Pucksäcke - Welcher Pucksack ist der beste?

Viele Kinder lieben das Pucken - warum straffes Einwickeln Babys gut tut und wie man richtig puckt, darüber hatten wir  schon in einem anderen Artikel geschrieben. Ob das Kind das Pucken mag, kann man zunächst mit einem Tuch (Mullwindel) testen. Auch wenn das Geschrei erst mal groß ist - die meisten Babys beruhigen sich nach ein bis zwei Minuten. Akzeptiert das Kind das Einwickeln, ist die Anschaffung eines speziellen Pucksackes sinnvoll. In diesem Artikel möchte ich die derzeit meistverkauften Puckhilfen vorstellen.

Allgemeines zu Pucksäcken


Grundsätzlich unterscheidet man drei verschiedene Ausführungen bei den Pucksäcken:
  • Modelle, bei denen die Arme mit Klettverschlussflügeln fixiert werden,
  • Modelle mit Reißverschluss, die wie ein Kokon wirken und
  • normale Strampelsäcke, die zwar die Arme fixieren, aus denen sich die Kinder aber ohne Weiteres befreien können (siehe Bild).

Letztere eignen sich nur sehr bedingt zum Pucken (weswegen sie hier keine weitere Berücksichtigung finden) - können aber als zusätzlicher Schlafsack für gepuckte Kinder dienen, da sie keine Ärmellöcher haben. Pucksäcke sollen die Enge im Mutterleib simulieren - daher ist es wichtig, dass sie sehr eng sind. 

Ein Wechsel auf eine größere Größe ist erst erforderlich, wenn sich der kleinere Pucksack nicht mehr schließen lässt. Die Größe ist oft auch stark kindabhängig - je nachdem, wie schmal oder kräftig das Kind ist, kann ein Größenwechsel früher oder später erforderlich sein. Das Bedürfnis nach Enge variiert auch von Kind zu Kind - während es den einen reicht, sanft begrenzt zu werden, wollen andere so fest wie möglich verpackt sein. Auch dies kann man mit einer Mullwindel vorher testen und dann entsprechend eine Kaufentscheidung treffen.

Pucksäcke mit Klettverschluss 


Der Vorteil der Klettverschlüsse liegt auf der Hand - sie sind individuell verstellbar und der Pucksack kann über mehrere Größen mitwachsen. Wegen der großen Belastung ist es wichtig, dass die Klettverschlüsse strapazierfähig sind und auch bei häufigem Öffnen nicht an Kraft verlieren. Die Klettverschlüsse sollten beim Waschen immer geschlossen werden - das erhöht nicht nur ihre Lebensdauer, sondern auch die der übrigen Wäsche. 

SwaddleMe


Der SwaddleMe ist in Deutschland der meistverkaufte Pucksack - kein weiteres Modell ist in so vielen Farben, Mustern und Stoffen erhältlich. Verschlossen wird er über drei Klettverschlüsse. Er ist in zwei Größen erhältlich: 

  • Neugeborene - Größe S (3-6 kg) für Kinder mit einer Körperlänge von 48 bis 61 cm und einem Umfang von Oberkörper und Armen von ca. 40-50 cm
  • Baby groß - Göße L (ca. 6-10 kg) für Kinder mit einer Körperlänge von 66 bis 71 cm und einem Oberkörperumfang mit Armen von 44-58 cm.

Folgende Materialien sind lieferbar:
  • Baumwolle
  • Bio-Baumwolle (aus kontrolliert biologischem Anbau)
  • Mikrofleece (100 % Polyester) - ideal für den Winter, super kuschelig
  • Viskose-Bambus (100% Viskose) - sehr leichtes, seidiges Material

Von SwaddleMe gibt es auch ein Modell namens "Graduate", der für Kinder ab etwa 6 kg geeignet ist. Mit diesem Pucksack können die Arme einzeln fixiert werden, so dass das Pucken Schritt für Schritt abgewöhnt werden kann. Allerdings ist er nicht so eng verschließbar, wie der Original Swaddle Me und der Flügel zum Verschließen ist für schmale Kinder zu lang.

Die Hauptkritikpunkte am Original-SwaddleMe sind, dass die Baumwollversion sehr schnell ausleiert (was sich beim Waschen aber oft wieder relativiert) und sich einige Kinder relativ schnell daraus befreien können. Auch die Größenangaben sind stoffabhängig teilweise nicht ganz korrekt, was auch an der unterschiedlichen Dehnbarkeit der Materialien liegt. Da hilft am besten: Bestellen und ausprobieren - ungewaschen in eine Rückgabe bei Amazon bspw. vollkommen unproblematisch.

Ich persönlich hatte sowohl einen SwaddleMe aus Baumwolle, also auch in Mikrofleece (was wirklich super schön kuschelig ist) und kann definitiv eine klare Kaufempfehlung für die kleinere Größe aussprechen - der Klett hat gut gehalten und die Kinder konnten sich erst relativ spät herauswursteln. Die Ausführung "Baby groß" ist qualitativ nicht schlechter, aber hier konnte ich beobachten, dass meine Kinder ab einem Alter von etwa 5 Monaten es tatsächlich geschafft haben, sich dort mit nicht allzu viel Aufwand heraus zu winden. Um das zu verhindert, kann man den Pucksack im Armbereich zusätzlich mit einer Mullwindel umwickeln und verknoten. Bei der Folgegröße würde ich jedoch eher zur Pacco Puckhilfe greifen (siehe unten) - diese ist garantiert ausbruchsicher. 

