Wiederbelebung von Babys und Kleinkindern

Alles über Wiederbelebungsmaßnahmen wie Beatmung, Herzdruckmassage und Herz-Lungen-Wiederbelebung bei Kindern


Vor einer ganzen Weile hatte ich einige Artikel zum Thema Erste Hilfe und bei Verbrennungen und Vergiftungen veröffentlicht und auch all die Dinge zusammengefasst, die grundsätzlich lebensgefährlich und gesundheitsgefährdend sind. Heute möchte ich ergänzend dazu über lebensrettende Sofortmaßnahmen schreiben. 

Mir ist bewusst, dass dieser Artikel keinen Erste-Hilfe-Kurs ersetzen kann und wenn es wirklich einmal zu einem Notfall kommt, wird man ganz sicher nicht erst mal Wiederbelebungsmaßnahmen googeln oder bei uns im Blog nachlesen. Aber es schadet dennoch ganz sicher nicht, sich damit in der Theorie schon mal beschäftigt zu haben. Wenn Du noch keinen Erste-Hilfe-Kurs besucht hast, solltest Du das unbedingt nachholen - dort wird Dir Wissen vermittelt, das im Notfall über Leben oder Tod entscheiden kann. 

Notfallplan - Was tun im Fall der Fälle?


Als lebensrettende Sofortmaßnahmen bezeichnet man Handlungen, die in einer Notfallsituation angewendet werden, um das Kind zu stabilisieren, bis der alarmierte Rettungsdienst eintrifft. Ich empfehle, diese Maßnahmen alle einfach mal zu simulieren - wenn man die Abfolge schon einmal "theoretisch praktisch" geübt hat, erinnert man sich daran sicher deutlich besser. Dabei wird natürlich nicht wirklich beatmet oder eine Herdruckmassage durchgeführt - vielmehr geht es um den Ablauf und die Technik der einzelnen Handlungen. Für diesen Artikel habe ich die Seitenlage bei meiner Tochter fotografiert - dadurch habe ich die Handlungsabfolge abgespeichert und wüsste nun jederzeit, wie ich sie dorthin bringe - einfach weil ich es schon mal gemacht habe.

Es gibt übrigens international einheitliche Empfehlungen für strukturiertes Handeln bei einem Notfall - wenn Du es ganz genau wissen willst, kannst Du sie hier ganz ausführlich nachlesen. Diese Leitlinien gelten für unkundige Laien - eine professionelle Betreuung durch geschulte Ersthelfer sieht ein anderes Vorgehen aus - also nicht irritieren lassen, wenn Notärzte ein anderes Prozedere als das beschriebene durchführen. 

1. ggf. Unfallstelle absichern, Kind bergen

2. Prüfen, ob das Kind bei Bewusstsein und ansprechbar ist   
    a) Kind bei Bewusstsein: erste Hilfe leisten
    b) Kind nicht bei Bewusstsein: Atemwege prüfen und ggf. frei machen

3. Atemkontrolle (max. 10 Sekunden)
    a) Atmung vorhanden: Seitenlage, Notruf, Bewusstsein und Atmung überwachen
    b) keine Atmung: erst fünf mal beatmen - setzt die Atmung ein, dann Notruf - sonst sofort:

4. Herzdruckmassage - eine Minute lang, dann spätestens Notruf, solange
    a) bis das Kind wieder selbst atmet oder sich bewegt oder
    b) bis die Rettung eintrifft.

Säuglinge dürfen niemals geschüttelt werden - auch nicht in Panik um zu prüfen, ob sie bei Bewusstsein sind! Das Bewusstsein kann man durch ein Kneifen in die Innenseite des Oberarms prüfen - reagiert das Kind nicht, ist es höchstwahrscheinlich bewusstlos.

Um zu prüfen, ob das Kind atmet, legt man das Ohr dicht an Mund und Nase, der Blick ist auf die Brust gerichtet. Es wird geprüft, ob Atemgeräusche zu hören oder ein leichter Luftzug zu spüren ist. Außerdem wird der Brustkorb beobachtet - er bewegt sich normalerweise beim Atmen. Das ganze soll maximal 10 Sekunden dauern. Atmet das Kind nicht, wird geprüft, ob ggf. ein Fremdkörper erkennbar ist - dieser wird vorsichtig entfernt. Setzt die Atmung noch immer nicht ein, erfolgen fünf Atemspenden (s. u.). Bleibt das Kind bewusstlos und ohne Atmung, wird eine Minute lang eine Herzdruckmassage durchgeführt.

