"In den Schlaf gewiegt zu werden ist Gewohnheit" sagt Annette Kast-Zahn - eine kritische Auseinandersetzung mit dem Interview in der Zeitschrift Eltern


Meine Kinder sind eigentlich dem "Eltern"-Alter entwachsen, trotzdem kaufe ich mir die Zeitschrift gern ab und zu, wenn ich längere Bahnfahrten vor mir habe. Bei der aktuellen Ausgabe 2/2014 vom 15.01.2014 bin ich allerdings fast vom Sitz gefallen, als ich las, dass Annette Kast-Zahn, die Autorin des umstrittenen Buches "Jedes Kind kann Schlafen lernen" zum Interview geladen worden war. Und auch nach dem Lesen ging es mir nicht viel besser.

Das Interview wurde von Nora Imlau geführt, die einigen vielleicht durch ihre Bücher "Das Geheimnis zufriedener Babys" und "Crashkurs Baby" bekannt ist. Es ist erkennbar, dass sich Frau Imlau gut auf das Gespräch vorbereitet hat und es scheint mir, als wäre ihre Intention eigentlich auch gewesen, Frau Kast-Zahn möglichst kritisch zu befragen. Leider traf sie meines Erachtens nach auf eine Frau, die eine Nummer zu groß für sie ist. Zumindest wirkt Frau Kast-Zahn weitaus routinierter und entspannter und schafft es mühelos, das Interview so zu drehen, dass sie am Ende trotz kritischer Nachfragen scheinbar als Siegerin hervorgeht.

Was nämlich hängen bleibt, sind Schlagworte, die Frau Kast-Zahn immer wieder einwebt, und welche am Ende im Gehirn des Lesers kleben wie Honig am Frühstücksmesser. Selbst ich, die ich den Text mit kritischem Auge und mit einer Menge Hintergrundwissen gelesen habe, hatte am Ende im Hinterkopf: "Schlaflernprogramme sind erwiesenermaßen nicht schädlich, dafür wirken sie schnell und effizient. Autsch!
 


Ich mag es nicht glauben, aber vor diesem Hintergrund stellt sich mir die Frage, ob die Elternzeitschrift wirklich und wahrhaftig ein kritisches Interview führen wollte oder ob es nicht vielleicht eine großangelegte Imagekampagne des GU-Verlages in einer der meistgelesenen Elternzeitschriften dieses Landes ist, welche nur so tut, als ob sie kritisch wäre, in Wirklichkeit jedoch Werbung für das im Moment ja eher verpönte Buch machen sollte. Ich bin kein Fan von Verschwörungstheorien - aber da Frau Kast-Zahn im Interview auch noch das letzte Wort behalten darf und die Gegendarstellung der Elternredaktion reichlich schwach wirkt, drängt sich mir dieser Gedanke irgendwie auf.

Doch kommen wir zum Inhalt des Interviews. Nach einem längeren Einführungsgeplänkel holt Frau Kast-Zahn sofort die "Dein-Kind-ist-nicht-normal,-wenn..."-Keule heraus, die wir Eltern alle so fürchten. Sie sagt:
 
"Wenn ein Baby auch im zweiten Lebenshalbjahr noch mindestens zweimal pro Nacht wach wird und irgendwas von den Eltern braucht, hat es nach Definition der Schlafforschung eine Schlafstörung."

Das klingt natürlich erst einmal alarmierend. Wirklich? - Wenn ein Kind mit 6 Monaten noch zweimal pro Nacht gestillt werden will oder nach den Eltern ruft, weil der Nuckel herausgefallen ist, gilt es "per Definition" als gestört? Dann sind wirklich beinahe alle Babys in meinem Freundes- und Bekanntenkreis schlafgestört. Nur zwei Mal gerufen zu werden, gilt bei uns eher als Luxusnacht ;-).

Wenn man einmal einen genaueren Blick auf "die Schlafforschung" wirft, dann stößt man auf interessante Zahlen. Die Zürcher Longitudinalstudien zeigen, dass 40 bis 60% aller Kinder im Alter zwischen einem und sechs Jahren nachts aufwachen. Pi mal Daumen wachen also die Hälfte aller Kinder regelmäßig auf, die andere Hälfte nicht. Welche Hälfte ist nun gestörter - oder vielleicht keine von beiden?

Nahaufnahme Auge eines Kindes
 
Warum wachen Kinder eigentlich  überhaupt so häufig auf? Der leichte, oft unterbrochene Schlaf ist eine Schutzfunktion der Natur. Zum einen gibt es die Theorie, dass der plötzliche Kindstod durch zu einen zu tiefen Schlaf begünstigt wird - Kinder vergessen möglicherweise einfach, weiter zu atmen. Durch Stillen wird ein häufigeres Aufwachen begünstigt, welches wiederum regulierend auf die Atmung wirkt. Ab dem 6. Monat verändert sich das Schlafverhalten der Kinder hin zu einem tieferen Schlaf inklusive längerer Schlafphasen. Im Prinzip wäre es ab diesem Zeitpunkt eher wichtiger, dass sie zum Stillen aufwachen - stattdessen wird propagiert, dass sie in diesem Alter gar keine Milch mehr brauchen, um so das Durchschlafen zu forcieren.

