die Laissez-Faire-Erziehung (frz. "lass mal machen") ist das komplette Gegenteil der autoritären Erziehung und damit eine Nicht-Erziehung. Das Kind entscheidet über alle seine Belange  vollkommen selbständig und bekommt nur die (lebens)notwendigen Grenzen gesetzt - zielgerichtete Erziehungsmaßnahmen erfolgen grundsätzlich nicht. Es werden keine Vorgaben gemacht oder Ansprüche an das Kind formuliert. Elterliche Kontrolle findet nicht statt -  es wird nur in den dringendsten Fällen eingeschritten.

Nach Lehrbuchdefinition ist die Kommunikativität bei dieser Erziehung stark eingeschränkt und die emotionale Wärme kaum ausgeprägt. Die Laissez-Faire-Erziehung ist vor allem von der Bequemlichkeit der Eltern und ihrem Wunsch nach Ruhe sowie des Vermeidens von Konflikten gekennzeichnet.

Autoritativer Erziehungsstil 


Der autoritative Erziehungsstil (der auch sozial-integrativ oder autoritativ-partizipierend genannt wird) wird oft als "die goldene Mitte" zwischen der autoritären und der Laissez-faire-Erziehung bezeichnet.  Autorität und Kontrolle spielen auch hier eine maßgebliche Rolle. Im Gegensatz zur autoritären Erziehung herrscht hier jedoch ein hohes Maß an emotionaler Wärme, da mit hoher Kommunikationsbereitschaft liebevoll auf die Kinder eingegangen wird. Es gibt eine Vielzahl an klar formulierte Erwartungen, deren Einhaltung durch den Einsatz von Erziehungsmitteln wie Lob, Belohnung und Strafen erreicht werden soll. Die Akzeptanz kindlicher Bedürfnisse ist sehr hoch - ihre Ansicht wird gehört und diskutiert -  letztendlich ist jedoch das Wort der Eltern allein ausschlaggebend.

Permissiver Erziehungsstil 


Der permissive Erziehungsstil ist gekennzeichnet durch das Setzen weniger Grenzen. Die Bedürfnisse des Kindes erfahren eine hohe Akzeptanz. Die Responsivität, also die Bereitschaft auf Interaktions- und Kommunikationsversuche des Kindes einzugehen, ist sehr hoch. Die Eltern greifen wenig lenkend und kontrollierend ein, stellen wenige Forderungen und vermeiden Strafen.

Andere seltene und extreme Erziehungsstile


Demokratischer Erziehungsstil 


Hauptziel dieses Stils ist das Finden eines für alle Beteiligten vertretbaren Konsens. Auch Grenzen werden in Zusammenarbeit mit dem Kind definiert, was in der Regel zu einer höheren Akzeptanz der selben führt. In einer demokratischen Erziehung wird das Kind als ernst zu nehmender Gesprächspartner betrachtet, dessen Meinung wichtig ist, betrachtet. Das Verhältnis zwischen Autorität und Freiheit ist ausgeglichen.

Der Stil ist vergleichsweise aufwändig, da er auf einem hohem Maß an Kommunikation beruht. Dabei wird jedoch Konfliktfähigkeit, Selbständigkeit, Kommunikativität und Eigenständigkeit gefördert. Wegen des hohen Maßes an Selbstbestimmung ist die Möglichkeit der freien Entfaltung kaum eingeschränkt. Durch das Ernstnehmen der kindlichen Bedürfnisse entwickelt sich eine emotional enge Bindung, die geprägt ist von Akzeptanz, Vertrauen und Einfühlungsvermögen.

Durch die ständige Kommunikation und Interaktion entwickelt sich oft ein komplexer und anspruchsvoller Sprachstil beim Kind. Demokratisch erzogene Kinder entwickeln ein hohes Selbstbewusstsein und ein starkes Selbstwertgefühl. In der Praxis ist eine ausschließlich demokratische Erziehung vermutlich nicht möglich, da sie auf Einsicht und Vernunft basiert - diese kann in vielen Belangen - vor allem von den jüngeren Kindern - nicht geleistet werden.

