Seiten

Aufbrüche, Abbrüche und Termine einhalten - Organisatorische Schwierigkeiten (Teil 6)

Diese Artikelreihe war eigentlich Bestandteil unseres neuen Buches "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn - Das Geschwisterbuch". Wie ihr wisst, schaffen wir es ja nie, uns wirklich kurz zu fassen, deswegen fielen ganze 94 von den 414 Seiten des Ursprungsmanuskriptes dem Lektorat zum Opfer *schluchz*. Wir haben beschlossen, es pragmatisch zu sehen, und veröffentlichen den dritten Teil des Buches einfach ergänzend hier im Blog. Parallel dazu könnt ihr Euch dazu auch diese Folge in unserem Podcast anhören.

Aufbrüche, Abbrüche und Termine einhalten


Termine einhalten mit Kindern im Schlepptau ist gefühlt unmöglich. Meist geht es morgens schon los, wenn alle pünktlich aus dem Haus sollen: Die einen in den Kindergarten, die anderen zur Schule und die letzten zur Arbeit. Nur die Fische im Aquarium dürfen in Ruhe zuhause chillen. Doch das Kleinkind will sich nicht vom Spiel losreißen, das Schulkind findet seine Sachen zum Anziehen nicht und Baby macht natürlich gerade, wenn wir alle an der Haustür haben und ausgehbereit sind die Windel voll.

Während wir also schnell doch nochmal die Windel wechseln, fällt dem Schulkind ein, dass die Fische ihr Futter noch nicht hatten und das Kleinkind trottet zurück zu seinen Spielsachen und versinkt abermals tief im Flow. Oder nachmittags, wenn wir den Zweitgeborenen aus der Kita abholen wollen, er aber in der Garderobe einen Wutanfall bekommt, weil seine Haarspange quer sitzt, während der Erstklässler schon am Schultor wartet und ängstlich links und rechts die Straße hochschaut, wo wir denn bleiben.

Auch verschiedene Trainingszeiten an unterschiedlichen Orten können tückisch sein – während die Tochter um 18 Uhr am einen Ende der Stadt Fußballtraining hat, soll der Sohn ebenfalls um 18 Uhr an der Halle drei Kieze weiter zum Parkourstrainingantreten.. Aufbrüche, Abholen und Termine einhalten müssen …vermutlich würden wir alle gern darauf verzichten.

Julie, 32, hat auf ihrem Blog Puddingklecks einen typischen Morgen mit ihren damals vier Kindern (8, 6, 4 und 2) verbloggt:
"Ich glaube, jeder mit Kindern kennt das. Man weckt rechtzeitig die Meute, hat das Frühstück vorbereitet und dennoch ist man die letzten Minuten vor dem Losgehen so im Stress, dass man am liebsten alles hinschmeißen und sich frustriert in die Ecke hocken will. Mir geht es da nicht anders. Im Gegenteil. In regelmäßigen Abständen frage ich mich sogar, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, die Kinder die Nacht durchmachen zu lassen oder sie abends in frische Straßenklamotten zu stecken, um mir morgens Stress zu ersparen. Dabei haben wir eigentlich eine ausgeklügelte Morgenroutine. 

6:10 Uhr – der Wecker klingelt

Wir sind meistens schon eher wach. K3 hält nämlich nichts davon, morgens auszuschlafen, sondern steht meist schon weit vor dem lieblichen Gebimmel im Türrahmen und verlangt nach Essen und Getränk. Lautstark, versteht sich. Ich versorge ihn rasch mit dem Gewünschten, mache mich selbst schnell fertig und laufe dann durch die Zimmer, um alle liebevoll zu wecken. Die Kinder grummeln und schnaufen, und drehen sich wieder um. Ich bleibe liebevoll hartnäckig. Aufstehen, Rasselbande!

