Gehfrei und Türhopser sind ungesund und gefährlich

Zwei sehr häufige Suchanfragen, durch die Leser über Google auf unseren Blog gelangen, sind "Gehfrei gefährlich" und "Türhopser schädlich". Wir haben zwar im Artikel Lebensgefährlich, gesundheitsgefährdend und ungesund schon kurz erwähnt, warum von diesen Geräten dringend abzuraten ist, da sich jedoch viele offenbar umfassend zu diesem Thema informieren wollen, möchten wir dazu eine etwas ausführlichere Zusammenfassung schreiben. Ihr erfahrt außerdem, was eine viel bessere Alternative ist!

Warum Eltern Lauflerngeräte und Türhopser kaufen wollen


Dass Kinder endlich laufen können, ist für die meisten Eltern ein erstrebenswertes Entwicklungsziel - nach etwa einem Jahr, in dem sie das Kind unermüdlich hin- und hergetragen haben, ist der Gedanke, dass es endlich auch mal alleine läuft, sehr verlockend. Darum fragen sich einige, warum man den Prozess nicht spielerisch unterstützen und damit ein kleines bisschen beschleunigen sollte. Auch Omas hoffen häufig, durch das Schenken eines Lauflerngerätes oder eines Türhopsers die Entwicklung der Enkel positiv zu beeinflussen.

Schließlich bewerben die Hersteller ihre Lauflerngeräte, auch Gehfrei oder Babywalker genannt, mit Aussagen wie "um das Laufen richtig zu beherrschen, ist ein Lauflernwagen eine gute Starthilfe" oder "spielerisch laufen lernen, mit Spaß zum Erfolg". Sie versuchen damit, sich den Wunsch aller Eltern zu nutze zu machen, das Beste für ihr Kind zu wollen und bieten als vermeintliche Unterstützung des Laufenlernens klobige Plastikgestelle auf Rädern an, die über einen integrierten Sitz (und manchmal allerlei blinkendes und lärmendes Beiwerk) verfügen. Die Kinder stoßen sich darin mit den Füßen ab und können mit etwas Geschick relativ frei durch die Wohnung fahren oder fröhlich im Türrahmen auf uns ab hüpfen.

Lauflerngeräte behindern die motorische Entwicklung 


Die motorische Entwicklung von Kindern ist sehr komplex und verläuft bei jedem Kind nach einem ganz speziellen Bauplan, der genetisch festgelegt und nicht beeinflussbar ist. Auf einen solchen Entwicklungsprozess Einfluss zu nehmen, kann sich sogar schädigend auswirken, weil in einen hochkomplexen, über Jahrtausende von der Natur perfektionierten Prozess eingegriffen wird. Kinder müssen nicht laufen "lernen" - ebenso wenig, wie sie lernen müssen, sich zu drehen, zu sitzen, zu krabbeln oder zu sprechen. Sie tun es einfach. Dann, wenn sie soweit sind. Und dieser Zeitpunkt kann bei gesunden Kindern durch gezielte Förderung nicht vorverlegt werden.

Im ersten Lebenshalbjahr verfügen Babys über angeborene Greifreflexe. Streicht man über ihre Hände oder Fußsohlen, ziehen sich diese automatisch zusammen. Dieser Reflex ist ein Überbleibsel der Evolution und diente dazu, dass sich das Baby möglichst effektiv am Fell der Mutter festklammern kann. Der Fußgreifreflex verschwindet nach und nach während das Kind Laufen lernt und seine Füße zunehmend mehr belastet. Denn um sicher zu Laufen wäre es sehr hinderlich, wenn sich die Fußsohlen bei der Berührung mit dem Boden zusammenkrallen würden.

Gehfreis werden üblicherweise von Kindern verwendet, die noch nicht laufen können. Denn wenn sie es schon gelernt haben, lassen sie sich dann auch nur noch sehr ungerne hinein setzen und erkunden die Welt viel lieber auf eigenen Füßen. Bei nicht laufenden Kindern ist der Fußgreifreflex in aller Regel noch vorhanden. Berühren die Füße im Türhopser oder Gehfrei den Boden, dann krümmen sie sich also noch unwillkürlich zusammen, auch weil sie dabei nicht mit dem gesamten Körpergewicht belastet werden. Man beobachtet dann oft, dass die Kinder in den Gerätschaften nur auf den Zehenspitzen stehen oder sogar noch die Füße komplett zusammenkrümmen.

