Sind Computerspiele, Konsolen und Apps für Kinder schädlich? Teil 3

 Welche Auswirkungen können Computerspiele auf unsere sozialen Beziehungen haben? 


In den letzten beiden Teilen dieser Serie ging es darum, warum unsere Kinder so gerne Spiele und Apps spielen und welche Auswirkungen das Spielen auf das Gehirn haben kann. Heute soll es darum gehen, welche Auswirkungen die Nutzung der Neuen Medien auf unsere Beziehungen haben kann.

Spiele können Zeit für persönlichen Kontakt nehmen


Dass Steve Jobs ein notorischer "Low-Tech-Dad" war, ist mittlerweile allseits bekannt. Seine Kinder durften nur am Wochenende kurz mal auf ihre Ipads gucken, nicht aber während der Schulwoche. Auch andere Eltern in hochrangigen Positionen bei Twitter,  Facebook etc. haben den selben Ansatz: ihre Kinder so lange es geht und so weit wie möglich von den Neuen Medien fern zu halten. Sie sollen lieber Bücher lesen, in der Natur spielen oder sich miteinander unterhalten. Als ich bei Glucke und So las, dass auch Verena Pausder, Mitbegründerin des App-Herstellers Fox and Sheep, ihren Söhnen nur am Wochenende jeweils 30-45 min Ipad-Zeit zugesteht, wenn sie mit der Bahn oder dem Auto zu einem Ausflug ins Grüne fahren, wurde ich hellhörig. Weiß sie zufällig mehr als wir? Sind Apps und Co. so schädlich, dass die, die damit beruflich zu tun haben, sie ihren eigenen Kindern nicht geben wollen? Ich schrieb sie an und fragte nach.
Snowqueen: "Warum hast du diese doch ziemlich starke Einschränkung in der Nutzung eingeführt?"
Verena Pausder: "Weil sie zu unserem Rhythmus als Familie passt. Ich arbeite Vollzeit und komme abends um 18 Uhr nach Hause. Meine Kinder gehen um 20 Uhr ins Bett. Während dieser Zeit kochen und essen wir zusammen, sie baden, wir spielen noch etwas zusammen, lesen ein Buch und dann ist Bettzeit. Eine App oder der Fernseher passen da zeitlich nicht. Denn beim Buch einigen wir uns immer abwechselnd auf ein Buch, welches wir dann zusammen lesen, bei einer App würde jedes Kind spielen wollen, sodass sie an unterschiedlichen Geräten säßen und wir keine gemeinsame Zeit hätten. Am Wochenende oder auf Reisen finde ich Apps hingegen toll, da sie den Kindern großen Spaß machen und man viele Sachen mit ihnen machen kann, die mit Buch oder Brettspiel nicht gehen".
Kinder spielen mit einer SpielekonsoleDas ist natürlich ein Argument, dem man nur zustimmen kann. Die wenigsten Computer- oder Konsolenspiele sind dazu angelegt, sie gemeinsam zu spielen. Es gibt natürlich oft einen Mehrpersonenmodus, aber dort spielen die einzelnen Menschen meist doch so "miteinander", dass sie währenddessen auf den Bildschirm schauen und sich wenig unterhalten. Es ist also eher ein nebeneinander her spielen. Es gibt Ausnahmen, wie z.B. beim WiiParty Spiel der Wii-Konsole von Nintendo, bei dem die gesamte Familie auch zusammen spielen kann. Doch betrachtet man eine willkürliche Auswahl von Apps, Computer- oder auch Online-Spielen, stellt man schnell fest, dass die allermeisten davon einzeln gespielt werden. 

Damit greifen sie unsere Kinder leider genau an der Stelle an, an der es heutzutage sowieso schon ein Defizit gibt. Denn die wenigsten von ihnen dürfen heute noch - wie noch die Kinder einer Generation vor ihnen - in heterogenen Kindergruppen wirklich frei durch die Gegend stromern und ihren ganz individuellen Entwicklungsaufgaben nachgehen. Unsere Gesellschaft hat sich einfach in eine Richtung entwickelt, in der wir immer isolierter aufwachsen. Immer seltener treffen Kinder draußen auf andere Kinder zum spontanen Spielen, aber sehr wohl ist online immer jemand verfügbar, der mit ihnen spielt. (Das ist ja auch der Punkt, der uns Eltern so oft an unsere Smartphones treibt - es ist einfach schön, jederzeit mit dem Online-Clan quatschen zu können.) Fakt ist, dass wir diese Entwicklung kaum in der Hand haben. Was wir jedoch steuern können ist, ob wir unsere Kinder zusätzlich noch einer Spiel-Welt aussetzen sollten, die die realen sozialen Beziehungen einschränken, zumal wir mittlerweile durch die Erkenntnisse der Hirnforschung wissen, dass diese ein wichtiger Faktor zur Befriedigung der echten Grundbedürfnisse des Menschen sind.
"Bei den wichtigsten Entwicklungsaufgaben der frühen und mittleren Kindheit sind die Neuen Medien im Grunde Totalausfälle. In vielen Fällen saugen sie eben doch Beziehungen weg. Da nutzt auch das Argument nicht, die elektronischen Spiele würden in Wirklichkeit doch nur die alten, analogen Spiele ersetzen - ob ein Kind nun Halma oder Mühle auf einem Brett spiele oder auf einem iPhone, das sei doch egal. Das stimmt nicht. Die meisten Applikationen, gerade für die Kleinen, bieten eben kein gemeinsames Spiel. Vielmehr hat es der Spieler mit vorprogrammierten Reaktionen auf einem Bildschirm zu tun. Der intersubjektive Aspekt entfällt - und was das bedeutet, zeigt sich, wenn man Kindern einfach mal zuschaut, was sie bei so einem analogen Halma- oder Mühle-Spiel so alles erfahren und veranstalten. Da wird gequatscht, gelacht, gestritten, da fließt eine unbändige Energie hin und her, von Auge zu Auge, Gesicht zu Gesicht. Wenn die Kinder über ihre Handys zusammen spielen, ist dieser direkte Draht ausgedünnt" [Renz-Polster, H., Hüther, G.: 2013, 146].
Wenn wir uns allerdings sicher sind, dass unsere Kinder genügend "direkten Draht" zu uns und ihren Peers haben, braucht es uns keine Sorgen zu machen, wenn sie sich an den Neuen Medien ausprobieren. Das elektronische Spiel und der persönliche Kontakt sollte nur eben ausgeglichen sein. Es ist auch nicht dramatisch, wenn ein Kind solche Neugier und Lernlust auf ein Spiel hat, dass es sich mehrere Tage hintereinander zurückzieht, um daran zu spielen. Das ist normal! Und doch sollte, nach einer Weile, der direkte Kontakt zu den Liebsten wieder hergestellt werden. Ich konnte diesen Neugier-und-Lernlust-Effekt an meinen eigenen Kindern beobachten - ich erzähle euch im nächsten Abschnitt davon.