Pacco Puckhilfe 


Durch drei Flügel für die Arme ist es im Grunde unmöglich, dass sich das Kind aus der Pacco Puckhilfe befreit - sie ist daher ideal für Ausbrecher aus anderen Pucksäcken. Folgende Größen sind erhältlich: 

  • Primo (2-4 kg)
  • Piccolo (4-7 kg)
  • Comodo (ab 7 kg) 

Besonders erwähnenswert: Den Pacco gibt ihn auch in einer Größe für Frühchen (auf die Pucken besonders gute Auswirkungen hat) und die Größe Comodo puckt auch noch sehr große Babys, die in kaum noch in andere Pucksäcke hinein passen. Dadurch, dass man die Länge verknotet, hat man über die gesamte Nutzungsdauer immer eine perfekt angepasste Länge. 


Babyschlafsack Träumer


Der Schlafsack Träumer hat eine patentierte Armschlaufe, die dafür sorgt, dass der Arm im Pucksack bleibt und nicht freigewurschtelt werden kann. Diese Schlaufe ist flexibel und kann somit auf die Größe des Babys eingestellt werden. Die Länge ist variabel, wodurch der Träumer-Schlafsack mitwächst.
 
Schlafsack Träumer

Er wurde von einer Mutter entwickelt, die selbst ein Schreikind hatte und deren Kind sich aus den herkömmlichen Modellen schnell befreite und auch recht schnell zu groiß dafür war. Der Träumer wird komplett in Deutschland aus nach OEKO-TEX® Stan­dard 100 zertifiziertem Baumwollstoff gefertigt. Der Träumer kostet 69 EUR, eine zusätzliche Einziehdecke ist für 19 EUR erhältlich. 

Nonomo Pucksack


Ebenfalls mit Klett verschlossen wird der Nonomo-Pucksack. Er besteht zu 100% aus Ökotex 100-Baumwolle und ist in zwei Größen erhältlich:

  • 0-4 Monate (52 cm lang, 26 cm breit)
  • 2-6 Monate (67 cm lang, 31 cm breit).
Die Nonomo-Puckhilfe ist relativ groß und kann daher vergleichsweise lange genutzt werden. Die UVP beträgt 24,95 EUR - bei Amazon ist er hier derzeit schon für 15 EUR zu haben.  

SmileBaby


Der Pucksack smileBaby wird ebenfalls in zwei Größen angeboten:

  • Größe M 0-4 Monate, ca. 3,2 bis 6,4 kg und
  • Größe L 4-9 Monate, ca. 6,4 bis 10 kg

Er besteht aus Bio-Baumwolle und ähnelt mit drei Klettverschlüssen bei der Funktionalität dem SwaddleMe - ist dabei jedoch mit ca. 12 EUR günstiger. Die Rezensionen der smileBaby-Nutzer auf Amazon lassen vermuten, dass der Pucksack in einer ordentlichen Qualität hergestellt ist und seine Funktion einwandfrei erfüllt. 

Motherhood 


Motherhood bietet ein Pucksack in sehr auffällig bunten Mustern in der Größe ca. 3 - 7 kg aus 100% Baumwolle. Auch hier wird der Pucksack mit Klettfächen verschlossen, die jedoch nicht fest genug schließen, auch weil sie vergleichsweise klein sind. Der Pucksack kostet ca. 20,36 EUR. 

Lotties Wohlfühl-Pucksack 


Aus dem Hause Mihatsch&Diewald kommt der Lotties Pucksack mit Kaputze. Er besteht aus 100% Bio-Baumwolle und wird mit Klettverschlüssen fixiert. Mit Druckknöpfen am unteren Ende kann der Schlafsack von 67 cm auf 57 cm verkürzt werden. Die UVP des Hersteller liegt bei 28,90 EUR. Das Produkt ist noch sehr neu, weswegen ich noch keine Erfahrungsberichte dazu gefunden habe. 

Kokonartige Pucksäcke 


SwaddlePod (Kiddopotamus) 


Der SwaddlePod ist ein kokonartiger Pucksack für Kinder. Im deutschen Handel steht als Gewichtsangabe in der Produktbeschreibung "3 bis 6 kg" - ACHTUNG - auf der Packung steht jedoch "5-10 lbs", das sind umgerechnet nur ca. 2,3 bis 4,5 kg - ein 5-6 Kilogramm schweres Kind passt also durchaus schon gar nicht mehr rein!

Er wird mit einem Reißverschluss, der in beide Richtungen zu öffnen ist, verschlossen. Der elastische Stoff  (93 % Baumwolle, 7 % Elastan) ist nach Herstellerangaben "dünn wie eine Strumpfhose" - leider auch so dehnbar (so dass der Puckeffekt zu gering ist) und er bei einzelnen Nutzern einriss. Der Preis liegt bei ca. 13,98 EUR. 

Pucksäcke zum Schnüren 


Cosyme 


Eine Kombination aus Schlafsack und Matratze ist der Cosyme, der auch als Stillkissen geeignet ist. Dadurch, dass man die Bänder mehr oder weniger fest anziehen kann, ist auch eine Entwöhnung einfach. Der Schlafsack kann auch bis ca. zum 6. Monat ohne "Puckfunktion" genutzt werden - dabei bleiben die Arme dann einfach draußen.
 
Cosyme

Der Cosyme besteht aus 100% Biobaumwolle und ist in sechs Farben erhältlich. Er wird ausschließlich in Europa - größtenteils sogar in Deutschland produziert. 

© Danielle

Was ist der beste Getreide-Milch-Brei zum Anmischen?


