Kinder bindungsorientiert begleiten, ohne sich selbst zu verlieren - Podcast mit Julia Cammann

Viele Eltern wünschen sich, ihre Kinder liebevoll und verständnisvoll zu begleiten, und geraten dabei trotzdem immer wieder an ihre Grenzen. Sie wollen feinfühlig reagieren, Bindung aufbauen und Bedürfnisse ernst nehmen und stehen dann doch erschöpft da, weil sie das Gefühl haben, allem gerecht werden zu müssen. Genau darum geht es in unserer neuen Podcastfolge mit Sozialpädagogin und Autorin Julia Cammann, die das spannende Buch "Ich übersetze dir dein Kind: Kinder bindungsorientiert begleiten, ohne sich selbst zu verlieren"*.


Bindungsorientiert zu erziehen bedeutet nicht, immer geduldig und sanft zu sein oder jedes Gefühl sofort perfekt aufzufangen. Es heißt auch nicht, die eigenen Bedürfnisse zu ignorieren oder ständig verfügbar zu sein. Bindung entsteht durch Beziehung, nicht durch Perfektion. Sie lebt von echten Menschen mit echten Gefühlen. Kinder brauchen Eltern, die sich bemühen, nicht Eltern, die sich aufgeben.

Wenn du dich schon einmal gefragt hast, ob du zu laut warst, zu streng oder zu ungeduldig, dann bist du nicht allein. Die meisten Eltern zweifeln an sich, besonders wenn sie den Anspruch haben, es besser machen zu wollen. Doch Fehler zerstören keine Beziehung, solange die Verbindung bestehen bleibt. Entscheidend ist nicht, wie oft wir stolpern, sondern dass wir immer wieder in Kontakt gehen, wenn etwas schiefläuft.

Kinder brauchen Erwachsene, die Verantwortung übernehmen, die führen und Orientierung geben, auch wenn es unbequem wird. Sie lernen an unseren Reaktionen, nicht an unseren Vorträgen. Wenn wir in schwierigen Momenten ruhig bleiben, zeigen wir ihnen, wie Selbstregulation funktioniert. Und wenn wir es nicht schaffen, lernen sie, dass man sich entschuldigen kann und dass Liebe trotzdem bleibt.

Frust, Wut und Enttäuschung gehören zum Leben dazu. Wer seinen Kindern jede kleine Unzufriedenheit ersparen will, nimmt ihnen die Chance, an Herausforderungen zu wachsen. Es ist kein Liebesentzug, wenn wir Grenzen setzen, und kein Beziehungsbruch, wenn wir mal Nein sagen. Kinder brauchen diese Klarheit, um sich sicher zu fühlen. Grenzen sind kein Gegensatz zu Liebe, sondern ein Ausdruck davon.

Bindungsorientiert zu handeln bedeutet, sowohl das Kind als auch sich selbst im Blick zu haben. Wenn Eltern ihre eigenen Bedürfnisse dauerhaft übergehen, kippt das System. Niemand kann auf Dauer geduldig bleiben, wenn Schlaf, Erholung und Selbstfürsorge fehlen. Wer sich selbst zugesteht, müde oder überfordert zu sein, schafft die Grundlage für ehrliche Beziehung. Denn Kinder spüren, wenn wir innerlich leer sind, auch wenn wir freundlich lächeln.

Wir dürfen also aufhören, nach dem perfekten Erziehungsstil zu suchen. Es gibt ihn nicht. Was zählt, ist, die Beziehung im Blick zu behalten und den Alltag so zu gestalten, dass alle darin vorkommen dürfen. Manchmal bedeutet das, einen Moment Abstand zu nehmen, tief durchzuatmen oder einfach zu sagen: Ich weiß gerade nicht weiter. Und genau das ist vollkommen in Ordnung.

In dieser Podcastfolge sprechen wir darüber, wie Eltern gelassen bleiben können, wenn ihr Kind Wut hat oder nicht kooperiert, warum man Nähe nicht durch Dauerpräsenz beweist und wie Selbstfürsorge zur wichtigsten Grundlage für eine stabile Eltern-Kind-Beziehung wird. Es geht um Verstehen statt Übersetzen, um Beziehung statt Kontrolle und um die Freiheit, nicht perfekt sein zu müssen.

Denn am Ende zählt nicht, wie geduldig, sanft oder konsequent du heute warst. Entscheidend ist, dass dein Kind spürt: Du bist da, echt, verlässlich und bereit, es immer wieder zu versuchen. Genau das ist Bindung. Und das reicht.

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