Spiele und Apps können passiv machen


Ich deutete im ersten Teil der Artikelserie schon an, dass der von der Natur vorgesehene ultimative Zweck des kindlichen Spiels eine Erweiterung der Lebenskompetenzen ist. Während das Kind also einen Baum erklettert oder das Wasser des Baches in einen selbst gegrabenen Kanal umleitet, versinkt es im Flow, es werden Glückshormone im Gehirn ausgeschüttet und es empfindet Freude am Tun. Selbst, wenn das Spiel körperlich schwer und anstrengend ist, macht ihm das Ganze "Spaß". Gleichzeitig, ohne, dass es sich dessen bewusst ist, trainiert es seine Muskeln und es lernt etwas über die Grenzen seines eigenen Körpers und natürlich auch über die Beschaffenheit des Flusses und der Erde.

Computerspielen sind immer vorgegebene (von anderen, meist Erwachsenen, programmierte) Spiele. Bei ihnen steht vor allem der "Spaß" im Vordergrund, nicht die Erweiterung von Lebenskompetenzen. Der erlebte Spaß, der in früheren Generationen Ansporn dafür war, raus zu gehen, tiefe Löcher zu buddeln, mit den Freunden Fußball zu spielen oder mit einer Glasscheibe Herbstblätter anzukokeln, wandelt sich bei Computerspielen in ein relativ passives Unterhalten- werden-wollen. Der natürliche Selbstzweck des Spiels geht damit verloren - es geht eigentlich nur noch um das "Spaß haben". Und das ist ja auch der Punkt, der der heutigen Generation von Kindern und Jugendlichen vorgeworfen wird: Eine Spaßgesellschaft zu wollen, in der sie sich nicht mehr durch schwierige oder anstrengende Anforderungen durchbeißen müssen. Das ist natürlich erstens viel zu pauschal betrachtet und zweitens auch echt unfair, denn diese passive, auf schnelle Bedürfnisbefriedigung und Spaß ausgelegte Haltung wurde ihnen ja quasi durch die gesellschaftlichen Lebensumstände anerzogen!

Kein Baby kommt auf die Welt und will "Spaß" haben. Sie kommen auf die Welt und wollen emotionale Verbindung mit anderen und sie wollen die Gelegenheit, sich weiterzuentwickeln, zu lernen. Aber natürlich sind Kinder anpassungsfähig. Wird ihnen immer wieder, wenn ihnen langweilig ist, oder sie die Erwachsenen mit ihren Wünschen nerven, ein Smartphone in die Hand gedrückt, wird dem vernünftigen Teil ihres Gehirns, dem präfrontalen Cortex, unmissverständlich signalisiert: Deine Arbeit wird nicht gebraucht.

Der präfrontale Cortex ist aber derjenige, der uns befähigt, mal den "Arsch hochzukriegen", uns durchzubeißen, uns, wenn es langweilig ist, aufzuraffen, etwas dagegen zu tun. Es ist also ein bisschen ungünstig, ihn durch unser Erwachsenen-Verhalten immer wieder davon abzuhalten, das Kind dazu "anzutreiben", sich aktiv eine Aufgabe zu suchen und sich so selbst aus der Langeweile zu befreien.


Ich habe in diesem Sommer mal einen Selbsttest mit meinen Kindern gemacht. Der ist natürlich in keiner Weise statistisch relevant oder valide, sondern nur ein praktisches Beispiel. Meine Kinder durften im Urlaub drei Wochen lang so oft sie wollten Apps auf ihrem iPod spielen oder auch Kinder-Serien mit der ZDF Tivi App gucken. Normalerweise schauen wir am Wochenende einen Kinderfilm auf DVD und bei langen Zugfahrten oder beim Haareschneiden können sie mit Apps spielen. Sie kennen sie also, nutzen sie aber nicht oft. Dafür sind wir normalerweise nach der Kita und Schule noch lange draußen. Oft auf dem Spielplatz, manchmal im Garten, manchmal in unserem (sehr trüben) Berliner Hinterhof. In den Ferien nun änderten wir also diese Regelung.

Das Erste, was mir auffiel war, wie wunderbar einfach das für Eltern ist. Meine Kinder verschwanden mit ihren iPods auf ihren Betten und daddelten oder guckten ihre Filmchen und lachten oft laut. Ich hatte plötzlich unendlich viel Zeit für den Haushalt oder auch für mein eigenes Smartphone. War das schön!

Eine meiner Töchter, die sich auch Süßigkeiten gut einteilen kann, nutzte ihren iPod zwar oft, aber legte ihn auch weg, um zwischendurch mit ihren Püppchen zu spielen. Meine andere Tochter, die ungerne in Rollenspielen versinkt und mit Püppchen nichts anfangen kann, sondern eher im Matsch wühlt, aus Blättern und Ästen Kunstwerke verknotet und Schnecken ein "Schneckenparadies" baut, blieb meist in der Wohnung und spielte demnach kaum noch etwas anderes.

Ich verzeichnete mehr Streit zwischen meinen drei Kindern und auch mehr Stress mit uns Eltern. Es war irgendwie "schlechte Luft". Der Ärger war stärker, als normal, die Schwestern konnten sich in der Zeit schlecht auf irgendetwas einigen oder auch zurückstecken. Nach einer Woche wurde viel geweint und viel explodiert. Nur, wenn der iPod zur Hand war und jede in einem anderen Zimmer lag, war es weiterhin angenehm ruhig.

