Mitbestimmen von Anfang an - Partizipation bei Babys und Kleinkindern - Podcast mit Andrea Dannhauser

Babys können noch nicht sprechen, aber sie haben trotzdem eine Stimme. Sie äußern sich mit Blicken, Bewegungen, Lauten oder einfach dadurch, dass sie sich zuwenden oder abwenden. Wer genau hinschaut, erkennt schnell: Auch die Jüngsten haben klare Vorstellungen davon, was sie wollen und was nicht. Doch was bedeutet das eigentlich für uns Erwachsene? Wie können wir Babys und Kleinkinder an Entscheidungen beteiligen, ohne sie zu überfordern? Und warum ist das so wichtig, nicht nur für das Kind selbst, sondern auch für uns als Gesellschaft?

In unserer neuen Podcastfolge sprechen wir mit Erzieherin, Familien- und Fachberaterin und Referentin Andrea Dannhauser darüber, was Partizipation bei kleinen Kindern bedeutet. Andrea begleitet seit vielen Jahren Eltern und Fachkräfte dabei, Kinder wirklich zu sehen und ernst zu nehmen, auch, wenn sie noch nicht sprechen können. Sie erklärt, dass Partizipation bedeutet, Kinder an Entscheidungen zu beteiligen, die sie betreffen. Es geht dabei nicht um Abstimmungen oder große Entscheidungen, sondern um eine Haltung: Kinder haben ein Recht darauf, gehört zu werden, auch, wenn sie sich noch nicht sprachlich ausdrücken können. Ein Baby, das beim Wickeln meckert, sagt vielleicht: „Ich bin gerade nicht bereit.“ Ein Kleinkind, das sich beim Essen abwendet, zeigt: „Ich bin satt.“ Partizipativ zu handeln heißt, diese Signale wahrzunehmen und ernst zu nehmen, statt einfach über sie hinwegzugehen, weil „es jetzt eben sein muss“.

Wenn Kinder erleben, dass ihre Signale ernst genommen werden, lernen sie: „Ich wirke.“ Dieses Gefühl von Selbstwirksamkeit ist eine der wichtigsten Grundlagen für ein gesundes Selbstwertgefühl und stabile Beziehungen. Es hilft Kindern, später Grenzen zu setzen, sich mitzuteilen und empathisch mit anderen umzugehen. Gleichzeitig ist Partizipation auch Kinderschutz, denn Kinder, die erfahren, dass sie Nein sagen dürfen und dass dieses Nein respektiert wird, können sich später besser abgrenzen. 

Oft hören wir: „Aber Babys können doch gar nicht mitentscheiden.“ Andrea widerspricht: Doch, das können sie, wenn wir lernen, zuzuhören. Wenn Eltern oder Fachkräfte beim Wickeln erklären, was sie tun werden, und kurz abwarten, reagieren Babys oft mit einem Blick, einer Bewegung oder einem Laut. Diese kleine Pause zeigt ihnen, dass sie gesehen werden und aktiv am Geschehen beteiligt sind. Auch beim Essen, Anziehen oder Einschlafen können Kinder kleine Mitentscheidungen treffen. Das stärkt nicht nur ihr Selbstvertrauen, sondern auch die Beziehung.

Andrea spricht auch über „unbewussten Adultismus“, d. h. die Tendenz, Kinder aufgrund ihres Alters weniger ernst zu nehmen. Das passiert in Familien und Einrichtungen ständig, meist ohne böse Absicht. Sätze wie „Das tut doch gar nicht weh“ oder „Jetzt stell dich nicht so an“ klingen harmlos, doch sie sprechen Kindern ihre Wahrnehmung ab. Wenn das oft passiert, lernen sie: „Meine Gefühle sind nicht richtig.“ Partizipation bedeutet also auch, Kindern ihre eigenen Empfindungen zuzugestehen, selbst wenn sie für uns unlogisch erscheinen.

Dabei geht es nicht darum, dass Kinder alles bestimmen. Partizipation heißt Mitgestaltung, nicht Machtumkehr. Andrea empfiehlt, im Alltag kleine Entscheidungsspielräume zu schaffen: etwa zwischen zwei Kleidungsstücken wählen zu lassen, vorher anzukündigen, was passiert, oder kurze Pausen zu lassen, damit Kinder reagieren können. In Betreuungseinrichtungen kann das heißen, Kinder mitentscheiden zu lassen, wann sie essen oder spielen möchten, oder Abläufe gemeinsam mit ihnen zu gestalten.

Kinder, die dauerhaft übergangen werden, verlieren das Vertrauen in ihre eigene Wahrnehmung. Sie passen sich an und hören auf, ihre Bedürfnisse zu zeigen. Wer aber erlebt, dass seine Stimme zählt, wächst zu einem Menschen heran, der sich selbst vertraut und auch die Grenzen anderer respektiert.

Partizipation ist also viel mehr als eine pädagogische Methode; sie ist ein Menschenrecht. Damit Kinder konsequent ernst genommen werden, braucht es Zeit, Bewusstsein und Strukturen, die diese Haltung unterstützen. In Kitas bedeutet das gute Arbeitsbedingungen und Reflexion im Team, in Familien bedeutet es, innezuhalten und wirklich zuzuhören. 

Partizipation beginnt nicht mit dem ersten gesprochenen Wort, sondern mit dem ersten Blickkontakt. Wenn wir als Erwachsene lernen, die Signale von Babys zu sehen, ihre Bedürfnisse zu achten und ihre Grenzen zu respektieren, dann lehren wir sie etwas, das weit über den Alltag hinausgeht: dass sie wichtig sind, dass sie wirken können und dass ihre Stimme zählt – von Anfang an.

Mehr über Andreas Arbeit erfahrt ihr auf ihrer Homepage, bei Instagram und bei Facebook. Sie hat auch einen eigenen Podcast: "Zeit zu wachsen".

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