Frau Kast auf den Zahn gefühlt - das "ELTERN"-Interview reloaded


Ich hatte schon in meiner letzten Besprechung des Eltern-Interviews mit Annette Kast-Zahn angedeutet, dass einige ihrer Aussagen mich an Erziehungsbücher älterer Generation erinnern. Das ist auch kein Wunder, denn der Mensch (und somit auch Frau Kast-Zahn) tendiert dazu, unbewusst selbst erfahrene Bindungsmuster und Erziehungsweisheiten zu übernehmen und seine eigenen Kinder danach zu erziehen. Sie werden - oft unreflektiert - von Generation zu Generation weitergegeben und sind Teil unseres kollektiven Bewusstseins. Alice Miller konstatiert dazu: "Da die Erziehung bei manchen Völkern schon im Säuglingsalter, in der Phase der symbiotischen Verbindung von Mutter und Kind begann, garantierte diese frühe Konditionierung, dass der wahre Sachverhalt vom Kind kaum entdeckt werden konnte. Die Abhängigkeit des Kindes von der Liebe seiner Eltern macht es ihm auch später unmöglich, die Traumatisierungen zu erkennen, die oft das ganze Leben lang hinter den Idealisierungen der Eltern der ersten Jahre verborgen blieb." (Miller, A., Am Anfang war Erziehung, 1983, S. 18)

Uns ist also oft nicht bewusst, dass wir mit unseren Kindern so umgehen, wie wir es selbst als Kind erlebt haben. Gleichzeitig ist uns nicht bewusst, dass wir möglicherweise seelischen oder körperlichen Grausamkeiten ausgesetzt waren, wenn diese innerhalb der ersten zwei Lebensjahre geschahen. Wir wundern uns nur, wenn das Schreien oder Trotzen unserer Kinder uns mal wieder so auf die Palme bringt, dass wir selbst vor Wut nicht mehr wissen, wohin mit uns. Wenn wir das Neugeborene, das noch nicht die Nacht vom Tag unterscheiden kann, am liebsten schütteln möchten, weil es nicht aufhört zu weinen und wir doch aber dringend schlafen wollen. Wenn wir wutentbrannt das zweijährige Kind ins Kinderzimmer zerren, weil es gerade seinen kleinen Bruder gebissen hat, der ihm das geliebte Spielzeug weggenommen hatte.... Wir werden in solchen Momenten "getriggert" und durchleben Wut und Angst aus eigenen Kindertagen - und wissen das jedoch oft nicht.



So werden also Erziehungsideale und -weisheiten bewusst und unbewusst von Großmutter zur Mutter zum Enkelkind weitergetragen, wenn niemand aktiv dagegen ankämpft, aus diesem Kreis auszubrechen. Dann finden wir es weiterhin normal, wenn uns erklärt wird, ein Kind müsse lernen, allein einzuschlafen, es müsse "Weil ich es gesagt habe!" als triftigen Grund anerkennen, das zu tun, was der Erwachsene von ihm möchte und es müsse lernen, seine Wut schon im Kleinkindalter zu kontrollieren - und erziehen unsere Kinder nach genau diesen Idealen.

Nun hat mich also interessiert, an wen mich die Aussagen Annette Kast-Zahns aus dem Eltern-Interview erinnern und ich begann zu recherchieren. Gelandet bin ich im 19. Jahrhundert - bei den Vertretern der "Schwarzen Pädagogik", welche von dem Menschenbild des "von Natur aus bösen Kindes" ausgingen, dem die "Schlechtigkeit" ausgetrieben werden musste mithilfe von Manipulation, Erpressung und (körperlicher) Machtausübung.

Selbstverständlich möchte ich an dieser Stelle nicht sagen, dass ich Frau Kast-Zahn zu den Vertretern der Schwarzen Pädagogik zähle. Wie ihr gleich selbst lesen könnt, sind ihre Aussagen und ihr Vorgehen weitaus seichter, ja im Vergleich geradezu freundlich, dem Kind gegenüber. Was ich lediglich aufzeigen möchte, ist, dass ihre Art von Schlafen-Lernen und ihre Sicht auf die Bedürfnisse eines Babys, die immer wieder im Interview anklingt, durchaus als ein (über die Jahre verweichlichter) Nachfolger der Ansichten und Methoden der Schwarzen Pädagogik gesehen werden könnten.