Egalitärer Erziehungsstil 


Beim egalitären Stil stehen Kind und Erzieher auf der selben Ebene - das Machtgefüge ist vollständig ausgeglichen, es gibt keine Über- oder Unterordnung. Er ist eine extreme Ausprägung des demokratischen Erziehungsstils. Die absolute Gleichstellung erschwert Entscheidungsprozesse, da Pattsituationen zwangsläufig entstehen. Daher handelt es sich hierbei allenfalls um eine theoretische Betrachtung der Erziehung, die in Reinform kaum praktiziert werden dürfte.



Verwöhnender Erziehungsstil 


Beim verwöhnende Erziehungsstil steht das Kind im Mittelpunkt der Familie. Es wird mit Zärtlichkeiten überschüttet, bekommt ein Übermaß an Aufmerksamkeit und Bewunderung. Dabei wird dem Kind jeder Wunsch von den Augen abgelesen und sofort erfüllt. Das Kind soll keine negativen Erfahrungen machen - es wird kontrolliert, geleitet und vor jedem vermeintlichen Ungemach geschützt. Heutzutage hat sich der Begriff der "Helikopter-Eltern" dafür etabliert.

Verwöhnte Kinder stellen ihre Bedürfnisse grundsätzlich in den Mittelpunkt, sind selten kritik- oder kompromissfähig und an ihrer Umwelt desinteressiert. Dadurch fällt es ihnen im späteren Leben enorm schwer, sich in die Gesellschaft zu integrieren und emotional stabile Beziehungen aufzubauen.

Negierender/vernachlässigender Erziehungsstil 


Der negierende Erziehungsstil (auch missachtend, zurückweisend oder englisch ignoring genannt) ist eine extreme Ausprägung des Laissez-Fair-Stils - hier ist es dem Erziehenden grundsätzlich egal, was das Kind überhaupt tut. Es gibt keinerlei Vorgaben, Kommunikativität oder Restriktionen. Die Eltern fühlen sich dem Kind gegenüber nicht verpflichtet - sie versuchen die Betreuung mit so wenig Aufwand wie möglich zu erbringen und haben keine Bindung zum Kind. Es wird komplett emotional vernachlässigt.

Welcher Erziehungsstil ist der beste?


Die wissenschaftliche Meinung 


Würde man die deutschen Eltern befragen, welchen Erziehungsstil sie praktizieren, dann würden vermutlich 80-90% sagen, dass es der autoritative sei. Bei Wikipedia kann man zur autoritativen Erziehung treffend lesen:
"Dieses Szenario ist in der Literatur aufgrund von Definitionsproblemen und einer mangelnden theoretischen Fundierung sehr uneinheitlich dargestellt, jedoch mehrheitlich als für die kindliche Entwicklung günstig beurteilt worden."
Im Grunde fällt also alles, was nicht autoritär oder Laissez-Fair ist unter autoritative Erziehung und die ist pauschal "günstig" beurteilt worden. Die aktuelle "Forschung" sagt tatsächlich: der autoritative Erziehungsstil ist am erfolgreichsten. Allerdings wird dabei (wie bspw. in diesem Buch oder diesem Artikel) in der Regel nur zwischen autoritär ("Grenzen ohne Freiheit"), autoritativ ("Freiheit in Grenzen") und Laissez-faire ("Freiheit ohne Grenzen) unterschieden. Dass die extremen Stile wie Überbehütung, Vernachlässigung oder strengste Autorität (schwarze Pädagogik) für das Kind nicht förderlich sein können, das versteht sich im Grund von selbst - keinem Kind tut es gut, wenn es permanent oder gar niemals im Mittelpunkt steht. Wenn ihm alle oder gar kein Wunsch erfüllt werden. Dass bei der Auswahl zwischen extrem streng, totaler Freiheit und begrenzter Freiheit letzteres als ideal angesehen wird, ist nachvollziehbar, aber wenig differenziert. Nach oberflächlicher Betrachtung des Themas könnten man sich zufrieden zurück lehnen und sagen: "Ich praktiziere den als ideal betrachteten Erziehungsstil".