Nach drei Wochen (am Ende der Kitaferien) erklärte ich das Experiment für beendet. Der Fernsehzugang und die Spiele auf den iPods wurden gelöscht, nachdem wir als Familie über die Auswirkungen gesprochen hatten. Meine Töchter hatten, wie sie sagten, schon selbst gemerkt, dass das Spielen und das Gucken an den iPods zwar schön war, sie jedoch gleichzeitig gereizter und empfindlicher waren und sie in Situationen wütend wurden, die sie normalerweise als nicht so schlimm empfunden hätten. So fanden sie das Ende der App-Zeit zwar schade, aber auch erleichternd. Nur mein kleiner zweijähriger Sohn, der auch hatte spielen dürfen, trauerte seinen Apps eine Weile nach, ließ sich aber gern durch Bücher und gemeinsame Spielangebote davon ablenken.

Die Nachwirkungen der Apps blieben uns noch ein wenig erhalten. Es fiel ihnen immens schwer, wieder selbst ins Spiel zu kommen. Sie baten mich überproportional oft, ihnen etwas vorzulesen oder mit ihnen ein Gesellschaftsspiel zu spielen. Ihnen war oft langweilig und sie nahmen dann jedes Mal den iPod in die Hand, um wenigstens ein Hörspiel vorgespielt zu bekommen.  Sie wollten weiterhin lieber nach hause (bei strahlendem Sonnenschein!), als auf den Spielplatz. Sie stritten sich stark und gönnten sich nichts.

An einem Sonntag nach zwei Wochen App-Abstinenz war der Spuk plötzlich vorbei - wir waren den ganzen Tag draußen gewesen und mussten kurz vorm Wahllokal halt machen, damit wir Eltern wählen gehen konnten. Dort hockten sich die Kinder auf den Weg und fingen an, die kleinen staubigen Kiesel zusammenzusuchen, in die Luft zu werfen und zu beobachten, wie der Staub vom Wind getragen wurde, während die Kiesel gerade nach unten fielen. Einträchtig und versunken hockten sie alle drei nebeneinander, Hosen und Hände dreckig, und halfen sich gegenseitig, noch mehr Staub zusammenzuklauben. Im Prinzip gab es dort nichts zum Spielen und doch blieben wir weit über eine Stunde dort, bis uns Erwachsenen kalt und der Himmel dunkel wurde. Die Kinder hätten gern noch weiter gespielt.

Seit dem sind sie wieder die Alten. Die eine spielt mit Püppchen, die andere läuft durchs Gebüsch und klettert Bäume hoch, der dritte buddelt und rutscht. Allerdings fragt der Zweijährige durchaus öfter nach, ob er mal wieder die "Kakete" angucken dürfe. (Er hatte in der Zeit gern den Start einer Rakete auf seinem iPod angeguckt.) Meine Kinder spielen wieder mehr miteinander und schaffen es, ihre eigenen Wünsche zurückzustecken, um dem Geschwisterkind den Vorrang zu lassen, etwas, was in der App-Zeit wirklich die allergrößten Probleme bereitete. Ich habe nicht mehr so viel Freizeit, wie in der App-Zeit, aber ich bin auch nicht mehr der Alleinunterhalter, wie in der Nach-App-Zeit. Ich kann mich wieder einem einzelnen Kind zuwenden, während die anderen ihr eigenes Ding machen und ab und zu habe ich Zeit für Erwachsendinge, so, wie vor dem Experiment. Wir sind als Familie wieder mehr zusammen und liegen nicht mehr jeder auf seinem Bett und starren aufs Display.

Ich fand die Zeit, in der wir alle mit unseren Apps beschäftigt waren, nicht per se schlimm. Einiges davon (die viele freie Zeit für mich) war sogar sehr angenehm. Aber die - ich sag mal - "Nebenwirkungen", nervten irgendwann so sehr, dass ich den Zugang lieber wieder begrenze. Es erscheint mir persönlich für unsere Familie angenehmer.

Als Fazit nehme ich aus unserem Kurzexperiment mit, dass es wohl Kinder gibt, die an sich eine gute Selbststeuerung haben und die mit einen unbegrenzten Zugang zu Computer, Internet und Spielen durchaus verantwortungsvoll selbstregulierend umgehen können - diese Erkenntnis ist ja auch schon durch den Marshmallow-Test von Walter Mischel zwischen 1968 bis 1974 bewiesen worden. Anderen Kindern gelingt die Selbstkontrolle noch nicht ganz so gut. Ich finde, es ist Bestandteil einer bedürfnis- und beziehungsorientierten Erziehung, dass die Eltern diesen Kindern dann unterstützend zur Seite stehen und sie nicht mit dem verlockenden Übernutzungspotential der Medien allein lassen. (Mir ist klar, dass es sein kann, dass die Selbstregulation auch bei meiner zweiten Tochter nach einer Weile eingesetzt hätte und das unser Experiment dafür zu kurz und nicht aussagekräftig ist. Und doch bleibe ich nach Abwägung aller neurobiologischen Fakten bei meiner Entscheidung. Wie ihr euch für eure Familie entscheidet, ist natürlich euch selbst überlassen, ja?)

Das klingt alles sehr negativ. Sollten wir Computerspiele, Konsolen und Apps also verbieten?


Nein. Sowohl Computerspiele, als auch Konsolen und Apps sind weder pauschal "gut" noch pauschal "böse". Wie ich hoffentlich im Artikel herausstellen konnte, muss die Frage, ob die Neuen Medien schädlich sein können, höchst individuell beantwortet werden. Man muss schauen, wie weit die Selbstkontrolle schon entwickelt ist, in welcher Umgebung das Kind aufwächst und wie es mit den sozialen Beziehungen und den anderen Grundbedürfnissen des Kindes aussieht. Kommen viele ungünstige Faktoren zusammen, können Computerspiele schaden anrichten, ja. Aber das bedeutet nicht, dass wir aus Angst vor ihrem Einfluss unsere Kinder davon fern halten sollten. Diese Rechnung wäre zu einfach.
"Denn obwohl nicht wenige Wissenschaftler sich damit befassen, ob und in welcher Weise sich Kinder durch den Konsum der Neuen Medien ändern - Tatsache ist 25 Jahre nach Beginn der Digitalisierungswelle: Wir wissen es nicht. Das liegt in dem Thema selbst begründet. Man kann nun einmal keine sauberen Experimente machen, in denen man Kinder unterschiedlichen Gewohnheiten zuordnet und nach vielen Jahren dann das Resultat vergleichen: Kinder, die montags geboren werden, landen in der Hoch-Konsum-Gruppe, die dienstags Geborenen betreiben wenig Konsum und so weiter... In Wirklichkeit landen die Kinder eben nicht per Zufall in der einen oder anderen Gruppe, sondern wegen und mitsamt ihrer ganzen Lebensumstände, wegen und mitsamt ihrer ganzen Persönlichkeit, wegen und mitsamt ihrer ganzen Probleme. Das ist der Grund, weshalb sich die Studien zu den Auswirkungen des Medienkonsums auf Persönlichkeit, Werte und Lebensgestaltung so häufig widersprechen und jeder je nach Standpunkt 'seine' Studie zitieren kann" [Renz-Polster, H., Hüther, G.: 2013, 122].
Computerspiele und Smartphones gehören zu unserem digitalen Leben und es ist albern, sie zu verdammen. Sie machen einfach wirklich Spaß und lassen Kinder mit Eifer Neues lernen. In einigen Fällen machen sie unsere Kinder sogar schlauer.


