Seit ein paar Monaten steht bei mir das "ungewöhliche Schlaflernbuch" Besucherritze von Eva Solmaz auf der "To-read-Liste". Leider habe ich es noch nicht geschafft, mich darin zu vertiefen. Mir fehlt momentan der Antrieb ein Schlafbuch zu lesen, weil ich im Grunde in Bezug auf unserer Schlafsituation kapituliert habe und einfach weiterhin hingebungsvoll zu Füßen meines zweijährigen Sohnes schlafe, bis dieser endlich seine Durchschlaffrequenz von "mit viel Glück einmal wöchentlich" nennenswert steigert. Vermutlich wird das Buch mir das auch genau so empfehlen :-).
Das zweite Buch der Autorin Eva Solmaz Sitz. Platz. Aus? Mein Kind ist doch kein Hund - Das entspannte Erziehungsbuch hat einen so einen interessanten Titel, dass ich sehr gespannt war, dieses zu lesen. Der Beltz-Verlag hat mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zugesandt und ich habe die letzten zwei Tage damit schmunzelnd auf dem Sofa verbracht.
Das Buch
Das Buch hat vier Teile - jeder Teil ist in kleine übersichtliche Kapitel unterteilt, die zwischen zwei und sieben Seiten lang sind.
Teil 1 Leine oder Liebe? Warum Dressur in der Kindererziehung nicht der richtige Weg ist
Im ersten Teil des Buches wird mit einem Augenzwinkern festgestellt, dass die heute verbreiteten Erziehungsmethoden zu einem großen Teil der Hundeerziehung ähneln. Ursache ist die Annahme, dass das Kind selbstsüchtig und egoistisch auf die Welt kommt und von uns Eltern erst zu tauglichen Menschen geformt werden muss. Um das zu erreichen, bedienen wir uns Methoden wie Strafen, Belohnen und anderen Manipulationen.
Teil 2 Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr. Ein kritischer Blick auf die Lebenssituation junger Familien
Der zweite Teil ist ein bunter Blumenstrauß an kurzweiligen Kapiteln im Kolumnenstil. Oft ironisch, gelegentlich nachdenklich aber immer witzig und interessant geht es u. a. um Themen wie die Namenswahl, das Dilemma um die Fremdbetreuung, das Streben nach Selbständigkeit, Frühförderung, die Vaterrolle, die Panik vor "Tyrannen" und feste Zeiten und Trotz.
Teil 3 All we Need is love! Was Kinder brauchen um glücklich und gesund zu sein
Im dritten Teil wird sich mit Glück und Gesundheit befasst - jeweils kurz angeschnitten werden Themen wie gesunde Ernährung, Resilenz, Eile, Motivation, Selbstwirksamkeit und Bindung. Dabei wird auch auf wissenschaftliche Erkenntnisse eingegangen, ohne allzu theoretisch zu werden. Alle Themen werden weiterhin nur sehr kurz angeschnitten.
Teil 4 Geht es auch anders? Mit Kinder neue Wege gehen
Im eher kurzen vierten Teil des Buches regt Eva Somaz zum Umdenken an. Wir müssen nicht ständig danach streben, dass es unsere Kinder "besser" haben, wir müssen uns nicht immer die schlimmsten Gefahren ausmalen und wir sollten uns unbedingt mehr Zeit nehmen. Das Glück eines Kindes liegt nicht darin, optimal auf das Leben vorbereitet zu werden - auf den ständigen Kampf um Geld und Konsum - das Glück liegt in der Liebe, stabilen Beziehungen und Zufriedenheit.