Meine persönliche Meinung 


Die Erziehung derjenigen 80 bis 90% der Eltern, die angeben, autoritativ zu erziehen, unterscheidet sich meines Erachtens zum Teil beträchtlich. Zur Beantwortung der Frage, welcher "Stil" ist der beste, ist mir persönlich ist die Unterscheidung nach nur drei Stilen (hier dargestellt vom Modell nach Tausch&Tausch) nicht ausreichend (sozial-integrativ ist gleich bedeutend mit autoritativ, autokratisch mit autoritär):


Quelle: Stilfehler / Wikipedia.de

Die für mich persönlich entscheidende Stelle in der Grafik (oben rechts) bleibt bei der groben Unterscheidung in die drei Erziehungsstile ungefüllt. Es gibt Modelle (Baumrind) , die an der Stelle den permissiven Erziehungsstil sehen - dieser wird jedoch häufig in der Literatur bemängelt, weil keine Lenkung/Kontrolle oder Autorität eingesetzt wird. Dass Kinder Grenzen brauchen um sich zu orientieren und man sie sich nicht einfach vollständig sich selbst überlassen sollte, ist unbestritten. Ebenso, dass eine Erziehung, die von emotionaler Wärme und Wertschätzung des Kinder geprägt ist, die deutlich vorteilhaftere ist.

Bei der Frage, wie viel Kontrolle, Lenkung und Autorität bei der Erziehung optimal sind, vertrete ich den Standpunkt, dass weniger mehr ist. Dieser Überlegung liegt die Frage zugrunde, warum eine autoritäre, die Meinung des Kindes vollkommen missachtende Erziehung "schlecht" ist, wenn aber die Meinung des Kindes gehört, diskutiert und akzeptiert wird und letztendlich dennoch grundsätzlich mit der elterlichen Autorität entschieden wird, dann ist das plötzlich "gut"? 

Ohne Zweifel ist es für das Kind ein Unterschied, ob es angehört oder von vornherein missachtet wird - aber wenn Mama und Papa die Alleinentscheidungsmacht haben, dann ist das Ergebnis für das Kind in der autoritativen Erziehung das selbe. Das Kind lernt in beiden Fällen: Der Stärkere hat die Macht und kann beliebig über meine Belange entscheiden. Machen wir uns nichts vor - auch bei autoritativer Erziehung machen wir letztendlich hauptsächlich, was wir für richtig halten - ohne wirklich zu schauen, was will das Kind. Alles, was uns als nicht richtig erscheint, wird gnadenlos (wenn auch wortreich - wir praktizieren ja eine kommunikative und zugewandte Erziehung) durchgesetzt. Strafen sind ein akzeptables Mittel - sie sind nicht so drakonisch, wie beim autoritären Stil und wir nennen sie "logische Konsequenzen" - aber es sind dennoch nach wie vor Strafen. Machst Du nicht, was ich sage, werde ich meine elterliche Macht gebrauchen und dir Unangenehmes zufügen - also tu besser, was ich dir sage.

Ich bin der Meinung, dass Kinder keinen Schaden nehmen, wenn sie altersgerecht eine Vielzahl an Entscheidungen selbst treffen, ohne dass ich Einfluss nehme. Ein zweijähriges Kind kann nach meiner Erfahrung durchaus schon allein Entscheiden, was es anziehen möchte, ein dreijähriges, wann es schläft. Ich glaube daher, dass eine Erziehung mit stark permissiven Tendenzen kindgerechter und weniger anstrengend ist, als die rein autoritative. 

Weniger anstrengend nicht, weil unaufwändiger - im Gegenteil - man ist ununterbrochen damit beschäftigt, zu erwägen, ob die Grenze, die diskutiert wird, meiner Bequemlichkeit dient oder wirklich für das Kind wichtig und gut ist. Viel mehr habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Kompromissbereitschaft steigt, je mehr die Kinder selbst über ihre Belange entscheiden dürfen.

Über den idealen Grad an Einflussnahme kann man durchaus streiten - das Wesentliche fasst der Kinderpsychologen und Autor ("Warum unsere Kinder ein Glück sind: So gelingt Erziehung heute") Wolfgang Bergmann in Bezug darauf, welches der ideale Erziehungsstil ist, treffend zusammen:
"Kurz auf den Punkt gebracht: ausschließlich der liebevolle. Dies gilt für die ersten fünf Lebensjahre ausnahmslos, danach wird es im Einzelfall schwieriger."
© Danielle

Quellen 


http://www.kindererziehung.com/Paedagogik/Erziehungsstile/Erziehungsstil.php

http://www.focus.de/schule/familie/erziehung/tid-15135/erziehung-verwoehnung-ist-nicht-liebe_aid_424932.html

Durchschlafen - wann schläft mein Baby endlich durch?