Es ist aber notwendig, einige Dinge im Hinterkopf zu behalten - allen voran eben das wirklich wichtige Zeitfenster im Alter von 2 bis 10 zum Aufbau der neuronalen Bahnen im präfrontalen Cortex. Wir wissen durch Hirn-und Spielforschung, dass die Quellen, aus denen sich die menschliche Entwicklung speist, nicht in der digitalen Welt zu finden sind. [vgl. Renz-Polster, H., Hüther, G.: 2013, 162] Wir brauchen einen Teil urzeitlicher Umweltbedingungen, um emotional und körperlich gesund und glücklich heranzuwachsen. Diese notwendigen urzeitlichen Umstände zum Aufwachsen sind durch nichts ersetzbar!

Die Einsicht und Selbstkontrolle, dass einige Dinge dosiert konsumiert werden sollten, um nicht schädlich zu sein, ist nicht bei allen von uns automatisch gegeben. Das bedeutet nicht, dass wir deshalb durch Plakate oder andere Maßnahmen (z. B. Schockbilder auf Zigaretten) gegängelt werden sollten. Erwiesenermaßen bringen solche Regelungen nichts. Es bedeutet, dass wir unsere Liebsten aufmerksam begleiten sollten, um ihnen im Fall der Fälle genau das anzubieten, was fehlt, um anhaltende negative Folgen zu vermeiden.

Wichtig ist auch, sich die Spiele, mit denen sich unsere Kinder beschäftigen, ganz genau anzusehen. Es ist z.B. für ein noch junges Gehirn schwierig, wenn Spiele "kein Ende" haben, d.h. eine Mission nicht beendet werden kann. Auch Spiele, die online immer weiter gehen, auch nachts, haben ein hohes Verführungspotential, um bei unbefriedigten Grundbedürfnissen schlechte Angewohnheiten und süchtiges oder semi-süchtiges Verhalten zu forcieren.

Die Spiele sollten auch nicht zu blutig oder gewaltverherrlichend sein, um die durch die Spiegelneuronen gesteuerte Hemmschwelle gegenüber realer Gewalt nicht zu senken. Kinder - und Erwachsene - können durchaus verrohen. Schon allein der Fakt, dass wir an Obdachlosen vorbeigehen, ohne sie eines Blickes zu würdigen zeigt, wie sehr unsere Spiegelneuronen unsere Auffassung von Normalität angepasst haben. Eigentlich wäre es menschliche Natur, Schwächeren und Hilflosen zu helfen. Kinder, die noch nicht oft Obdachlose gesehen haben, haben noch den Wunsch, ihnen zu helfen. Spiele können dazu beitragen, dass wir in gewisser Hinsicht verrohen. Insofern ist es nötig, sie sorgfältig auszuwählen und den Fokus unseres Vorlebens stark auf empathisches Verhalten zu legen.

Nicht alle Spiele sind es also wert, gespielt zu werden. Doch die, die gut gemacht sind, können unser Leben auf angenehme Art und Weise bereichern. Wie leckere Bonbons darf man sie genießen und sich daran erfreuen. Nun gibt es eine schier unübersichtliche Anzahl von Apps, selbst speziell solche für Kinder. Ich habe mir die Mühe gemacht, die Angebote als Sonderpädagogin und Mutter zu sichten, um meinen Kindern keinen "Schrott" auf den iPod zu laden. Wenn ihr mögt, könnt ihr im letzten Teil der Serie lesen, welche Apps ich für welches Alter empfehle, und warum.

Nur um das schon im Vorhinein ganz klar zu stellen: Dieser vierte Teil der Serie wird durch die Vorstellung der Apps werbenden Charakter haben - ich liste allerdings wirklich nur die Apps auf, die ich für pädagogisch wertvoll und/oder für unbedenklich halte und die meine Kinder wirklich gern spielen. 

In unserem Podcast findest Du übrigens auch eine Serie zum Thema digitale Medien:

Teil 1: Die Ängste der Eltern

Teil 2: Aggressionen und Impulskontrolle

Teil 3: Ballerspiele und Amokläufe

Teil 4: Medienexpertin Patricia Cammarata

© Snowqueen


Literatur


Bauer, J., Selbststeuerung: Die Wiederentdeckung des freien Willens, Karl Blessing Verlag, 2015

Bauer, J., Warum ich fühle, was du fühlst: Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone, Heyne Verlag, 2006

Liedloff, J., Auf der Suche nach dem verlorenen Glück: gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit, C.H. Beck, 2013

Renz-Polster, H., Hüther, G.: Wie Kinder heute wachsen: Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken, Beltz Verlag, 2016

Rogge, J.-U., Kinder können fernsehen: Vom Umgang mit der Flimmerkiste, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1999 

Das Thema Mediennutzung in anderen Blogs 


Ich als Medienvorbild? Au weia. und Ich bin ein Mail-Junkie von Mama on the rocks

“Smartphone vs. Familienzeit” und Wenn die Sicht auf die Kinder versperrt ist von Mamis Blog

Mein digitaler Alltag oder Internet mit Kind von Das frühe Vogerl 

Mein digitaler Alltag und die Kinder von Frühlingskindermama

Mydigitalday von Glucke und so

13 Kommentare:

  1. Nochmals ein großes Dankeschön, jetzt auch für Teil 3 der Serie. Ich bin begeistert, wie du das Thema von allen Seiten und sehr differenziert beleuchtest und das ohne erhobenem Zeigefinger. Den Selbstversuch mit deinen Kindern finde ich - auch wenn er nicht repräsentativ ist - sehr erhellend. Vor allen Dingen auch zu erfahren, dass es seine Zeit dauert, bis die Kinder nach so einer intensiven digitalen Phase ihr Neugierverhalten, ihre Geduld und ihre Fähigkeit, zusammen zu spielen, wieder finden. Vielen Dank und herzliche Grüße, Uta