Es geht mir nicht darum, Frau Kast-Zahn zu diskreditieren oder sie in eine Schublade zu pressen, in die sie nicht gehört. Ich vergleiche ihre Methode, Kindern das Schlafen "beizubringen" ausdrücklich nicht mit den Schlägen und Demütigungen, die die Eltern des 19. Jahrhunderts angewandt haben. Ich möchte lediglich aufzeigen, dass mich ihre Aussagen im Elterninterview an eine Sicht auf die Bedürfnisse von Kindern erinnern, die nicht meine ist. Es sind meine persönlichen Assoziationen - nicht mehr und nicht weniger.

Ich möchte dafür exemplarisch einige Fragen und Antworten aus dem Eltern-Interview herausnehmen und im Anschluss an Frau Kast-Zahn die Vertreter der Schwarzen Pädagogik zu Wort kommen lassen. Es versteht sich von selbst, dass die Aussagen des 19. Jahrhunderts nicht 100% zu den Fragen des Elterninterviews passen. Ich finde aber durchaus, dass man inhaltlich eine Übereinstimmung erkennen kann. Ob dabei dem Leser ebenfalls ein Zusammenhang auffällt, muss jeder selbst entscheiden.
 
 

Das Eltern-Interview reloaded



Eltern: Babys haben aber kein Zeitgefühl: Für sie macht es keinen Unterschied, ob sie drei oder zehn Minuten allein weinen.

"[...] Für einen kurzen Zeitraum allein gelassen zu werden, schadet Babys nicht. Es gibt auch keine Studie, die einen negativen Effekt von Schlaftrainings auf die Entwicklung kleiner Kinder nachweisen würde." (Kast-Zahn, A., Eltern-Zeitschrift 02/14, 2014, S. 36)


Frau Kast Zahn ist sich also sicher, dass das kontrollierte Schreienlassen Säuglingen nicht schadet, sie zieht dafür im Interview auch immer wieder eine bestimmte Studie heran, die das (angeblich) beweist. Zur Validität dieser Studie hat sich übrigens Herbert Renz-Polster in seinem Blog ausführlich ausgelassen - ein sehr spannender Exkurs zu "Babyschlaf und Ferbern", der sich zu lesen lohnt. Auch die Vertreter der Schwarzen Pädagogik waren sich sicher, dass ihre Art der Erziehung nicht schadet, solange sie in den allerersten Lebensjahren geschieht. Ganz richtig bemerken sie, dass das Kind alle Demütigungen wieder vergisst, ihre Schlussfolgerung, dass sie deshalb nicht schaden, halte ich jedoch für grundlegend falsch, denn das Unterbewusstsein vergisst eben nicht: 
 
"[...] Diese ersten Jahre haben unter anderen auch den Vorteil, dass man da Gewalt und Zwang brauchen kann. Die Kinder vergessen mit den Jahren alles, was ihnen in der ersten Kindheit begegnet ist. Kann man da den Kindern den Willen benehmen, so erinnern sie sich hernach niemals mehr, dass sie einen Willen gehabt haben und die Schärfe, die man wird brauchen müssen, hat auch eben deswegen keine schlimmen Folgen. Man muss also gleich anfangs, sobald die Kinder etwas merken können, ihnen sowohl durch Worte als durch die Tat zeigen, dass sie sich dem Willen der Eltern unterwerfen müssen." (Aus: J. Sulzer, Versuch von der Erziehung und Unterweisung der Kinder, 1748, Zit. nach Katharina Rutschky [Hersg.), Schwarze Pädagogik, S. 173ff)

Eltern: Aber hat Ihnen beim Schlaftraining mit ihrer Tochter Andrea nicht das Herz geblutet?

"Natürlich tat es weh, vor der Tür zu stehen und Andrea drinnen weinen zu hören. Aber ich wusste auch, dass ich das Richtige tue."  (Kast-Zahn, A., Eltern-Zeitschrift 02/14, 2014, S. 36)

Die sicherlich ernst gemeinte Aussage von Annette Kast-Zahn, dass sie gegen ihr Bauchgefühl gehandelt habe, weil sie wusste, dass das für ihre Tochter das Beste gewesen sei, findet man auch eins-zu-eins in den Schriften des 19. Jahrhunderts wieder:

"Man bedenke, dass man dadurch dem Kinde selbst die größte Wohltat erzeigt, indem man ihm viele seinem Gedeihen hinderliche Stunden der Unruhe erspart und es von allen jenen inneren Quälgeistern befreit [...]" (Aus: Schreber, M., Kallipädie, 1858, Zit. nach Schatzmann,  Die Angst vor dem Vater, 1978, S. 32 f.) 