Der Milch-Getreide-Brei (MGB) ist in Deutschland das klassische Babyabendessen - in der Regel wird er mit etwa 5 bis 7 Monaten als zweite Beikostmahlzeit eingeführt. Der Brei besteht aus Milch (ca. 200 ml), Getreideflocken (20 g) und etwas Obstmus oder -saft (20 g). Er dient als Lieferant für Eiweiß, Kalzium und Eisen. Das Vitamin C im Obst sorgt für eine verbesserte Eisenaufnahme. Viele Mütter erhoffen sich bei seiner Einführung ungestörtere Nächte aufgrund der Sättigung. Auch wenn es immer wieder heißt, dass Durchschlafen etwas mit der Gehirnreife zu tun habe - nicht wenige Babys schlafen dank MGB tatsächlich durch. 
 

Möglichkeiten den Milch-Getreide-Brei anzurühren

 

Milchbrei aus Muttermilch und Getreideflocken  

 
Den Brei mit Muttermilch anzurühren ist die kindgerechteste Variante für Stillmütter. Das Kind verträgt ihn in der Regel sehr gut. Allerdings führen Enzyme in der Muttermilch häufig dazu, dass sich der Brei sehr schnell verflüssigt oder erst gar nicht wirklich breiig wird. Zwar ist der Nährwert unabhängig von der Breikonsistenz - aber Milch zu löffeln macht weder Mutter noch Kind Spaß. 
 

Milchbrei aus Kuhmilch und Getreideflocken

 
Sobald das Baby 6 Monate alt ist, kann es kleinere Mengen Kuhmilch - max. 200 ml am Tag - bekommen. Eine Notwendigkeit, Kuhmilch so früh einzuführen, besteht jedoch nicht.  
 

Milchbrei aus Säuglingsmilch und Getreideflocke

 
Den Milch-Getreide-Brei mit Säuglingsmilch anzurühren ist die beste Variante für Flaschenkinder. Zwar ist es etwas aufwändiger, zunächst die Milch anzurühren um dann die Getreideflocken und das Obstmus dazu zu geben - dieser Arbeitsschritt lohnt sich jedoch. Fertige Milchpulverbreie können bis zu 50% mehr Zucker enthalten, als selbst angerührte (mehr dazu weiter unten). Stillende Mütter, die  für den MGB keine Muttermilch verwenden wollen, können sich im Artikel über  die beste Anfangsnahrung informieren, welche Säuglingsnahrung am geeignetsten für ihre Ansprüche ist. 

Milchbreipackungen im Drogeriediscounter

 

Milchbrei aus Milchbreipulver und Wasser


Milchbreipulver ist zugegebenermaßen die bequemste Variante: Wasser abkochen, Pulver einrühren, fertig. Diese Herstellungsweise des MGB hat jedoch mehrere Nachteile. Zum einen ist die Konsistenz sehr unterschiedlich - rührt man ihn nach den Angaben auf der Packung an, ist der eine eher flüssig, der andere zu fest. Während man zu fest geratene Breie unbedenklich mit Wasser verflüssigen kann, ist das Andicken problematisch. Es gilt auch hier der Grundsatz: Milchnahrungen dürfen ausschließlich im angegebenen Verhältnis angemischt werden, da sonst die Nährstoffzusammensetzung nicht optimal ist. Kippe ich also einfach noch etwas mehr Pulver in den Brei, um ihn dicker zu machen, habe ich kein ausgewogenes Nährstoffverhältnis mehr - dies kann - dauerhaft praktiziert - die Nieren des Babys schädigen. Hat man eine Marke gefunden, die das Kind mag, die aber grundsätzlich zu flüssig erscheint, sollte man einfach eine Packung milchfreien Getreidebrei (ideal wegen des Eisengehaltes ist Hirse) zu Hause haben - damit lässt sich der Brei bedarfsgerecht andicken.

Worauf kommt es beim Kauf von Milchbreipulver an? 


Im Handel sind unzählige Milchbreisorten verschiedener Hersteller erhältlich. Am Ende des Artikels findest Du eine Übersicht fast aller Milchbreipulver-Sorten und ihrer Zusammensetzung bezüglich der hier aufgeführten Punkte.

Die Milchbrei-Sorten unterscheiden sich vor allem in Bezug auf Folgendes:

Bioqualität des Milchbreis 


Wenn einem Bioqualität wichtig ist, kann man ausschließlich zu folgenden Herstellern greifen:

  • Babydream (nur die Sorten "Bio Grieß" und "Bio Schlafgut Hafer Apfel"),
  • Alnatura,
  • Holle,
  • Babylove (DM) oder
  • Hipp.

Art der Milch im Milchbrei


Die meisten Milchbreie werden auf Basis einer Folgemilch produziert - weswegen Babys in der Regel gerne Milchbreie der Marke(n) essen, die sie als Flaschenmilch kennen. So ist auch sicher gestellt, dass die Milch alle wichtigen Nährstoffe enthält. Es gibt jedoch auch Sorten, die auf Basis von Kuhmilch hergestellt werden - diese ist nicht adaptiert, d. h. der Muttermilch so ähnlich wie möglich angepasst. Breie auf Kuhmilchbasis enthalten auch weniger Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, als Folgemilchbreie.

Keine Folgemilch sondern normale Kuhmilch enthalten: 

  • Alete Schokolade, 
  • alle Sorten von Bebivita,
  • alle Sorten Babydream (außer Schlafgut Hafer Apfel),
  • alle Sorten von Holle,
  • alle Sorten von Alnatura und
  • alle Sorten von Humana.