"Uuuuund - schläft Dein Kind schon durch?"

Gibt es irgendeine Mutter auf der Welt, die diese Frage nicht schon gefühlt hunterfach gestellt bekommen hat? Sobald man regelmäßig ein Baby bei sich führt, ist man einer Vielzahl an merkwürdigen Fragen ausgesetzt: "Ohh - was ist es denn?" (als wenn ein rosa Kleid die Frage nicht beantworten würde) oder "Ist ihm nicht zu warm/kalt?" oder "Kriegt es denn genügend Luft in dem Tragetuch da?" Recht schnell kommt dann auch das verschwörerisch gehauchte "Und - schläft er/sie schon durch?"  

Ab dem zweiten Kind log ich. Schamlos. "Im Grunde ja". Ich möchte keine Beileidsbekundungen mehr, keine Literaturtipps (ich habe alles gelesen, was der Markt her gibt - auch das bei Schilderung meiner Situation dann gern empfohlene "Jedes Kind kann schlafen lernen"), keine sonstigen Fehler-Analysen. Im Grunde schläft mein Kind tatsächlich "durch" - es gibt ja auch Definitionen, wonach das Durchschlafen eine Schlafperiode von 5 Stunden umfasst. Das schafft mein Kind. Manchmal. Zunehmend häufiger. Sicher bald regelmäßig... Aber sonst wacht er mit mittlerweile 7 Jahren in 97 % aller Nächte nachts noch auf (und kommt dann leise ins Elternbett gekrabbelt).

Die ständigen Nachfragen führen irgendwann fast bei allen Eltern zwangsläufig zum Gefühl, dass das Durchschlafen "Zielcharakter" hat. Offenbar ist im ersten Lebenshalbjahr für die meisten nichts erstrebenswerter, als endlich ein durchschlafendes Baby zu haben. Unfreundlicherweise erzählen uns dann die Nachfrager auch gerne Dinge wie "Also mein Kind schlief ja schon mit vier Wochen durch" oder "Ich habe schreien gelassen, danach hat es endlich ordentlich geschlafen und sich nachts nicht wieder gemeldet." Kein Wunder, dass man schnell das Gefühl hat, dass a) alle Kinder besser schlafen, als das eigene und b) das eigene Kind irgendwie unnormal zu sein scheint, weil es sich nicht an die Schlaf-Normen hält.
 
Kind schläft endlich durch
 


Ab wann schlafen Babys durch? 


Es soll sie tatsächlich geben - gut schlafende Kinder. Ich selbst kenne keins und habe keins, lese aber gelegentlich in Foren von welchen. Aber machen wir uns nichts vor: Ein Großteil unserer Kinder bereitet uns schlaflose Nächte und nicht selten Kummer. Schon als Babys schlafen sie schlecht ein und wollen dabei nicht allein sein, wachen ständig auf, lassen sich ungern ablegen und an Durchschlafen ist in der Regel ganz lange nicht zu denken. 

Ich habe in einem Internetforum eine ganz unwissenschaftliche Umfrage zum Thema "Ab wann haben Eure Kinder durchgeschlafen" durchgeführt. Ingesamt 109 Mütter machten Angaben zum Zeitpunkt des verlässlichen Durchschlafens. Durchschlafen hatte ich dabei nach meinem eigenen Verständnis davon definiert als "wird abends hingelegt und wacht bis zum morgendlichen Aufstehen/Aufwecken nicht mehr auf". 

Die Umfrage ergab, dass immerhin 29,7% der Babys innerhalb der ersten drei Lebensmonate durchschlafen, nach einem halben Jahr schaffen das dann schon 40,6% . Nach dem ersten Geburtstag werden noch insgesamt rund ein Drittel der Kinder regelmäßig wach. Um den zweiten Geburtstag herum liegt die Durchschlafquote dann bei 83,8%. Weitere 5,4% der Kinder schaffen es erst zum 3. Geburtstag - aber selbst danach wachen noch 10,8% der Kinder regelmäßig auf.