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  2. Liebe Snowqueen,
    vielen, vielen Dank für diesen und die anderen Artikel dieser Serie. Es ist ein Thema, dass mich auch gerade sehr beschäftigt. Unser Sohn wird in 3 Wochen 2 Jahre alt. Wir bzw. mein Mann hat angefangen, ihn mit den digitalen Medien zu konfrontieren vor ca 6 Monaten, weil er sich überhaupt nicht mehr wickeln ließ, sprich sich immer gedreht hat, nicht mehr liegen bleiben wollte usw. Dan hat mein Mann die "Elefanten-App" auf unser Tabet geladen, mit dem man u.a. kleine Filme von Bobo Siebenschläfer und dem Elefanten und dem Hasen anschauen kann. Unser Sohn war von Anfang an begeistert davon und ließ sich von nun an ohne Probleme wickeln. Irgendwann kam mein Mann dann noch auf die Idee, ihm kleine Filme auf youtube zu zeigen, ("Car City Truck cartoons for kids"), da sind Autos, Bagger usw., die sprechen können und sich gegenseitig helfen, repariert werden usw., ich weiß nicht, ob Du das kennst. Das Problem an youtube ist, dass unser Sohn einfach irgendwo drauftippt und dadurch immer neue Videos anmacht, wenn ich nicht die ganze Zeit daneben sitze. Alles Kinderfilme, aber einiges finde ich trotzdem nicht so geeignet. Es ist mittlerweile so, dass er das Tablet immer zum Wickeln hat, ohne geht kaum mehr, und danach schaut er immer noch weiter,manchmal bis zu 30 Minuten. Morgens ist das z.b. super für mich, ich kann mich in der Zeit im Bad fertig machen, Frühstück machen usw. Aber ich habe ein schlechtes Gewissen und auch Angst, dass es schädlich ist. Ich weiß halt nicht genau, welche Sachen schon für ihn geeignet sind, was ihn überfordert und wie lange ich ihn gucken lassen soll. Er hört selten von selbst auf zu gucken, wenn ich z.b. sage, wir gehen jetzt raus, sagt er erstmal "Nein", kommt dann aber trotzdem gerne mit. Durch die youtube Filme ist z.b. Bobo Siebenschläfer nicht mehr interessant für ihn, wenn ich das anmache, sagt er "Nein" und "Zug" und will unbedingt einen youtube Film gucken.Bobo Siebenschläfer haben wir ja auch als Buch und das mag er gerne. Kannst Du mir einen Rat geben, wie wir weiter machen sollen? Vielen Dank und liebe Grüße
    Judi

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    1. Liebe Judi,

      mein Sohn ist zweieinhalb und liebt gerade Raketen und Hubschrauber. In der Ferienzeit schaute er davon viele Youtube-Videos und wie du es beschriebst, klickte er nach Ende dann einfach weiter auf das nächste. Ich habe deshalb ein paar Youtube-Filme mit seinem iPod abgefilmt (also auf meinem Handy laufen lassen und das mit seinem iPod gefilmt), so dass er diese Filme jetzt bei seinen Fotos und Videos findet und gucken kann, aber nicht weiterklicken. So habe ich die Auswahl der Filme besser unter Kontrolle. Vielleicht wollt ihr das auch so machen?

      Ich finde es okay, ihn abzulenken beim Wickeln, aber ich glaube, ich für mich und meinen Sohn würde die morgendliche halbe Stunde Filme-gucken wieder abschaffen. Aber das musst du selbst entscheiden - wichtig ist, dass es euch allen als Familie gut geht mit der Situation.

      LG, snowqueen

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  3. Liebe Snowqueen,
    vielen Dank für diese wie immer toll recherchierte Serie! Der einzige Aspekt der meiner Meinung nach fehlt ist der Zusammenhang zwischen Smartphones/Konsolen und der rapiden Zunahme von Kurzsichtigkeit bei Kindern und Jugendlichen. Ansonsten, prima!
    Liebe Grüße

