Warum französische Kinder keine Nervensägen sind

Unsere Leserin Daniela fragte mich vor einiger Zeit auf Facebook, ob ich schon das Buch "Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris" von Pamela Druckerman gelesen hätte. Sie würde gerne wissen, was ich davon hielte. Das Buch stand schon eine ganze Weile auf meiner Leseliste, weil ich sehr gespannt war, wie man es schafft, nicht-nervende Kinder zu erziehen. 

Zugegeben - es ist eine sehr subjektive Wahrnehmung - aber auf einer Skala von 1 (nie nervig) bis 10 (nerven ständig) würde ich meine Kinder im Moment locker zwischen 7 und 8 einsortieren. Ehrlich gesagt hielt ich das bisher für einen relativ normalen Zustand und habe mich dran gewöhnt und das als gegeben hingenommen - aber wenn mir hier exklusive "Erziehungsgeheimnisse aus Paris" angeboten werden, werde ich natürlich sehr neugierig.

Das Buch


Die Autorin Pamela Druckerman ist Amerikanerin, die der Liebe wegen nach Paris gezogen ist und dort ihre Tochter geboren hat. Als ihr Kind etwa zwei Monate alt war, fragte man sie, ob es denn schon durchschlafe. Sie hatte die Frage zunächst für einen Scherz gehalten, als sie sich jedoch genauer mit dem Thema auseinander setzte, stellte sie fest, dass in Frankreich offenbar tatsächlich fast alle Kinder innerhalb der ersten drei Monate durchschlafen. 

Ihr fiel außerdem auf, dass französische Kinder viel braver seien, als deutsche oder amerikanische. Sie würden nicht nerven oder dazwischenreden, sie könnten sich intensiv selbst beschäftigen, sie würden die Eltern respektieren, keine Widerworte geben und Trotzanfälle würde man auf Pariser Straßen nie beobachten. Also beschloss sie, dem Geheimnis der französischen Erziehung auf den Grund zu gehen, um den Rest der Welt an diesem umwerfenden Erfolgsrezept teilhaben zu lassen.

Das Cadre-Konzept


Die Autorin findet heraus, dass das große Geheimnis der Franzosen das "Cadre-Modell" ist. Damit ist gemeint, dass die Kinder einen sehr klaren Rahmen gesetzt bekommen, innerhalb dessen sie jedoch große Freiheit genießen. Liest man das Buch, dann klingt es so, als wäre das ein ganz einfacher Selbstläufer. Es wird immer wieder betont, dass keine Strafen notwendig wären - die Kinder würden einfach gehorchen, weil die Eltern eine natürliche Autorität ausstrahlen. "Cadre" spielt eine große Rolle im Buch - bis zuletzt wird jedoch nicht richtig klar, was eigentlich konkret damit gemeint ist. Komplizenschaft mit den Kindern, häufiges Ja-Sagen, wenig Lob, viel Freiheit, strenges Anschauen, gnadenlose Konsequenz, viel reden... All das führe eben dazu, dass französische Kinder so anders seien. Den Leser beschleicht unterschwellig das Gefühl, sich bei seiner Erziehung offenbar schlicht zu doof anzustellen, weil doch im Grunde alles ganz simpel wäre. Das relativiert sich allerdings etwas, wenn man liest, wie die Autorin versucht, das Modell in ihre Familie zu integrieren und letztendlicj resümiert: "Aber noch frage ich mich, ob ich diesen Balanceakt jemals automatisch beherrschen werde" (S. 315). Ganz so einfach scheint es dann doch nicht zu sein.

Warum Babys früh durchschlafen


Um das Geheimnis zu ergünden, warum Babys in Frankreich so früh durchschlafen, trifft die Autorin einen Kinderarzt, der dazu rät, Babys grundsätzlich erst mal kurz warten zu lassen. Da sich Säuglinge im Schlaf oft drehen und winden, gehen Eltern meist irrtümlich davon aus, dass sie wach seien. Spricht man die Kinder dann an oder hebt man sie hoch, würden sie dadurch natürlich wach und fänden nicht mehr so schnell in den Schlaf. Angeblich würde das Abwarten dazu führen, dass Kinder "lernen", sich selbst zu beruhigen, so dass man sie später nicht schreien lassen muss. Nach dieser bahnbrechenden Erkenntnis fragt die Autorin im Bekanntenkreis nach, ob die Mütter dort auch diese Pause vor dem Reagieren einhalten würden. Sie berichtet von Alexandra:

"Alexandra, deren Töchter schon in der Klinik durchgeschlafen haben, bestätigt, dass sie natürlich nicht sofort hingelaufen sei, sobald die Babys anfingen zu weinen. Manchmal habe sie fünf oder zehn Minuten gewartet, bevor sie sie hochnahm" (S. 70).

Seltsamerweise führt das zu dem Schluss:

"Sie hat ihre Neugeborenen nicht ignoriert. Im Gegenteil, sie hat sie sorgsam beobachtet. Alexandra hat darauf vertraut, dass ihr Weinen etwas bedeutet. Während der Pause hat sie sie angesehen und zugehört. (Sie fügt hinzu, dass es noch einen Grund für die Pause gibt: "Um den Kindern Geduld beizubringen")" (S. 71).

Wenn Babys nicht in den ersten vier Monaten auf diesem Wege nicht schlafen "gelernt" haben, rät der Arzt:

"Dann sollte man es zu einervernünftigen Uhrzeit ins Bett legen - möglichst solange es noch wach ist, und erst gegen 7 Uhr morgens wieder nach ihm schauen" (S. 75).

Das ist also das "Geheimnis", der gut schlafenden französischen Kinder - ihr Schreien in der Nacht konsequent zu ignorieren. Nicht etwas - wie beim Ferbern regelmäßig hineinzugehen und wenigstens mit Worten zu trösten - nein, das Kind wird so lange schreien gelassen, bis es erschöpft einschläft. Wenn Kinder so früh im Leben schon resignieren müssen und lernen, dass sich die Erwachsenen ohnehin nicht für ihre Belange interessieren, dann wundert es meines Erachtens wenig, dass sie auch später einfach tun, was man ihnen sagt und nicht weiter diskutieren. Sie haben von kleinauf gelernt, dass sie doch ohnehin keine Chance haben.




Warum französische Kinder nicht mäkeln


Die Ernährung spielt in Frankreich eine zentrale Rolle bei der Erziehung. Stillen wird als sehr antiquiert betrachtet. Viele Mütter stillen gar nicht, die meisten hören innerhalb der ersten drei Monate damit auf. Die Stillquote im Alter von 6 Monaten liegt unter 10 % - in Deutschland sind es immerhin noch 40 % der Kinder, die zu diesem Zeitpunkt noch gestillt werden. Flaschennahrung wird als absolut gleichwertig betrachtet und die Vorteile der Muttermilch ignoriert. Dabei haben Studien bspw. gezeigt, dass Stillen sehr gut präventiv gegen Asthma hilft. Ob damit zu erklären ist, dass in Frankreich etwa 2,5 mal mehr Kinder im Alter von 6 bis 7 Jahren davon betroffen sind, als in Deutschland, ist rein spekulativ, aber eine interessante Frage. Die Autorin des Buches findet das Stillverhalten im Übrigen eher befremdlich - ihr eigenes Kind stillte sie bis zum ersten Geburtstag.

Die Flaschenfütterung ist aber auch eines der Erziehungsgeheimnisse! Denn - was wir gar nicht wussten: Alle Babys scheinen einen festen Rhythmus bei den Mahlzeiten zu entwickeln, den wir durch ständiges Stillen nur vollkommen durcheinander bringen. Wenn man Babys mit der Flasche füttert, wann immer sie danach verlangen, dann werden sich so gut wie alle sehr schnell auf einen Rhythmus von 4 Stunden einpendeln. Sie verlangen um 8 Uhr, 12 Uhr, 16 Uhr und 20 Uhr die Flasche und sind zwischendurch vollkommen zufrieden. So haben im Grunde alle Babys genau den Fütterungsrhythmus der Krippen - das ist natürlich sehr praktisch! 

"Fragt man französische Eltern jedoch, ob sich ihre Kinder an einen bestimmten Zeitplan halten, antworten sie fast immer mit Nein. Wie beim Thema Schlaf behaupten die Eltern steif und fest, sich einfach nur dem Rhythmus ihrer Kinder anzupassen. Wenn ich dann darauf hinweise, dass alle französischen Babys etwa zur selben Zeit essen, tun die Eltern das als bloßen Zufall ab" (S. 82). 

Und das ist - so meint die Autorin - auch der Grund dafür, dass französische Kinder nicht mäkeln. Da sie nicht zwischendurch ständig Snacks gereicht bekommen, haben sie bei den Mahlzeiten dann auch so großen Hunger, dass sie a) alles essen und b) still am Tisch sitzen bleiben.