Dem Gehirn wird dann in dieser Position signalisiert: "Schau - ich stehe! So geht das!" - so dass der Körper die Fußhaltung später beibehält, weil das Gehirn Stehen mit den spitzen Füßen verknüpft hat. Das kann zu recht schwierig korrigierbaren Fehlstellungen ("Spitzfuß") führen, bei denen sich unter Umständen sogar die Wadenmuskulatur verkürzt. Dadurch wird dann die Gangart längerfristig auch außerhalb des Gehfreis beeinflusst und viele Kinder haben dann beim Laufenlernen Schwierigkeiten mit dem Abrollen des Fußes und verharren für längere Zeit im Zehenspitzengang. Diese Untersuchung zeigt, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen einem Zehengang und der Verwendung von Lauflerngeräten besteht.

Gehfreis und Türhopser unterstützen nicht nur das Laufenlernen nicht, sie behindern es sogar, weil sie den wichtigen Entwicklungsschritt der Gleichgewichtsentwicklung negativ beeinflussen. Vor dem Laufen lernen Kinder üblicherweise zunächst das Stehen. Bei den meisten Kindern dauert dieser Prozess recht lange. Unermüdlich ziehen sich die Kinder in den Stand und versuchen, sich auszubalancieren. Sie müssen dafür ihr Gleichgewicht bewahren und trainieren die komplette Muskulatur dabei. Ermüden die kleinen Beinchen, fällt das Kind um - beim nächsten Mal kann es aber schon ein paar Sekunden länger stehen. Die meisten Kinder fallen hunderte Male um, bevor sie sicher stehen können.

Mit Hilfe von Hopsern oder Lauflernern "stehen" Kinder plötzlich sicher aufrecht, ohne dass sie sich dafür hochgezogen hätten oder sich dabei ausbalancieren zu müssen. Kommt der Erfolg (zu stehen) zunächst völlig mühelos zustande, ist die Frustration groß, wenn es beim Ausprobieren ohne Hilfe dann nur mühsam oder gar nicht klappt. Kinder, die ohne Hilfe Stehen lernen, sind hingegen meist motiviert und erfreuen sich an den kleinsten Fortschritten.

Versuche mit Zwillingen haben gezeigt, dass die Kinder, die in einem Gehfrei saßen, später liefen, als ihre Geschwister, die keine Bekanntschaft mit einem solchem Gerät gemacht hatten. Dies bestätigt auch diese Studie aus Irland, die zeigte, dass je 24 Stunden, die (zusammengerechnet ;-) in einem Lauflerngerät verbracht wurden, das freie Laufen durchschnittlich um 3,3 Tage und das freien Stehen um etwa 3,7 Tage verzögert wurde.

Warum Lauflerngeräte und Türhopser gesundheitsschädlich sind


Übermäßige Belastung des Haltungsapparates


Problematisch ist, dass Kinder, die noch nicht Laufen können, es ganz wunderbar finden, aufrecht positioniert zu sein. Sie lieben die neue Perspektive und sind daher überaus gern in Lauflerngeräten und Türhopsern oder genießen es, wenn man sie einfach hinsetzt, ohne dass sie das schon selbst können. Eltern quengligerer Exemplare sind oft dankbar, dass das Kind so zufrieden ist und genießen die kleine Verschnaufpause. Das führt jedoch unter Umständen dazu, dass die Verweildauer in den Gerätschaften deutlich länger ausfällt, als empfohlen. Kinder setzen sich im Rahmen ihrer natürlichen Entwicklung erst dann selbst hin, wenn ihr Haltungsapparat - also das Zusammenspiel aus Muskeln, Sehnen und Knochen - so weit trainiert und entwickelt ist, dass er keinen Schaden nimmt. Ein Kind wird immer nur so lange stehen oder sitzen, wie es seine Entwicklung zulässt - es wird also immer instinktiv die Position wechseln, wenn es zu einseitig belastet ist.

In einem Gehfrei oder Türhopser ist es für das Kind jedoch nicht möglich, seine Position nach seinen Bedürfnissen zu verändern. Die Babys sind in den Gerätschaft quasi "gefangen" und sie können keine andere Körperhaltung einnehmen. Die Muskulatur ist - so lange Kinder nicht selbst sitzen oder stehen - noch nicht auf die aufrechte Haltung eingerichtet - die Wirbelsäule wird daher nur sehr unzureichend gestützt.

