In unserem Podcast haben wir uns in den Folgen 137 bis 139 mit den Themen Kinderwunsch und dem Verlust von Kindern beschäftigt. Passend dazu hat Wiebke einen Gastartikel für uns geschrieben, der eine bewegende und interessante Sicht auf ihren Verlust ermöglicht. Ihr findet sie auch bei Instagram als @espensmama.
Menschen finden vieles schlimm, bspw. wenn andere Menschen Dinge anders sehen. Oder das Wetter. Wer einmal mit der Endlichkeit konfrontiert wird, hat einen anderen Bezug dazu.
Als ich 2017 im 2. Trimester meine Zwillinge verlor, da war ich noch nah am "Warum muss mir denn das passieren?" Als jedoch mein Sohn 2018 plötzlich nachts nach nur 18 Tagen Lebenszeit starb, konnte ich so nicht mehr denken. Auch die gut gemeinten Ratschläge hatten keinen Raum mehr. Es war zu tragisch, zu heftig, als dass mir jemand erklären konnte wie ich damit umzugehen hätte.
Ebenso war alles andere wie mit einem Schalter auf unwichtig gekippt. Während ich zuvor eine recht oberflächliche Polizistin war, wurde mir nun mein Panzer abgerissen. Wie ein Igel, dessen Stacheln man gezogen hatte, lag ich nun nackt in den Trümmern meiner Selbst. Ich riss mir meine künstlichen Wimpern ab, ließ mir meine Haare kurz schneiden, löschte WhatsApp - ich war von einen auf den anderen Teil rausgebombt aus dem Hamsterrad.
Das war mein Gewinn. Ich konnte unsere Gesellschaft von Außen betrachten und feststellen, was da alles so richtig verkehrt läuft. Während man von mir forderte, wieder zu funktionieren, fühlte ich. Und zwar das, was gerade da war, durch mich fließen wollte. Mal Sehnsucht, mal Dankbarkeit, mal Verzweiflung, mal Liebe. Die Wellen spülten dabei viel alten Eiter mit an, der endlich rausfliessen wollte - ich ließ es zu.
So sah ich mich schnell nicht als die vom Schicksal Ausgepeitschte, als Opfer, sondern als Gewinnerin.
Ich nahm das Geschenk an. Nach meinem Empfinden sind es die Krisen, die einem eine Kurskorrektur ermöglichen, weil man zu weit vom Weg abgekommen, zu weit weg von sich ist.
Espens Tod war meine Tiefenreinigung. Ich war früher unfruchtbar, so dass mir nur der Weg der ICSI blieb. Heute darf ich mein Leben mit zwei lebenden Kindern teilen, die ich natürlich empfangen durfte.
Aber nicht nur das: auch dass meine Bedürfnisse so unendlich wichtig sind, diese zu spüren, zu beantworten und zu kommunizieren oder auch meine Gefühle als Freunde und Puzzleteile von mir zu betrachten - genauso wie die meiner Kinder - all das verdanke ich dieser extremen, sehr besonderen Erfahrung, drei Kinder verloren zu haben.
Dass ich unbewusst mit meiner damaligen Verlustangst, kombiniert mit Helfersyndrom, wollte, dass da jemand ist, der nicht einfach weggehen kann, jemand, der mich braucht, bemerkte ich auf der Heilungsreise. Ich durfte mich all dem stellen. Heute begleite ich u.a. Frauen in ihrem Kinderwunsch, weil ich überzeugt davon bin, dass da etwas ist, was gesehen und aufgelöst werden möchte. Eine Blockade die zwischen Beiden steht. Widmen wir uns dieser, können beide aufeinander zu rennen.
Auch dass ich so viel vor meinen lebenden Kindern zugelassen habe zu trauern, dass ich dieses Pure, Rohe nicht unterdrückte oder mich abzulenken versuchte, sondern es sich in mir bewegen durfte, macht mein jetziges Leben so viel erfüllter. Gefühlt hatte ich keine andere Wahl als es geschehen zu lassen, weil dagegen ankämpfen, was natürlich heilen will, anstrengender gewesen wäre.
Ein neues Kind darf niemals hineingedrückt werden in die Lücke des gestorbenen und trotzdem ist das der erste Impuls Vieler, weil wir eben so aufwachsen mit Ersatz und Ablenkung. Wir haben kein bejahedes Fühlen gelernt. Wir wurden in der Mehrzahl nicht so begleitet wie es Danielles und Katjas Büchern beschreiben.
Und so bin ich dankbar, dass ich es musste, gezwungen wurde. Ich könnte meine Kinder heute nicht so begleiten, geschweige denn wären sie überhaupt bei mir. Ich musste auch innerhalb der Trauer in ihren Facetten immer wieder erkennen, dass hinter allem dann doch ein altes Thema steckt, so fühlte ich mich eigentlich nicht gesehen, wenn jemand Espens Geburtstag vergaß.
Wenn wir bereit sind, uns unsere Wunden anzuschauen, haben wir ein so erfüllteres Jetzt. Unsere Trigger sind wie Hinweisschilder. Was wir nicht durfen, wofür bestraft wurden, erinnert uns, erscheint uns als Gefahr. Fühlen ist eins der größten Themen dabei: wer nicht in Kontakt mit sich und seinen Gefühlen ist, verbietet sie anderen. So sollen Trauernde einfach weiter machen, Babys dürfen nicht mit ihrem Schreien verarbeiten und in der Autonomiephase wird die Wut versucht zu verhindern.
Der Verlust eines Kindes ist eine wunderbare Einladung die transgenerativen Wunden zu reinigen, weil wir es heute können und dürfen. Gleichzeitig besteht die Chance daran, seinen Rucksack zu leeren, bevor man durch das eigene Kind getriggert wird, aber viel weniger Zeit hat, ihn sich anzuschauen.
Dein Leben ist für dich.
Wiebke (@espensmama)
Heilungsimpulse für Kinderwunsch, Trauer, Trauma, Geburt uvm.
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