Tatsächlich scheinen schon die kleinsten Franzosen und Französinnen regelrechte Feinschschmecker zu sein. Die Kinder an zahlreiche unterschiedliche Geschmäcker heranzuführen ist eins der wichtigsten Erziehungsziele. Die Zubereitung und die Einnahme von Mahlzeiten hat einen sehr hohen Stellenwert in Frankreich. Woran liegt es aber, dass Kinder ihre biologisch natürliche Abscheu gegenüber Gemüse ausgerechnet in Frankreich nicht zeigen? Sie werden zunächst einmal aufgefordert, alles zu probieren. Wenn sie das Angebotene nicht mögen, steht es ihnen frei, nichts (!) zu essen. Alternativen sollen nicht angeboten werden. Unliebsame Speisen werden immer und immer wieder - in der Zubereitung variiert - angeboten, irgendwann, so nimmt man an, wird das Kind sie schon essen. Auch bei diesem Thema scheint man also auf Resignation zu setzen und das als erfolgreiche Erziehung zu betrachten

Franzosen bereitet es übrigens auch keine Bauchschmerzen, vierjährige Kinder in Sommerlager oder auf Kitafahrten zu schicken, die länger als eine Woche dauern. Das zeigt, wie wichtig ihnen schnelle Selbständigkeit und Unabhängigkeit ist - dieser Anspruch zieht sich durch die gesamte Erziehung. Eltern, die sich zu viel um ihre Kinder kümmern, werden belächelt - in Frankreich ist es en vogue, die eigenen Bedürfnisse auch nach einer Geburt in den Vordergrund zu stellen und sich deswegen nicht schlecht zu fühlen:

"Was die Französinnen tatsächlich gegen Schuldgefühle wappnet, ist ihre Überzeugung, dass es nicht gut für die Mütter und ihre Kinder ist, ständig zusammenzuglucken. Sie glauben, die Kinder könnten durch die viele Aufmerksamkeit und Fürsorge überbehütet werden oder eine gefürchtete relation fusionelle entwickeln, bei der die Bedürfnisse von Mutter und Kind miteinander verschmelzen" (S. 196).


Das Familienleben in Frankreich


Die Franzosen haben eine der höchsten Geburtenraten weltweit. Grund dafür soll die beispielhafte Kinderbetreuung sein - so gut wie alle Französinnen gehen 10-12 Wochen nach der Geburt wieder arbeiten und geben ihre Kinder in die "Creche". 

Vom französischen Familienleben habe ich nur sehr nebulöse Vorstellungen. Um mir ein genaueres Bild zu machen, fragte ich Tanja von Tafjora - einmal Frankreich und zurück, welche Erfahrungen sie in Frankreich gemacht hat. Sie berichtet:

"Ich habe dieses Buch ja bisher noch nicht gelesen, aber allein schon der Titel lässt mich ein bisschen schmunzeln. Denn ich finde die französischen Kinder im Grunde auch nicht mehr oder weniger nervig als meine beiden "deutschen" Kinder. Ich glaube eher es liegt zum einen am Umgang mit den Kindern und zum anderen auch, welchen Stellenwert Kinder in der Gesellschaft dort haben. 

Mein Löwenjunge besuchte drei Jahre den französischen Kindergarten und so haben wir andere französische Familien mit Kindern kennen gelernt. Familien unterschiedlicher Größe und auch aus unterschiedlichen Schichten. Der größte Unterschied den ich erkennen konnte war, dass französische Eltern gar nicht so viel Zeit mit ihren Kindern verbrachten, also auch gar nicht so oft "genervt" sein konnten. Fast alle Kinder waren in irgendeiner Betreuung. Ab 2 Monate können sie zu einer Tagesmutter, die sogar steuerlich berücksichtigt werden kann. Krippe für berufstätige Eltern gibt es natürlich auch. 

Wir haben einmal Urlaub in einem französischen Club gemacht. Die Kinderbetreuung wurde ab sechs Monaten angeboten. Nach dem Frühstück konnte man seine Kinder dort abgeben- sogar im Restaurant haben die Kinder getrennt von ihren Eltern Mittag und Abend gegessen! Wir waren die einzige Familie, die wirklich Urlaub mit Kindern gemacht hat. Ich denke mir eben, dass Kinder die nie da sind, auch nicht nerven können, oder?

Außerdem kam mir der Umgang mit den Kindern einfach auch anders vor als bei uns. Hier wurde sehr gerne auch mal ein Klaps gegeben oder am Ohr gezogen. Das Kleinkind hat einen Trotzanfall und weint im Supermarkt? Da lässt sich Mama einfach nicht nerven. Entweder sie ignoriert es oder es gibt Ärger, notfalls einen Klaps. (Natürlich sind nicht alle so, aber dieses Szenario war keine Ausnahme). Für viele Situationen mit Kind gibt es aber in Frankreich einfach auch bessere Lösungen. Fast überall wo man mit Kind hinkommt, gibt es Beschäftigungsmöglichkeiten. Im noch so kleinsten Restaurant findet man eine kleine Spieleecke. Kinder sind in der französischen Gesellschaft meiner Meinung nach viel besser integriert und akzeptiert. Viele Spielplätze, Kindertoiletten, Kinderessen... Das entspannt doch auch die Eltern. Essen gehen in Deutschland? War  für mich mit 2 kleinen Kindern nur nervig, weil die da gar keine Lust drauf hatten und man vom Nachbartisch aus blöd angeschaut wird, weil Kinder in Deutschland doch "zu laut" sind. In Frankreich gehen die Menschen oft und gerne essen, die Kinder sind eigentlich immer mit dabei. 

Eine Übersetzung für RABENMUTTER gibt es im Französischen übrigens nicht. Dafür nennt man Mütter, die den ganzen Tag bei ihren Kindern daheim sind: MERES POULES (Gluckenmama)

Die meisten Mütter in Frankreich wirkten auf mich einfach cooler. Ich habe wirklich tolle Menschen dort kennen gelernt, aber bindungsorientiert haben die wenigsten verstanden. Stillen und tragen? Eher Ausnahmen. Abschiedsschmerz im Kindergarten? "Komm hör auf zu weinen und gib Mama ein Bisous". Während sich meiner Meinung nach bei uns deutschen Müttern mit der Geburt (und dem Mutterschutz) erst mal alles ändert, verändert sich das Leben der französischen Mutter nicht so gravierend. 

Auch wenn sich vieles da jetzt schrecklich anhört, vieles ist einfach bei denen anders. Vom Grundgedanken her schon mal. Ihre Kinder lieben französische Eltern trotzdem und vielleicht haben sie nicht umsonst, im Schnitt 2 Kinder, weil französische Kinder nicht so nerven- oder weil sich die Eltern nicht so leicht nerven lassen (können)!? Und nicht zu vergessen: nicht alle Eltern waren so ;-)".
Vielen Dank für diesen Erfahrungsbericht, liebe Tanja! 

Französische Kinder sind also keine Nervensägen, aber werden sie glücklich?


Da im Buch immer wieder betont wird, dass das Cadre-Modell gar keine erfordern würde, habe ich mich gefragt, wie es sich in Frankreich mit körperlicher Gewalt gegenüber Kindern verhält. Anders, als in anderen Staaten, gibt es dort keine gesetzlichen Regelungen, die verbieten, Kinder zu schlagen - und 53 % der Franzosen befürworten das! "Über 80 Prozent der französischen Eltern benutzen die Ohrfeige oder Schläge auf den Hintern regelmäßig, um ihre Kinder zur Räson zu bringen", bestätigt die Allgemeinärztin Marie Levasseur in der ZEIT, die diese Zahlen für ihre Promotion recherchiert hat. Die Organisation Union des Familles en Europe (UFE) veröffentlichte 2010 sogar eine Studie, in der 96 % (!) der befragten Kinder angaben, schon mal geschlagen worden zu sein. Das räumten auch 87 % der Erwachsenen so ein. Etwa 80 % dieser Eltern gaben sogar zu, dass die Klappse nicht allein aus erzieherischer Sicht erfolgen, sondern auch mal, um sich abzureagieren. 

Das erkärt vielleicht das Geheimnis des Cadre-Erfolges - die "natürliche Autorität" der Eltern scheint nicht ganz so "natürlich" zu sein. Auch wenn die Autorin des Buches nicht gesehen hat, wie in der Öffentlichkeit Kinder geschlagen werden, so scheint das hinter verschlossenen Türen ganz anders auszusehen.  Und auch ihre Pariser Freunde sagen, "sie erleben das öfter" (S. 316).

Da wundert es nicht, dass Frankreich bei der UNICEF-Studie zur Kinderzufriedenheit aus dem Jahr 2013 im Teilbefragungsbereich "Children’s relationships with parents and peers" - also bei der Beurteilung der Beziehungen zwischen Kindern und ihren Eltern und Gleichaltrigen - auf dem allerletzten Platz (von insgesamt 28 europäischen Nationen) landete. Nur 71,2 % der Kinder fanden es einfach, mit ihrer Mutter zu sprechen - mit den Vätern leicht ins Gespräch kommen nur magere 50,3 % (zum Vergleich: in den Niederlanden sind es 91,7 % und 81,4 %). Ihre Klassenkameraden finden sogar nur 56,6 % der französischen Kinder nett und hilfsbereit (in den Niederlanden sind es 80,4 %).

Wie sieht es aus mit der psychischen Gesundheit in Frankreich?


Ich habe mich gefragt, wie glücklich eigentlich Franzosen sind. Wer als Baby schreien gelassen wird und zusätzlich so extrem früh fremdbetreut wird, hat ziemlich wahrscheinlich Probleme mit dem Urvertrauen und der Entwicklung einer sicheren Bindung. Wenn Menschen nicht glücklich sind, nicht in stabilen Beziehungen leben und sich nicht wertgeschätzt fühlen, flüchten sie sich oft in Ersatzbefriedigungen und Süchte. Auch die Häufigkeit von Depressionen ist möglicherweise ein Indikator für die allgemeine Lebenszufriedenheit. Ich habe mir die Statistiken dazu einfach mal angeschaut (ohne den wissenschaftlichen Anspruch einer Beweisführung damit erheben zu wollen :-).


Ein internationales Forscherteam von der State University of New York führte detaillierte Interviews mit mehr als 89 000 Menschen aus insgesamt 18 Ländern. Gefragt wurde unter anderem, ob der Befragte schon mal an einer depressiven Episode gelitten habe. Der Anteil derjenigen, die das bejahten, war mit mehr als 30 % besonders hoch in Frankreich, den Niederlanden und den USA. Nach Angaben von CREDES, einem französischen Forschungsinstitut, stieg von Anfang der 1980er Jahre bis Anfang der 1990er Jahre die Rate der depressiven Kinder und Jugendlichen um um 50 Prozent.