Dazu kommt, dass das Kind durchaus großen Spaß hat, wenn es mit dem Gehfrei umher fährt oder an der Tür hopst, so dass es bereit ist, die eigentlich unangenehme Haltung über längere Zeit in Kauf zu nehmen. Die wenigsten Kinder quengeln daher, wenn die Muskulatur eigentlich schon längst überlastet ist. Das kann dazu führen, dass das Kind eine entlastende, aber für die Entwicklung des Halteapparates ungünstige Haltung einnimmt. Im schlimmsten Fall wirkt sich die physiologisch ungünstige Haltung auf die Hüfte aus, was zu dauerhaften Fehlbildungen - wie zum Beispiel Verschiebungen - führen kann. Diese ungünstige Entwicklung kann sich auch erst Jahrzehnte später zeigen. Lässt sich ein Erwachsener jedoch später wegen orthopädischer Probleme behandeln, wird niemand auf die Idee kommen, dass Lauflerngeräte oder Türhopser mit Ursache des Problems sein können.

Beim Türhopser kommt neben der unnatürlichen Haltung noch die Belastung des gesamten Haltungsapparates durch das Hopsen hinzu. Das gesamte Gewicht des Kindes lastet auf dem Schambein (und damit bei Jungen auf dem Hoden) und der Rücken ist für das Alter untypisch über längere Zeit stark gestreckt. Durch das Abspringen wird die Wirbelsäule immer wieder gestaucht. Auch die Gelenke werden überlastet, weil sie für so eine unnatürliche Bewegung noch nicht stabil genug sind. Die Fußgelenke werden ebenfalls stark belastet. So viel Spaß das Kind auch zu haben scheint - für seinen kleinen Körper ist das alles andere, als gesund!

Lauflernhilfen sind gefährlich! 


Leider denken viele Eltern (und nicht wenige Großeltern), dass Produkte, die es im Babyfachgeschäft zu kaufen gibt, gar nicht gefährlich sein können. Außerdem prangen auf den Geräten tatsächlich GS-Siegel und oft auch ein DIN-Prüfsiegel. Es gibt eine Europäische Norm (EN 1273:2005), die Anforderungen an die Sicherheit von Lauflernhilfen enthält, so dass sich Eltern in vollkommen falscher Sicherheit wiegen. Die EU-Norm bspw. sieht als größtes Problem das Kippen des Gehfreis und sorgt dafür, dass er möglichst kippsicher konstruiert ist - die Gefahren lauern jedoch ganz woanders. In der Pressemitteilung, die bei der Veröffentlichung der EU-Norm herausgegeben wurde heißt es übrigens sogar:

"Lauflernhilfen sind zudem kein Gerät zum Laufenlernen, und die Benutzung über längere Zeit kann das normale Laufenlernen des Kindes beeinträchtigen".

Leider sind Lauflernhilfen das größte Unfallrisiko im ersten Lebensjahr - pro Jahr gibt es laut des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland etwa 6.000 (!) behandlungsbedürftige Unfälle damit. Am häufigsten verletzen sich Kinder im Alter zwischen sieben und vierzehn Monaten - die meisten in dem Monat, bevor sie frei laufen können. Eine australische Studie zeigte, dass etwa jedes dritte Kind im Laufe der Benutzung eines Babywalkers zu Schaden kommt.

Besonders gefährlich sind Treppen - etwa 83 % der Gehfrei-Unfälle sind Treppenstürze. In 82% dieser Unfälle kommt es zu schweren Schädel-Hirn-Traumen, in 11 % der Unfälle sogar zur Schädelfraktur. Dadurch, dass das Kind im Gehfrei fixiert ist, schlägt es zwangsläufig mehrfach mit dem Kopf auf die Stufen - ohne das Lauflerngerät würde es sich abrollen und der Kopf wäre deutlich besser geschützt.

Aber auch auf der Ebene können die Geräte umfallen, denn Kinder erreichen ohne weiteres bis zu 10 km/h mit Babywalkern. Wenn Kinder in diesem Tempo an Schränke, Tische oder andere Ecken stoßen, drohen schwere Verletzungen. Durch ständiges Anstoßen wird auch die Wirbelsäule besonderen Belastungen ausgesetzt. Gefahren lauern außerdem bei Türschwellen und auf dem Boden liegenden Gegenständen (die das Kind unter Umständen selbst dort hingeworfen hat). In Gärten ist es bereits zu Ertrinkungsunfällen gekommen, weil Kinder mit dem Walker stürzten und sich festgegurtet nicht aus der gefährlichen Lage befreien konnten.

Aber auch die Bewegungsfreiheit im Gehfrei birgt viele Gefahren. Normalerweise haben Kinder nur einen ihrer Entwicklung angemessenen Bewegungsradius. Das Neugeborene kann sich überhaupt nicht bewegen und sich dadurch nicht aus eigener Kraft in Gefahr begeben. Ein Krabbelkind ist in seinen Tätigkeiten auf eine bestimmte Höhe beschränkt. Dadurch, dass das Kind im Lauflerngerät vermeintlich fixiert ist, unterschätzen viele Eltern die Erreichbarkeit von Unfallquellen. Plötzlich kommen die Kinder an Kabel, an denen sie Dinge herunterziehen könne oder heiße Tassen auf dem Tisch oder Schubladen, in denen sich Gegenstände befinden, die nicht in Kinderhände gehören.