Zum anderen überprüft das Kind in regelmäßigen Abständen, ob seine Bezugspersonen noch anwesend sind oder ob es etwa schutzlos ausgeliefert allein irgendwo herum liegt. Diese Gefahr bestand die meiste Zeit in der Geschichte des Menschen tatsächlich. Tausende Jahre zogen sie als Nomaden durch die Welt. Babys überlebten nur, wenn sie dauerhaft sicher stellten, in der elterlichen Gesellschaft zu sein. Deswegen lassen sich Babys auch nur sehr ungern ablegen und bevorzugen es, ständig umher getragen zu werden. Der leichte Schlaf sorgt dafür, dass in kurzen Abständen geprüft werden kann, ob sich das Baby noch in Sicherheit befindet. Ist kein Erwachsener in der Nähe, ist es überlebenswichtig und evolutionär sinnvoll, sofort Alarm zu schlagen und erst wieder Ruhe zu geben, wenn man sich des Schutzes der Erwachsenen versichert hat. Unsere Kinder wissen nicht, dass sie in sicheren Kinderzimmern liegen - das ist auch erst seit ein paar Jahrhunderten so. Unsere Kinder haben noch immer die Überlebensinstinkte von vor Tausenden von Jahren - sie suchen also immer und immer wieder Nähe und Sicherheit. Wann dieses  Rückversicherungsbedürfnis verschwindet, ist von Kind zu Kind individuell, in aller Regel passiert es in den ersten drei Lebensjahren. Aus eigener Erfahrung können wir bestätigen, dass Kinder auch ohne Druck oder Beeinflussung irgendwann nicht mehr nach den Eltern rufen werden. Wäre das Aufwachen und Rufen eine "schlechte Angewohnheit", würde sie jedoch nicht ohne aktives Zutun verschwinden.

"Schlafgestört" sind also eigentlich eher die Eltern, die vermeintlich das Durchschlafen brauchen, um sich gut erholt zu fühlen. An diese richtet sich Frau Kast-Zahn auch vornehmlich. Nicht das Wohlergehen des Kindes steht im Mittelpunkt, sondern das der Eltern.  Frau Kast-Zahn betont noch einmal, dass aus wissenschaftlicher Sicht so ein Schlafmuster des Kindes unnormal  ist und trifft damit sicherlich den Angst-Nerv vieler Eltern. Denn was nach wie vor eine große Rolle spielt, ist der gesellschaftliche Druck. Dass ein Kind "gut" (nach wessen Definition auch immer) schläft, wird als elterliche Leistung betrachtet. Wessen Kind schlecht schläft, der hat vermeintlich versagt. Häufig stört Eltern gar nicht so sehr, dass ihr Kind oft aufwacht oder "noch" im Elternbett schlafen will, sondern dass ihr Kind nach der landläufigen Meinung nicht "normal" ist. Interessanterweise wird in anderen Ländern kindliches Schlafverhalten, das hierzulande als Schlafstörung betrachtet wird, als vollkommen normal angesehen.

Was mich am allermeisten an den Gedanken von Frau Kast-Zahn stört, ist das Bild des Babys, das sie bewusst und unbewusst zeichnet. Das Ferbern war ursprünglich dazu gedacht, Eltern im absoluten Notfall, also am Ende aller Kräfte und bevor dem Kind Gewalt angetan wird, eine Notlösung anzubieten. Frau Kast-Zahn vermarktet ihr Buch jedoch als Handlungsvorschlag für jedes Kind. Sie scheint davon auszugehen, dass Babys grundsätzlich irgendwie fehlerhafte Verhaltensweisen an den Tag legen, die von uns Eltern aktiv reguliert werden müssen. Mich irritiert dieser Gedanke, denn er unterstellt, dass durch das Erfüllen der grundlegenden Bedürfnisse Babys derart verwöhnt werden könnten, dass sie sich erdreisten, von den Eltern nicht erwünschte oder erwartete Verhaltensweisen an den Tag zu legen, die ihnen dringend  ausgetrieben werden sollten. Mein Weltbild sieht Babys viel eher als von der Natur perfekt mit Mechanismen, Reflexen und Instinkten ausgestattete Wesen, die man liebe- und respektvoll behandeln sollte. Und einem schreienden Kind den Rücken zuzuwenden ist keins von beiden. Es gibt so viele sanfte Wege, das Schlafverhalten zu beeinflussen - der einfachste ist häufig die Erhöhung der eigenen Gelassenheit.