Im Focus war 2011 zu lesen: 
"Nach einer aktuellen Studie haben sich in Frankreich im vergangenen Jahr mehr als 10 000 Menschen selbst umgebracht. Damit ist hier die Selbstmordrate so hoch wie in keinem anderen westeuropäischen Land. Traurige Bilanz im Nachbarland Frankreich: Schon mehr als jeder 20. Franzose hat bereits einmal versucht, sich das Leben zu nehmen. Das Gesundheits- und Präventionsinstitut Inpes legte am Dienstag alarmierende Zahlen vor. „Frankreich zählt zu den europäischen Ländern mit der höchsten Selbstmordrate, nach Finnland, Litauen, Ungarn und Slowenien“, erklärte ein Autor der Studie. Demnach haben nicht nur 5,5 Prozent der Bevölkerung zwischen 15 und 85 Jahren im Laufe ihres Lebens versucht, sich umzubringen. Im vergangenen Jahr dachten rund vier Prozent der Franzosen daran, einen Suizid zu begehen. Insgesamt wurden 10 464 Selbstmorde gezählt".
Die Suizidrate liegt in Frankreich bei 16,3 Selbstmorden je 100.000 Einwohnern und ist damit bspw. viermal so hoch, wie in Griechenland (3,8). In Deutschland töten sich jährlich ca. 12,5 von 100.000 EInwohnern

Und wie sieht es mit dem Alkoholkonsum aus? Auch hier liegen die Franzosen mit 13,66 l/Jahr reinem Alkohol im weltweiten Vergleich weit vorne (wie die Deutschen mit 12,81 l auch). Zum Vergleich: Die Norweger trinken in Europa mit am wenigsten - 7,81 l pro Jahr. 

Bei einem weiteren Suchtmittel - dem Tabakkonsum - findet man Frankreich mit einer Raucherquote von 33 % ebenfalls weit vorne (zum Vergleich: Deutschland 25%, Schweden 16 %).

Trotz der vergleichsweise sehr strengen Gesetze zur Reglementierung von Drogen, ist der Konsum recht hoch: 12,7% der Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 gaben an an, im letzen Monat Cannabis konsumiert zu haben - in Deutschland waren es 7,6 %. Bei den französischen Erwachsenen rauchten 4,8 % Haschisch - in Deutschland mit 2,2 % nicht mal halb so viele. 

Fazit


Französische Kinder mögen keine Nervensägen sein - wie das jedoch genau erreicht wird, darüber kann man spekulieren. Pamela Druckermann hat das in ihrem Buch getan und mich nicht davon überzeugt, dass es einer natürlichen Autorität im Rahmen des Cadre-Konzepts zu verdanken ist. 

Kinder scheinen in Frankreich eine sehr untergeordnete Rolle zu spielen - dazu ist es jedoch erforderlich, dass sie verlässlich funktionieren. Wenn sie früh in die Fremdbetreuung gegeben werden, dann müssen sie sich schnell an strikte Regeln und Vorgaben halten. Wenn sie sich außerdem schon als Babys in den Schlaf schreien mussten, ist ihr Urvertrauen sicher davon beeinflusst. Ob das ein guter Preis für "brave" Kinder ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Das Buch ist durchaus unterhaltsam geschrieben und bietet einen ganz interessanten Blick ins französische Familienleben - die "Erziehungsgeheimnisse" sind aus meiner Sicht jedoch als eher bedenklich einzustufen. 

© Danielle 

Quellen







49 Kommentare:

  1. Boah, das ist irgendwie gruselig und erinnert mich doch sehr an die Stories meiner Oma aus DDR-Zeiten alà "Die Kinder wurden gefüttert, gewickelt und dann für die nächsten 4h ins Schlafzimmer gelegt und wenn sie zu laut geschrieen haben, wurde die Tür zu gemacht." Demnach kann meine Oma auch nicht wirklich nachvollziehen, wie wir unsere Kinder erziehen...

    Tafjora kam ja schon zu Wort, aber ich empfehle auch unbedingt ihre Reihe zum französischen Kinderbetreuungssystem. Gerade in dieser Vorschule geht es zu wie bei uns in der Schule und das für die Kids ab 3 oder 4 Jahren. Von 8-16 Uhr wird dort richtig gelernt mit relativ wenig Bewegung zwischendrin...

    Was ich an deinen Ausführungen aber sehr spannend finde, ist, dass die Eltern-Kind-Bindung in den Niederlanden zwar sehr gut ist, die Selbstmordrate aber ebenso hoch wie in Frankreich...

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    1. Liebe Nadine,

      ich glaube, aufgrund der Befragung kann man keine Rückschlüsse auf die Qualität der Bindung machen. Gefragt wurde ja lediglich nach dem Teilaspekt gefragt, wie viele "find it easy to talk" mit ihren Eltern. Offenbar haben niederländische Kinder da weniger Schwierigkeiten (und sie waren auch generell die zufriedensten Kinder in der Studie).

      Ich will auch gar nicht so weit gehen und sagen, dass die Kindheit ursächlich für die hohe Selbstmordquote verantwortlich sind - da gibt es ganz viele verschiedene Einflüsse. Was ich aber vermute: eine glückliche Kindheit mit stabilien Beziehungsgeflechten kann maßgeblich dazu beitragen, diesen anderen Einflüssen gestärkt zu begegnen.

      Liebe Grüße
      Danielle

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    2. Eine schöne Ergänzung ist - finde ich - der Artikel der Französin Cécile Calla

      #regrettingmotherhood: Das Wort "Rabenmutter" gibt es auf Französisch nicht
      Nicht nur hierzulande ist die bereuende Mutter – die narzisstische, hysterische Heulsuse – ein Aufregerthema. Warum interessiert diese Debatte in Frankreich niemanden?


      http://www.zeit.de/kultur/2016-04/regretting-motherhood-mutterschaft-debatte-frankreich-10nach8

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  2. Danke für diesen Artikel!
    (wieder einer, den ich eigentlich schon lange selber schreibenwollte :-) )
    In der französischen Schweiz lebend, kann ich so ziemlich jedes Wort davon unterschreiben. Wir haben hier auch immer Konflikte mit pädagogischen Strukturen (Schule, Hort, Kita,...), weil unser Sohn nicht gleichermassen "abgerichtet" und "dressiert" wurde, wie viele der anderen Kinder. Eine Kita, die "nur" den "stillen Stuhl" als "Konsequenz" einsetzt, gilt hier nicht grad als "unerzogen", aber doch schon als "bienveillant" ("wohlwollend erziehend" oder "zugewandt erziehen").

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  3. Liebe Danielle,
    danke für den Artikel, der meine Meinung über dieses Buch bestätigt und doch nochmal deutlich qualifizierter wiedergibt... toll auch die Recherchen zum Hintergrund Drogenabhängigkeit etc....
    Schlimm fand ich auch u.a. den Satz, das Kind wenn es noch nicht durchschläft abends hinzulegen und es erst morgens um 7 wieder rauszuholen. Ich kann nur absolut nicht nachvollziehen, WIE um alles in der Welt die Mütter das aushalten... haben die schalldichte Wände und Türen und zusätzlich noch Ohropax??? Sobald mein Kind weint (oder auch ein anderes - das hatte ich im Urlaub in einem Familienhotel aus dem Nachbarzimmer - war die Hölle!!!) läuten bei mir alle Alarmglocken, ich springe auf und will sofort das Kind trösten. In der Rückbildung hätte ich am liebsten mal einer Mutter die ihr Kind nicht beruhigt gekriegt hat (und immer nur wieder das gleiche - vom Kind offensichtlich nicht gewollte - probiert hat) selbiges aus dem Arm genommen und in den Fliegergriff o.ä., nur damit es aufhört zu weinen (glücklicherweise hat das dann die Hebamme übernommen ;-)). Babyweinen (und dann erst recht noch das meines eigenen) tut mir fast körperlich weh, daher ist es für mich wirklich unvorstellbar, es einfach schreien zu lassen und auch noch 5-10 Minuten dabei zuzugucken...

    Frühe Fremdbetreuung gab es zu DDR-Zeiten ja auch und ich habe mir als ich meine Tochter mit 2 Jahren nicht Vollzeit in die Kita geben wollte (ich selbst hätte sie nicht mal bringen und abholen können!) von einem sehr guten Freund oft anhören dürfen "Mir hat das doch auch nicht geschadet" (Seine Eltern haben in Schicht gearbeitet und er war schon mit 3 Monaten quasi Vollzeit in der Krippe). Vor etwas mehr als einem Jahr hat sich ebendieser Freund das Leben genommen und genau da war es, wo auch ich mich gefragt habe, ob ihm diese frühe Fremdbetreuung nicht doch geschadet hat. Ich bin auch DDR-Kind aber meine Mama ist mit uns auch ein gutes Jahr zu Hause geblieben und danach war ich auch erst bei einer Art Tagesmutter bevor ich irgendwann in eine Kita kam. Die großen, typischen DDR-Kitas sind mir daher erspart geblieben und das hat mir definitiv nicht nur "nicht geschadet" sondern sogar richtig gut getan.

    Wenn ich Euren Blog lese, dann stelle ich glücklicherweise fest, dass vor allem meine Mama (mein Papa war selten da) sehr vieles richtig gemacht hat. :-)

    Danke, dass du so deutliche Worte zu dem Buch findest, hoffentlich lesen das viele und lassen sich "abschrecken"...
    Liebe Grüße, Dani.

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    1. Hallo. Das kenne ich zu gut...Ich bin da auch sehr "sensibel" was das Weinen angeht. Ich möchte auch immer sofort andere Babys trösten, manchmal läuft mich auch schon die Brust aus, wenn ein anderes Baby vor Hunger weint und die Mutter des Babys noch ewig nicht reagiert...es zerreist mir fast das Herz, wenn mein Kind (oder ein anderes) weint- da frage ich mich auch öfters,warum andere Mütter "so kalt" sein können...