Interessant dabei war übrigens die Unterscheidung von Still- und Flaschenkindern. Es wird allgemein angenommen, dass Stillkinder später durchschlafen, als Flaschenkinder - dies war in der von mir durchgeführten Umfrage jedoch nicht der Fall. Überraschenderweise ergab sich sogar das Gegenteil: nach 6 Monaten schliefen 59,0% der Stillkinder, aber nur 30,6% der Flaschenkinder durch. Auch nach einem Jahr ergab sich noch ein Unterschied von 79,5% zu 56,9%:
Alter in dem Kinder Durchschlafen

Die unterschiedlichen Definitionen von Durchschlafen


Meine persönliche Definition des Durchschlafens hatte ich schon genannt: Ich lege mein Kind hin und es schläft - ohne mich zu wecken - bis zum nächsten Morgen. In der Schlafforschung hingegen spricht man vom Durchschlafen schon, wenn das Kind 5 bis 8 Stunden schläft, ohne sich zu melden. Eine Userin mit einem 1,5-jährigen schrieb in meiner Umfrage sinngemäß: "Mein Kind schläft durch. Durchschlafen ist für mich der Zeitraum, bei dem ich als Mutter ununterbrochen schlafen kann. Wenn also mein Kind 19 Uhr im Bett liegt, ich ihm um 23 Uhr - wenn ich ins Bett gehe - noch eine Flasche gebe und es sich bis zum nächsten Morgen nicht mehr meldet, dann heißt das für mich durchschlafen". 

Eine andere Mutter schrieb, dass ihr Kind schon früh durchschlief - sie musste nur im ersten Jahr noch zwei bis drei Mal nachts den Schnuller wieder rein stecken, Milch habe es mit 8 Wochen schon nicht mehr gewollt. Würde ich mich mit einer dieser Mütter auf dem Spielplatz über das Thema unterhalten ohne ihre Definition zu kennen, würde ich vor Neid erblassen, wenn ich höre, dass die Kinder nach 6-8 Wochen durchschlafen - dabei müssten ihre Aussagen nach meiner Definition des Durchschlafens lauten: "Mein Kind kriegt mit 1,5 Jahren noch eine Nachtflasche" und "Im ersten Jahr hat mein Kind noch nicht durchgeschlafen". 

Das erklärt vielleicht auch ein bisschen, warum man häufig den Eindruck gewinnt, dass alle anderen Kinder viel besser schlafen, als die eigenen. Offenbar ist Durchschlafen nicht gleich Durchschlafen. Und in der Spiel- oder Krabbelgruppe zu hören "Mein Kind schläft seit einer Woche endlich durch" heißt ja nicht, dass sich das nicht auch wieder ändert. Davon wird dann nämlich häufig eher nicht berichtet. 

Das Durchschlafen aus evolutionsbiologischer Sicht 


Die Entwicklung im ersten Lebensjahr verläuft rasant - Kinder verdoppeln ihr Geburtsgewicht innerhalb von etwa 6 Monaten, nach einem Jahr hat es sich bereits verdreifacht. Für dieses enorme Wachstum wird reichlich Energie benötigt, die das Kind hauptsächlich in Form von Milch zu sich nimmt. Mal zum Vergleich: ein 5 Kilogramm schweres Baby trinkt pro Tag etwa 700 ml Milch - das entspräche etwa 10 - 12 Liter für einen Erwachsenen. Das Baby nimmt im ersten halben Jahr etwa 500 - 700 Kalorien täglich zu sich - das ist bezogen auf das Körpergewicht drei mal mehr Energie, als ein Erwachsener täglich benötigt. Da der Magen vergleichsweise klein ist, trinkt das Baby entsprechend häufig. Außerdem soll die Energie kontinuierlich zur Verfügung stehen, weshalb eine gleichmäßige Zufuhr erforderlich ist. Die meisten Neugeborenen haben daher noch keinen Tag-Nacht-Rhythmus - sie trinken in verhältnismäßig regelmäßigen Abständen von etwa 2 bis 4 Stunden. 

Mütter sind biologisch dafür ausgelegt, einen Säugling relativ unkompliziert gleichmäßig mit Nahrung zu versorgen. Untersuchungen haben ergeben, dass sich der Schlafrhythmus - genauer gesagt die Schlafphasen - von Stillkindern und Müttern synchronisieren. Die Aktivitäten des Gehirns, die Atmung, die Muskelspannung und der Herzschlag verlaufen nahezu synchron, wenn das Kind im Familienbett schläft. Das Baby spürt dadurch, wenn die Mutter in eine leichte REM-Schlafphase kommt und sucht in der Regel in einem solchen Abschnitt nach der Brust. Stillmütter können sich häufig nicht daran erinnern, wie oft das Kind gestillt wurde, sobald es von allein an die Brust robbt. Der Schlaf ist daher für die Mutter erholsamer, weil er nicht in Tiefschlafphasen sondern in den leichteren Phasen unterbrochen wird - Mütter, die ihre Kinder im Familienbett bei sich haben sind daher häufig weniger erschöpft oder angestrengt. Schläft das Kind weiter weg, findet keine Synchronisation statt. Ist außerdem die Zubereitung einer Flasche erforderlich, wird das häufige Aufwachen oft bald zur Qual.