Doch zurück zum Interview. Nachdem die Interviewerin Frau Imlau sich vergeblich bemüht, Frau Kast-Zahn näher zu bringen, dass andere Experten meinen, Babys seien nicht dazu gemacht, ohne Hilfe einzuschlafen und sie dann das übliche Argument bringt, dass es für so kleine Kinder keinen Unterschied macht, ob sie drei oder zehn Minuten allein schreien, da sie kein Zeitgefühl haben und ihnen jeglicher Zeitabschnitt qualvoll lang erscheinen muss, entgegnet Frau Kast-Zahn:

"[...] ich bin überzeugt: Für einen kurzen Zeitraum allein gelassen zu werden, schadet Babys nicht. Es gibt auch keine Studie, die einen negativen Effekt von Schlaftrainings auf die Entwicklung kleiner Kinder nachweisen würde."
 
Da hat sie jedoch Unrecht - diese Studie belegt, dass der Stresslevel von Kindern erhöht ist, auch wenn sie das Schreien eingestellt haben. In Neuseeland wurde bei 25 Babys ein fünftägiges Schlaflernprogramm durchgeführt. Am ersten und dritten Tag wurde jeweils der Cortisollevel bei Mutter und Kind gemessen. Am ersten Tag (die Babys weinten sich in den Schlaf) war der Level bei Mutter und Kind gleichermassen erhöht. Am dritten Tag (die Babys weinten nicht mehr, zeigten also keine für die Mutter sichtbaren Zeichen von Stress) war der Cortisollevel der Mutter gesunken, nicht aber der der Babys. Obwohl sie nicht mehr weinten beim Einschlafen, war ihr Stress gleich hoch wie am ersten Tag. 

Was es nicht gibt, sind Studien, die psychische Störungen im Kindes- und Erwachsenenalter wissenschaftlich korrekt auf angewandte Schlaftrainings zurückführen könnte. Es ist aber auch schlicht unmöglich, im Nachhinein erwachsene Menschen zu untersuchen, die als Kinder einem Schlaftraining unterzogen wurden und daraus wissenschaftliche Ableitungen bezüglich ihrer psychischen Störungen zu machen. Nicht nur, dass einige Menschen so etwas einfach besser wegstecken, als andere, weil sie eine größere Resillienz gegenüber Stress haben, es ist auch Psychologen einfach unmöglich, monokausale Zusammenhänge herzustellen. Wäre das möglich, also könnte man beispielsweise beweisen, dass jemand eine Depression entwickelt, wenn seine Mutter ihn im Babyalter nicht in den Schlaf wiegt, könnten Störungen ja sehr einfach geheilt bzw. vermieden werden.

Menschen sind aber verzwickt komplexe Wesen und einer Vielzahl von äußeren Umständen im Laufe ihrer Kindheit ausgesetzt - kein Leben wird zweimal genauso gelebt, nicht einmal das von eineiigen Zwillingen. Es gibt jedoch tatsächlich eine US-amerikanische Studie, welche Kinder, die geferbert wurden mit solchen, die nicht geferbert wurden verglichen hat, mit dem Ergebnis, dass sich beide Gruppen weder im Bindungs- noch im Sozialverhalten, noch bei ihrem Stresslevel unterscheiden (zumindest im Kindesalter). Es ist also leicht für Frau Kast-Zahn, zu sagen, dass es keine Studien gibt, die beweisen, dass Schreienlassen schadet - es stimmt sogar. So kann sie sich getrost auf diesem Argument ausruhen und ihre Kritiker rudern lassen, um argumentativ herzuleiten, dass es eben doch schaden kann.

Auf die darauf folgende Frage der Eltern-Interviewerin, ob ihre Tochter Andrea als Baby, welche nach ein paar Tagen Schlaftraining zu schreien aufhörte,  nicht einfach "aufgegeben haben" könnte, antwortet Frau Kast-Zahn:

"Aber ich bitte Sie, das ist doch eine Frage des gesunden Menschenverstands: Was sollte sie aufgegeben haben? Sie hatte doch alles, was sie brauchte: genug Nahrung, genug Nähe, genug Schlaf. Einem Baby das zu geben, was es braucht, heißt schließlich nicht immer, ihm das zu geben, was es will."

Und bei dieser Argumentation sind wir direkt bei den Erziehungsidealen unserer Großeltern und Eltern gelandet. Wer genauer wissen möchte, was damals über die Bedürfnisse von Babys (insbesondere beim Schlafen) propagiert wurde, dem sei die Lektüre des Buches "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind" empfohlen. Alternativ könnt ihr euch auch den Artikel über die Erziehung unserer Großeltern und Eltern  von uns dazu durchlesen. Zu Zeiten des Nazi-Deutschlands - und leider auch noch in den Generationen danach - ging man schlicht und ergreifend davon aus, dass Kinder nichts weiter brauchen, als Essen, Schlaf und saubere Windeln. Waren diese Bedingungen erfüllt, dann war das Schreien des Kindes nicht gerechtfertigt, sondern seinem manipulativen Charakter geschuldet und durfte unter keinen Umständen beachtet werden, um sich ja nicht einen kleinen Haustyrannen heranzuziehen.
 