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  4. Total super, dass Du da quer recherchiert hast, das habe ich auch schon länger mal vorgehabt, aber nie den richtigen Anlass gefunden. Ich habe auch gedacht, wann immer ich von dem französischen Kinderbetreuungssystem vorgeschwärmt bekam und der sich für die Eltern daraus resultierenden Freiheit... hmm es wäre spannend zu wissen, wie die Liebesbeziehungen und das Glücksgefühl der erwachsenen Franzosen aussehen und damit meine ich natrülich nicht das klischeehafte Sexualverhalten der Franzosen, sondern die Qualität der Bindung/Scheidungszahlen, etc... Ich bin froh viel Zeit mit meinen Kindern zu verbringen, auch wenn es hier öfter mal kracht, die Glücksgefühle überwiegen deutlich! Dafür bin ich sehr dankbar!

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    1. An das "klischeehafte Sexualverhalten der Franzosen" habe ich beim Lesen des Artikels auch gedacht... im Buch "Auf der Suche nach dem verlorenen Glück" schreibt Jean Lidloff nämlich, dass zu wenig Körperkontakt in der frühen Kindheit später zu einem sehr "suchenden" Sexualverhalten führen kann, d.h. die Suche nach Nähe spiegelt sich bei den Erwachsenen mitunter in der Suche nach sexuellen Kontakten wider... Lidloff propagiert daher in ihrem Buch aus den 1970er Jahren schon das Familienbett.

      All das sind natürlich "gewagte" Thesen,aber ich fände es schon interessant, das genauer anzusehen: die kulturellen Unterschiede zwischen frühkindlicher und kindlicher Betreuung in Bezug auf späteres Sexualverhalten, Gewaltbereitschaft, Kommunikationsfähigkeit in einem Land. :-)

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  5. Liebe Danielle,
    Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag! Wir haben Französische Freunde, die absolut liebevolle tolle Eltern sind und wie wir alle einfach alles für Ihre Kinder tun würden, damit diese glückliche Menschen sin und werden. Aber es stimmt. Auch dort konnte ich diesen Erziehungsstil beobachten. Nach unseren Beuchen habe ich mir oft gedacht: Wow! Haben die ihre Kinder toll im Griff! Ich muss einfach strenger mit meinem Kind sein. Dann würde es auch bald so höflich und gut erzogen daher kommen. Nach einem gemeinsamen Urlaub habe ich das dann doch relativiert. Dieser Stil passte nicht für unsere Familie und es war mir auch nicht möglich das ansatzweise durchzuhalten. Was ich aber doch sagen möchte, die Behauptung von Dir: " Kinder scheinen in Frankreich eine sehr untergeordnete Rolle zu spielen" finde ich nicht ok und auch unfair. Ich finde, das Urteil solltest du dir so nicht erlauben.
    Liebe Grüße und einen schönen Abend!

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  6. Danke! Als dieses Buch rauskam, las ich den Titel und dachte, es wäre ein schlechter Scherz. Ich habe in Frankreich als Babysitterin gearbeitet. Die Kinder sind nicht besser erzogen oder "bessere Kinder", sie sind einfach gedrillt. Und sie funktionieren auch nur im Rahmen ihrer autoritären Institutionen so gut (Eltern, Familie, Lehrer). Zu uns internationalen Babysittern waren die zum Teil total unverschämt und haben sehr gut die wahren Ansichten ihrer Eltern und des Establishments reflektiert...(nichts ist besser als Frankreich und alles was gut ist ist französisch - was gab es einen Aufstand bei der Mitteilung, Haribo und Kinderschokolade seien aus Deutschland!! :-O )
    "Kinder scheinen in Frankreich eine sehr untergeordnete Rolle zu spielen - dazu ist es jedoch erforderlich, dass sie verlässlich funktionieren. Wenn sie früh in die Fremdbetreuung gegeben werden, dann müssen sie sich schnell an strikte Regeln und Vorgaben halten." - So ist es. Für meine Kinder möchte ich das nicht.
    Es muss ein Mittelmaß zwischen Deutschlands Kinderwüste und Frankreichs Marionettendrill geben. Ich suche noch danach :-/

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    1. Ist Kinderschokolade nicht von Ferrero (Italien)?

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    2. Ja ist sie, es gibt aber auch ein großes Werk in Deutschland, 25 km von mir entfernt! Hab 5 Jahre dort gearbeitet!

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  7. Der Artikel ist dir sehr emotional geraten. Er hat leider einen ziemlich bitteren Nachhall. "Die Franzosen schlagen ihre Kinder und schieben sie bei jeder Gelegenheit ab." Es ist klar, dass das nicht in Deinem Sinne ist aber dieser Artikel lässt sich auch benutzen um der Begriff der Deutschen Hausfrau zu propagandieren. Also so AfD und so mäßig.
    Gerade in Zeiten von EU Austritten und dem salongfähien Rechtspopulismus rate ich zu Vorsicht mit Generalisierungen und zuschreibungen von Nationalen Eigenschaften.

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    1. Selbstzensur, um politisch mißliebige Szenarien zu vermeiden? Wenn wir nicht darüber sprechen, gibt es keine Probleme?

      Diese Empfehlung und überhaupt dieses Urteil über einen sehr reflektierten Artikel machen mich einigermaßen sprachlos.

      Lustigerweise ist es tatsächlich so, dass in den unterschiedlichen europäischen Nationen (ja!) unterschiedliche Stile der Kindererziehung gelebt werden - ich weiß das von internationalen Schwangerschaftskursen, wo sich zeigt, dass sich die Vorstellungen von Französinnen sehr gleichen, ebenso die von Britinnen usw. usf. Das abzuleugnen bringt doch nichts, es ist doch viel eher interessant, dass unterschiedliche Kulturen unterschiedliche Lösungen für ein Problem ("Säuglinge kennen noch keinen langen Nachtschlaf") finden - dass es da bessere und schlechtere gibt, logo.

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  8. Ich muss leider sagen: Es stimmt.
    Wie es heutzutage gehandhabt wird, weiß ich nicht, aber ich habe das alles als französisches Kind in den 80-er erlebt. Ich wurde nach der Geburt in den Brutkasten gesteckt, war in der Klinik nachts nicht bei meiner Mutter, weil diese sich ausruhen musste. Gestillt wurde ich nicht, man sei ja schließlich keine Kuh und "mein Körper gehört mir" und das Kind klebe dann an der Mutter und überhaupt. Getragen wurde ich nie. Ich schlief seit dem ersten Tag zu Hause im eigenen Zimmer, im Gitterbettchen, wo ich wach gelegt wurde und nach dem Schreien dann irgendwann einschlief. Ich wurde gezwungen meinen Teller leer zu essen. Immer. Bis zum Kotzen. Ich wurde mit Fessée, also mit Schlagen auf dem Po ( Klaps ist eigentlich ein zu niedliches Wort dafür)erzogen. Ich wurde brav. Ich war höflich, habe mich früh gut benommen in Restaurants, bei Freunden, im Zug...
    Naja, die Auflistung könnte so weitergehen... Meine 3 Geschwister wurden auch so erzogen, sowie alle Kinder um uns herum, außer bei einer einzigen Familie.
    Ich habe persönlich nicht den Eindruck, als Erwachsene darunter noch leiden zu müssen. Aber: Seitdem ich selber Mutter bin frage ich mich, wie man sich seinen Kindern gegenüber so verhalten kann? Sein Baby stundenlang schreien zu lassen! Sein Kind ständig drohen, es bloßstellen, es andauern mit andere vergleichen und es zu schlagen... Ich verstehe das nicht.
    Ich liebe dennoch meine Eltern, umso schwerer fällt es mir, ihre schrägen Blicke und ihre Kommentare über unseren Umgang mit unserem Kind zu ertragen. Ich vermeide das Thema und antworte immer evasiv, weil ich Angst habe, einen ganz böses, vorwurfsvolles Gespräch dann anfangen zu müssen.
    So traurig es ist: Es IST eine Ländersache!

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    1. Liebe Eve,

      ich finde es interessant, dass Du schreibst, dass Du nicht unter Deiner Kindheit leidest. Und auch, dass Du eine so gute Beziehung zu Deinen Eltern hast finde ich nach Deinen Schilderungen bemerkenswert.

      Vielen Dank für Deinen Erfahrungsbericht!
      Liebe Grüße
      Danielle

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    2. Liebe Danielle,

      Vielleicht has Du es beim posten nicht gemerkt aber dieser Kommentar ist fürchtbar 'dass Du eine so gute Beziehung zu Deinen Eltern hast finde ich nach Deinen Schilderungen bemerkenswert'.

      Viel Spaß mit der Bindungstheorie!

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    3. Argh - so ist das, wenn man zu viele Kommentare durcheinander liest und versucht zu beantworten. Du hast vollkommen Recht - das war so überhaupt nicht gemeint, wo war ich mit meinen Gedanken? Danke für den Hinweis und entschuldige Eve!

      Liebe Grüße
      Danielle

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  9. Mein Mann ist Franzose (geboren in Paris) und ich habe seit 8 Jahren viele Einblicke in das französische Familienleben durch häufige und auch längere Aufenthalte in Frankreich. Wir leben selbst in Deutschland und haben einen 2,5-jährigen Sohn. Mein Mann hat zwei Cousins und eine Cousine (13, 15 und 17 Jahre alt, alle drei Geschwister), deren Familie wir viel gesehen haben. Ich bin Diplom-Pädagogin und war somit schon vor der Geburt meines Sohnes sehr interessiert am französischen Bildungssystem und Erziehungsstil und den (potentiellen) Unterschieden zu Deutschland. Ich würde gerne ein paar Punkte aufgreifen, die mir im Artikel aufgefallen sind und meine Erfahrungen dazu berichten.