6:30 Uhr – Frühstückszeit

Mittlerweile haben sich alle aus dem Bett gequält. Mit Augen auf Halbmast, Mundgeruch, der einer Güllegrube Konkurrenz macht und bitte ohne laute Geräuschquellen wird das von uns vorbereitete Frühstück gemampft. Mein Mann ist im Stress, denn eigentlich sollte er jetzt schon mit K3 im Auto sitzen. Eigentlich. Der fiel nämlich zwischen 6:10 Uhr und 6:30 Uhr in absolute Verweigerung, weil die Socken, die er vorm Waschen ohne Schuhe im Matsch trug, nun einen Grauschleier haben. Müdigkeit, ick hör dir trapsen! Kurze taktische Besprechung der Eltern. Mit müden Kleinkindern kann man nicht diskutieren. Ich hole die Spiderman Socken von gestern aus der Wäsche, rieche kurz dran und entscheide, dass die nochmal gehen. Hey K3, schau mal, deine Lieblingssocken! Das Manöver glückt. Hahaaaaa! Nimm das, Autonomiephase!

6:45 Uhr – aller guten Dinge sind vier

Der Mann und der frühe Vogel haben das Nest verlassen. Ich sitze noch immer am Frühstückstisch mit K1, K2 und K4, der es lustiger findet, die Milch wieder heraussprudeln zu lassen, statt zu trinken. Ich suche den Lappen, um das Desaster aufzuwischen. Die Mädels überlegen sich derweil, ob das vierte Brot mit Honig noch reinpasst, entschließen sich aber, satt zu sein, weil jetzt leider nur noch Obst auf dem Tisch steht. Ich schicke sie zum Anziehen. Anziehen!!! Ja, Mama.

7:10 Uhr – die Kleiderfrage

Seit etwa zehn Minuten brüllen die Mädels abwechselnd durch das Treppenhaus, was sie anziehen sollen. Was immer ich aus der Küche rufend vorschlage, wird lautstark abgelehnt. Ich soll etwas anderes sagen! Herrje. Ich versuche, die Kleiderschränke zu visualisieren, während ich in der Küche nebenbei schnell Klarschiff mache: Rote Cordhose, blauer Glitzerherzpulli? Lila Strumpfhose, lila Pünktchenrock, weißes Langarmshirt? Oder warte, besser: Jeanslatzhose und Blumenbluse! Ach nee, in der Wäsche, verdammt. Zähne putzen, Haare kämmen, Gesicht waschen, so weit sind wir noch lange nicht und mir schwimmen langsam die Fälle...äh...die Geduldsfäden davon.

7:20 Uhr – erste zaghafte Versuche

Ich rufe „Wie weit seid ihr?“ die Treppe hoch. Zurück kommt ein obligatorisches „Schon gaaaanz weit, Mama!“. Begleitet wird der Zuruf von Kinderkichern, schnell tapsenden Füßen und dem nervtötenden Klang der elektronischen Spielzeugautos. Moment, wo ist eigentlich K4? Achja, ich hatte ihn zwischenzeitlich nach oben gebracht. Dort spielt er unbeeindruckt vom Chaos um ihn herum. Zwischen Brote schmieren und Schultaschen kontrollieren renne ich in regelmäßigen Abständen nach oben, um mir selbst ein Bild vom trödelnden Grauen zu machen und ein wenig anzutreiben. Denn von „fast fertig“ sind wir selbstverständlich meilenweit entfernt.

7:30 Uhr – fast fertig

Mittlerweile habe ich die Kinder mindestens zweimal wieder nach oben geschickt. Denn die „gekämmten“ Haare sehen aus, als hätten Vögel darin genistet. „Möchtest du nicht vielleicht eine Hose anziehen?“, frage ich K1. Die schaut an sich runter, fängt gequält an zu grinsen und stößt ein „Uuuuups!“ aus, bevor sie die treppauf rennt, um die vergessene Jeans zu holen. Zwischendrin bekommt K2 einen kleineren Wutanfall und stöhnt entnervt „Orrrr, Mama! Ich habe schon Zähne geputzt!“, obwohl die Frühstücksreste mir bei jedem Wort entgegenpurzeln. Ich ziehe meine Augenbrauen vielsagend nach oben. K2 versteht den Wink und trollt sich noch einmal ins Badezimmer. Spannend, wie gut sie "augenbrauisch" schon lesen kann. Offenbar ein Naturtalent.