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  4. Hallo,

    ich bin ein großer Fan all Eurer Texte und muss leider sagen, dass dieser hier bei mir ein schales Gefühl hinterlässt.
    Ich lese die guten Intentionen und die disclaimer, die sagen mir solle keine Angst gemacht werden. Als eine den neuen (und alten) Medien gegenüber positiv eingestellte Mutter passiert aber genau das. Es ist auch psychologisch erwiesen, dass ein Disclaimer nur dazu führt, dass eben genau das, was (angeblich) nicht gesagt werden soll, stärker wahrgenommen wird.
    Das Fehlen von Literatur und aussagekräftiger Forschung ist ein Problem auf diesem Gebiet. Dass diejenigen die forschen, dieses neue Medium nicht voll verstehen, ist ebenso ein Problem. Mit Schrecken habe ich gelesen, dass Du tatsächlich den Bogen zu Amokläufern geschlagen hast. Diese Aussage, in diesem Zusammenhang, bleibt doch bei jeder Mutter hängen. - und ich finde, sie hat hier nichts zu suchen. Kein Elternteil, welches sich mit Attachment Parenting beschäftigt ist akut gefährdet sein Kind zu vernachlässigen.
    Der ganze Artikel liest sich für mich leider wie ein weiterer Artikel von jemandem, der selbst nichts mit der neuen vernetzten Medienwelt anfangen kann und mit den unausreichenden Forschungen (weswegen wir ja alle nach Vorbildern, Weisung und Richtung suchen) eine Antwort versucht.
    Konkret habe ich auch Probleme mit der Aussage, dass virtueller, sozialer Kontakt nur Ersatzkontakt ist. Was ist zB mit all den Firmen die - erfolgreich - ihr Büro in den virtuellen Raum verlegt haben? Mein Mann arbeitet bei einer solchen Firma - und richtig gemacht - bietet es mehr als nur Ersatzbefriedigung. Die Aussage ist meines Erachtens nicht mehr zeitgemäß und viel zu pauschal.
    Ich finde es auch fragwürdig zu erklären, unser Gehirn würde einen Unterschied von virtuellem menschlichen Kontakt zu real life Kontakt machen, aber keinen Unterschied, wenn es um Gewaltspiele geht. Mir ist auch nicht klar, warum Gewaltspiele, die nicht umsonst ab 16 oder 18 sind, überhaupt in diesem Artikel sind.
    Wirklich interessiert hätte mich, wie ich mein Kind gut darauf vorbereiten kann, sich kompetent zu verhalten in dem Alter, in dem es selbst entscheiden wird, was und wieviel es konsumiert. Ich glaube nicht, dass Einschränkung und Verbot hierzu führen können. Diverse Unerzogen Blogs haben sich mit freier Medienerziehung beschäftigt und (die ja sonst auch hier) hoch gepriesene Kompetenz an das Kind zurückgegeben - nicht nur für 3 Wochen. Ihre Berichte und Ergebnisse sind vielversprechend und machen Hoffnung. Ich hatte mir auch hier eine Auseinandersetzung mit der Idee, Medien die Macht zu nehmen erhofft.
    Der Artikel beginnt so hoffnungsvoll mit dem Hinweis auf die Möglichkeiten der neuen Welt. - leider wird keine davon vorgestellt. Was ist mit den 14 jährigen, die eigene Apps im App Store haben und in einer unglaublich vielfältigen Community aktiv sind - auch im real life. Kein Wort über Apps, die ihr Spielzeug mit augmented reality erweitern. Die beliebtesten Spiele im Moment sind Minecraft und Pokémon Go. Eines hat keine schnelle Belohnung parat und bietet unglaubliche kreative Möglichkeiten, das andere erfordert körperliche Bewegung. Statt dieser Welten wird hier aber nur über Ballerspiele geredet.
    Wir möchten unserer Tochter nicht im Weg stehen, wenn sie diese Welt der unbegrenzten Möglichkeiten erforscht. Wir möchten ihr nicht im Weg stehen, falls sie die neue Top- Programmiererin in sich haben sollte oder eine Mathematikerin oder Forscherin. Alles was der Ottonormalverbraucher unter dem Wort Nerd zusammenfasst, benötigt eine lange Auseinandersetzung mit der virtuellen Welt. Selbstverständlich wollen wir ihr auch die Stärke mitgeben dieser Welt zu widerstehen, wenn es nicht die ihre ist und die Werkzeuge, um für ihr eigenes Glück sorgen zu können. Aber ich möchte, dass mein Kind die neuen Medien genauso kompetent meistert, wie Waldspaziergänge, Dämme bauen, Holz schnitzen, Fahrrad fahren und Schneckenhäuser bauen.
    Wie werden weiter der Idee folgen, die Inhalte und nicht die Menge zu bestimmen. Bisher funktioniert das super.

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    1. Liebe Anonym,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Du sagst, du möchtest deiner Tochter die Stärke mitgeben, der virtuellen Welt zu widerstehen. Diese habe ich im Text ausführlich beschrieben - es ist vor allem der Präfrontale Cortex (aber auch befriedigte Grundbedürfnisse etc.), der dafür benötigt wird. Dieser wird in der frühen Kindheit trainiert. Dieses Training lässt sich kaum nachholen, da es dafür ein biologisches Zeitfenster gibt.

      Ich gebe dir recht, wenn du sagst, dass es eine lange Auseinandersetzung mit der virtuellen Welt braucht, um Experte dafür zu werden. Es braucht auch Freude, und "unter die Haut gehen", um Experte zu werden. Es braucht aber nicht unbedingt Jugend. Mein Vater hat zu seinem 50. Geburtstag eine Nintendo Konsole geschenkt bekommen. Seine ersten Spielversuche waren unbeholfen, doch sehr schnell erfasste der den Sinn und ist nun einer der führenden Zelda-Spieler des Landes. Auch bei anderen Spielen kann er sich locker mit den jungen Spielern messen. Meine Mutter hat zu ihrem 60. Geburtstag einen Nindendo DS bekommen - das war ihr Einstieg in die virtuelle Welt. Sie bedient ihr iPhone genauso locker wie ihre Enkel, läd sich Podcasts runter oder such Informationen im Netz. Wenn ein Zweijähriger lernen kann, eine App zu bespielen, kann das eine 60-Jährige auch, nicht wahr? Der Unterschied liegt darin, dass der Präfrontale Cortex der 60-Jährigen bereits seit langer Zeit "fertig" aufgebaut ist und sie daher kein Problem hat, ihr iPhone wegzulegen, um etwas anderes zu tun. Bei dem Zweijährigen ist das - rein biologisch/neurologisch - nicht der Fall. Das mag bei einzelnen Kindern anders sein. Ich schrieb im Artikel, dass es offenbar Kinder gibt, die mit einer stärker ausgeprägten Selbstkontrolle ausgestattet sind (siehe Marshmallow Test) und diese können sicherlich unreguliert mit den Neuen Medien allein gelassen werden.

      Auch ich lese die unerzogen Blogs und Postings. Anders als du lese ich aber eher davon, dass es eben nicht so einfach funktioniert, wie die Eltern sich das wünschen. Dass es eben doch Kinder gibt, die am PC kleben bleiben, und nicht einmal wenige. Ich finde es in diesem Zusammenhang interessant, dass das urzeitliche Gehirn als Erklärung herhalten darf für das Bedürfnis von Babys der Neuzeit, nicht allein zu schlafen, getragen werden zu wollen oder bei Schreien Co-reguliert zu werden, aber nicht für den Fakt, dass eine Co-Regulation möglicherweise auch bei Neuen Medien, TV oder Süßigkeiten nötig sein könnte.

      Es tut mir leid. Für mich ist dier Argumentation der unerzogen-Artikel in diesem Fall nicht überzeugend, mir fehlt da die Auseinandersetzung mit dem, was beim virtuellen Spiel im Gehirn passiert. Überzeugt haben mich die Argumentationen der Neurologen, Spielforscher und Evolutionsbiologen, die ich hier zitiert habe, deshalb ist mein Artikel ausgefallen, wie er ausgefallen ist. Ich war am Ende selbst überrascht, wie stark er in eine Richtung tendierte, denn ob du es glaubst, oder nicht, ich bin eine begeisterte Spielerin und ja, Minecraft, Pokemon Go etc. spiele ich auch. Gern sogar.