    Thema Ernährung: Hier ist meine Erfahrung, dass es wirklich gewisse Unterschiede gibt, die mich teilweise auch erstaunt haben. Tatsächlich und ungelogen habe ich von meiner Schwiegermutter einige der ganz klicheehaften Tipps nach (und auch vor) der Geburt meines Sohnes bekommen. Beim Thema Ernährung war es z.B., dass wir in die Flasche doch nach ein paar Monaten Brühe oder verschiedene Säfte unter die Milch mischen sollen, damit der Kleine sich an verschiedene Geschmäcker gewöhnt. Ziel dabei ist, dass er später mehr probiert und offener ist. Ich fragte mich dabei, warum? Er bekommt doch über die Milch alles und was er später probieren und essen möchte, darf er dann beizeiten selbst entscheiden. Allerdings glaube ich nicht, dass es ihm geschadet hätte, etwas milden Saft oder Brühe zu geben. Ich sah nur einfach den Sinn für ihn nicht und hatte kein gutes Gefühl dabei.

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  10. Teil 2 :)
    Auch hat sie nach 3 oder 4 Monaten regelmäßig gefragt, wann wir anfangen, Brei zu füttern und wollte immer genau Bescheid wissen (im Sinne von 'sehr interessiert sein'). Als wir dann mit Brei anfingen und sich heraus stellte, unser Sohn hasst Brei bzw. mit dem Löffel gefüttert zu werden, und wir auf ganz langsam eingeführtes Fingerfood umgeschwenkt sind, war sie sehr irritiert und hat uns über längere Zeit immer wieder erzählt, wie sie es damals gemacht hat und gefragt, wie wir das nun weiter machen wollen (zum Glück wohnt sie 800 km entfernt von uns ;) denn es war schon manchmal leicht anstrengend). Es bereitet ihr auch offenbar große Freude, unseren Sohn essen zu sehen und für ihn zu kochen, ihn zu füttern etc. Irgendwas scheint daran besonders befriedigend für sie zu sein und das habe ich auch bei der französischen Oma erlebt (bei meiner Familie hingegen nie). Unserem Sohn wurde immer von mehreren Leuten beim Essen zugeguckt, wenn wir in Paris zu Besuch waren. Und das war deshalb so gut möglich, weil er sowohl mittags als auch abends immer alleine gegessen hat. Denn sowohl Mittag- als auch Abendessen finden in vielen französischen Familien spät statt und da hätte er immer schon geschlafen. Deshalb hat er vorher alleine gegessen. Ich fand das offen gesagt obernervig, so einen Hype ums Essen zu machen. Aber war ja nie länger als ein paar Tage. Wir essen zuhause jeden Abend zusammen und ich finde das sehr schön (manchmal ist es aber natürlich auch toll ohne Kind in Ruhe zu essen).
    Ansonsten sind mein Mann und ich so damit umgegangen, dass wir ihr versucht haben zu erklären, dass wir einen anderen Weg einschlagen und selbst herausfinden möchten, was für uns passt. Es ist nicht immer leicht für sie, das zu akzeptieren, aber sie fragt zwar nach, lässt uns aber in Ruhe und kritisiert uns nicht. Wenn wir vieles anders machen als sie früher mit ihren zwei Kindern, kommt das ja bei ihr so an, als habe sie es damals falsch gemacht (aus unserer Sicht). Diese Dissonanzen zwischen den verschiedenen Generationen kennt man ja aus Deutschland genauso wie aus Frankreich denke ich.
    Was für mich eine besonders überraschende Entdeckung in Frankreich war, waren die Milchpulver. Für kleine Babies gibt es bereits Milchpulver mit Stracciatella- und Brioche-Geschmack auch im kleinen ländlichen Supermarkt zu kaufen. Als mein Mann und ich darüber etwas empört waren, fühlte sich seine Familie ein bisschen auf den Schlips getreten.
    Dass man alles Ungeliebte immer wieder anbieten soll oder auch in Varianten, kam übrigens auch als Tipp meiner Schwiegermutter. Ich weiß aber nicht, wieso das schlimm sein soll. Mein Sohn isst zum Beispiel keine Tomaten, Nudeln mit Tomatensoße aber wohl. Ist doch ganz normal und durch Ausprobieren findet man es eben heraus. Ich finde, das hat nichts mit Resignation auf Seiten des Kindes zu tun. Es wäre eher Resignation der Eltern, keine Varianten auszuprobieren, die dem Kind vielleicht schmecken könnten. Auch die Kinder aufzufordern, alles zu probieren, finde ich völlig in Ordnung. Solange das Kind dann selbst entscheiden kann, ob es das tun möchte.

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  11. Teil 3 - sorry, ich interessiere mich so für das Thema und könnte sooo viel berichten...

    Was die konsumierte Menge an Wein bzw. Alkohol angeht, würde ich da keinen Zusammenhang zu einer unsicherer Bindung oder psychischen Problemen sehen. Ich glaube, es ist einfach eine kulturelle Angelegenheit, es ist kulturell-geschichtlich ganz anders gewachsen... Wein wird in Frankreich auch während der Mittagspause an einem Arbeitstag getrunken und ist ganz anders in den Alltag integriert. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahin gestellt. Aber den Stellenwert von Wein und Essen bei Franzosen habe ich persönlich tatsächlich als deutlich größer erlebt als bei Deutschen.
    Zu der Aussage, die Kinder dürfen nichts zwischendurch essen und wenn sie das Essen nicht mögen, bekommen sie keine Alternative - also das ist ganz klischeehafter Quatsch. Keine Ahnung, was die Autorin da erlebt haben soll. Ich habe es völlig konträr erlebt. Jedes Kind darf kleine Snacks essen, wann immer es Hunger hat und allgemein wird mit kleinen Naschereien viel entspannter umgegangen als ich es aus Deutschland kenne. Ich habe immer und ohne Ausnahme erlebt, dass Kinder Alternativen bekommen, wenn sie das Gekochte nicht essen mochten. Da wird den Franzosen eine Härte unterstellt, die ganz realitätsfern ist (aus meiner subjektiven Erfahrung mit einer typischen Pariser Familie). Auch die Kinderfreundlichkeit in Restaurants habe ich als sehr positiv erlebt (habe aber auch aus Deutschland keine schlechten Erfahrungen).

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  12. Teil 4
    Thema Schlafen: die Oma meines Mannes (geborene Deutsche und mit knapp 20 Jahren als Au-pair nach Paris gegangen und dort geblieben) hat erzählt, dass sie ihre Jüngste (geb. 1968) wirklich ab und zu hat schreien lassen und dafür hat sie sie in der Wiege ins hinterste, abgelegendste Zimmer gestellt, damit die anderen beiden nicht aufwachen. Sie hat regelmäßig nach ihr geguckt und sie versucht zu beruhigen, hat es aber einfach nicht anders geschafft, sagte sie. Meine Schwiegermutter war da noch eine Nummer härter und hat ihre Tochter (geb. 1988) direkt nach der Geburt im eigenen Zimmer schlafen lassen und sie schreiend abends in ihr Bett gelegt - und dann einfach dort gelassen bis zur nächsten Mahlzeit. Sie meinte dazu, die Kleine hätte sowieso die ersten zwei Wochen nur geschrien und irgendwann würde man ja auch verrückt werden mit so einem schreienden Baby im Arm. Meine Gedanken dazu waren nicht sehr nett...
    Als drittes Beispiel die Tante meines Mannes, die mit den drei oben erwähnten Kindern in Paris lebt. Sie und ihr Mann haben den unruhigen Großen (geb. 1998) abends stundenlang getragen, bis er aufgehört hat zu schreien. Sie haben ihn gewiegt, in der Trage getragen...alles, was man als liebevoll bezeichnen würde. Also hier könnte man bestenfalls Unterschiede zwischen den Generationen erkennen, genau solche, wie es sie in Deutschland und wohl jedem Land der Welt gibt.

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  13. Letzter Teil ;D
    Was ich durchaus auch kritisch sehe, ist die teils sehr frühe und lange institutionelle Fremdbetreuung. In Frankreich herrscht eine andere Sichtweise auf Mütterlichkeit und es ist gesellschaftlich die Norm, früh wieder arbeiten zu gehen. Aber da dies schon sehr lange so ist, sind die französischen Krippen auch anders ausgestattet und für sehr kleine Babies eingerichtet. Wenn das Baby dort eine sichere Bindungsperson erlebt, die seine Bedürfnisse schnell und verlässlich befriedigt, ist die frühe Fremdbetreuung ja nicht per se schädlich. Und trotz der frühen Betreuung kann ein Kind eine sichere und intensive Bindung zu seiner Mutter aufbauen. Ich verstehe nicht, wieso hier immer das Beispiel des Vaters außer Acht gelassen wird. Viele Kinder sehen ihren Vater auch viele Stunden am Tag nicht und die meisten entwickeln trotzdem eine sichere Bindung zu ihm.
    Ich persönlich würde mir das übrigens niemals so aussuchen und fände es ganz furchtbar, so früh mein Kind viele Stunden am Tag nicht zu sehen. Ich bin selbst schon über zwei Jahre in Elternzeit und lebe sicherlich das genaue Gegenteil zum klassischen französischen System. Ich versuche nur, es objektiv zu betrachten. Es gibt in Frankreich übrigens schon längst eine Gegenbewegung, hier mal zwei Links (darf ich die hier überhaupt posten ???) für Interessierte. http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/frankreich-muetter-wollen-mehr-zeit-mit-kind-verbringen-a-927412.html
    http://www.grandirautrement.com/fr/

    Mein persönlicher Eindruck ist übrigens auch, dass französische Familien mehr Kinder haben, weil sie sich selbst weniger um sie kümmern müssen. Das hören die Franzosen allerdings nicht gerne ;) Meine Schwiegermutter hat mir mal zwischen den Zeilen gesagt, dass es ja viel anstrengender wäre, ganztags arbeiten zu gehen und danach noch das Kind/die Kinder zu haben, als den ganzen Tag das Kind/die Kinder zu betreuen. Ich denke mir, woher will sie das wissen, sie hat ihre Kinder ja nie lange alleine zuhause betreut. Sie hat bei meinem Mann nach 5 Monaten (fand sie extrem lang) und bei meiner Schwägerin 6 Wochen nach der Geburt wieder angefangen Vollzeit zu arbeiten. Um 18 Uhr kam sie mit den Kindern nach Hause, um 20 Uhr gingen sie ins Bett. Alleine die Vorstellung, das bei so kleinen Kindern so zu machen, ist mir persönlich als Mutter ein Graus.
    Auf der anderen Seite sagt die GROßE Mehrheit der Mütter, die ich kenne, dass es sooo gut getan hat bzw. gut tut, wieder arbeiten zu gehen, Abstand vom Kind zu gewinnen und wieder sein eigenes Ding zu machen... Die meisten Mütter, die ich kenne, haben nach rund einem Jahr wieder angefangen oder etwas später und viele auch nur Teilzeit. Aber trotzdem haben viele meiner bekannten Mütter berichtet, dass es auch wieder mehr Leichtigkeit ins Familienleben gebracht hat, dass jeder mal wieder eine Zeit lang am Tag seiner eigenen Wege geht.