7:35 Uhr – immer mit der Ruhe

Wir haben es zum Eingang geschafft. Doch statt sich zügig anzuziehen wird erst einmal diskutiert, warum heute Wasser ohne statt mit Blubb in der Schultasche verstaut ist und ob wirklich eine Jacke nötig ist. Bei 5 Grad und Nieselregen. Mittendrin sitze ich, noch immer im Schlafanzug, raufe mir die Haare, ziehe Reißverschlüsse zu, schließe die Warnwesten, helfe bei den Schnürsenkelschleifen und überlege kurz, die Sache so kurz vor Schluss doch noch hinzuschmeißen. Gleich geschafft. Gleich geschafft. Gleich geschafft. Mein Mantra lässt mich den Endspurt durchhalten.

7:40 Uhr – fix und fertig

Die Tür fällt ins Schloss, nachdem ich die Mädels mit einem Kuss auf die Stirn, „Ich hab euch sehr, sehr lieb.“ und dem Zusatz, dass sie sich sputen müssen, verabschiedet habe. Am liebsten würde ich mich jetzt ins Bett legen und einfach nichts machen. Mit K4 Baby, seinen unzähligen, schreckliche Melodien auskotzenden Spielzeugautos und Kinderfernsehen. Aber ich bin vernünftig, also geht der Weg zu meinem Kaffee, der einsam und verlassen auf der Küchentheke steht. Mittlerweile ist er kalt und hat an der Tasse einen unschönen Rand gebildet. Ach, was soll´s. Es war ein guter Morgen. Mit einigen verlorenen Nerven und mindestens zwei grauen Haaren mehr. Aber hey, alle leben noch. Morgenroutine? Habe ich voll drauf!" [Julie,32] 

Pünktlich loskommen


In unserem ersten Buch „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten. Der entspannte Weg durch Trotzphasen“ haben wir sehr ausführlich dargestellt, wie man mit Kindern pünktlich loskommt.

Übergangssituationen und Phasenwechsel sind für viele Kinder schwierig. Sie mögen zwar draußen auf dem Spielplatz spielen, wollen aber sich nicht gern anziehen und losgehen. Und wenn sie erst einmal auf dem Spielplatz sind, wollen sie nicht wieder nach Hause. Es geht also um den Wechsel zwischen diesen Phasen, der vielen Kindern unangenehm ist.

Deshalb ist es hilfreich, Phasenwechsel langfristig anzukündigen. Man kann einen Wecker dazu nutzen, oder immer wieder in Abständen zum Kind hingehen, es antippen und Bescheid sagen, wieviel Zeit noch übrigbleibt. Man könnte einen Plan zur Morgenroutine aufhängen, auf dem das Kind abhaken kann, was es schon geschafft hat. Ganz sicher gibt es sogar schon Apps dafür. Man kann beim Anziehen helfen, wenn es dort hakt. Wenn man vermutet, dass das Kind nicht aus dem Haus gehen will, weil es nicht zur Kita oder zur Schule will, müsste man den Grund für das Unbehagen herausfinden und wenn möglich beseitigen.

Abholen aus der Kita mit Baby in der Trage


Ähnlich schwierig wie morgendliches Loskommen ist das Abholen aus der Kita. Viele Kinder sind am Nachmittag völlig fertig und können nicht mehr kooperieren. Ihre Selbstkontrolle ist aufgebraucht. Mit Baby im Schlepptau wird es dann heikel. Denn oft können Babys Stillstand nicht gut aushalten, wachen auf oder werden quengelig. Oft hat man am Ende zwei weinende Kinder im Arm.