Lese ich diese Aussage von Frau Kast-Zahn, fühle ich mich unweigerlich an Johanna Haarers Propaganda erinnert: "Einem Baby das zu geben, was es braucht, heißt schließlich nicht immer, ihm das zu geben, was es will." Dieser Satz geht von einem Menschenbild aus, bei dem das Kind von Natur aus habgierig ist und immer mehr verlangt, als es tatsächlich benötigt. Deshalb muss der Erwachsene dem schnellstmöglich einen Riegel vorschieben. Der Erwachsene entscheidet deshalb - zum Wohl des Kindes - wann und wie viel das Kind isst, wann und wie lange das Kind schläft und wieviel spielerische Stimulation es verträgt.

Dass das unsere Babys alles sehr gut selbst entscheiden können, dass sie mit einem natürlichen Gefühl dafür geboren werden, wann sie müde und satt sind, ist heutzutage hinlänglich bewiesen. Sie mögen unreif geboren werden und völlig abhängig von uns sein - doch ihre Instinkte, was das Essen und Schlafen angeht, sind so großartig in ihnen angelegt, dass jegliche Einmischung seitens der Erwachsenen nur stört und das Kind, im wahrsten Sinne des Wortes, verbiegt. Wenn man das "Erziehung" oder "Formung" nennen möchte, nur zu, aber nach dem neusten Wissensstand ist das eine völlig unnötige Einmischung in den Kompetenzbereich des Kindes.

Für ein größeres Kind im Alter der Autonomiephase mag es tatsächlich schädlich sein, ihm immer zu geben, was es möchte - dieses Kind kann komplex genug denken, um Schreien und Wüten zu seinem Vorteil einsetzen zu wollen. Einem Baby fehlen für ein solch manipulatives Verhalten schlicht und ergreifend die neuronalen Verbindungen im Gehirn - es kann Erwachsene noch nicht manipulieren wollen, sein Verstand ist noch nicht weit genug dafür entwickelt!

Im weiteren Verlauf des Interviews sagt Frau Kast-Zahn:
 
"Ein Baby mag es schön finden, jeden Abend in den Schlaf gestillt oder gewiegt zu werden - aber das ist doch kein Bedürfnis, sondern schlicht Gewohnheit!"

Ja, selbstverständlich sind das in den Schlaf Wiegen und das Saugen eine Gewohnheit! Aber doch eine, die das Baby bereits aus dem Mutterleib kennt? Natürlich beruhigt ein sanftes Wiegen das Kind besser, als alles andere auf der Welt, schließlich wurde es fast 10 Monate im Fruchtwasser hin- und hergewiegt und hat dieses Gefühl unbewusst im Gehirn abgespeichert als Etwas, das ihm Geborgenheit und Sicherheit vermittelt. Und auch das Saugen am Daumen und das Trinken des Fruchtwassers sind Dinge, die es, wenn man so will, von Beginn des Lebens an nutzt, um sich selbst zu beruhigen - natürlich greift es auch nach der Geburt am allerliebsten darauf zurück. Was maßen wir uns an, wenn wir entscheiden, dass dies keine elementaren Bedürfnisse sind, sondern  lästige Gewohnheiten, die es abzutrainieren gilt?
 
Es gibt sicherlich Einschlafrituale, die keine elementaren Bedürfnisse befriedigen und sich immer weiter zuspitzen, so dass ihre Beibehaltung irgendwann den Eltern nicht mehr möglich ist. Manche Babys pfrimeln gern an der freien Brustwarze, wenn sie stillen, andere kneifen zum Einschlafen ihren Eltern in die Hand, wieder andere drehen und ziehen an den Haaren der Mutter. Solche kleinen Rituale beginnen meist recht harmlos und nicht schmerzhaft, steigern sich aber mit der Zeit und werden für die Eltern unerträglich. Diese Art von Gewohnheit  kann und sollte dann tatsächlich (sanft) abgewöhnt werden. Dabei kann es durchaus auch zu Protestgeschrei kommen - doch sollten die Eltern das Kind in der Zeit nicht allein lassen.

Frau Imlau versucht weiterhin tapfer, Frau Kast-Zahn begreiflich zu machen, dass das Bedürfnis nach Nähe ein Grundbedürfnis ist, das man Kindern nicht abgewöhnen sollte. Frau Kast-Zahn bügelt aber auch diesen schüchternen Einwurf routiniert ab:

"Bei einem Schlaftraining geben Eltern ihrem Baby aber doch Nähe, indem sie immer wieder zu ihm hineingehen. Ich bin überzeugt: Dadurch ist sein Grundbedürfnis erfüllt. Außerdem: Ginge es dem Baby nur um Nähe, würde es nicht weinen, wenn die Mutter direkt neben seinem Bettchen steht. Das tut es aber - weil es nicht kriegt, was es in dem Moment will."