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    1. Liebe Anna,

      ganz, ganz herzlichen Dank für Deine Kommentare, die ich mit größtem Interesse gelesen habe. Und auch für die Links (die gerne gepostet werden dürfen).

      Bezüglich des Immer-wieder-Anbietens: Es ist nicht "schlimm" - sondern an sich sehr sinnvoll, weil Untersuchungen zeigten, dass man Kindern im Schnitt (ich meine es waren) 13 mal neue Lebensmittel anbieten musste, bis sie davon probierten. Das ist aber nicht Gegenstand meiner Kritik gewesen, sondern die Tatsache, dass das Lebensmittel ohne Alternative angeboten wird - frei nach dem Motto "Friss oder stirb". Wenn es zum Frühstück etwas gab, das das Kind nicht mochte und auch zum Mittag wieder etwas auf dem Tisch steht, was es nicht mag und einfach nur gesagt wird: "Du musst das nicht essen, aber etwas anderes gibt es nicht", dann hat das für mich schon etwas von Resignation, weil das Kind einfach irgendwann so hungrig ist, dass es alles isst. So stand es zumindest im Buch, ob das eine Einzelbeobachtung war oder typisch für die Franzosen, das kann ich natürlich nicht beurteilen.

      Als ich wieder arbeiten ging, tat mir das auch sehr gut - aber vor allem deswegen, weil ich es recht anstrengend fand, 24 h nur für das Kind da zu sein. Daher war arbeiten dann tatsächlich eine "Erholung" - allerdings kam das Bedürfnis, auch mal was anderes zu machen/zu sehen erst nach etwa einem Jahr - mit 16 Wochen hätte ich mein Kind sehr ungern abgegeben.

      Liebe Grüße
      Danielle

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    2. Liebe Anna, liebe Danielle,

      eigentlich wollte ich heute ja früh schlafen gehen, aber dieses Thema beschäftigt mich – wie auch dich, Anna – zu sehr, als dass ich jetzt ohne Kommentar ins Bett gehen könnte.
      Ich bin selbst auch seit Langem mit einem Franzosen liiert und gemeinsam haben wir zwei Kinder. Das besprochene Buch hab ich mal geschenkt bekommen, weil es ja „ach so gut passt“. Ich fand es auch recht unterhaltsam und vielleicht nicht ganz so schockierend, weil ich eben schon sehr lange mit Frankreich und den dortigen Sitten vertraut bin.
      Dennoch kann ich bestätigen, dass viele Dinge (was Stillen, Schreienlassen, Betreuung, Vollzeit arbeiten, etc. angeht) wirklich so wie beschrieben gehandhabt werden oder sagen wir vor allem gehandhabt WURDEN. Vorneweg muss man jedoch gleich sagen, dass es immer viele Facetten gibt und ich bis heute sehr unterschiedliche Familien und auch sehr gut funktionierende familiäre Beziehungsmodelle in Frankreich kennengelernt habe.
      Mein Mann jedoch kommt – wie wohl auch Eve – aus eben so einer klichee-typischen Familie, in der Kinder sich unterzuordnen hatten und nie gelobt wurden, in der wenig Nähe vorgelebt wurde (nur der jeweils Kleinste wurde verhätschelt, die jeweils Älteren hatten dann zu „funktionieren“), in der die Kinder laut angebrüllt sowie Ohrfeigen verteilt wurden, in der es unzählige Regeln für alles gab (und immer noch gibt...) und „unartige“ Kinder ohne Essen ins Bett geschickt wurden. Und das, obwohl die Mutter entgegen dem Trend ihrer Generation (Jahrgang 1955) nicht arbeiten ging. Ich selbst als DDR-Kind kenne diese Erziehungsmethoden auch in Ansätzen (ist also nicht nur eine Länderfrage!), aber habe zum Glück nicht in diesem konsequenten Ausmaß erleben müssen.
      Je länger mein Mann und ich zusammenleben und gemeinsam Kinder erziehen, desto sicherer bin ich mir, dass er (vor allem, weil er ein eher sensibler Typ ist) von dieser autoritären Erziehung einen gewissen Schaden genommen hat. Nach außen hin wirkt immer alles gut, doch bis heute fällt es ihm schwer, sich im Alltag für das eine oder das andere Hemd zu entscheiden, jahrelang habe ich gebraucht, um seine Selbstzweifel etwas zu lösen und um ihm zu zeigen, wie toll er ist und was er alles kann, viele unerwartete Dinge im Alltag stressen ihn oder machen im Angst, und im Umgang mit unseren Kindern (die er über alles liebt und mit denen er im Vergleich zu seinen Eltern normalerweise das genaue Gegenteil lebt) kommt es immer wieder zu starken Wutausbrüchen, die er hinterher bereut.
      Dennoch soll hier nicht das Bild entstehen, dass alles nur schlecht war, denn neben dieser autoritären Erziehung haben die Eltern meines Mannes ihren Kindern sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet. Undendlich viel Zeit (viel mehr als meine Eltern) haben sie investiert, um mit ihren Kindern zu basteln, zu bauen und zu backen (im Buch wird auch so realistisch vom Kuchenbacken berichtet), die dadurch in vielen Bereichen unglaublich kompetent und geduldig sind. Und bis heute ist er trotz allem sehr dankbar für seine Kindheit und schätzt sie als sehr glücklich ein.

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    3. Ich muss auch in mehreren Teilen antworten - Teil 2:

      Diese Ansichten habe ich mir in den letzten Jahren hart erarbeiten müssen, denn vor allem mit meiner Schwiegermutter war es seit Geburt meines ersten Kindes sehr schwierig – ganz ähnlich, wie es auch Anna beschreibt. Dass ich meine Kinder stille, wurde gut geheißen, aber öfter als alle vier Stunden sollte das ja schon nicht sein und an der Brust dürfe das Kind ja auf gar keinen Fall einschlafen! Egal worum es ging – ich hatte immer das Gefühl, dass meine Kinder wohl missraten, wenn ich es nicht so mache, wie es das französische Regelkorsett vorgibt. Im Gegensatz zu Anna habe ich nicht vorbildlich nur gedacht, was mir nicht passte, sondern es auch gelegentlich gesagt, was irgendwann zum Eclat führte – eine deutsche Schwiegertochter, die sich gegen die Autorität ihrer Schwiegermutter auflehnt! Das war eine schwere Zeit, auch zwischen mir und meinem Mann, der immer wieder zwischen beiden Parteien hin und her gerissen war (er hatte ja schon früher als ich gelernt, dass es keinen Sinn macht, sich gegen seine autoritären Eltern aufzulehnen). Inzwischen sind die Wogen wieder halbwegs geglättet (ohne Ausprache, denn so was geht ja gar nicht...), sie hält sich mit ihren Kommentaren zurück und wenn doch mal einer kommt, versuche ich, geduldig „ja ja“ zu sagen und mich damit zu trösten, dass es nur ein paar Tage im Jahr sind, wo ich das aushalten muss.

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    4. Teil 3:

      Interessanterweise gab es neulich mal eine stille Stunde, in der meine Schwiegermutter meinem Mann gegenüber ihre Erziehungsmethoden ein wenig bedauert hat. Dies war, nachdem sein Bruder eine Woche mit seinen Kindern bei ihr verbracht hatte. Dabei hat sie beobachtet, wie streng ihr Sohn mit seinen Kindern umgeht und diese eigentlich nur aus Angst vor den harten Konsequenzen bzw. Strafen ;-) parieren. Dabei hat sie schon realisiert, dass ihr Sohn nichts anderes macht, als ihre eigenen Erziehungsmethoden zu reproduzieren und hat ungefähr Folgendes gesagt: „Heute würde ich viele Dinge sicher ganz anders machen. Damals hatten wir einfach keine Ahnung, und dann hat man es halt so gemacht, wie man es von zu Hause kannte“. Als mein Mann mir das erzählt hat, bin ich fast vom Stuhl gefallen!!!
      Wenn dies sogar meine so konservative und verklemmte Schwiegermutter sagt, kann das nur heißen, dass doch was in Bewegung ist und die Erfahrung mit französischen Freunden bestätigt, dass unsere Generation sich in der Tat mehr Fragen stellt (der Link von Anna ist dafür auch wirklich sehr nützlich) und viele Dinge anders machen will und macht! Dies funktioniert nur nicht durchgehend, da der Druck – meiner Meinung nach bedingt durch das zentralistische System – von Familie und Gesellschaft einfach sehr hoch ist und die Bedingungen zum Kinderkriegen nicht so kuschelig wie in Deutschland sind. Klar, gibt es gute Betreuungsmöglichkeiten, aber die Franzosen kriegen nun mal nicht 14 Monate dickes Geld, um zu Hause bleiben zu können. Viele französische Freunde beneiden uns um unsere komfortable Elternzeit (die einen unter anderem dazu befähigt, seitenlange Blogeinträge zu formulieren...) und bereuen es, dass sie sich nicht einfach haben krank schreiben lassen, um mehr Zeit mit ihren Babys zu verbringen. Des Geldes wegen gehen sie halt wohl oder übel wieder arbeiten, sind aber dadurch keineswegs weniger genervt, sondern vor allem in den ersten Jahren eigentlich doch gestresst und ausgelaugt.