Eltern: Man könnte auch sagen: Sie hatte aufgegeben.

"[...] Einem Baby das zu geben, was es braucht, heißt schließlich nicht, ihm immer zu geben, was es will. [...] Ginge es dem Baby nur um Nähe, würde es nicht weinen, wenn die Mutter direkt neben seinem Bettchen steht. Das tut es aber - weil es nicht kriegt, was es in dem Moment will."  (Kast-Zahn, A., Eltern-Zeitschrift 02/14, 2014, S. 36)

Diese Aussage erschüttert mich bei jedem Lesen aufs Neue. Frau Kast-Zahn meint, ein sechs Monate altes Baby schreie tatsächlich aus Wut darüber, dass es nicht bekommt, was es will. Ich kann mit dieser Aussage mitgehen, wenn sie 2- oder 3-Jährige betrifft, aber ein Baby? Es hat doch noch gar kein Bewusstsein dafür, dass es ein eigenständiges Wesen mit eigenem Willen ist! Aber auch die Vertreter der Schwarzen Pädagogik bescheinigen dem Baby, dass es aus einer Laune heraus schreit, oder um seinen "Eigensinn" durchzusetzen. Dem sollten die Eltern im 19. Jahrhundert schnellstmöglich einen Riegel vorschieben:

"Als die ersten Proben, an denen sich die geistig-erzieherischen Grundsätze bewähren sollen, sind die durch grundloses Schreien und Weinen sich kundgebenden Launen der Kleinen zu betrachten. [...] Hat man sich überzeugt, dass kein richtiges Bedürfnis, kein lästiger oder schmerzhafter Zustand, kein Kranksein vorhanden ist, so kann man sicher sein, dass das Schreien eben nur der Ausdruck einer Laune, einer Grille, das erste Auftauchen des Eigensinns ist. Man darf sich jetzt nicht mehr wie anfangs ausschließlich abwartend verhalten, sondern muss schon in etwas positiverer Weise entgegentreten: durch schnelle Ablenkung der Aufmerksamkeit, ernste Worte, drohende Gebärden, Klopfen ans Bett [...], oder wenn dies alles nicht hilft - durch natürlich entsprechend milde, aber in kleinen Pausen bis zur Beruhigung oder zum Einschlafen des Kindes beharrlich wiederholte körperlich fühlbare Ermahnungen." (Aus: Schreber, M., Kallipädie, 1858, Zit. nach Schatzmann, Die Angst vor dem Vater, 1978, S. 32 f.)

Eltern: Aber warum muss es gleich so ein hartes Training sein? Ein Baby kann doch auch lernen, etwa ohne die Brust einzuschlafen, während Mama neben ihm liegt und es streichelt? 

"[...] was meinen Sie, wie viele Eltern das Gebrüll ihres Kindes regelrecht aggressiv macht? Für diese Eltern sind Schlaflernprogramme ein Segen, denn sie wirken schnell, und sie wirken effektiv."  (Kast-Zahn, A., Eltern-Zeitschrift 02/14, 2014, S. 36)

Warum das "Gebrüll" eines Kindes viele Eltern regelrecht aggressiv macht, darauf gehe ich am Ende dieses Artikels noch einmal gesondert ein. An dieser Stelle möchte ich aufzeigen, dass nicht nur Frau Kast-Zahn ihre Methode für schnell und effektiv hält, nein, auch die Erzieher der Schwarzen Pädagogik brüsteten sich mit diesem Fakt. Und sie haben natürlich Recht: Alle Methoden, die bedürfnis- und bindungsorientiert ablaufen, brauchen ihre Zeit, um zu wirken - deshalb ist es weitaus schwieriger, diesen Weg zu gehen.
 
"Eine solche Prozedur ist nur ein- oder höchstens zweimal nötig, und - man ist Herr des Kindes für immer. Von nun an genügt ein Blick, ein Wort, eine einzig drohende Gebärde, um das Kind zu regieren." (Aus: Schreber, M., Kallipädie, 1858, Zit. nach Schatzmann, Die Angst vor dem Vater, 1978, S. 32 f.)