Untersuchungen haben gezeigt, dass Stillkinder im Familienbett nachts ein Drittel mehr Kalorien zu sich nehmen, als Kinder, die im eigenen Bett schlafen. Es ist also zu vermuten, dass die Natur ein Programm entwickelt hat, um eine möglichst kontinuierliche Nahrungsaufnahme zu ermöglichen. Auch dass Kinder etwa ab einem Alter von 3-4 Jahren beginnen, verlässlicher Durchzuschlafen ist ein Zeichen dafür, dass der leichte Nachtschlaf vor allem für die Nahrungsaufnahme sinnvoll war - in diesen Zeitraum fällt das natürliche Abstillen.

Darüber hinaus hat der leichte, häufig unterbrochene Schlaf eine Schutzfunktion - das Kind überprüft in regelmäßigen Abständen, ob seine Bezugspersonen noch anwesend sind oder ob es etwa schutzlos ausgeliefert allein herum liegt. In diesem Falle ist es sinnvoll, sofort Alarm zu schlagen. Diese Verhaltensweise ist genauer im Artikel über das ständige Aufwachen beschrieben. Es gibt Kinder, die diesbezüglich ausgeprägtere Kontrollbedürfnisse haben, als andere. Während man meine Tochter mit 7 Monaten problemlos in ihr Bett legen konnte und sie noch nachts einmal zu Trinken aufwachte, hat mein Sohn noch mit über einem Jahr regelmäßig nachts nach mir getastet - fand seine kleine Hand keinen Hautkontakt, wachte er sofort auf - bis zu 8 Mal pro Nacht. Erst mit etwa 2 Jahren schlief er zumindest die erste Nachhälfte alleine in seinem Bett - jedoch bis heute in der Regel nicht durch.  

Kein Mensch schläft übrigens wirklich "durch" - alle Menschen (egal welchen Alters) werden nachts regelmäßig wach. Wir schlafen in Phasen - eine Phase dauert beim Erwachsenen zwischen 90 und 120 Minuten. Zwischen diesen Phasen sind wir wach - Sekunden, manchmal Minuten. Erinnern können wir uns daran meist nicht - wir sind in der Lage, allein den Übergang in die nächste Schlafphase zu finden. Die Schlafphasen von Babys sind kürzer (30 bis 60 Minuten) - auch sie sind regelmäßig wach. Kinder, die Durchschlafen, schlafen also nicht tatsächlich durch - sie melden sich nur nicht, wenn sie wach sind, weil sie verlässlich allein und ohne Hilfe in die nächste Phase wechseln.

Familie mit Baby im Familienbett

Das Einschlafen hat diesbezüglich eine wichtige Rolle - gewöhnt sich das Kind an ein bestimmtes Ritual, kann (nicht muss!) das dazu führen, dass es dieses auch bei den Übergängen zwischen den Schlafphasen erwartet und einfordert. Wird ein Kind sanft gewiegt, möchte es das auch nachts - liegt es einfach im Bett, fehlt ihm etwas - es wird wach. Daher sollte man zum Einschlafen nur Unterstützung anbieten, die man dauerhaft auch nachts leisten kann.

Um es ganz klar zu sagen: Neugeborene brauchen in der Regel den Körperkontakt um sich sicher und geborgen zu fühlen - es ist daher nicht zu empfehlen, das Kind möglichst schnell an das allein Einschlafen in der Wiege zu gewöhnen, um etwaigen Durchschlafproblemen prophylaktisch vorzubeugen. Wenn man jedoch das Gefühl hat, dass das nächtliche Aufwachen nicht mehr der Nahrungsaufnahme dient und höchstwahrscheinlich durch das Fehlen der Bedingungen beim Einschlafen verursacht ist (meist Einschlafstillen oder Flaschennuckeln), dann sollte man erwägen, etwas am Einschlafen zu ändern. Mein Gefühl hat mir mit etwa 10 Monaten gesagt, dass mein Kind jetzt reif ist, einzuschlafen, ohne dass ich es im Arm halte. 

