Heikle Orte mit mehreren Kindern - Organisatorische Schwierigkeiten (Teil 7)

Diese Artikelreihe war eigentlich Bestandteil unseres neuen Buches "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn - Das Geschwisterbuch". Wie ihr wisst, schaffen wir es ja nie, uns wirklich kurz zu fassen, deswegen fielen ganze 94 von den 414 Seiten des Ursprungsmanuskriptes dem Lektorat zum Opfer *schluchz*. Wir haben beschlossen, es pragmatisch zu sehen, und veröffentlichen den dritten Teil des Buches einfach ergänzend hier im Blog. Parallel dazu könnt ihr Euch dazu auch diese Folge in unserem Podcast anhören.

Heikle Orte mit mehreren Kindern


Alu erzählt in ihrem Blog Großeköpfe von dem letzten Restaurantbesuch mit ihren drei Kindern (12, 9 und 3):
"Wir betreten als Familie zu fünft ein Restaurant. Es ist Sonntagmittag. Die Kinder sind bereits hungrig, wir waren lange draußen unterwegs. An der Garderobe pellen wir Eltern die Kinder aus ihren Jacken, eines stürmt sofort davon und sucht einen kleinen Tisch am Fenster aus. Natürlich am anderen Ende des Ladens. Lautstark durchqueren wir das Lokal, die Kinder diskutieren nämlich über unsere Restaurantentscheidung. Die anderen Gäste gucken schon. Ein Flüstern, Tuscheln und Murmeln erhebt sich. Ich ignoriere die Blicke der anderen und krame in meiner Tasche nach den Minibuntstiften: Ich bin schließlich Profi!

Am Tisch diskutieren die Kinder über die Sitzordnung. Drei Kinder, zwei Plätze am Fenster, das kann nicht gut gehen! Die 12-Jährige rollt mit den Augen und setzt sich auf einen der anderen Plätze. Yeah! Nach ellenlanger Wartezeit (ok, es waren drei Minuten) erscheint eine Kellnerin, um nach den Getränken zu fragen. Die Kinder wollen Fanta – Sprite- Fanta- nein vielleicht doch Apfelschorle – Fanta oder Sprite? Die ersten Schweißtropfen bilden sich auf meiner Stirn. Ich bestelle mir eine Cola. Koffein hilft bestimmt.

Als die Getränke kommen, werden Strohhalme ausgetauscht, Gläser hin und her geschoben und um die Buntstifte gestritten, alles ist wie zu Hause. Wir lesen den beiden kleineren Kindern die Essenskarte vor. Es gibt so viele großartige Kindergerichte, aber das zählt nicht. Ein Kind will nur Pommes, eins will Nudeln ohne alles und das dritte will Reis mit Sojasauce. Leider führt das Restaurant nicht alle diese Beilagen. Wir Eltern beginnen mit den Verhandlungen: „Spätzle sind so eine Art Nudeln, ehrlich!“ und „Pommes sind ja eigentlich nur Kartoffeln in anderer Form“ usw. Die Kinder beäugen uns mit hochgezogenen Augenbrauen.

Andere Restaurantgäste versuchen bereits, ihren Tisch in unserer Nähe weg zu tauschen: Wir sind laut. Wenn jemand hier in diesem Laden „in Ruhe“ essen gehen wollte, dann hat sich das mit dem Besuch unserer Großfamilie wohl erledigt. Es tut mir ehrlich leid. Der Schweiß rinnt mir den Nacken herunter. Der Mann und ich sind in einer Schleife von „Pssst, nicht so laut!“, „Lass das“, „Nein, das nicht“ und „Jetzt gibt es kein Handy“ gefangen. Zwischendurch hebe ich zum hundertsten Mal die Buntstifte vom Boden auf. Schlüpfrige kleine Mistdinger! Die Kleinste versucht, die Tischdecke anzumalen. Ich atme tief ein und aus und suche den Radiergummi in meiner Tasche. Profi!

Die Kellnerin bringt die Teller. Der Mann und ich fangen an, das Essen schnell herunterzuschlingen. Erfahrungsgemäß sind die Kinder in 5 Minuten „satt“ und wollen gehen. Ein Glas Sprite fällt um. Ohne mit der Wimper zu Zucken hebt der Mann K3 aus dem Weg des fließenden Getränkes, während ich sofort in meiner Handtasche nach Servietten und Wechselkleidung fahnde. K1 malt mittlerweile in Ruhe, K2 steht am Fenster und beobachtet die vorbeiziehenden Menschenmassen. Mit je einem Arm ziehen mein Mann und ich gemeinsam K3 um, während wir uns jeweils mit der anderen Hand das restliche Essen auf die Gabel schieben. Wir sind ein eingespieltes Team.