      So, ich danke euch jedenfalls für diesen Artikel und die interessante Diskussion, die dadurch angestoßen wurde. Einen Kritikpunkt hätte ich jedoch: auch wenn ich meinen Erfahrungen nach vieles unterschreiben kann, was ihr berichtet, sehe ich es dennoch kritisch, dass man deswegen gleich eine ganze Nation über einen Kamm schehrt und finde es sehr gewagt, als Beweis für den vermuteten Schaden der französischen Erziehung den Alkoholkonsum und die Selbstmordrate in direkten Zusammenhang zu bringen. Das muss man vielleicht erstmal genauer untersuchen lassen...

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  14. Ein sehr interessanter Artikel, den eine französisch stämmige Freundin durchaus in großen Teilen bestätigt.
    wegen dem frühen Durchschlafen der französischen Kinder, könnte man über einen Zusammenhang mit der niedrigen Stillquote (speziell über den 3. Monat hinaus) nachdenken. Es ist ja kein Geheimnis, dass - pauschal gesagt (Ausnahmen bestätigen die Regel) - gestillte Kinder häufiger nachts aufwachen und "Flaschenkinder" oft recht früh schon durchschlafen.

    LG, Nicole

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  15. Als ich die Überschrift las, hatte ich bereits eine Ahnung, wohin das gehen würde. Als unser Sohn vor 3 Jahren geboren wurde, erzählte mir mein Vater von einem Artikel über franz Babys und dass diese, nicht so viel schreien würden, aufgrund der (von dir erläuterten) Methode. Als ich ihn damals fragte, ob er das mit mir so gemacht hätte, meinte er um Gottes Willen!, dann würde ich ja auch evtl Froschschenkel essen :-)

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  16. Ich habe besagtes Buch gelesen und den Eindruck, dass die Autorin sich ganz stark in ihrer relativ wohlhabenden Hauptstadtbubble umgesehen hat - viele Tipps ("Kaufen Sie auch als Schwangere schicke Reizwäsche") klangen für mich nicht sehr Durchschnittsfranzosenkompatibel. Ich kenne die französische Provinz von Reisen und von Schüleraustauschen und hatte nicht den Eindruck, dass da die Mütter so schick und schniek unterwegs sind, wie die Autorin das propagiert. Alles recht schichtspezifisch, würde ich sagen.

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  17. Gut, dass Ihr so offen gegenüber andere Erfahrungen seid. Man darf sich nur nicht wundern, wenn in Deutschland immer weniger Frauen Lust darauf haben, Mutter zu werden...

    Als die Familien 4-5 Geschwister hatten waren Kinder nicht so nah betreut wie heutzutage und trotzdem hat sich die Welt weitergedreht.

    Deutschland, willkommen ins XX! Jahrhundert!

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  18. Vielen Dank für Eure zahlreichen Erfahrungsberichte, die diesen Artikel wirklich sehr bereichern!

    Liebe Grüße
    Danielle

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  19. Hallo,
    Ich bin selber Franzose und lebe seit 10Jahren in Deutschland. Ich finde sehr spannend die Gewöhnheiten meiner Landsleuten als "Aussenbeobachter" zu analysieren. Ich finde dienen Artikel gut aber einige Punkte haben mir nicht gefallen.

    Zum Thema Alkoholkonsum zitierst du einen Artikel von 1954! Vergleicht man aktuellere Zahlen (2003-2005) zwischen Frankreich (13,66L/y/Person) und Deutschland (12,81L/y/Person)...

    Zu Cannabiskonsum: In Frankreich leben sehr viele Leuten mit Ursprung aus Marrokko. In diesem Land wird das meiste Cannabis Europas produziert. Es ist (dadurch?) viel einfacher an Cannabis in Frankreich ranzukommen als in Deutschland.

    Zu Suizidenraten: Du vergleichst Frankreich mit Griechenland und sprichst dabei vom "europäischen Vergleich". Also ja, Griechenland liegt in Europa aber was du dienen Lesern dabei verschweigst, ist dass Griechenland eine extrem niedrige Rate hat im Vergleich zu fast allen anderen europäischen Ländern. Frankreich hat 16,3, Griechenland 3,8 aber Deutschland hat 12,5 oder Finnland 20,1...
    Der Durchschnitt Europas liegt übrigens bei 13,5.

    Aus Ehrlichkeit mit dir selbst und aus Respekt für deine Leser solltest du deinen Artikel korrigieren.
    Vielen Dank
    Philippe

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    1. Lieber Philippe,

      vielen Dank für Deine Anmerkungen und das aufmerksame Lesen - ich habe sie im Text entsprechend ergänzt.

      Viele Grüße!
      Danielle

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  20. Liebe Danielle, wir verbringen gerade unseren Urlaub in Frankreich und ich bin an deinem Beitrag über Kindheit in Frankreich hängengeblieben. Boah! Ich bin sehr beeindruckt, wie viele Aspekte du aufgreifst und wie differenziert du das Thema beleuchtest. Vor gut 15 Jahren haben wir für ein Jahr in einem Vorort von Paris gelebt. Wenn ich mit Kronprinz auf dem Spielplatz war, war ich meist die einzige leibliche Mutter an der Sandkiste. Die anderen Kindern waren mit ihren überwiegend marokkanischen Nannys dort. Nach dem, was ich dort beobachtet habe, hätte ich mein Kind nicht diesen Frauen überlassen. Sie wurden gerne erst liebevoll, wenn abends die Eltern auftauchten. Aber es gab auch Ausnahmen.
    Und noch eine Randbemerkung: Als ich zu meinem Frauenarzt in Paris ging (ich war schwanger mit Prinzessin), lachte er bei der Begrüßung. "Sieh an, eine deutsche Mama! Sofort zu erkennen am Schaffell im Kinderwagen."
    Herzliche Grüße von Uta

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    1. Liebe Uta,

      vielen Dank für Deinen Kommentar und die Schilderung Deiner Erfahrungen. Diese decken sich mit den Beobachtungen der Autorin des Buches.

      Ehrlich? Ist ein Schaffell eine deutsche Marotte? Ich fühle mich ja gerade etwas ertappt *lach*.

      Herzliche Grüße
      Danielle

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  21. Hallo, wir wohnen seit anderthalb Jahren in Frankreich. Alle befragten Familien haben bisher angegeben, dass sie ihre Kinder ab drei Monaten immer erstmal zehn Minuten oder sogar die ganze Nacht schreien gelassen werden bis einer der Eltern nachsieht. In 100% der Fällen ging diese Methode, das Kind zum Durchschlafen zu zwingen, vom Mann aus und seine Frau fügte sich. Unser Kinderarzt hat uns erzählt, er habe seine Tochter mit etwa 7 Monaten über Nacht in die Garage gebracht und erst am nächsten Morgen wieder nach ihr gesehen. Sie sei gut gelaunt gewesen und ab jener Nacht habe sie durchgeschlafen. Andere Eltern geben ihren Kindern gern Paracetamol, damit sie schlafen. Auch ist es in Frankreich völlig üblich, bereits das Neugeborene ins eigene Zimmer zu legen. Niemand sorgt sich um den plötzlichen Kindstod, Hauptsache das Leben geht weiter wie vor der Geburt. Nach zehn Wochen ist der Mutterschutz vorbei, und das Kind kommt zur Tagesmutter bzw. mit drei Monaten in die Kita. Alle Tagesmütter sowie die Eltern sind streng und schreien die Kinder an, besonders beliebt sind das Ziehen und Rütteln am Arm sowie die Ohrfeige oder der Klaps auf den Hintern. Ich habe bisher nur beobachtet, dass Kinder durch körperliche Gewalt, Drohungen und lautes Anschreien eingeschüchtert werden. Die Eltern sind extrem ungeduldig mit ihren Kindern. Sie kommen mir vor wie dressierte Hündchen. Kinder von expat Freunden, die nach ein oder zwei Jahren schweren Herzens zur Tagesmutter gegeben wurden, heulen, immer wenn sie dort abgegeben werden, und das seit Monaten und sie kommen völlig wesensverändert nach Hause. In der Creche werden sie leider von den anderen Kindern angegriffen, die durch die Fremdbetreuung in Wirklichkeit rundum aggressiv sind. Auf dem Spielplatz tummeln sich ab fünf Uhr Kinder, die gerade abgeholt wurden. Die Eltern setzen sich auf eine Bank und unterhalten sich, während die Kinder die Gelegenheit nutzen und Kleineren extra wehtun, wenn vermeintlich niemand zusieht. Ich habe bisher von unter 8-10 jährigen nur wenig nicht verhaltensauffällige Kinder gesehen. Aber ab dem Alter sind sie spätestens wie auf Valium und plappern die Verhaltensregeln aus der Kita nach, um sich vor den Kleineren wichtig zu machen.
    Es stimmt allerdings, dass man an vielen Orten Beschäftigungsecken für Kinder findet und Kinder am Wochenende zum Alltag dazu gehören. Ich habe auch das Gefühl, dass Kinder ihre Eltern deshalb nicht nerven wollen, weil sie bei ihnen sein und nicht abgeschoben sein möchten und Angst haben, dass die Eltern sie sonst als Personen ablehnen. Das ist allerdings nur ein vibe, den ich aufgreife: "Mama und Papa, bitte habt mich (wieder) lieb , ich tu auch alles dafür." Traurig.
    Viele Grüße
    Leonie

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    1. Liebe Leonie,

      herzlichen Dank für Deine Schilderungen. Sie haben mir wirklich die Tränen in die Augen getrieben, je mehr ich darüber nachdenke, desto trauriger macht mich das alles :-(.