      Vielleicht einigen wir uns an der Stelle einfach darauf, bei diesem Thema uneinig zu sein? Ich möchte niemandem reinreden, was er mit seinen Kindern und den Neuen Medien macht. Ich schreibe nur auf, was ich mit meinen Kindern und den Neuen Medien mache, und warum. Wenn du meine Argumentation nicht schlüssig findest, bin ich nicht beleidigt. Ich halte es nach dem Motto: Jeder nach seiner Fasson.

      Liebe Grüße, Snowqueen

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  5. Hallo in die Runde,

    Ohne jetzt eine bestimmte Richtung zu vertreten (obwohl ich in letzter Zeit zunehemnd zu einer unerziehenden Haltung finde), möchte ich mal kurz meinen Weg darstellen, der sich für mich derzeit ziemlich gut anfühlt.

    Als bei uns vor etwa einem halben Jahr (mein Sohn ist gerade 3 geworden) das Thema aufkam (unsere Babysitterin zeigte LaMa Handyvideos) bin ich mal in mich gegangen und habe überlegt, welche Lehre ich für mich aus meiner bisherigen Medienerfahrung ziehen würde. Also, was ich davon bereue und was auch im Nachhinein wertvoll für mich ist. Kurz zusammengefasst kam dabei folgendes heraus:

    - Es stört mein Empfinden von Nähe und Kontakt, wenn mein Gegenüber auf sein Handy schaut/tippt - es sei denn, die Person erklärt mir, was sie da macht oder meldet sich gewissermaßen ab ("Ich schau mal schnell nach Mails - eine Freundin von mir hat Liebeskummer und da will ich für sie da sein", "Ich check nur mal schnell die Ergebnisse vom Spiel"). So ein Abmelden hilft mir, abzuschätzen, wie lange es ungefähr dauern wird und ermöglicht mir die Gelegenheit, hinterher wieder ins Gespräch zu kommen ("Und? Wie stehts?").
    - Die meiste Zeit, die ich mit Daddeln verbracht habe, erscheint mir im Nachhinein als Verschwendung, mit der Ausnahme von 2 Situationen: Ich hatte Schmerzen und konnte mit Hilfe der Ablenkung auf Schmerzmittel verzichten, ich habe mit einer anderen Person zusammen gespielt.
    - Bei Filmen ist es das gleiche. Ich bereue keinen DVD-Abend und tanke bei der abendlichen 40-Minuten Folge oder kurzen Doku auf der Couch mit meinem Partner ganz gut auf.

    Diese Erkenntnisse setze ich gerade bei meinem Sohn um. Wann immer ich zum Handy greife oder zum Rechner gehe, überlege ich vorher, warum ich das mache und kommuniziere das auch LaMa gegenüber. Und dann mache ich auch wirklich nur das.

    Videos gibt es 'uneingeschränkt' mit der Vorgabe, dass wir sie uns zusammen ansehen. Ich frage ihn dann, was er sehen möchte und gebe das so bei youtube ein. Da kann er auch gerne weiterklicken oder er sagt: "Ein anderes Video". Ich habe ihm auch frühzeitig gezeigt, wie man ein Video unterbricht, wenn es ihm z.B. zu unheimlich wird, und wenn ich meinerseits den Eindruck habe, dass etwas nun doch nicht geeignet ist, sage ich z.B. "Das Video ist mir zu gruselig. Lass uns mal ein anderes sehen." Ebenso kommentiere ich es, wenn ich merke, dass er zappelig wird und schlage vor, was anderes zu machen.
    Was ich nicht mache, ist, ihn damit zu 'parken'. Wenn ich beschäftigt bin, hat er die Wahl, mitzumachen oder sich selbst anderweitig zu beschäftigen.
    - Momentan gibt es noch keine Spiele, bei denen ich mir vorstellen könnte, dass es mir da Spaß macht, dabei zu sein und er hatte auch anderweitig keinen Kontakt mit Spiele-Apps, weiß also von deren Existenz noch nichts. Das werde ich nicht ändern, so es nicht die Kindergartenfreunde für mich ändern. Aber ich freue mich schon auf unsere erste Runde Mario-Kart vor der Wii, wenn er soweit ist.

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  6. Der Beitrag war zu lang, hier kommt Teil 2:

    So wie es ist, empfinde ich es bislang als große Bereicherung. LaMa hat tolle Ideen für die Videosuche. Mal sagt er, dass er ein Video sehen möchte, bei dem gezeigt wird, wie ein Auto gebaut wird oder über eine Dampfmaschine. Der derzeitige Renner ist ein halbstündiges Video über die Geschichte von Wassermühlen. Wir haben mittlerweile unsere Insider-Zitate ("Und so schaut die Verpackung aus") mit denen wir uns zum Lachen bringen, singen Serien-Titelmelodien ("Tayo tayo") und durch seine Zuneigung für Mascha vom kapuki kanuki-Channel kann ich nun meinem Mann immer mal wieder stolz erzählen, welchen kyrillischen Buchstaben ich jetzt gelernt habe und ihn fragen, ob er in der Schule gelernt hat, dass 'katok' Walze heißt. Und auch in die Rollenspiele fließt immer wieder das ein, was wir gesehen haben (was ich dann eben auch kenne und aufgreifen kann).

    Auch bleiben wir nicht immer im Medium. Nach einem Video, in dem ein Junge irgendwas knetete, hatte auch LaMa Lust aufs Kneten und nach den Raketen-Videos werde ich nun immer wieder in die Bücherei geschickt, um Bücher über Raumfahrt zu suchen. Und nach einem Video, in dem ein Junge etwas knetete, hatte auch LaMa Lust aufs Kneten.

    Klar gibt es Tage (vor allem, wenn er gerade erkältet ist und sonst Lust zu gar nichts hat), an denen es gefühlt Überhand nimmt, aber wenn es mir reicht, dann sage ich das eben. Was ich allerdings nicht mache, ist, die Minuten zu zählen.

    In der Summe bin ich wie gesagt sehr glücklich, diesen Weg gefunden zu haben, der mir erlaubt, ihm das mitzugeben, was mich begeistert und andererseits an seinen Interessen und Erkundungen Teil zu haben. Und vor allem bin ich raus aus dieser überwachenden Erzieher-Haltung, die uns und unserer Beziehung nicht gut getan hat.