Leseprobe
Um mal eine Vorstellung über den Schreibstil zu haben, hier mal eine meiner Lieblingsstellen als Leseprobe aus dem Kapitel "Pass gut auf" (Seite 43):
"Wenn man Kinder hat, muss man aufpassen, dass sie nicht vors Auto laufen, sich nicht an der Herdplatte verbrennen, nicht vom Klettergerüst fallen... Kinder leben gefährlich, und da ist es nur logisch, dass man sie vor den bekannten Gefahren schützen muss. Das weiß jeder, sogar Nichteltern. Es gibt aber noch einige andere merkwürdige Katastrophen, die einen ereilen können, von denen Nichteltern noch nicht mal träumen würden. So wird beispielsweise sowohl von Experten als auch von erfahrenen Eltern dringlich davor gewarnt, das Kind mit zu sich ins Bett zu nehmen. Da heißt es: "Pass auf, wenn Du das Kind erst mal bei Dir im Bett hast, bekommst Du es NIE wieder raus!" Stellen Sie sich das mal vor! Ein Kind, das für immer in der Besucherritze feststeckt. Das wäre wirklich ein ernst zu nehmendes Problem, das die Lebensplanung immens beeinträchtigen würde. Und schließlich werden Kinder ja auch irgendwann mal groß, dann wird es ganz schön eng im Bett. Wobei das wohl noch das geringste Problem wäre, wenn man bedenkt, dass der arme Mensch sein ganzes Leben im Bett verbringen muss. Mir ist zwar nicht ganz klar, wie es technisch gesehen zu diesem katastrophalen Unfall gekommen ist, aber offenbar scheint das Risiko dafür recht hoch zu sein. [...]
Ein anderes Risiko, mit dem Nichteltern im Leben nicht rechnen würden, betrifft das Tragen des Kindes. Auch das ist sehr gefährlich. Und nicht etwa für den Rücken der Mutter, was man sich ja noch irgendwie vorstellen könnte, nein, auch hier besteht die Gefahr, dass man das Kind NIE wieder vom Arm runter bekommt. Das wäre wirklich mehr als unpraktisch. Wie wickelt man ein Kind, wenn man es nicht mehr vom Arm abbekommt? Wie duscht man oder geht man aufs Klo? Das ganze Leben wäre extrem kompliziert, und zwar umso komplizierter, je größer das Kind wird. Außerdem lernen Kinder, die ständig getragen werden, nie zu laufen, brauchen sie ja auch nicht, wenn man sie sowieso immer am Arm hat. So gesehen wäre das wiederum sehr effizient."
Meine Meinung zum Buch
Ich habe zwischendurch immer wieder überlegt, wer eigentlich die Zielgruppe des Buches sein könnte. Jemand, der vor einem Erziehungsbücherregal steht, hat vermutlich irgendein akutes Problem (Kind schläft schlecht, ist trotzig oder schlimm pubertär). Also schaut er nach Büchern, die bei der Lösung des Problems (vermeintlich) helfen könnten. Derjenige wird vermutlich eher nicht zu Eva Solmaz´ Buch greifen, denn es bietet eben gewollt keine Handlungsvorschläge oder Lösungsansätze, sondern versucht den gesamten Blickwinkel aufs Kind zu verändern und appelliert an die Gelassenheit. Weg vom Gedanken des verwöhnten, sich schlecht benehmenden Tyrannens hin zur Annahme, dass Kinder grundsätzlich gut sind und kooperative, soziale Wesen.
Wenn ich nun aber akut keine Lust mehr habe, einen trotzenden Zweijährigen schreiend aus dem Supermarkt zu schleifen, dann glaube ich gerade eher nicht daran, dass Kinder eigentlich von Natur aus "gut" sind und habe den akuten Wunsch zur aktiven Erziehung. Ich greife im Bücherregal also höchstwahrscheinlich nicht zu dem Buch, das "Gelassenheit" empfiehlt - denn die habe ich nun gerade gar nicht mehr (weswegen ich ja vor dem Bücherregal stehe). Schade - denn im Grunde ist das genau die Lösung und das Buch würde tatsächlich "helfen".
Ob das Buch diejenigen, deren Erziehung geprägt ist von "Wenn Du nicht Dein Zimmer aufräumst... dann gibt es kein Fernsehen" oder "Du machst das jetzt so, weil ich es sage", erreicht? Viele Eltern erziehen intuitiv stark beeinflusst von der Erziehung ihrer eigenen Eltern und handeln hauptsächlich aus dem Bauchgefühl heraus. Dabei sind Auszeiten, Konsequenzen und teilweise enge Grenzen weit verbreitet. In der Regel stellen diese Eltern ihre Erziehung nicht in Frage und die wenigsten greifen nach "Fachliteratur" - werden also leider auch dieses Buch nicht kaufen.