Es ist schön, dass sie davon überzeugt ist, dass mit dem Neben-dem-Bettchen-stehen der Eltern das Bedürfnis des Babys nach Nähe befriedigt wird - ich bin es nicht. Fängt ein Baby an zu weinen und die Eltern ignorieren (bewusst) diesen Hilferuf, wird es mit vermehrtem Weinen reagieren. Dieses endet normalerweise letztendlich in einem fast panischen Zustand, welcher das Regulationssystem des Säuglings überfordert - es kann sich nicht mehr allein beruhigen. Dadurch kommt es zu einer durch Stress ausgelösten Erregung des sympathischen Nervensystems, welches für Kampf und Flucht verantwortlich ist.

Leider hat ein Baby aufgrund seiner körperlichen Unreife noch keine Möglichkeit, aus der Situation zu flüchten, so dass das Gehirn in eine akute Krise gerät und ein Notfallprogramm einschaltet: Die Erregung im Nervensystem führt - wenn sie nicht durch die Hilfe der Bindungsperson durchbrochen wird (auf den Arm nehmen, beruhigen, an die Brust nehmen, schaukeln....) - zu einem Umschalten auf das parasympathische Nervensystem. Dieses verursacht (meist) eine schlaffe Erschöpfung des Kindes - es schläft ein (vgl. Brisch., 2010: 36f).  Beim langanhaltenden Alleine-Schreien schüttet das Gehirn außerdem Adrenalin und Cortisol aus und überflutet den Körper damit - diese Hormone können in größeren Mengen toxisch (=giftig) wirken und bestimmte Regionen im Gehirn dauerhaft schädigen. 

Papa kuschelt mit einem Baby
 
Erst das Beruhigen, das in den Arm Nehmen, das Streicheln und Trösten sorgen dafür, dass Oxytocin ausgeschüttet wird, welches den Körper beim Abbau der Stresshormone unterstützt. Wird das Kind also nicht mit ausgiebigem Körperkontakt (am besten sogar Hautkontakt) beruhigt, so ist der Cortisolspiegel oft und lange erhöht. Dies kann vielfältige und vor allem dauerhafte Auswirkungen haben - beispielsweise wird das Wachstum des Hippocampus stark eingeschränkt - er ist für die Angstregulation verantwortlich. Wer tiefergehend zu diesem Thema lesen möchte, kann das in den Artikeln zum Schreien lassen von Babys und zum Thema Bindung lesen.
 
Meines Erachtens - und die Bindungstheorie stärkt mir hier den Rücken - ist es eben nicht genug, neben dem Bettchen zu stehen und liebevoll auf das Kind einzureden. Auch Streicheln reicht ab einem bestimmten Erregungsgrad nicht mehr aus. Das Kind braucht den intensiven Körperkontakt, damit der Körper das wohltuende Oxytocin ausschüttet - das sind physiologisch nachgewiesene Fakten, die Frau Kast-Zahn wohlweißlich ignoriert.

Leider ist Frau Kast-Zahn durch die Erkenntnisse der Bindungstheorie und auch durch fundierte Argumentationen namhafter Experten nicht von ihrer Sicht abzubringen. Reichlich herablassend erklärt sie den Eltern-Lesern:
 
"Das ist doch aber nichts anderes als eine Behauptung, eine persönliche Meinung, eine Überzeugung! Seit Jahren bitte ich die Kritiker meines Buches, mir doch einmal wissenschaftliche Quellen für ihre Unterstellungen zukommen zu lassen. Und was schicken sie mir dann? Aufsätze aus der Bindungstheorie oder ein Interview mit einer Stillberaterin, die fürs Co-Sleeping plädiert. Das ist doch aber keine wissenschaftliche Quelle!"

An dieser Stelle des Interviews musste ich dann tatsächlich lachen - nichts weiter als eine persönliche Meinung, eine Überzeugung, so so. Sagt die Frau, die im Interview immer wieder ihre Argumente mit dem Satz "Ich bin überzeugt..." beginnt. Herrje, Frau Kast-Zahn.

Auf die Erkenntnisse der Hirnforschung, dass lang anhaltende Schreiphasen den Spiegel des Stresshormons Cortisol im Gehirn ansteigen lässt, angesprochen, antwortet sie:

"Aber ich bitte Sie: Kleine Kinder schreien nun mal. Alle Babys schreien, überall auf der Welt. Überlegen Sie sich mal, was die Mutter eines Schreibabys fühlt, die hört, dass bei jedem Weinen irgendwelche Gehirnzellen absterben!"

Von allen Aussagen des Interviews, die mich aufregen, ist diese hier diejenige, die mich am wütendsten macht, einfach deshalb, weil sie Eltern mit Schreikindern tatsächlich verunsichern kann. Meine Freundin S. hatte ein Schreibaby und stellte mir nun direkt nach dem Lesen des Interviews konsterniert die Frage: "Mein Kind hat nie allein und aus Absicht schreien müssen. Dennoch hat es stundenlang gebrüllt am Tag. Wenn also der Cortisolspiegel schädlich für ein Kind ist, habe ich ihm dann mit dem Nicht-Schreien-lassen nicht eher geschadet als geholfen? Wäre es vielleicht richtiger gewesen, es schreien zu lassen, um ihm diesen Stressfaktor auf lange Sicht zu nehmen?"