Die anderen Gäste schauen auch gar nicht mehr so böse in unsere Richtung. Am Nebentisch hat ein Kegelverein Platz genommen, die Damen und Herren lachen laut. Wunderbar! Wir sind aus dem Fokus raus. Satt und zufrieden bezahlen wir die Rechnung. Wir hatten schon schlechtere Restaurantbesuche!" [Alu, 38]

Restaurants


Es gibt mittlerweile einige Restaurants und Cafés, die Familien mit Kindern explizit nicht als Gäste haben wollen. Zu schlecht seien die Erfahrungen in der Vergangenheit gewesen. Herumrennende, laute Kinder, die ohne Rücksicht den Kellnern vor die Füße liefen und andere Gäste belästigen und teilnahmslose Eltern, die das geschehen ließen.

Wenn wir mit unseren drei (eigentlich total ruhigen) Kindern in einem Restaurant essen gehen, fühlt es sich immer so an, als würden die Reiter der Apokalypse einreiten. Diese Blicke der anderen Gäste! Doch auch Familien wollen Essen gehen! Wir sind ein Teil der Gesellschaft. Kinder sollten nicht versteckt werden müssen, bis sie den Ansprüchen von Fremden genügen. Auf der anderen Seite sollten Eltern aber im Restaurant auch nicht jedes Verhalten durchgehen lassen, denn natürlich gilt auch hier: „Die Freiheit des einen endet da, wo die Freiheit des anderen beginnt.“ Versuchen wir also, einen guten Mittelweg zu finden.

Datenight mit Kind


Eine „Datenight mit Kind“ ist ein Abend in der Woche, an dem die Eltern nur mit einem ihrer Kinder in einem Restaurant essen gehen. In jeder Woche ist ein anderes Kind an der Reihe. Sie hilft dem Kind einerseits, sich an die Gepflogenheiten im Restaurant zu gewöhnen und gibt ihm andererseits die Chance, Exklusivzeit mit den Eltern zu verbringen.

Allerdings ist so eine wöchentliche Essens-Verabredung natürlich krass privilegiert. Denn es muss nicht nur das Restaurant bezahlt werden, sondern häufig auch noch ein Babysitter für die restlichen Kinder, wenn es keine familiäre Unterstützung gibt. Besteht die Kernfamilie aus mindestens zwei Erwachsenen, kann die Datenight auch so abgewandelt werden, dass ein Elter mit einem Kind essen geht und das andere Elter mit den Kindern zuhause bleibt.

Man kann die Übung sicher auch nach Hause verlagern, indem man einen Tag der Woche dazu bestimmt, „Benimm-dich-nach-Knigge“-Tag zu sein. An diesem könnte man den Essenstisch in der Küche mit Tischdecke und Kerze schmücken und den Restaurantbesuch in den eigenen vier Wänden nachstellen. Mein eigener Opa hat das übrigens anders herum gemacht – er hat, immer wenn Oma weg war und er uns Kinder verköstigen musste, einen „Piraten-Tag“ ausgerufen. Es gab immer Eintopf, den wir mit großen Löffeln auf dem Boden des Zimmers sitzend aus einem Topf aßen. Damals fand ich diesen Bruch mit der Etikette grandios und liebte die Piraten-Tage. Heute vermute ich, dass mein Opa einfach keine Lust auf den ganzen Abwasch hatte und uns deshalb aus dem Topf essen ließ. Clever! 

Kleinkind, Niedlich, Kind, Cafe, Heiße Schokolade

 

Beschäftigungsangebote


Wenn ihr wegen einer Familienfeier doch mit allen Kindern gleichzeitig in ein Restaurant gehen müsst, schaut, ob es dort in der Nähe einen Spielplatz gibt, auf den man zur Not ausweichen kann. In Berlin gibt es z. B. sogar Cafés, die direkt im Außenbereich einen Spielplatz aufgebaut haben, so dass die Eltern in Ruhe ihren Kaffee trinken und die Kinder sich austoben können. Ist das nicht der Fall, solltet ihr Beschäftigungsangebote dabeihaben, wie die Mutter Alu aus unserem Beispiel. Bücher, kleine Autos, Puzzle und Stifte machen Kinder durchschnittlich etwa für 10 Minuten glücklich. 15 Minuten, wenn es Spielzeuge sind, die Sie nur in solchen speziellen Situationen herausgeben. Ein Tablet oder eine Konsole mindestens eine halbe Stunde, allerdings müssen Sie dann damit rechnen, von den anderen Gästen als schlechte Eltern angesehen zu werden. Aber das sind wir ja gewohnt, nicht?