Ich überlege, ob es mich überzeugt hätte in den Zeiten, in denen ich logische Konsequenzen noch für das Nonplusultra in der Erziehung hielt. Doch - vielleicht schon - vielleicht hätte es den Anstoß zum Umdenken gegeben. Zum Mutigsein, es doch einfach mal anders zu probieren. Zum Realisieren, worauf es im Grunde wirklich ankommt. Vielleicht ist es also für einige ein schönes Geschenk - so ein "witziges" Mamabuch ;-).
Auf meiner persönlichen Odyssee durch die Erziehungsratgeber in den letzten Jahren bin ich an allerlei Unfug vorbei gesegelt und habe viel Hilfreiches herausangeln können aus dem Meer der Theorie und Theorien. Angekommen bin ich dann letztendlich bei meiner ganz persönlichen Insel - dem Attachment Parenting. Da dieses Buch im Grunde die Grundgedanken des Attachment Parenting enthält, enthielt es für mich persönlich eher wenig Neues oder Wissenswertes. Wer mit dem Begriff nicht so viel anfangen kann, für den wird es sicher sehr an vielen Stellen durchaus bereichernd sein.
Ich habe mich aber in jedem Falle sehr kurzweilig amüsiert - Eva Solmaz´ Stil ist überaus erfrischend und ihr Humor sehr feinsinnig. Zwar fehlt an einigen Stellen die thematische Stringenz, das Buch ist dennoch in jedem Falle uneingeschränkt lesenswert.
© Danielle
Nach dem Lesen der Rezension brauche ich das Buch unbedingt, um mir selbst auf die Schulter zu klopfen! ;)
AntwortenLöschenWir folgen auch dem Attachment Parenting und ich muss mir oft anhören, dass wir die Kleine zu sehr verwöhnen. Manchmal zweifle ich auch selbst an mir, weil die Kleine mit 4 Monaten immer noch das Tragetuch zum Ein- und Weiterschlafen braucht... Aber dafür muss ich mir keine Sorgen um das Abgewöhnen von Schnuller & Co. machen. Und nachts klappt es seltsamerweise mit dem Weiterschlafen im Elternbett.
Ich freue mich übrigens schon sehr auf den Nicht-Loben-Beitrag. Muss mir leider alles selbst aneignen, da ich nicht auf (positive) Erfahrungen zurückgreifen kann.
Liebe Grüße
TaoTao
geht mir genauso - ist echt schwer das eingefahrene und das eigen erlebte anderst weiterzugeben bzw zu verarbeiten. habe das buch auch sofort bestellt. kann dir nur die seite: mit kindern wachsen und den arborverlag empfehlen die haben ganz tolle bücher und eine zeitschrift zu diesem thema
Löschendas buch: liebe und eigenständigkeit bearbeitet das thema loben unter anderem
*pssst* unser Sohn kam bis vor kurzem tagsüber regelmäßig zum Mittagsschlaf in die Trage - und er ist nicht 4 sonder 14 Monate. Einfach weil es schön, praktisch und schnell war. Und trotzdem kann er jetzt im Liegen einschalfen und ist nicht mit der Trage verwachsen ;)
LöschenNach einer Kindheit mit "Sitz, Platz, Aus" (oh es ist so passend!) bin ich auch auf der Suche nach einer Alternative beim AP gelandet.
AntwortenLöschenWir werden auch von außen oft schief angeschaut - auch wenn unser Sohn noch recht klein ist. Es ist schlimm, was man Kindern manchmal für "manipulatives" Verhalten unterstellt.
Ich freue mich über Anregungen :-)
Liebe Grüße
gibt es eigentlich für AP irgendwo ein austauschmöglichkeit bzw forum. ich suche irgendwie immer wieder mal nach anderen eltern die es ähnlich machen bzw halt die kinder nicht dauernd manipulieren, etc.