Aus diesen Gründen ist der Verkauf von Lauflerngeräten in Skandinavien und Kanada bereits verboten. Auch in Deutschland gibt es Forderungen der Ärzteschaft, ein Verkaufsverbot auszusprechen. Und auch Stiftung Warentest rät schon seit 1997 vom Kauf dieser Geräte komplett ab.

Beim Türhopser besteht die Gefahr, dass sie sich vom Türrahmen lösen, das Kind (wenn es etwas älter und mobiler ist) so weit beugt, dass es heraus fällt oder sich sogar mit den Seilen/Gurten stranguliert.

Sind Lauflernwagen eine bessere Alternative?


Leider sind Lauflernwagen auch keine wirklich gute Alternative. Zwar können die Kinder hier selbst entscheiden, wie lange sie sie nutzen und es ist eine Abrollbewegung der Füße möglich. Die Kinder nehmen beim Laufen jedoch eine unnatürliche, leicht nach vorne gebeugte Laufhaltung an, was sich ungünstig auf die Entwicklung der Muskulatur auswirkt (wie übrigens auch an der Hand laufen lernen). Unabhängig davon besteht auch bei diesen Geräten aufgrund der Beweglichkeit/Instabilität eine erhöhte Unfallgefahr.

Auf dem natürlichen Wege lernen Kinder laufen, indem sie sich seitwärts an höheren Gegenständen entlang bewegen. Dadurch rollen sie mit den Füßen auch seitwärts ab, was sich auf die Entwicklung der Rückenmuskulatur auswirkt. Daher sollte man beim Laufenlernen keinerlei Unterstützung anbieten. Auch die - ja wirklich nett gemeinten unterstützenden elterlichen Hände - wirken sich ungünstig darauf aus. Laufenlernen ist ein Entwicklungsschritt, für den - wie bei allen anderen auch - gilt: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
 

Fazit 


Lauflerngeräte und Türhopser erfüllen den versprochenen Nutzen nicht. Sie behindern vielmehr sogar die motorische Entwicklung, überlasten den Haltungsapparat und können sehr gefährlich - sogar lebensgefährlich sein. Es ist daher dringend vom Kauf solcher Gerätschaften abzuraten! Eine bessere Wahl sind Laufwagen. 

© Danielle



Quellen








Kooperation - Mein Kind will nicht kooperieren

Kinder wollen kooperieren. Dieser Satz, so nonchalant von Familientherapeut Jesper Juul in fast jedem seiner Interviews dahingeworfen, bringt uns Eltern nicht selten an den Rand der Verzweiflung. Denn ausgerechnet unsere Kinder scheinen eben nicht kooperieren zu wollen, ja, sie scheinen es sich sogar in den Kopf gesetzt haben, genau das Gegenteil vom dem zu tun, was wir uns wünschen. Da werden Teller vom Tisch gefegt, Spielzeuge gefährlich in der Wohnung umhergeworfen, im dichten Straßenverkehr weggelaufen und sich morgens partout nicht allein angezogen. Häufig sind Kinder auch frech und provozieren.

Dass das so ist, liegt meines Erachtens an fünf  Dingen:
  1. an der falschen Vorstellung der Erwachsenen von Kooperation,
  2. der Unwissenheit über neuronale Grundlagen der Kooperation (also darüber, wann und welche Kooperation altersangemessen ist),
  3. dem Übersehen von kindlichem Kooperationswillen,
  4. an der Macht der inneren Erwartungshaltung der Erwachsenen und
  5. an dem frühen (unabsichtlichen) Abgewöhnen des kooperativen Verhaltens.
In unserem 70-seitigen Wunschkind-Magazin "Kooperation" möchten wir auf diese Gründe ausführlich eingehen und erklären, warum Dein Kind scheinbar nicht kooperieren will. Du erfährst außerdem, wie Du die Kooperationsbereitschaft erhöhen kannst und was Du tun kannst, wenn Dein Kind frech ist und provoziert. Katja gibt außerdem einen sehr persönlichen Einblick in ihr morgendliches Familienleben und sie erzählt von dem Tag, als sie sich als schlechteste Mutter aller Zeiten fühlte und analysiert, wie die Situation eskalieren konnte. 

Wunschkind-Magazin "Kooperation"