 

Der Anteil der Folgemilch im Milchbrei


Der Anteil der Folgemilch am Brei unterscheidet sich enorm. Folgemilch zu produzieren ist teuer - Getreide hingegen ist günstig. Wenn man bedenkt, dass das übliche Mischungsverhältnis für einen MGB 200 ml Milch und 20 g Getreide ist, dann sollten die 50 g Milchbreipulver, die für eine solche Portion benötigt werden, eigentlich aus 20 g Getreide und 30 g Folgemilch bestehen (hinzu kommen 150 ml Wasser). Ein Anteil von etwa 60% Folgemilch wäre also ideal - aber teu(r)er. - daher haben einige Hersteller an der teuren Folgemilch gespart und ein bisschen großzügiger Getreide hinzu gefügt.  Besonders zu erwähnen dabei ist Alete - die mischen z. T. mit 57,7 g/100 g mal gleich 44% mehr Getreide bei, als empfohlen (40 g auf 100 g).

Die Sorte mit dem geringsten Milchanteil ist Alete Joghurt Apfel-Birne-Banane - sie enthält gerade mal 7,4% - der Milupa Abendbrei 7 Korn hingegen hat mit 57,8% die meiste Folgemilch. Hier eine Grafik, die den Folgemilchanteil der einzelnen Sorten darstellt (Anteil der Folgemilch in %):

Folgemilchanteil Milchbrei
Vergleichsweise schlecht schneiden die Breie von Milasan und Beba ab, auch Babylove-Breie und Alete-Breie enthalten nur wenig Folgemilch. Die Breie von Milupa, Aptamil und Hipp haben in der Regel zumindest einen Anteil von über 40% Folgemilch.

Folgende Sorten erreichen einen Anteil von über 50%:

  • Milupa Milde Früchte (50,5%)
  • Milupa Abenbrei Vollkornhafer-Apfel (51,8%)
  • Milupa Grieß (54,8%)
  • Aptamil Weizen Hirse Hafer (54,8%)
  • Aptamil Grieß (54,8%)
  • Milupa Grieß (56,3%)
  • Milupa Abendbrei 7 Korn (57,8%) 

Zuckeranteil und Zuckerzusatz im Milchbrei


Am meisten überrascht bei diesem Artikel hat mich das Thema Zucker. Als meine große Tochter ins Beikostalter kam, war ich noch der Meinung, ein Kind müsste im ersten Lebensjahr komplett (zusatz)zuckerfrei ernährt werden - daher hat mich vorrangig  der Zuckergehalt und die Zuckerzusätze interessiert. Warum ich meine Meinung diesbezüglich mittlerweile etwas revidiert habe, kannst Du in unserem Artikel über zuckerfreie Ernährung nachlesen.
 

Ich habe den Gesamtzuckergehalt der einzelnen Breie verglichen und kam zu überraschenden Ergebnissen - der zuckerreichste Brei hat dreimal (!) so viel Zucker, wie der zuckerarmste Brei - eine solche Schwankungsbreite hätte ich nicht erwartet. Kuhmilch enthält nur 4,5 g Laktose/100 g - Folgemilchen etwa 6 bis 7 g/100 g - bei einer Mahlzeit, die auf 200 ml Milch basiert, haben Milchbreie, die auf Kuhmilch basieren also von vornherein 5 g mehr Zucker (die Laktose ist ein Zweifachzucker) - die Unterschiede von bis zu 28,9 g mehr Zucker je 100 g lassen sich damit jedoch nicht erklären. Zudem es Bebivita schafft, auch mit kuhmilchbasiertem Pulver einen ordentlichen Zuckeranteil aufzuweisen.

Würfelzucker


Bisher war ich der Annahme, dass es wichtig ist, Breie mit dem Prädikat "ohne Zuckerzusatz"  zu kaufen. Doch diese Annahme hat sich als irrig erwiesen - nehmen wir beispielsweise den Babydream Bio Grieß - da prangt auf der Packung "Glukosesirup" - aber: Das ist das Produkt mit dem geringsten Zuckeranteil im Vergleich - insgesamt nur 18,5 g/100g. Wohingegen Aptamil groß und rot auf seine Packung schreibt: "Ohne Zuckerzusatz" - und ist dennoch in der absoluten Spitzenreitergruppe der Produkte mit hohem Zuckergehalt - 43,7 g in 100 g! Auch die Humana-Breie haben zusätzlich Zucker - dennoch ist ihr Gesamtzuckergehalt im Vergleich zu den anderen Herstellern deutlich geringer (unter 30 g).

Hier die komplette Übersicht des Zuckergehaltes (Angabe g Zucker je 100 g Pulver):

Zucker im Milchbrei
Verhältnismäßig wenig Zucker (unter 25 g/100 g) enthalten also: 
  • Babydream Bio Grieß und Straciatella,
  • Alnatura Hirse und Dinkel,
  • Holle Bio Milchbrei Hirse und Dinkel,
  • Humana Grieß und Straciatella sowie
  • Beba Grieß. 

Überdurchschnittlich viel Zucker (über 41 g/100 g) enthalten hingegen:
  • Milupa Milumil Grießbrei (miluvit) ab dem 6. Monat und Milubrei Stracciatella
  • Milupa Abendbrei Vollkornhafer-Apfel, Banane, Apfel-Vanille, Banane-Birne-Grieß
  • Aptamil Banane-Aprikose und Vollkorn - feine Frucht
  • Hipp Gute Nacht Grieß Banane und Gute Nacht Hafer Apfel

Das Forschungsinstitut für Kinderernährung empfiehlt übrigens, dass Zucker maximal 7% der Energiezufuhr ausmachen soll. Das bedeutet für 1-Jährige maximal 15 g pro Tag - jedes Breipulver, das mehr als 30 g Zucker je 100 g enthält, würde also schon den kompletten (!) Tagesbedarf decken (pro Portion werden ca. 50 g Pulver benötigt). Eine Portion Milumil Grießbrei (6. Monat) enthält 23 Gramm Zucker...