AntwortenLöschenleider stehe ich sehr alleine mit meiner haltung da und würde mir manchmal austausch wünscehn
Hallo,
Löschenschau doch mal bei www.rabeneltern.org oder www.stillen-und-tragen.de rein :-).
Viele Grüße!
Danielle
danke kannte beide nicht und lese mich gerade ein supertollen foren
LöschenIch musste so schmunzeln, als ich den Text zu "Pass auf" las, denn meine Mutter macht das sehr gern und auch andere, die eben denken, kostenlose Ratschläge verteilen zu müssen. Die Gefahr droht ja immer dann, in alte Muster zu verfallen, wenn man ein "Problem" hat. Daher würde ich das Buch gern haben, um diese typischen Fallen mal zu detektieren.
AntwortenLöschenHabe auch schon Besucherritze gelesen und fand es gut, aber eigentlich auch eher deshalb, weil wir eigentlich keine Schlafprobleme haben (nachts, tagsüber schon). Der Tipp mit der Gelassenheit hat sich aber schon öfter bewährt, daher ist es ganz gut.
@Frl.Keks, auch ich finde es schlimm, wenn Kindern erstmal manipulatives Verhalten unterstellt wird.
Lieber Gruß
Madame Flavoursome
Mir wurde oft unterstellt, dass ich meine Eltern manipuliere - sie "gegeneinander ausspiele".
AntwortenLöschenIch war ein "undankbares" Kind, denn ich "hatte ja alles".
Lese gerade "mein kompetentes Kind" von Jesper Juul.
Das kann ich auch sehr empfehlen.
@madameflavoursome:
Ich habe auch Bedenken in alte Muster zu fallen. Daher wühle ich mich auch durch solche Bücher um Alternativen zu finden.
Ich finde mich bei Juul oft wieder.
Also, ich lese hier erstmals etwas zu attachment parenting. Habe es erst einmal gegoogelt. Klingt sehr interessant, würde gerne mehr darüber erfahren; in dem Buch oder hier in einem neuen Beitrag :)
AntwortenLöschenP.s. Man soll doch keine Bücher bei Amazon bestellen.
wieso soll man bei amazon keine bücher bestellen? wenn dich das echt interessiert dann schau mal beim arborverlag nach die haben ganz tolle bücher über das thema (sehr zu empfehlen ist liebe und eigenständigkeit von alfie kohn bzw mit kindern neue wege gehen von lienhard valentin) für eingelesenere ap ist auch von der erziehung zur einfühlung von naomi aldort super
LöschenHallo :-) ich hab grad leise kichernd im Bett deinen Artikel gelesen...echt klasse...wir haben hier mit meinen beiden Stiefkindern auch viel Ärger um Essen/Regeln/Kannst du einmal hören was man dir sagt :-) Wir stellen fest das es mit Strafen/Belohnung nicht klappt...lassen aber paradoxer weise nicht davon ab...weil bei uns hat es doch auch geholfen oder??? Ich würde mich wahnsinnig über das Buch freuen...über das "Umdenken" freuen...über Glückliche Kinder freuen...Liebe Grüße von Kalinara und meinen drei Sonnenscheinen
AntwortenLöschenschöne rezension. habe mir sofort das buch runtergeladen. und - bin total enttäuscht. dieses buch ist furchtbar inhaltsleer. irgendwie erinnert mich das buch eher an eine lose sammlung von irgendeiner x beliebigen bloggerin, die nicht mal gut ist (nicht wie ihr!!). also irgendwie fehlt der rote faden und vor allem ein konsens. ich weiß überhaupt nicht worauf die autorin hinaus will. das wir uns mal locker machen sollen und unsere kinder nehmen, so wie sie sind? na fein, tue ich. damit ist das buch in einem satz zusammengefasst :)
AntwortenLöschengrauselig und überflüssig, wie natürlich ca. 95% aller erziehungsratgeber ;)
kathi aka contenance