Nun bin ich keine Expertin für Bindung und Hirnstrukturen, deshalb werde ich versuchen, diese sehr kluge Frage noch einmal Karl-Heinz Brisch sowie Gerald Hüther zu stellen. Dennoch möchte ich hier auf diese Frage eingehen, bis ich die Antworten der beiden Experten erhalten habe. Sollte es Anmerkungen von Euch geben, könnt ihr diese gern in den Kommentaren schreiben.

Nach meinem Verständnis läuft der Prozess wie folgt ab: Babys können starken Stress noch nicht selbst regulieren (Selbstregulation), sondern bedürfen immer der Unterstützung ihrer Bindungspersonen (Fremdregulation). Sie fangen also wegen eines unangenehmen Reizes an, zu weinen und im Hirn wird das Stresshormon  Cortisol ausgeschüttet, welches das Gehirn auf lange Sicht schädigen kann. Nimmt die Mutter das Kind auf den Arm, redet beruhigend auf es ein, streichelt es etc. werden im Körper Prozesse ausgelöst, die das Gegenhormon Oxytocin (also das guten, hilfreiche Beruhigungshormon) ausschütten lassen. Im Normalfall beruhigt sich das Kind durch diese Fremdregulation - bei Schreikindern dauert es allerdings unendlich länger. Trotzdem werden auch beim Schreikind die "guten" Hormone ausgeschüttet. Gut und Böse halten sich in dem Moment, wenn man so will, die Balance. Das Gehirn wird nicht geschädigt, obwohl das Kind stundenlang schreit.
 
Hat sich das Kind mithilfe der Mutter irgendwann doch beruhigt, ist es einen Schritt weiter auf dem Weg zur Selbstregulation. Der Körper hat nämlich abgespeichert: "Es gibt Möglichkeiten, mit Stress fertig zu werden. Ich habe es schon einmal geschafft, ich werde es wieder schaffen." Beim Schreikind dauert der Weg zur Selbstregulation wiederum unendlich viel länger, als bei anderen Kindern, aber durch feinfühlige Bindungspersonen kommt es nichtsdestotrotz dort an.

Das Tragen und Aushalten des Schreiens seitens der Mutter oder des Vaters hat aber noch einen weiteren Vorteil: Mit jeder Situation, die Kind und Mutter/Vater gemeinsam gemeistert haben, wächst das Vertrauen des Kindes in sich selbst und in seine Eltern als sicherer Hafen. Da ist es erst einmal unerheblich, ob das Kind vor Erschöpfung eingeschlafen ist und deshalb das Weinen aufhörte, oder ob das Beruhigen im wachen Zustand funktionierte - wichtig ist, dass die Eltern Körperkontakt (am besten Hautkontakt) zum Kind hatten. Das Kind merkt "Ich bin nicht allein, mir wird geholfen, wenn es mir schlecht geht".

Hand eines Baby umschließt einen kleinen Finger

Fängt ein Baby nun wegen eines Stressreizes an zu weinen, welcher wiederum seine Selbstregulation überfordert und niemand kommt, um es auf den Arm zu nehmen, gerät das Gehirn in eine akute Krise und das schon oben erwähnte Notfallprogramm tritt in Kraft. Das Kind wird ruhig und schläft ein. Eine solche Lösung für eine stressvolle Situation ist zwar überlebenstechnisch wichtig, für eine gesunde emotionale Entwicklung jedoch problematisch, denn innerhalb dieses Notfallprogrammes wird das Gefühl der Angst vom Gehirn abgeschaltet. Noch viele Jahre später kann dies in Stresssituationen zu aufkeimender Panik oder Wut führen, welche nicht durch die äußeren Umstände zu erklären sind. Das Gehirn wird sozusagen durch kleinste Auslöser "erinnert" und reagiert unter Umständen über. Oft geschieht das zum Beispiel innerhalb der eigenen Mutter- oder Vaterrolle (mehr dazu im Artikel Wenn Eltern wütend werden) (vgl. Brisch, 2010: 37).

Der Cortisolspiegel im Inneren bleibt bei dieser Lösung des Stressproblems erhöht und baut sich nur langsam ab, da das Oxytocin eben nicht ausgeschüttet wird, und verändert, wenn das öfter vorkommt, auf krankhafte Weise den Körper (Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, psychosomatische Beschwerden). Der Körper lernt nach so einer Lektion leider nicht, dass er in der Lage ist, mit Stress adäquat umzugehen. Alles, was der Körper schafft, ist, das Notfallprogramm zu aktivieren und er wird vermutlich in anderen stressigen Situationen immer wieder darauf zurückgreifen (statt eben gesündere Selbstregulationsmethoden zu finden). Das Nervensystem wird nachhaltig beeinflusst - die Stressschaltkreise werden auf "überempfindlich" programmiert. In späteren Jahren reagiert das Gehirn dann auf Stresssituationen entweder mit einer Überproduktion an Hormonen (Depressionen, Angststörungen) oder mit einer Unterversorgung (Gefühlskälte, Aggression). 