Mich - als Laie - hat hier irritiert, dass gar keine Kontrolle des Pulses stattfindet und sofort eine Herzdruckmassage durchgeführt wird, wenn das Kind nach den Atemspenden nicht wieder selber atmet. Eine befreundete Ärztin erklärte mir, dass in den allermeisten Fällen das Ausbleiben der Atmung mit einem Herzstillstand zusammenhängt. Daher kann man fast immer davon ausgehen, dass das Herz still steht, wenn jemand nicht mehr atmet. 

Selbst wenn es das nicht tut, wird dieser Zustand in Kürze eintreten, da der Kreislauf zum Erliegen kommt. Sollte tatsächlich mal der Fall eintreten, dass die Atmung ausbleibt und das Herz dennoch schlägt, wird eine Herzdruckmassage bei einem schlagendem Herzen keinen Schaden anrichten (weswegen man sie trotzdem nicht einfach mal üben sollte ;-). Bei Kindern fällt jedoch in der Regel erst einmal die Atmung aus. Werden sie sofort beatmet, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass sie wieder zu sich kommen - dann ist eine Herzdruckmassage natürlich nicht mehr nötig.

Für Unerfahrene ist es sehr, sehr schwierig den Puls zu suchen. Einige machen den Fehler, ihn mit dem eigenen Daumen zu suchen. Dabei fühlen sie jedoch den eigenen Puls und gehen unter Umständen irrtümlich davon aus, einen beim Bewusstlosen gefunden zu haben. Außerdem hat eine Studie mit Rettungssanitätern/-assistenten ergeben, dass in einer Einsatzsituation selbst bei den erfahrenen Mitarbeitern oft durch Eile und Stress ein starker Eigenpuls vorhanden ist, der beim Patienten gefühlt wurde. 

Früher dachte man, den Eigenpuls würde man nur am Daumen spüren. Bei hohem Blutdruck ist dies aber auch mit anderen Fingern möglich. Die Pulskontrolle ist also nicht zuverlässig. So kann es passieren, dass man die Herzdruckmassage nicht ausführt, obwohl sie eigentlich erforderlich wäre. Außerdem vergeht viel zu viel Zeit beim Pulssuchen, so dass es nicht (mehr) empfohlen wird - es gilt das Motto: Lieber zu viel, als zu wenig.

Wichtig ist: während bei Erwachsenen sofort nach dem Auffinden der Notruf getätigt wird, soll bei Kindern erst geprüft werden, ob sie atmen. Ist das nicht der Fall, wird fünf Mal beatmet und dann die Atmung kontrolliert. Bleibt sie weiter aus, wird sofort eine Minute wiederbelebt und erst dann der Notruf abgesetzt. Ist ein zweiter Helfer vor Ort, kann dieser natürlich sofort einen Rettungswagen rufen. 

Der lebensrettende Handgriff


Der lebensrettende Handgriff dient dem Freimachen und der Freihaltung der Atemwege. Dabei wird das Kind in Rückenlage gebracht. Der Erwachsene kniet sich neben den Kopf des Kindes. Eine Hand liegt auf der Stirn, die andere dicht unter dem Unterkiefer. Der Daumen dieser Hand liegt zwischen Unterlippe und Kinnspitze. Der Kopf des Kindes wird sanft mit beiden Händen nach hinten gebeugt und gleichzeitig das Kinn angehoben.

lebensrettender Handgriff

 

Atemspende 


Bei Säuglingen unter einem Jahr wird das Kinn mit zwei Fingern leicht angehoben. Hier wird der Kopf nicht überstreckt!  Die Lippen des Beatmenden werden über Mund und Nase gelegt.

Ist das Kind älter als ein Jahr, wird der lebensrettenden Handgriff eingesetzt. Mit dem Daumen und dem Zeigefinger der Hand, die auf der Stirn liegt, wird die Nase zugehalten, da sonst die gespendete Luft entweichen würde. Mit der anderen Hand wird der Mund geöffnet.

Der Beatmende holt ganz normal Luft (kein tiefes Einatmen!) und bläst ganz sanft für ein bis zwei Sekunden Luft in die Atemwege des Kindes, bis sich der Brustkorb sichtbar hebt. Hebt sich der Brustkorb nicht, dann versperrt wahrscheinlich etwas nicht sofort Erkennbares die Atemwege. In diesem Fall wird das Kind mit dem Oberkörper über die Oberschenkel oder den Oberarm gelegt. Der Oberkörper muss herabhängen. Mit der flachen Hand wird maßvoll zwischen die Schulterblätter geklopft.