Ich habe mal nachgerechnet, wieviel Zucker selbst angerührter Brei mit Pre-Milch im Vergleich zum Fertigbrei enthält. Man würde annehmen wollen, dass der Zuckergehalt bei beiden Varianten gleich oder zumindest ähnlich sein müsste (Breie sind mit Folgemilch, aber die sind ja meist zusatzzuckerfrei) - das ist aber nicht der Fall.

Angerührt mit 160 ml Wasser und 55 g Milchbrei, habe ich einen Gesamtzuckergehalt für den Aptamil-Grießbrei von 21,4 g. Rühre ich den Brei mit Aptamil Pre und Alnatura Grieß (enthält etwa 1,4 g Zucker je 100 g) an, hat die Mahlzeit gerade mal 14 g Zucker aus der Pre-Milch (durch die Laktose) und 0,28 g aus dem Grieß - macht 14,3 g Zucker. Der Pulvermilchbrei hat also satte 50% (!) mehr Zucker. Da fragt man sich doch, wo die 7,1 g Mehrzucker herkommen. Ich habe bei Aptamil mal nachgefragt - hier ein Auszug der Antwort:" 
"Ihre stimmige Berechnung können wir absolut nachvollziehen, doch lassen sich die unterschiedlichen Ergebnisse nicht rein rechnerisch vergleichen. Denn in unseren Milchbreien setzen wir eine spezielle Brei-Folgemilch ein, die einen besonders hohen Lactosegehalt (Milchzucker) aufweist. Dadurch erhält der Aptamil Milchbrei je Portion auch einen höheren Lactose (Zucker) - Gehalt als wenn Sie den Milchbrei selbst aus Getreideflocken und Aptamil Pre (oder mit einer anderen Milchnahrung) zubereiten."
Es gibt also spezielle "Brei-Folgemilch" - nur fragt man sich doch, warum der in rauen Mengen Lactose (was nun mal auch Zucker ist) zugesetzt wird? Ich habe Aptamil das auch gleich noch gefragt - die Antwort war: 
"Unsere besonders hochwertigen und natürlichen Aptamil Breie enthalten über 50% Folgemilch und haben damit den höchsten Folgemilch Anteil (über 50%) aller Milchbreie auf dem Markt. Da Folgemilch an der Muttermilch orientiert ist und nicht an der Kuhmilch, hat sie einen ähnlich hohen Lactosegehalt wie Muttermilch. Hier der Vergleich: Pro 100ml sind in Kuhmilch 4,7g Lactose in Muttermilch 7g enthalten. Ein Milchbrei ist eine besonders sanfte Einstiegsmahlzeit in die Beikost, soll also bestimmte Kriterien erfüllen. Der Brei soll cremig, leicht bekömmlich, etwas süßlich und ebenfalls noch nah an der Mutter- oder Flaschenmilch orientiert sein."
Ich verstehe die Argumentation irgendwie nicht. Wurde mir nicht zuerst erklärt, dass es eine Extra-Milchbrei-Folgemilch gäbe? Jetzt heißt es, die Folgemilch hat (wie die Muttermilch) mehr Laktose (7 g). Aber die Folgemilchbrei-Milch muss doch das Doppelte an Laktose enthalten - also 14 g. Wo ist denn da die Orientierung an der Muttermilch? Will man mich da nicht verstehen? Ich habe nochmal konkret nachgefragt - die Antwort steht noch aus, wenn sie kommt, ergänze ich sie hier.

Aromen im Milchbrei 


Einigen Milchbreien sind Aromen zugesetzt. "Vanillearoma", "natürlicher Vanilleextrakt" oder "Vanillin" klingt zunächst einmal nach dem selben Zusatz. Aber hier kommt es ganz wesentlich auf die Feinheiten an, denn die Bezeichnungen kennzeichnen verschiedene Qualitätsstufen.

Alle Aromen, die tatsächlich aus dem Nahrungsmittel gewonnen werden, dessen Geschmack sie erzeugen, werden üblicherweise bei der Deklaration zusammen in der Verbindung "natürlich" genannt. "Natürliches Apfelaroma" wird also tatsächlich (zu mindestens 95%) aus Äpfeln gewonnen und chemisch nicht bearbeitet. Als "natürliches Aroma" dürfen nur Zusätze bezeichnet werden, die physikalisch, mittels Enzymen oder durch mikrobiologische Vorgänge aus pflanzlichen oder tierischen Ausgangsstoffen gewonnen werden - sie sind chemisch identisch mit den in der Natur vorkommenden Aromastoffen. "Natürliches Vanillearoma" (alternativ "Vanilleextrakt") bedeutet also, dass das Aroma tatsächlich aus Vanilleschoten gewonnen wurde. 

Vanilleschoten

 
Steht jedoch "Vanillearoma" auf der Packung oder ist "Vanillin" deklariert, kann man davon ausgehen, dass das Aroma technisch gewonnen wurde - und zwar nicht aus dem Ausgangsstoff Vanille. Es ist jedoch chemisch absolut identisch mit dem Naturprodukt.