Gleichzeitig registriert das Kind unbewusst, dass es keinen sicheren Hafen gibt. Es muss sich auf sich selbst verlassen und eigenständig lernen, mit Stress umzugehen. Ich denke, wir alle kennen die Bilder rumänischer Waisenkinder, die sich selbst in den Schlaf schaukeln und summen. Das wäre so eine Selbstregulation, die ja die Fremdregulation des Babyalters durchaus imitiert - leider ohne den wohltuenden Körperkontakt zu einem anderen Menschen. In der Fachsprache heißt dieses Schaukeln Jaktation - ich selbst habe das zum Einschlafen bis ins Schulalter gemacht.

Das bedeutet auch, dass in dem Moment, in dem die Eltern eines Kindes das Kind allein über längere Zeit weinen lassen (ich rede nicht vom Toilettengang oder von der Zwillingsproblematik!) die Bindung nicht gestärkt wird - Krisen werden nicht gemeinsam bewältigt. Ob das jetzt für das weitere Leben ein nachhaltiges Problem darstellt, darüber kann man streiten. Ich persönlich denke schon, da ich die Bindungstheorie schlüssig finde. Es gibt ja aber auch Kritiker derselben. 

Mein Fazit, liebe S., ist dieses: Ja, dein Kind hätte vermutlich weniger geschrien, hättest du es konsequent allein weinen lassen. Nein, es wäre nicht besser für es gewesen. Der Weg war für euch alle steiniger und länger und härter, aber dein Kind ist da gestärkt rausgegangen. Für euch Eltern war es die Hölle. Für euer Kind war es gut so.

Zurück zu dem Eltern-Interview mit Frau Kast-Zahn. Sie stellt abschließend sehr selbstbewusst eine zunächst schlüssig wirkende These auf, warum es nicht schädigend sein kann, wenn ein Baby über längere Zeit allein weint:
 
"Würde das stimmen, müssten wir uns um die heutigen 50- und 60-Jährigen große Sorgen machen. Man hat uns als Babys schließlich fast alle schreien lassen. Trotzdem scheinen wir eine ganz lebenstüchtige Generation geworden zu sein. Umgekehrt müsste es dieser These zufolge heute so viele psychisch stabile Kinder geben, wie noch nie, schließlich ist das Schreienlassen, wie es noch vor 50 Jahren betrieben wurde, heute gesellschaftlich verpönt. Tatsächlich erlebe ich heute in meiner Praxis immer häufiger Kinder, die überhaupt nicht damit umgehen können, wenn es mal nicht nach ihrem Kopf geht - weil sie das nie gelernt haben."

Das ist natürlich eine alarmierende Aussage, die sie da macht - trotzdem stimmt sie schlicht und ergreifend nicht, zumindest nicht in dem Sinne, dass sie hier zwei Fakten miteinander verquickt, die miteinander nichts zu tun haben. Zunächst einmal bezweifle ich, dass die heutige Generation der 50 und 60-Jährigen psychisch gesund aus ihrer Kindheit gekommen sind, doch mir fehlt die Zeit, das hier zu beweisen. Lassen wir diese Aussage also  so stehen. Schlimmer finde ich, dass Frau Kast-Zahn ein tatsächliches Phänomen unserer Zeit, nämlich, dass immer weniger Kinder aushalten können, wenn es nicht nach ihrem Kopf geht, direkt mit dem Nicht-Schreien-lassen verbindet.
 
Da ich tagtäglich mit verhaltensauffälligen Kindern arbeite, kann ich durchaus bestätigen, dass es immer mehr Kinder mit einer sehr fragilen Frustrationstoleranz gibt. Das jedoch mit der Anwendung von Schlaftrainings bzw. Nichtanwendung von Schlaftrainings zu erklären, halte ich für sehr gewagt. Ich muss ihr aber für den psychologisch sehr cleveren Schachzug gratulieren - Eltern, die sich vielleicht nicht ganz so intensiv mit der Materie auseinandersetzen, schenken dem möglicherweise sogar Glauben und schon ist ein neuer Mythos geboren.
 
Nein, die Frustrationstoleranz der heutigen Generation von Kindern (und ich schreibe bewusst nicht Babys, denn es ist hoffentlich jedem klar, dass es bei Babys immer um sofortige Bedürfnisbefriedigung gehen sollte) liegt meines Erachtens an der zunehmenden Verunsicherung der Eltern bei der Erziehung. Man möchte nicht mehr den autoritären Stil der eigenen Eltern übernehmen, ist sich aber gleichzeitig nicht sicher, wieviel Grenzen man einem Kind in welchem Alter zumuten kann. Ich sage nicht - bitte versteht mich an dieser Stelle nicht falsch - dass eine Erziehung mit wenigen Grenzen falsch ist. Ich praktiziere sie selbst.
 