    Liebe Grüße,
    Julia

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  7. Liebe snowqueen,

    vielen lieben Dank für diese ganz wunderbare Artikelserie.

    Viele Grüße Claudia

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  8. Vielen Dank für die Audiodatei; bisher habe ich sie nicht genutzt, aber heute hatte nur wenig Zeit und konnte so Hausarbeit und Blog"lesen" verbinden. :-)

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  9. Passend zum Thema gibt es gerade auch eine Petition zur digitalfreien Kita von der Vereinigung der Waldorf-Schulen. Petition läuft noch einige Zeit. Link, wenn ich den Setzen darf?: http://www.waldorfkindergarten.de/aktuelles/aufruf-digital-kita.html --- Dort steht auch nochmal, dass das Wischen über eine eigenschaftslose Oberfläche weder motorisches noch sensorisches Lernen bewirkt, wie es sonst beim Greifen, Fühlen und Spielen mit unterschiedlichen Materialien, Formen und Oberflächen geschieht.
    Viele Grüße, Clarissa

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  10. Ich finde den Artikel sehr gut. Eins möchte ich aber kurz anmerken (und nein ich bin kein "Verschwörungstheoretiker" o.ä.). Ich bin nämlich auch etwas besorgt bezüglich der Strahlung bei Smartphones. Gerade wenn online gespielt wird.
    Ich hatte dazu einiges gelesen. Die Quintessenz scheint, dass Handystrahlung bei Erwachsenen als eher unbedenklich eingestuft wird, bei Kindern (aufgrund des weicheren Schädelknochens und des noch nicht ausgereiften Gehirns) ist eine Gefährdung zumindest nicht ausgeschlossen. Längere oder häufige Telefonate sollten nicht gemacht werden.
    Nun ja. Da die Strahlung sehr schnell abnimmt mit steigender Entfernung weiß ich nicht, ob das beim "daddeln" auf dem Smartphone überhaupt gilt.
    Zudem ist es nicht wirklich nachgewiesen.
    Trotzdem wollte ich das hier kurz anmerken.
    Das ist nämlich für mich mit ein Grund meine Kinder nicht stundenlang am Smartphone spielen zu lassen.

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  11. Liebe Snowqueen,
    herzlichen Dank für deine Artikelserie und für die ausführliche Beschreibung des Lernprozesses.
    Bisher habe ich noch keinen einzigen Artikel von euch gelesen, den ich schlecht oder unzureichend recherchiert empfunden habe. Hier aber fand ich die Quellen/Personen sehr einseitig - leider auch viel der Herangehensweise. Es wird vermehrt Hüther, G. zitiert - auch wenn in ein paar wenigen Studien. Es ist dennoch die gleiche Person und vertritt wahrscheinlich in allen Studien eine ähnliche Haltung.

    Ich möchte herausfinden, was ein guter Weg ist für uns als Familie mit digitalen Medien umzugehen und bin bei meiner Recherche über viele Studien/Forschungsergebnisse gestossen, die z.B. keine negativen Auswirkungen von Computerspielen auf Aggressivität finden! Hier muss ich Anonym vom 4. Okt. 2016 recht geben - es ist absolut schädlich und irreführend in diesem Kontext von Amokläufern zu reden! Hier einige:

    1 Wack & Trantleff-Dunn (2009), "relationship between electronic game play, obesity, and psychosocial functioning in young men; CyberPsychology & Behavior, 12, 241-244; (b) Williams et al (2008), "Who plays, how much, and why? Debunking the stereotypical gamer profile; Journal of Computer Mediated Communication, 13, 993-1018; (c) Durkin & Barber (2002); "Not so doomed: Computer game play and positive adolescent development," Applied Developmental Psychology, 23, 373-392.

    2 Aarts et al. (2010). "Environmental determinants of outdoor play in children: A large-scale cross-sectional study." American Journal of Preventive Medicine, 39, 212-219.

    3 Lenhart et al. (2008). "Teens, video games and civics: Teens gaming experiences are diverse and include significant social interactions and civic engagements," report of the Pew Research Center. Published online.

    4 (a) Olson, C. K. (2010). Children's motivation for video game play in the context of normal development. Review of General Psychology, 14, 180-187; (b) Stevens et al. (2008). "In-game, in-room, in-world: reconnecting video game play to the rest of kids' lives." pp 41-66 in K. Salen (Ed.), The ecology of games: Connecting youth, games, and learning. The John D. and Catherine T. MacArthur Foundation series on digital media and learning. Cambridge, MA: MIT Press.

    5 Ferguson, C. (2010). Blazing angels or resident evil? Can violent video games be a force for good? Review of General Psychology, 14, 68-81.

    6 Ferguson (2010).

    7 Ferguson, C., & Rueda, S. M. (2010). The Hitman study: Violent video game exposure effects on aggressive behavior, hostile feelings, and depression. European Psychologist, 15, 99-108.

    8 (a) Green, C. S., & Bavelier, D. (2003). Action video game modifies visual selective attention. Nature, 423, 534-537; (b) Spence, I., & Feng, J. (2010). Video games and spatial cognition. Review of General Psychology, 14, 92-104.

    9 Akilli, G. K. (2007) Games and simulations: A new approach in education? In D. Gibson, C. Aldrich, & M. Prensky (Eds.), Games and simulations in online learning: Research and development frameworks (pp. 1-20). Hershey, PA: Information Science.

    10 Black, R. W., & Steinkuehler, C. (2009). Literacy in virtual worlds. In L. Christenbury, R. Bomer, & P. Smargorinsky (Eds.), Handbook of adolescent literacy research (pp. 271-286). New York: Guilford.

    Ich hätte mir Pros und nicht nur Kontras gewünscht. Mein Ziel ist es meinem Sohn einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien beizubringen und vorzuleben.

    Ein paar Fragen, die ich mir selbst stelle:
    - Welche Haltung zu digitalen Medien lässt sich "mein kompetentes Kind", Selbstbestimmtheit (worüber hier ja im Blog toll berichtet wird) und co vereinbaren?
    - Wie kann ich meinem Kind einen verantwortungsvollen Umgang damit lehren? Ohne einfach ein Verbot oder ein gewisses Stundenpensum vorzugeben?
    - Wo sind die Gefahren? Habe ich jetzt ausführlich gelesen ;).
    - Welche Vorteile gibt es?

    Herzliche Grüsse, Ann-Christine

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