Schmeckt etwas nach Vanille und ist lediglich ein "natürliches Aroma" aufgeführt, dann stammt der Geschmack in der Regel aus Abfällen bei der Zellstoffgewinnung oder aus Erdöl (sind ja schließlich auch "natürliche" Substanzen). Das Aroma wird dann biotechnologisch aus anderen Ausgangsstoffen gewonnen wurden - dazu bedient man sich Enzymen, Pilzen oder Bakterien. Schimmelpilze können beispielsweise wunderbar "natürliche Aromen" produzieren, die nach Nuss, Kokos oder Pfirsich schmecken. Schmeckt ein Lebensmittel nach Himbeeren und ist auf der Packung von "natürlichem Aroma" die Rede, stammt der Geschmack meist von Zedernholzöl. Die letzte Qualitätsstufe ist dann die Bezeichnung "Aroma" - das kann alles sein - chemisch erzeugt, gentechnisch bearbeitet...
Einige Hersteller kommen ganz ohne jeden Aroma-Zusatz aus, das sind:
  • Aptamil,
  • Beba,
  • Hipp,
  • Holle und
  • Alnatura.

Weitere Hersteller verwenden (fast) ausschließlich unbedenkliche natürliche Aromen:

  • Babylove und
  • Bebivita (außer Sorte Keks).

"Künstliche" Aromen, die jedoch chemisch mit dem Naturprodukt identisch sind, verwendet

  • Milasan (alle Sorten),
  • Alete (alle Sorten)
  • alle Sorten von Humana, 
  • Bebivita Milchbrei Keks und
  • Milupa (einige Sorten, viele Sorten auch ohne oder mit natürlichem Aroma)

Nicht näher deklarierte und damit wahrscheinlich "künstliche Aromen", die mit dem Naturprodukt nichts mehr zu tun haben, enthalten die folgenden Breisorten:

  • Babydream Frucht und
  • Milupa Stracciatella.
Den vollständigen Vergleich aller Milchbreisorten findest Du in dieser Datei (anklicken):

Vergleich Milchbrei
© Danielle feat. Emmi1984

Bildnachweis

Mädchen isst Brei: Helene Souza  / pixelio.de
Löffel mit Zuckerwürfeln: Thomas Siepmann / pixelio.de
Vanille-Schoten: w.r.wagner / pixelio.de
Zuletzt aktualisiert am 08.05.2015

Babygebärden - Zeichensprache für Babys

Die Versprechen der Baby-Kurse klingen verlockend - Gebärdensprache für Babys soll unsere Kinder nicht nur intelligenter machen, sondern auch die Anzahl von Wutanfällen effektiv reduzieren und ihnen helfen, schneller sprechen und später einfacher lesen und schreiben zu lernen. Selten hat ein Baby-Trend, der aus den USA zu uns rüber geschwappt ist, so viele Hoffnungen geweckt und gleichzeitig Eltern so unter Druck gesetzt, wie die Zwergensprache.
 
Babygebärde mehr
"Mehr!"
Quelle: Zwergensprache GmbH

Wissenschaftliche Studien zur Babygebärdensprache 


In den 80er Jahren begannen die Wissenschaftlerinnen Linda Acredolo und Susan Goodwyn eine Untersuchung mit ca. 100 elfmonatigen Kindern, die in drei Gruppen eingeteilt wurden. Die Eltern der ersten Gruppe sollten mit ihren Kindern nicht nur sprechen, sondern gleichzeitig auch Schlagwörter gebärden. Die zweite Gruppe sollte nicht gebärden, aber beim Spielen und Sprechen mit ihren Kindern besonderen Wert auf die sprachliche Kommunikation legen - also viel und genau verbalisieren und ihre Kinder ebenso dazu ermuntern. Die letzte Gruppe Eltern wusste weder etwas über Gebärden, noch war ihnen der Schwerpunkt der Untersuchung (Kommunikation) klar. Sie spielten und sprachen so mit ihren Kindern, wie sie es auch ohne Studie taten.

Die Kinder wurden im Alter von 15, 19, 24, 30 und 36 mit standardisierten Tests auf ihre Sprachfähigkeiten getestet. Während es zwischen den beiden Kontrollgruppen ohne Gebärden fast keine Unterschiede gab, schienen die Kinder der Gebärden-Gruppe zu jedem Zeitpunkt verbal den anderen Gruppen weit voraus. Mit 24 Monaten, so schienen die Wissenschaftlerinnen beweisen zu können, hätten die Gebärden-Kinder bereits einen durchschnittlichen Wortschatz von 28-monatigen Kindern erreicht. Mit 3 Jahren sprachen sie auf dem Niveau von 4-Jährigen. Sie schnitten in Intelligenztests durchschnittlich um 12 Punkte besser ab, als die Kinder der Kontrollgruppen.

Leider wiesen die Studien grundlegende methodische Mängel auf. Sie waren so aufgebaut, dass die Ergebnisse eigentlich schon von Vornherein feststanden und nur noch bestätigt wurden.  Sie erlauben deshalb keine wissenschaftlich fundierte Aussage, wie Cyne Johnston von der University of Ottawa  2004 im Auftrag des Canadian Language and Literacy Research Network feststellte. Mit anderen Worten: Die empirische Forschung bleibt bis heute eindeutige Belege der postulierten Vorteile schuldig.

Ich habe mit meinen Kindern trotzdem gebärdet. Nicht, weil mir wichtig war, sie frühzeitig zu "fördern", um so ihre Intelligenz zu steigern, auch nicht, um ihre Sprachaneignung zu beschleunigen. Ich habe gebärdet, weil ich meine Kinder besser verstehen wollte. Ich wollte nicht raten müssen, wenn sie unzufrieden sind und weinen und ich war neugierig, was in ihren kleinen Köpfen so vor sich ging. 

Welche Gebärdensprache sollen wir nutzen? 