Kind auf den Rücken klopfen

Bei ganz kleinen Babys reicht ein Erwachsenenmund voll Luft völlig aus. Mit einmal Einatmen kann man theoretisch vier Atemspenden leisten. Je jünger das Kind ist, desto mehr Vorsicht ist geboten - zu viel Druck oder zu viel Luft können die Lunge beschädigen. Setzt nach der Spende die Eigenatmung nicht ein, wird sofort eine Herzdruckmassage durchgeführt. 

Herzdruckmassage


Für die Herzdruckmassage gilt: lieber falsch als gar nicht. Man kann nicht allzu viel falsch machen (allenfalls eine Rippe brechen) - tut man jedoch gar nichts, wird das Kind wahrscheinlich sterben. 
Das Kind muss dazu auf einer harten Unterlage (normalerweise dem Boden - also nicht in einem Bett/auf einem Sofa) liegen. Ein Handballen wird auf das untere Drittel der Mitte des Brustkorbes gelegt. Der Ballen der anderen Hand wird auf den Handrücken der unteren Hand gelegt. Beide Hände werden durchgestreckt und drücken den Brustkorb ca. 1/3 in Richtung Wirbelsäule - das sind bei Babys 2-3 cm, bei Kleinkindern etwa 4 cm.
 
Puppe zum trainieren


Ist das Kind jünger als ein Jahr, reichen 2 Finger (Zeige- und Mittelfinger oder Mittel- und Ringfinger) zum Drücken. Denk Dir eine Linie zwischen den Brustwarzen und lege die mittleren drei Finger unterhalb der Linie auf den Brustkorb - der obere wird wieder entfernt - dann liegen die übrigen an der richtigen Stelle.
Die Drück-Frequenz liegt bei Kindern bei 100 bis 120 Schlägen pro Minute. Merk Dir einfach 120 - also 2 pro Sekunde - oder noch einfacher den Takt von "(We all live in a) Yellow submarine" von den Beatles. Die Massage wird - im Gegensatz zu Erwachsenen - eher sanft und nicht so ruckartig ausgeführt. Die Hand/die Finger verbleiben auf der Haut, es wird nicht zwischendurch abgesetzt.

Wichtig ist auch hier einfach mal ein "Üben" - natürlich nicht am lebenden Objekt. Ich möchte Euch wirklich noch mal einen Erste-Hilfe-Kurs speziell für Kinder ans Herz legen - dort gibt es Übungspuppen. Die meisten Leute drücken nämlich zu langsam und zu zaghaft und sind bei der praktischen Übung dann überrascht, wie kräftig man es wirklich machen sollte.

Die Herzdruckmassage wird durchgeführt, bis der Notarzt kommt oder das Kind wieder selbständig atmet oder andere Lebenszeichen (Husten, Schlucken, Bewegung) zeigt. Ist ein zweiter Helfer vor Ort, kann dieser die Atemspende übernehmen. 

Herz-Lungen-Wiederbelebung


Die Sauerstoffvorräte im Blut reichen eine ganze Weile, so dass für einige Minuten eine reine Herzdruckmassage ausreichend wäre. Das wird für ungeübte Ersthelfer auch teilweise explizit so empfohlen - lieber eine regelmäßige ununterbrochene Herzmassage, als verwirrtes Rechnen, Zählen und hektisches Wechseln zwischen Massage und Beatmung. Zudem das Kind ja auch gleich als erstes eine Atemspende erhielt - diese reicht im Notfall auch für eine Weile. Bevor man also gar nichts macht, weil man vor Ehrfurcht erstarrt: Mache wenigstens die Herzmassage - sie allein steigert die Überlebenschancen schon enorm!
Traut man sich eine Wiederbelebung mit Beatmung zu, ist der Rhythmus 30 mal drücken (Dauer ca. 15 Sekunden) und zweimal beatmen. 

Seitenlage


Jeder Bewusstlose muss unbedingt in die Seitenlage gebracht werden - auch wenn der Verdacht besteht, dass eine Wirbelsäulenverletzung besteht. Voraussetzung dafür ist, dass das Kind selbst atmet. Bei einer Bewusstlosigkeit erschlafft die Zungenmuskulatur, so dass die Gefahr besteht, dass sie zurück fällt und die Atmung behindert. In der Seitenlage können außerdem Erbrochenes und Speichel ungehindert abfließen.