Ich sehe jedoch in meiner Arbeit, dass es Tendenzen gibt, dass Eltern oft unbedacht "Nein" sagen oder eine Grenze setzen, dann aber nicht dem Ningeln, Nörgeln und dem Wutanfall des eigenen Nachwuchses gewachsen sind. So kommt es dazu, dass jene Eltern irgendwann eben doch nachgeben und das Kind sein Ziel mithilfe von Schreien erreicht - einfach, weil die Erwachsenen ihre Ruhe haben wollen. Das ist natürlich - wir sind uns doch einig? - schädlich. Es hilft keinem Kind, wenn es permanent alle noch so abstrusen Wünsche erfüllt bekommt, nur, weil die Eltern Angst vor einem öffentlichen Wutanfall haben, oder auch Angst, die kindliche Liebe zu verlieren.

Insofern hat Frau Kast-Zahn Recht: Ja, es gibt das Phänomen, dass die heutigen Kinder es immer weniger aushalten können, wenn ihre Wünsche nicht erfüllt werden. Doch an dieser Stelle kommt mein großes Aber: Das hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Babyalter zu tun. Im Babyalter geht es vornehmlich darum, in der Welt anzukommen und die Sicherheit zu entwickeln, dass das Leben schön ist und man auch als hilfloses Wesen selbstwirksam ist. Wenn das Baby vor Hunger weint, müssen die Eltern das Signal erhören und es stillen. Weint es, weil es sich allein fühlt, müssen die Eltern ihm Nähe und Geborgenheit schenken. So einfach ist das. Erziehung beginnt erst nach dem ersten Jahr und auch dann nur Schritt für Schritt dem Entwicklungsalter des Kindes angepasst.
 
Frau Imlau unternimmt nach diesem Punkt noch einmal den Versuch, sich Frau Kast-Zahn entgegenzustellen und sagt: 
 
"Wir von der Eltern-Redaktion haben unsere Meinung zu Schlaflernprogrammen in den vergangenen Jahren geändert: Wir haben sie früher durchaus als Rettungsanker für übermüdete Eltern empfohlen, heute raten wir, einen Kompromiss zwischen den Schlafbedürfnissen aller Familienmitglieder zu finden - ohne den Babys den Stress eines Schlaflernprogramms zuzumuten."

Es ist ein löblicher, wenn auch eher kläglicher Versuch einer Gegendarstellung, leider wird danach Frau Kast-Zahn das letzte Wort überlassen, welches sie auch grandios nutzt. Ich muss schon sagen, sie ist eine hervorragende Werbefachfrau, die es versteht, ihr Produkt anzupreisen und als "das Beste fürs Kind" zu verkaufen. Hut ab!

In meinem Blog möchte ich jedoch einem anderen das letzte Wort zum Thema Einschlafen und Schreien lassen erteilen, Dr. William Sears:

"Wenn Sie [auf das Weinen] nicht reagieren, wenden Sie das Prinzip der Entmutigung an: Wenn sie ein Verhalten nicht unterstützen, so wird es bald aufhören. Diese Methode beunruhigt mich aus zweierlei Gründen: Erstens geht man davon aus, dass es sich beim Weinen des Kindes um ein negatives Verhalten handelt, das eliminiert werden sollte: eine falsche Annahme also. Zweitens kann es schädliche Wirkung auf das entstehende Selbstwertgefühl des Babys haben. Wenn ein Baby weint und niemand hört zu, so sinkt die innere Motivierung des Babys zum Weinen. [...] Das Weinen des Babys ist aber doch seine Sprache! Wenn es auch primitiv erscheinen mag, so ist das Weinen eines kleinen Babys doch sein einziges Kommunikationsmittel zur Außenwelt. Nimmt man ihm diese Form der Kommunikation, kann dies sehr wohl einen Übertragungseffekt auf sein Verlangen haben, überhaupt mit seiner Kontaktperson zu kommunizieren. [...] Der Rat, das Baby weinen zu lassen, hat somit vielleicht einen kurzfristigen Erfolg, bringt langfristig jedoch Verlust. Meiner Meinung nach ist die Entscheidung zugunsten eines kurzfristigen Gewinns keine weise Entscheidung. [...] Wenn Sie nicht auf das Weinen des Babys eingehen, lehren Sie es nicht wirklich, zu schlafen, Sie lehren es nur, dass Weinen keinen Kommunikationswert hat. [...] Indem Sie nicht nachgeben, lehren Sie Ihr Baby aufzugeben. Ich habe große Mühe mit dem Sinn dieser Methode. Das ist nächtliche Dressur, nicht nächtliche Kinderbetreuung."

© Snowqueen


Literatur

 
Sears, William, Schlafen und Wachen, 2008

Renz-Polster, Herbert: Kinder verstehen, 2010

Papousek, M., Schieche, M., Wurmser, H: Regulationsstörungen der frühen Kindheit

Bildnachweis

Papa kuschelt mit Baby: Bernd Kasper  / pixelio.de
Hand hält Handf Dieter Hopf  / pixelio.de
Babyauge: sabrina gonstalla  / pixelio.de