Mittlerweile gibt es eine Reihe von verschiedenen Gebärdensprachen für Babys, so dass eine Auswahl für Eltern ohne Vorkenntnisse erst einmal schwer fällt. Die wahrscheinlich bekanntesten Babykurse für Gebärden sind die der Zwergensprache, einem Konzept von Vivian König, die auch ein sehr umfangreiches Gebärdenbuch herausgebracht hat. Die Zwergensprache basiert auf den Gebärden der "echten Gebärdensprache" (DGS/ Deutsche Gebärdensprache) und wurde allenfalls leicht modifiziert. Vivian König schreibt:
"Wir haben bei unserer Gebärdenauswahl aus den deutschen Dialekten der DGS darauf geachtet, dass diese für Babys möglichst leicht nachzuahmen und anschaulich sind, so dass die Kinder die Assoziation leicht herstellen können zu dem, was die Geste darstellt. Zudem ist die Auswahl so abgestimmt, dass die Gebärden möglichst verschiedenen Arm- und Handbewegungen ausführen und an deutlich verschiedenen Körperstellen gezeigt werden. Damit werden spielerisch auch Motorik, insbesondere die Auge-Hand-Koordination und Körperwahrnehmung der Kleinen geschult. Nur ganz wenige Gebärden (vielleicht 10 von 300) sind verkürzt oder für Babyhände vereinfacht worden. Manche Gebärden der DGS bestehen aus bis zu drei Bewegungsabläufen. Das halte ich für die Kleinsten zu kompliziert. Manche sind motorisch sehr anspruchsvoll. Da ich mir aber wünsche, dass die Kinder die Zeichen anwenden und ich sie erkennen kann, sind die wenigen Vereinfachungen zustande gekommen."

In den Kursen lernen die Eltern Kinderlieder und Spiele, die ein Grundvokabular an Babygebärden enthalten. Für die Kinder ist es nichts anderes, als ein Kurs, in dem gesungen wird und das ist auch gut so, denn klassisches Vokabelpauken ist in diesem Alter ganz und gar unsinnig. Den Eltern werden in jeder Kursstunde jeweils 6-7 Zeichen angeboten. Sie wählen daraus aus, was Sie für ihr Kind für passend halten und was sie davon umsetzen möchten. Das geschieht unter Berücksichtigung der Interessen und des Alters des Kindes sowie der Umsetzungsmöglichkeit im Alltag und in Ritualen. So werden im Laufe eines 10-12 Wochen Kurses ca. 75 Gebärden vermittelt. Vivian König ist besonders die langfristige Begleitung der Eltern wichtig, damit kein Lerndruck aufkommt, sondern die Kinder in ihrem jeweiligen Tempo die Zeichen ausprobieren können. Gerade Gelassenheit im Umgang damit, eigenes Bauchgefühl und die Individualität der Kinder sollten im Vordergrund stehen.


Ebenso gut sind die Kurse von babySignal (Wiebke Gericke), auch diese stützen sich auf die Deutsche Gebärdensprache. Auch hier erfahren die Eltern im Kurs, wie sie die Gebärden in den alltäglichen Ablauf mit ihrem Kind (beim Sprechen, Singen, Spielen) einbauen können. Jede Woche lernen sie neue Gebärden und neue Möglichkeiten für die Umsetzung zu Hause, während die Kinder sich frei im Raum bewegen dürfen.
 
Natürlich muss man als Eltern keinen Kurs besuchen, wenn man das nicht möchte. Man muss auch nicht zwingend die Gebärden der deutschen oder österreichischen Gebärdensprache nutzen. "Schau doch meine Hände an" des Bundesverbandes der evangelischen Behindertenhilfe arbeitet zum Beispiel mit speziellen Gebärden, die nicht sprechenden Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit geistiger Behinderung bei der Bewältigung ihres Alltags helfen sollen und dafür besonders vereinfacht wurden. Bernd Eisenhardt, Fachschuldirektor ("Die Zieglerschen") erklärt.
"Die Gestaltung (Fotos, Videos) und auch das Vorwort stammen aus der Heimsonderschule Haslachmühle, einer Einrichtung für hör- und sprachbehinderte Menschen mit geistiger Behinderung. Für diesen Personenkreis wurden seit den 60er Jahren diese Gebärden auch entwickelt, parallel in mehreren Einrichtungen, in denen diese Menschen lebten. Für die Gehörlosen waren Gebärden zu diesem Zeitpunkt "verboten", sie mussten in der Schule Lippemablesen lernen.  
Erst Anfang der 80er Jahre setzte sich die DGS (Deutsche Gebärdensprache) als anerkannte gleichberechtigte Sprache zur Lautsprache durch. Dies ist auch der Unterschied zu "Schau doch meine Hände an". DGS ist eine eigene Sprache der Gehörlosen mit eigener Grammatik die ohne Lautieren praktiziert wird. SdmHa wird lautsprachunterstützend eingesetzt und nur die Sinnträger der Botschaften werden gebärdet. Unsere Gebärdensammlung ist sowohl vom Wortschatz als auch von der Ausführung auf geistig behinderte Menschen abgestimmt und wird zumindest in Baden Württemberg an den meisten Sonderschulen für geistig Behinderte eingesetzt."
Es ist außerdem durchaus möglich, sich selbst Zeichen auszudenken - als idiosynkratisches Zeichensystem einer Familie und ohne jeden Bezug zu einer bestehenden Gebärdensprache. Wichtig ist, dass diese konstant bleiben, also immer die gleiche Gebärde für ein Wort. Guckt einfach, welches System für euch als Familie am einfachsten zu lernen ist.

Ich war selbst in keinem Kurs, sondern habe mir einfach dieses Buch gekauft und mich zunächst für mich selbst mit den einzelnen Gebärden beschäftigt. Als ich das Gefühl hatte, nun einen Grundwortschatz parat zu haben, begann ich, im Alltag ein paar wenige Gebärden gleichzeitig zur Sprache zu benutzen.   