Es tut uns leid, euch sagen zu müssen, dass es hier keine guten Lösungen oder Geheimtipps gibt. Ihr könnt versuchen, euer Baby an einen Kinderwagen zu gewöhnen – dort wird es normalerweise nicht so gestört, wenn es mit dem Kindergartenkind etwas länger dauert. Ihr könnt auch versuchen, das Ausflippen eures Kindergartenkindes ein bisschen nach hinten zu verzögern. Möglicherweise hilft es, wenn ihr einen kleinen Snack mit in die Kita bringen. Insgesamt aber ist das eine von den Situationen, durch die wir alle einfach durchmüssen.

Kind muss aus der Schule abgeholt werden, Kleinkind aus der Kita


Häufig entscheiden sich Eltern, zuerst das Kindergartenkind abzuholen, und dann mit ihm zusammen das Schulkind. Denn das Kindergartenkind ist noch jünger und sollte möglichst nicht so lange in der Betreuung ausharren müssen, richtig? Oft klappt das aber nicht gut, weil Kindergartenkinder, wie oben schon beschrieben, nach der Kita oft in eine Art Verweigerungshaltung fallen. Sie können und wollen nicht mehr funktionieren. Dann noch Druck zu bekommen, weil das große Geschwisterkind in der Schule wartet, ist ungünstig. Drei Lösungsmöglichkeiten wären:

1. Das Schulkind wird zuerst abgeholt, und kommt dann entweder mit zur Kita, oder wird zuhause abgeliefert und darf alleine dort warten. Das Kindergartenkind wird demnach als Zweites abgeholt, bleibt also länger in der Kita, hat danach aber keinen Druck und keine Verpflichtungen mehr.

2. Das Schulkind darf allein von der Schule nach Hause gehen. Wenn das nicht geht, weil es zu gefährlich ist, oder das Schulkind dann zu lange allein zuhause wäre, müssen die Eltern noch mal neu denken. Kann das Kindergartenkind noch früher abgeholt werden, damit kein Zeitdruck entsteht?

3. Kann jemand, der nicht Bindungsperson Nr. 1 ist, das Kindergartenkind abholen? Normalerweise gibt es die Stressabbau-Wutanfälle beim Abholen nur bei den Eltern, weil diese der sichere Hafen sind, und das Kind weiß, dass es von ihnen bedingungslos geliebt wird. Weniger engen Bezugs- und Bindungspersonen zeigt es meist nicht das gesamte Repertoire seiner Emotionen, so dass sich Losgeh- oder Abholsituationen sehr viel entspannter gestalten.

Kinder haben drei Termine an drei Orten gleichzeitig


Werden die Kinder älter, kommen am Nachmittag häufig Termine auf uns zu. Manchmal zur gleichen Zeit an unterschiedlichen Orten. Wie können wir das lösen? Nun, wir können unsere Kinder zur Selbständigkeit erziehen: Vielleicht können sie ja selbst mit dem Bus oder dem Fahrrad zu ihrem Termin fahren? Oder wir laden alle Kinder ins Lastenfahrrad, Auto oder die S-Bahn, bringen ein Kind zu früh zu seinem Termin, so dass es dort etwa noch zehn Minuten warten muss, und fahren mit den anderen Kindern weiter zu ihren Terminen, so dass am Ende alle pünktlich oder überpünktlich vor Ort sind. Vielleicht können wir auch ein Netzwerk mit anderen Eltern bilden, deren Kinder zum gleichen Training fahren.

© Snowqueen

In den weiteren Teilen dieser Serie erwarten euch:

Teil 1 - Mehrere Kinder ins Bett bringen
Teil 2 - Probleme wegen des Altersunterschiedes
Teil 3 - Einkaufen mit mehreren Kindern
Teil 4 - Die Grundbedürfnisse aller erfüllen
Teil 5 - Aufbrüche, Abbrüche und Termine einhalten
Teil 7 - Heikle Orte

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.