Ab wann "brauchen" Kinder nachts keine Nahrung mehr? 


Das ist eine sehr häufig gegoogelte Frage. Die meisten Fundstellen werden das Alter von etwa 6 Monaten angeben. Ich habe mich bei meinem ersten Kind auf "Quellensuche" begeben. Am Ende stieß ich auf das Buch "Jedes Kind kann schlafen lernen". Dort heißt es im Kapitel Vom 6. Monat bis zum Schulalter. Zeit für feste Zeiten:
"Wenn Ihr Baby sich sicher bisher noch nicht an regelmäßige Schlaf- und Wachzeiten gewöhnt hat, brauchen Sie nun auf keinen Fall länger abzuwarten. Sie können sicher sein: auch bei Ihrem Baby ist die biologische Reifung soweit abgeschlossen, dass es nachts nichts mehr zu trinken braucht und ca. 11 Stunden hintereinander schlafen kann."    
Auch in den Büchern von Johanna Haarer (siehe dazu auch die Artikel-Reihe Die Erziehung unserer Großeltern) "Die [deutsche] Mutter und ihr erstes Kind" ist davon die Rede:
"Zur letzten Abendmahlzeit muss das Kind vielfach geweckt werden, die Zeit dafür ist etwa 19 Uhr. Vom dritten Vierteljahr an kann beim gesunden Kind ohne weiteres erreicht werden, dass es mit 4 Mahlzeiten auskommt und 12-stündige Nachtruhe durchhält." 
Babys schlafen nicht durch
 
Dass normal entwickelte Babys ernährungsphysiologisch nach 6 Monaten nachts keine Nahrung mehr zum Überleben benötigen, ist durchaus zutreffend. Das heißt jedoch genau genommen nur: sie sterben nicht, wenn ihnen über einen längeren Zeitraum Nahrung vorenthalten wird. Da ca. 60 % der Kinder auch nach einem halben Jahr noch nachts aufwachen, sollte man sich fragen, ob eine nächtliche Nahrungszufuhr nicht dennoch weiterhin sinnvoll sein könnte. Ich persönlich vertrete die Ansicht, dass Kinder sehr genau wissen, was sie brauchen. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass ein 10-monatiges Kind, das nachts 2 bis 3 mal aufwacht und zügig größere Mengen Milch trinkt, tatsächlich Hunger hat. Egal, was irgendein Buch dazu sagt. Daher halte ich nichts davon, Kindern im ersten Jahr die nächtlichen Mahlzeiten abzugewöhnen, indem man bspw. die Nachtflasche nach und nach verdünnt. 

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Stillkinder zum Nuckeln neigen. Mein Sohn war da ein ganz besonderes Exemplar. Er nahm als Baby keinen Nuckel und wollte ausschließlich an die Brust. Während der ersten Monate hatte er einen guten Rhythmus von etwa 3 bis 4 Stunden in der Nacht. Nach etwa einem halben Jahr steigerte sich jedoch allmählich die Stillfrequenz. Der Prozess war schleichend und als wir dann mit etwa 8 bis 9 Monaten bei stündlichem An-die-Brust-Wollen angelangt waren, war meine persönliche Schmerzgrenze erreicht. Sooo hungrig, kann ein Baby nun auch nicht sein - ganz offenbar hatte er das Einschlafen (das ohnehin schon immer ein K(r)ampf war) so eng mit der Brustwarze im Mund verknüpft, dass er ohne einfach nicht mehr einschlafen konnte. Ich versuchte es erfolgreich mit dem "sanften Ablösen" - er "lernte" also das Einschlafen ohne Brust - und siehe da - der Rhythmus dehnte sich wieder auf 3 bis 4 Stunden aus. Ganz offenbar war das Nuckeln irgendwann tatsächlich reine "Gewöhnung" geworden.