Eltern: Dennoch wissen wir aus der Hirnforschung, dass während lang anhaltender Schreiphasen der Spiegel des Stresshormons Cortisol im Gehirn ansteigt und dass eine Überdosis dieses Hormons die empfindlichen Strukturen kleiner Kinder schädigen kann. Bedenklich wird der Stresshormonspiegel [...], wenn das Baby über einen längeren Zeitraum allein weint.

"Würde das stimmen, müssten wir uns um die heute 50- und 60- Jährigen große Sorgen machen. Man hat uns als Babys schließlich fast alle schreien lassen. [..] Umgekehrt müsste es dieser These zufolge heute so viele psychisch stabile Kinder geben wie noch nie, schließlich ist das Schreienlassen, wie es noch vor 50 Jahren betrieben wurde, heute gesellschaftlich verpönt. Tatsächlich erlebe ich heute in meiner Praxis immer häufiger Kinder, die überhaupt nicht damit umgehen können, wenn es mal nicht nach ihrem Kopf geht - weil sie das nie gelernt haben." (Kast-Zahn, A., Eltern-Zeitschrift 02/14, 2014, S. 37)

Hier muss ich ein wenig ausholen, weil der Zusammenhang zwischen den Zeilen von Frau Kast-Zahns Aussage steckt. Im Prinzip sagt sie, dass die heutige Generation von Kindern deshalb so auffällig in Kindergarten und Schule agieren, weil sie nie gelernt haben, sich ihren Eltern unterzuordnen bzw. es immer "nach ihrem Kopf" ging. Frau Kast-Zahn verbindet diese in Teilen richtige Aussage gewagter Weise mit dem Nicht-Schreienlassen in der Babyzeit, aber darauf will ich diesmal gar nicht hinaus. Mein Punkt ist, dass zwischen ihren Zeilen mitschwingt, dass die Eltern schon im Babyalter beginnen sollten, ihr Kind dahingehend zu erziehen, dass sie die elterliche Autorität anerkennen lernen und eben nicht dadurch zu "verwöhnen", dass man seine Signale und Bedürfnisse prompt beantwortet - sonst, so lese ich es jedenfalls heraus, drohen psychisch instabile Persönlichkeiten.
 
Auch den Pädagogen des 19. Jahrhunderts war dieser Punkt sehr wichtig. Die "Vertreibung des Eigensinns" solle die Hauptarbeit der Eltern darstellen, die einen "genauen Gehorsam allen Vorgesetzten und eine kindliche Zufriedenheit" und gleichzeitig das Heranwachsen "rechtschaffender und tugendhafter Menschen" nach sich ziehen würde:
 
"Ich rate also allen, die Kinder zu erziehen haben, dass sie die Vertreibung des Eigensinns und der Bosheit gleich ihre Hauptarbeit sein lassen und so lange daran arbeiten, bis sie zum Ziel gekommen sind. Man kann, wie ich oben bemerkt habe, unmündigen Kindern nicht mit Gründen beikommen; also muss der Eigensinn auf eine mechanische Weise vertrieben werden, und hierfür gibt es kein anderes Mittel, als dass man den Kindern den Ernst zeigt. Gibt man ihrem Eigensinn einmal nach, so ist er das zweite Mal schon stärker und schwerer zu vertreiben. Haben die Kinder einmal erfahren, dass sie durch Erbosen und Schreien ihren Willen durchsetzen, so werden sie nicht ermangeln, dieselben Mittel wieder anzuwenden. Endlich werden sie zu Meistern ihrer Eltern und Aufseher [...]. Unsere Hauptabsicht ist immer, die Kinder zu rechtschaffenden, tugendhaften Menschen zu machen, und an diese Hauptabsicht sollen die Eltern allemal denken, so oft sie ihre Eltern ansehen, damit sie keinen Anlass versäumen, an ihnen zu arbeiten."  (Aus: J. Sulzer, Versuch von der Erziehung und Unterweisung der Kinder, 1748, Zit. nach Katharina Rutschky [Hersg.), Schwarze Pädagogik, S. 173ff)
"Das zweite Hauptstück, worauf man sich bei der Erziehung gleich anfangs im zweiten und dritten Jahr befleißigen muss, ist ein genauer Gehorsam gegen Eltern und Vorgesetzte und eine kindliche Zufriedenheit mit allem, was sie tun. [...] Für die Erziehung sind [diese Eigenschaften] notwendig, weil sie dem Gemüt überhaupt Ordnung und Unterwürfigkeit gegen die Gesetze geben. Ein Kind, das gewohnt ist, seinen Eltern zu gehorchen, wird auch, wenn es frei und sein eigener Herr wird, sich den Gesetzen und Regeln der Vernunft gern unterwerfen, weil es einmal schon gewöhnt ist, nicht nach seinem Willen zu handeln. Dieser Gehorsam ist so wichtig, dass eigentlich die ganze Erziehung nichts anderes ist, als die Erlernung des Gehorsams." (Aus: J. Sulzer, Versuch von der Erziehung und Unterweisung der Kinder, 1748, Zit. nach Katharina Rutschky (Hersg.), Schwarze Pädagogik, S. 173ff)