Säuglinge bis zu einem Jahr werden grundsätzlich auf den Bauch gedreht. Die Arme werden neben dem Kopf abgewinkelt und der Kopf leicht angehoben (nicht überstreckt). Größere Kinder können wie Erwachsene in die Seitenlage gebracht werden. Neben der klassischen Methode gibt es eine vereinfachte, bei der sich der Erwachsene dicht neben das auf dem Rücken liegende Kind kniet. Die Hand vor den Knien wird genommen und nach oben gelegt (die Handfläche zeigt dabei zum Himmel/der Decke).

Stabile Seitenlage Ablauf


Die andere Hand wird am Gelenk gegriffen und auf die Wange die zum Erwachsenen zeigt gelegt und dort festgehalten. Dann wird der weiter entfernte Oberschenkel gegriffen und das Bein gebeugt. Das Kind wird dann zum Erwachsenen hin gedreht und bleibt auf der Seite liegen. Der obere Oberschenkel wird so positioniert, dass er in einem rechten Winkel zur Hüfte liegt (auf dem Bild nicht ideal). Zum Abschluss wird der Kopf leicht überstreckt (das vergessen viele!).

Stabile Seitenlage Ablauf


Der Mund muss leicht geöffnet sein und die an der Wange liegende Hand stützt den Kopf so ab, dass er überstreckt bleibt. Atmung und Puls müssen überwacht werden.

Das klingt alles etwas kompliziert - ist es aber letztendlich nicht. Ich kann Dir dringend ans Herz legen, das Ganze mal mit einem gesunden Kind auszuprobieren. Schlag es als Spiel vor - das Kind spielt, dass es ganz fest schläft und soll einfach auf dem Rücken liegen bleiben. Du kündigst an, dass Du versuchst, es wie von Zauberhand umzudrehen. Mal sehen, ob Du es schaffst ;-).

Ich wünsche uns allen von Herzen, dass wir niemals in die Situation kommen werden, bei unserem Kind eine Wiederbelebung durchführen zu müssen!

© Danielle

Vielen Dank an Hagen für seine Unterstützung!

Unsere Leserin Verena hat uns noch ein ganz tolles Buch empfohlen: Schnelle Hilfe für Kinder: Notfallmedizin für Eltern von Janko von Ribbeck. Die Kurse des Autors kann sie jedem nur ans Herz legen.
   

Quellen


www.netdoktor.de
Bildnachweis

Wiederbelebung an Säuglingspuppe: Michael Raab  / pixelio.de

5 Kommentare:

  1. Liebe Danielle!
    Vielen Dank für diesen Beitrag. Kurz und knapp, das Wichtigste auf den Punkt gebracht und v.a. hat mich der Beitrag daran erinnert, dass ich beim DRK anrufen wollte, um zu fragen, ob sie für ein paar Mutties einen Erste-Hilfe-Kurs für Babies anbieten würden. Das werde ich gleich heute tun.

    LG erfrischend79

    AntwortenLöschen
  2. Danke für den tollen Artikel,
    möchte vielleicht noch 2 kurze Kommentare hinzufügen zur Herzdruckmassage: man sollte mal wirklich eine Puppe nehmen und mal fühlen wie dolle man wirklich drücken muss! da staunt man doch ziemlich. Und: 120 Schläge pro Minute entspricht dem Lied "We all live in a Yellow Submarine". Kennt jeder und ist so blöd, dass es einem in dem Moment auch einfällt. Wers hier liest, hat es vielleicht in einer Notsituation auch im Kopf.

    Vielleicht erweitert ihr noch den Artikel um Verbrennungen, Verbrühungen, Stürze, Knochenbrüche, Verdacht auf Sonnenstich, Dehydrierung, Erstickungsgefahren... Ertrinken und leider auch das 2. Ertrinken.. etc.

    LG
    Kathi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Kathi,

      danke für Deinen Kommentar - und die Tipps, die ich gleich ergänzt habe :-).

      Über Verbrennungen/Verbrühungen und Vergiftungen haben wir schon Artikel geschrieben (ganz oben in diesem Artikel hier verlinkt) - die anderen Themen wandern in die To-Do-Liste. Darüber kann man im Grunde nie genug gelesen haben.

      Ganz viele Grüße!
      Danielle

      Löschen
  3. Hallo,
    danke für den Artikel!
    Eine Anmerkung vielleicht: jeder der (Klein)Kinder betreut sollte m.E. den Heimlichgriff können (zumindest theoretisch wissen wie er gehen würde).
    Verschluckt ein Kind etwas und das kommt in die Luftröhre kann man nicht auf den Notarzt warten, da das zu lange dauert.

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.