      Viele Grüße
      Danielle

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    2. Voellig einverstanden! Ich war so schockiert, dass man in Frankreich die Kinder so schlimm behandelt. Und die Franzosen finden das noch gut... Ich habe so viel Male Eltern gesehen, die ihre Kinder in der Oeffentlichkeit an Haaren gezogen haben, einen Klaps gegeben haben oder einfach mal am Kopf geschlagen haben! So schrecklich! Und das alles in Frankreich??

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    3. Liebe Leonie
      Wo in Frankreich lebst du?? Ich habe ganz andere Erfahrungen gemacht...

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  22. Ich habe das Buch vor ein paar Monaten gelesen und das einzige, was ich daraus mitgenommen habe, ist das Rezept für den Becherkuchen. Meine dreijährige Tochter backt jetzt regelmäßig ziemlich selbstständig Kuchen und ist darauf sehr stolz - das hätte ich ihr ohne das Buch nicht zugetraut.

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  23. "Ich war so schockiert, dass man in Frankreich die Kinder so schlimm behandelt. Und die Franzosen finden das noch gut..."

    so schlimm???? so schreklich???
    Hallo??? Warst Du wirklich soooo oft in Frankreich? Ich habe so etwas dort nie beobachtet.

    Es ist urkomisch. Dabei erübrigt sich jeglicher Kommentar.

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    1. Ich stelle mal eine Aussage in den Raum: Frankreich steht an der Weltspitze, was den Verbrauch von Antidepressiva angeht! Warum? Wie hoch ist die Fremdbetreuungsquote in Frankreich? Wie häufig treten psychische Erkrankungen bei Kindern auf? Mütter stecken ihre Kinder im Durchschnitt im Alter von 4-6 Monaten in eine Grippe, gerne auf viel früher. Die Kinder haben oft keinen Bezug zu ihren Eltern, Kinder im Ehebett gelten als verwerflich, als Tabu! Die Kinder werden mit Tabletten vollgestopft in den Kitas abgegeben, obwohl sie krank nach Hause gehören, zum Durchschlafen gibts Schlafmittel. Viele Kinder sind durch die viel zu frühe Trennung von ihren Müttern lebenslang traumatisiert. Nicht zu weinen oder zu schreien ist nicht zwingend ein Zeichen von Bravsein, sondern ein Zeichen von Resignation, "ich werde nicht gehört, es kümmert niemanden, es kommt niemand!" Gestillt wird nur kurz bis gar nicht, schlagen ist in Frankreich erlaubt! Aber nicht nur die Kinder leiden, natürlich auch die Mütter, die Eltern, die kaum eine Lobby haben. Karriere machen, schnell weiter arbeiten, weil es die Gesellschaft so verlangt. Das System ist schrecklich, anders kann ich es kaum ausdrücken.

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  24. Danke für die super Rezension!
    Zwei Dinge noch:
    Wie mir eine französische Mama mitteilte, war es für sie und ihre Verwandtschaft völlig normal, die Babyfläschchen mit kaltem Wasser anzurühren und auch zu füttern, ich habe selber gesehen, wie sie ihr Kind so fütterte.
    Im Text steht, dass Französinnen eine der höchsten Geburtenraten weltweit haben. Das stimmt sicher nicht, aber sie haben eine der höchsten Raten europaweit. Siehe z.B. hier: http://www.laenderdaten.de/bevoelkerung/geburtenrate.aspx
    VG Anke

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  25. So. Jetzt mal aus meiner Erinnerung. Es muss etwa um die Jahrtausendwende gewesen sein, als wir unsere Verwandten in Frankreich besucht haben. Bei der einen Familie motzte das Kind, wurde sofort geholt und bekam sein Fläschchen. Mein Vater kommentierte nachher zu uns, dass sie das Kind ruhig noch was hätte liegen lassen können. Man kann doch nicht bei jedem Husten direkt zum Kind rennen. Aber ist halt das Erste.

    Die andere Familie war mit uns spazieren und meine Mutter war total begeistert von der Babytrage, die ja viel praktischer als immer Kinderwagen ist. Das hat es zu ihrer Zeit (Ende der 80er) nicht gegeben.

    Dann hat mir dieses Jahr eine Mutter von einem 18 Jährigen erzählt, ihr Sohn war nach der Geburt (also auch so um die Jahrtausenwende) total fordernd, hätte sie tyrannisiert und immer gebrüllt, wenn er nicht auf ihr schlafen konnte und alle 2h Milch bekam. Daraufhin hat sie auf anraten ihrer Hebamme das Baby in das am weitest entfernte Zimmer verfrachtet und nachts schreien gelassen. Auf der anderen Seite hat sie ihre Kinder viel im Tragetuch getragen und sich sehr viele blöde Komentare anhören müssen. Inklusive "Wenn sie stolpern, fallen sie ja auf das Kind!". Heute ist Tragen völlig normal.

    Viele Grüße,
    Andrea

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  26. Deutschland soll sich in die gleiche Richtung entwickeln, Kitas und Ganztagsschule sind politisch und gesellschaftlich gewollt. Ich finde das müsste auch anders gehen... Allerdings werde ich nach dem Mutterschutz den halben Tag arbeiten müssen, da ist dann mein Mann zu Hause....

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  27. Am deutschen Wesen wird die Welt genesen?? Wer sein Kind nicht ständig mit Snacks vollstopft und täglich in den Schlaf singt, ist eine schlechte Mutter? Wenn das so wäre, warum haben die Franzosen insgesamt eine höhere Lebenserwartung als die Deutschen? (https://www.worlddata.info/life-expectancy.php) Vielleicht wurden in dieser Diskussion doch nicht alle Faktoren bedacht. Die mit kaltem Wasser angerührten Fläschchen scheinen den französischen Kindern jedenfalls nicht gesundheitlich zu schaden.

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  28. Meine Familie ist in den 90ern nach Frankreich gezogen, da war ich zwei Jahre alt. Ich bin dort groß geworden. Einiges, wie das Hintern versohlen kann ich bestätigen, wurde bei mir auch gemacht und hat mich definitiv langfristig - wenn auch nicht schlimm /schwerwiegend - beeinflusst. In die Krippe sind meine jüngeren Geschwister ab neun Monaten zwei Tage die Woche gegangen und sie haben nach der Eingewöhnung keine Trennungsprobleme gehabt. Ich war in der Maternelle (Vorschule) und alle meine Erinnerungen daran sind sehr positiv. Ja, es wird schon gelernt, Arbeitsblätter bearbeitet, man bekommt sogar "Zeugnisse" (schriftliche Beobachtungen der maîtresse/Lehrerin) etc, aber zumindest in meiner maternelle sehr spielerisch und ich habe das sehr gerne gemacht. Über zuwenig Bewegung konnte ich auch nicht klagen. Ich denke, es ist wie mit Kindergärten, es gibt gute und schlechte.
    Die Kosten sind allerdings deutlich subventioniert. Die Krippe kostet abhängig vom Einkommen zwischen 50 (!) und rund 800 Euro im Monat. Die Maternelle/Vorschule kostet bis aufs Essensgeld nichts (gegenüber bis zu 600 Euro Kita-Beitrag in Deutschland - ohne Verpflegung!). In der Hinsicht ist Frankreich deutlich weiter als wir. Wer würde von uns schon bestreiten, dass die Kita von 3 bis 6 Jahre grundsätzlich gut für die Entwicklung unserer Kinder ist?

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  29. Meine Mutter kommt aus der französischen Schweiz und ich bin in der deutschen Schweiz aufgewachsen. Von allen Nachbarinnen, Freundinnen, meinen Lehrerinnen wurde meine Mutter stehts als Rabenmutter beschimpft. Ich selber finde noch heute, dass ich mir keine bessere Mutter vorstellen kann. Sie hat uns zwar nicht verhätschelt, überwacht, verwöhnt, sich non-stop aktiv mit uns abgegeben, aber im Ernstfall war sie immer für uns da und hat sich immer für uns eingesetzt wie eine Löwenmutter. Bei ihr fühlte man sich ernst genommen. Das Leben ist kein Zuckerschlecken und ihre Erziehung hat uns perfekt darauf vorbereitet. Verglichen mit vielen Freundinnen, die "typisch deutsch" erzogen wurden, komme ich mit vielen Situationen im Leben besser klar, bin "plus démerde", wie man auf Französisch sagen würde.
    Ich habe meinen Sohn genau gleich erzogen: ich renne nicht wegen jedes kleinsten Problemes hin, sondern er soll selber schauen, und erst wenn es gar nicht geht, dann gehe ich zu ihm und helfe. Er weiss genau, dass er mich in Ruhe lassen muss, wenn ich arbeite, usw. Ich werde von vielen Leuten als Rabenmutter beschimpft...ausser von seiner Lehrerin. Diese hat mir gesagt, wie unglaublich selbstständig mein Sohn sei, wie fürsorglich und wie er sich gut mit sich selber beschäftigen kann. Das sei heutzutage leider die Ausnahme.
    Eines muss ich aber noch sagen: ich habe meinen Sohn jeweils nur einen Tag in die Krippe gegeben, ich finde Fremdbetreuung von ganz kleinen Kindern sollte die Ausnahme bleiben, um eine gute Bindung zum eigenen Kind aufzubauen. Aber nicht alle Mütter haben das Glück, von zu Hause aus, mit Kindern im Haus, arbeiten zu können...

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