Mit ca. 16 Monaten steigerte sich das dann wegen meiner Faulheit auf 3 bis 6 mal aufwachen. Ich schlief einfach während des Stillens/Nuckelns vor ihm wieder ein und hatte keine Lust, auf das sanfte Ablösen zu warten - wodurch er sich wieder daran gewöhnte mit Brust im Mund zu schlafen. Mit 1,5 Jahren reicht es mir und ich beschloss, nachts abzustillen - er bekam konsequent die Flasche angeboten. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass ihn kein Hunger weckte. Seit dem schlief er ohne nächtliche Milch und wachte dennoch ein- bis zweimal auf. Im Alter von etwa von 5 1/2 Jahren schlief er eine ganze Weile verlässlich durch. Nach wenigen Wochen wachte er jedoch wieder regelmäßig auf - bis heute. Er ist 7 Jahre alt.
Meine persönliche Erfahrung ist also, dass das (nächtliche) Abstillen an den (Durch-)Schlafgewohnheiten nichts geändert hat. Ich habe jedoch schon häufig gelesen, dass es durchaus dazu führen kann.  

Wie kann ich das Durchschlafen fördern? 


Weit verbreitet ist leider die Empfehlung, das Baby konsequent schreien zu lassen (so genanntes "Ferbern"). Die Methode funktioniert durchaus - hat aber schwerwiegende Folgen, weswegen ich dringend davon abrate. Stillbabys schlafen am besten in Mamas Nähe - daher ist das Familienbett für schlecht schlafende Stillkinder in der Regel die beste Lösung. Nur sehr selten finden Mütter dabei keine Ruhe - im Grunde sind sie von der Natur dafür ausgelegt, die ersten Jahre bei ihrem Baby zu schlafen. Wachen die Kinder dennoch häufig auf und belastet das, sollte man das Einschlafstillen überdenken. Häufig führt das Einschlafen ohne Brust im Mund zu einer geringeren Aufwachfrequenz. Und die Versuche, einen Nuckel anzubieten (den viele Stillkinder verweigern) sollten nicht vorzeitig aufgegeben werden - mein Sohn nahm das erste Mal einen Schnuller, als er 20 Monate alt war - seitdem schläft er auch deutlich besser. Auch Flaschenkinder lieben und suchen die Nähe ihrer Eltern, dort fühlen sie sich wohl und geborgen. Die Angst, dass die Kinder im elterlichen Bett verwöhnt werden könnten (und es gar nie wieder verlassen könnten) ist leider weit verbreitet, aber vollkommen unnötig.

Wenn Flaschenkinder häufig nachts nach der Flasche verlangen und diese auch zügig trinken, kann man den Umstieg auf eine sättigendere Nahrung erwägen. Folgemilch hat zu unrecht einen schlechten Ruf - mittlerweile gibt qualitativ sehr gute 2er-, 3er- und Kindermilchen zu kaufen. Damit kann man zumindest das Aufwachen wegen Hungers minimieren.

Damit erschöpfen sich auch schon die "Ratschläge" - denn das Durchschlafen ist nichts, das Kinder erlernen können - es ist ein Reifeprozess, der in nur geringem Umfang aktiv befördert werden kann. Wenn das Bedürfnis nach Nahrung und Nähe erfüllt ist und das Kind dennoch ständig aufwacht, kann man nur noch geduldig abwarten.

Was ich abschließend jeder müden Mutter ans Herz legen möchte: So schwer es manchmal fällt - versuche die Situation gelassen zu sehen. Du wirst die letzten 30 bis 60 Jahre Deines Lebens wieder halbwegs ununterbrochen schlafen können - auch wenn das jetzt in weiter Ferne erscheint. Es ist von der Natur so vorgesehen, dass Dein Kind immer wieder wach wird und sich Deiner Nähe und Deines Schutzes versichert - dieses Verhalten ist vollkommen normal und nicht falsch anerzogen. Egal, was Dir alle anderen weis machen wollen. Und: es wächst sich irgendwann aus. Beim einen Kind früher, beim anderen später. Wichtig ist nicht, dass Dein Schlaf durchgehend ist - viel mehr schlaucht der Mangel an Tiefschlaf. Wer öfter aufwacht braucht mehr Tiefschlafphasen - die erreicht man durch ein Mehr an Schlaf.  

Bestimmt auch interessant zu diesem Thema: Unsere Podcastfolge über Probleme beim Ein- und Durchschlafen.

© Danielle 

Quellen


Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen - Born to be wild: Wie die Evolution unsere Kinder prägt, Kösel Verlag