Wie durchbrechen wir den Teufelskreis? 

 

Zum Abschluss möchte ich noch einmal genauer auf die obige Aussage von Frau Kast-Zahn, dass Schlaflern-Programme wichtig für Eltern sind, die das Weinen ihres Kindes regelrecht aggressiv machen, eingehen. Ich finde sie nämlich äußerst problematisch.

Denn natürlich werden diese Eltern deshalb so aggressiv, weil sie das Geschrei unbewusst triggert, d. h. an eigene Situationen aus der Kindheit erinnert, in denen sie ungetröstet weinen mussten und in denen das Notfallprogramm ihres Gehirns zum Tragen kam. In einem solchen Moment werden alle negativen Gefühle gleichsam abgespalten und so gut verdrängt, dass sie nicht mehr erinnert werden. Erst, wenn die Eltern in eine ähnliche Situation mit ihrem Kind kommen, überschwemmen die alten Gefühle den Erwachsenen und können große Wut, Scham oder Hilflosigkeit auslösen. Sie reagieren dann unverhältnismäßig heftig und für Außenstehende oft seltsam auf ihr Kind (vgl. Brisch, 2010, S. 37). 

Bevor sie dann ihrem Kind wirklich etwas antun, mag es sinnvoll sein, das eigene Kind durch ein Schlaflernprogramm so zu trainieren, dass es diese Gefühle bei den Eltern nicht mehr auslöst. Dann muss man sich dessen aber auch sehr bewusst sein, dass man so eine neue Generation an späteren Eltern heranzieht, die dann wiederum beim Schreien ihres Kindes (also dann unserer Enkelkinder) getriggert werden und keine andere Alternative sehen, als auch bei ihnen ein Schlaflernprogramm anzuwenden. So entsteht ein Teufelskreis, der zu durchbrechen unglaublich schwer ist. Wichtig ist, dass sich alle Eltern der Mechanismen bewusst werden. Wichtig ist auch, dass sie versuchen, ihre eigenen Kindheit (vielleicht mit professioneller Hilfe) aufzuarbeiten. Dann können sie es schaffen, sich dagegen zu stellen und zu sagen: "Mit meinem Kind nicht!"

Besser als die großartige Alice Miller, die sich in ihrem Buch "Am Anfang war Erziehung" sehr intensiv mit dem Thema "Schwarze Pädagogik" auseinander gesetzt hat, kann ich es nicht ausdrücken:

"Die Wahrheit [...] ist traurig und bedrückend, aber bringt mit sich die Chance einer Wende: Wer dieses Buch liest und sehen kann, dass die hier beschriebenen Kinder später selbst Erwachsene waren, der wird sich auch über die schlimmsten Gräueltaten unserer Geschichte nicht mehr wundern. Er wird die Stellen entdecken, an denen Grausamkeit gesät wurde und dank dieser Entdeckung Hoffnung schöpfen, dass die Menschheit diesen Grausamkeiten nicht für immer ausgeliefert bleiben muss, weil wir durch das Aufdecken der unbewussten Spielregeln der Macht und Methoden ihrer Legitimierung tatsächlich in der Lage sind, grundsätzlich etwas zu verändern."  (Miller, A., Am Anfang war Erziehung, 1983, S. 80f)

© Snowqueen

 

Literatur



Brisch, K.-H., SAFE - Sichere Ausbildung für Eltern, 2010

Eltern Magazin 02/2014, In den Schlaf gewiegt zu werden ist Gewohnheit, S. 34 - 37

Miller, A.: Am Anfang war Erziehung, 1983

Rutschky, K. (Hrsg.): Schwarze Pädagogik, 1977

Schatzmann, M.: Die Angst vor dem Vater, 1978