Buffet-Restaurants


Mit Kindern sind Restaurants, in denen Buffets aufgebaut sind, eine gute Idee. So müssen die Kinder nicht großartig auf ihr Essen warten, sie können sich beim Holen bewegen und jeder bekommt genau das, worauf er Lust hat. Wichtig ist, den Kindern beizubringen, sich nicht den Teller mit allem vollzuhauen, sondern immer nur kleine Portionen zu nehmen. Aus Rücksicht und gegen Verschwendung. Kindern fällt es am Anfang noch schwer, einzuschätzen, wie groß ihr Hunger ist, daher ist unsere Unterstützung an dieser Stelle noch nötig.

Besuch mit Kindern bei Kinderlosen


Die Patenonkel von Josua sind kinderlos. Sie leben in einem schicken Haus mit schicken Möbeln, Glastischen, hübschen Vasen, einer steilen ungesicherten Treppe hinunter zum Souterrain und zu Weihnachten haben sie einen Tannenbaum mit echten Kerzen. I kid you not.

Als wir bei ihnen früher zu Besuch waren, bin ich tausend Tode gestorben, denn meine damals noch kleinen Kinder waren überall gleichzeitig. Der eine stürzte sich krabbelnd kopfüber die Steintreppe herunter, die andere wollte von der Lehne des Ledersofas rutschen und die dritte fiel in den kleinen Teich im Garten, weil sie die Goldfische beobachtete. Unsere Freunde lachten entspannt und luden uns immer wieder ein. Ich wusste, sie fanden es nicht schlimm, da ihnen als Lehrer klar war, wie aufgeweckt Kinder sein können.

Und doch hatte ich immer das Gefühl, ich müsse meine Rasselbande viel stärker unter Kontrolle haben.Mittlerweile sitzen meine Kinder, wenn wir dort sind, brav auf der Couch und starren in ihre digitalen Endgeräte. Das ist nicht besser für mein Selbstbild als Mutter („Rabenmutter! Stellt ihre Kinder mit Konsolen still!“), aber besser für die Couch, die Goldfische und Josuas kleinen Kopf. Und wir Erwachsenen haben endlich wieder Zeit, in Ruhe Doppelkopf zu spielen. In ein paar Jahren spielen die Kinder dann mit uns mit.

Erwartungshaltung ansprechen


Sprecht mit euren kinderlosen Freunden über die Erwartungshaltung. Oft wissen diese noch nicht gut, was Kinder in welchem Alter leisten können, im Sinne von Stillsitzen, nicht um Aufmerksamkeit buhlen, abwarten, wenn Erwachsene sich unterhalten etc. Es ist daher gut, Tacheles zu sprechen, und sie aufzuklären. Ich erinnere mich noch gut daran, welche abstrusen Ideen ich als kinderlose Frau bezüglich Kindern und Erziehung hatte. Ich habe sogar einmal ernsthaft einer Mutter eines unterwichtigen Schülers von mir geraten, unter den Kartoffelbrei, den das Kind mochte, einfach gekochte Pastinake zu mischen. Er würde es ganz sicher nicht merken und so äße er ein bisschen Gemüse. Heute rolle ich hart mit den Augen, wenn ich an meine damalige Naivität denke. Und wünsche mir, ich könnte mich bei der Mutter für meinen realitätsfernen Rat entschuldigen.

Jedenfalls – Aufklärung der kinderlosen Freunde ist eine gute Idee. Ebenso, wie das Zimmer oder die Wohnung für die Dauer des Besuches ein bisschen kindgerechter umzuräumen. Wir haben z. B. immer einen riesigen Sessel vor die Steintreppe geschoben, so dass Josua nicht mehr dorthin krabbeln konnte. Die teuren Ming-Vasen haben wir hochgestellt, die Ecken des Glastisches wurden mit Schaumgummibällen gesichert. Außerdem hatten wir Spielzeuge dabei, die speziell für solche Ausflüge bereitgehalten wurden und deshalb die Aufmerksamkeit der Kinder relativ lange fesseln konnte.

© Snowqueen

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