Wie führen wir die ersten  Gebärden ein? 


Meine Töchter sind so unterschiedlich, wie Feuer und Wasser. Während die eine motorisch sehr fit ist, lag sie andere lange zufrieden auf dem Rücken auf der Krabbeldecke herum und lautierte vor sich hin. Die motorisch fitte Tochter spielte fast nie mit Lauten. Diese typischen lalalala, gagaga, mamama -Phasen durchlief sie so gut wie nicht. Das höchste der verbalen Äußerung war ein örrrööö und ein gurrrrr, aber dann war sie auch schon wieder damit beschäftigt, sich vorwärts- oder rückwärts zu schieben oder irgendein weit entferntes Spielzeug unter Aufbietung aller Kräfte zu erreichen. Meine sprachlich fitte Tochter dagegen durchlief alle Lall-Phasen sehr früh, nutzte Silbenverdopplungen mit großer Vorliebe und spielte richtggehend mit ihrem Mund, indem sie bewusst ihre Lippen verformte, mit Spucke gurgelte, Spuckebläschen produzierte und dabei genau zuhörte, was diese Veränderungen der Lippenmotorik mit den Lauten aus ihrem Mund machten. 

Babygebärde Milch
"Milch"
Quelle: Zwergensprache GmbH

Bei beiden Kindern begann ich mit ca. 8 Monaten, wenige Gebärden einzuführen. Ich begann zunächst mit "fertig" (der Gebärde für "genug") und "Milch". Immer, wenn ich eines der beiden Wörter im Alltag auftraten, gebärdete ich sie gleichzeitig mit dem gesprochenen Wort - diese Vorgehensweise nennt man lautsprachunterstützendes Gebärden. Wurden sie also unruhig und zappelig und ich wusste, sie hatten Hunger, fragte ich "Möchtest du Milch?" (unterstrichene Wörter sind immer gesprochen und gebärdet). Fielen sie satt wie Maikäferchen von meiner Brust ab, sagte ich: "Oh, ich glaube, du bist fertig." Auch beim Windelwechseln oder Anziehen - beides mochten sie überhaupt nicht - setzte ich fertig oft ein. Immer, wenn ich die Tätigkeit fast beendet hatte, sagte ich: "Wir sind gleich fertig!", was den wunderbaren Nebeneffekt hatte, dass sie ab da anfingen, sich zu entspannen. Sobald ich also fertig gebärdet und gesprochen hatte, wurde der Kampf gegen die Windel oder das Kleidungsstück aufgegeben, denn sie wussten, dass ein Ende in Sicht ist.

Es ist übrigens am Anfang sehr seltsam, zu gebärden. Wir sind es einfach nicht gewohnt und man kommt sich, ehrlich gesagt, ein bisschen plemplem vor, seine Hände so unterstützend zu nutzen. Deshalb habe ich erst einmal zuhause gebärden geübt, manchmal auch vor dem Spiegel, denn es ist gar nicht so einfach, sich gestisch expressiv auszudrücken, wenn man von Natur aus eher introvertiert ist. Der Spiegel hat mir geholfen, mich an meine Gebärden selbst zu gewöhnen und wenn man einmal über die erste Hemmschwelle hinweg ist, macht man es auch in der Öffentlichkeit....

Fertig (genug) war die Gebärde, die ich am allerhäufigsten nutzte und tatsächlich war dies auch die erste, die meine motorisch fitte Tochter mit 9 Monaten nutze. Wir waren gerade beim Breiessen, als sie nach drei oder vier Löffelchen ihr Ärmchen wild hin- und her wedelte. Ich dachte zunächst, dass sie mir den Löffel aus der Hand schlagen will, dann aber realisierte ich, dass sie vielleicht gebärdet. Ich probierte noch einmal aus, den Löffel zu ihrem Mund zu führen - wieder das wilde Armgefuchtel verbunden mit einem grantigen Gesichtausdruck. Ich antwortete ihr überrascht: "Du sagst fertig! Gut, dann hören wir jetzt auf." Sofort erschien ein Strahlen auf ihrem Gesicht - ich hatte sie richtig verstanden.

Babygebärde essen
"essen"
Quelle: Zwergensprache GmbH

Es ist schwer, die ersten Gebärden des Kindes richtig zu identifizieren, denn die Auge-Hand-Koordination ist in einem so jungen Alter natürlich noch nicht besonders gut ausgeprägt. Deshalb sind viele Gebärdenversuche unserer Kinder erst einmal grob verzerrt und daher leicht zu übersehen. Die Gebärde "genug" (die ich für "fertig" nutzte) ist eigentlich ein zweimaliges Tippen der Hand mit der Handkante kurz unter dem Mund. Meine Tochter dagegen fuchtelte zunächst ihren ganzen ausgestreckten rechten Arm vor ihrem Oberkörper hin und her. Später, mit ca. 12 Montaten veränderte sie die "fertig"-Geste, indem sie ihre flache Hand zweimal über ihren gesamten Mund legte, mit 14 Monaten verfeinerte sie die Gebärde dann zum letzten Mal - erst dann sah sie so aus, wie das Original. Es ist nicht verwunderlich, dass auch das Gebärden ein Prozess ist, der erst nach und nach erlernt wird. Auch beim Sprechen unterlaufen unsere Kinder Übungsphasen - bei meinen Töchtern hieß "schaukeln" lange Zeit "aate", dann "autel", dann "saukeln" und zu guter Letzt "schaukeln". Einige Gebärden blieben auch in ihrer verkürzten Version. "Milch" zum beispiel wird in der DGS wie das Melken einer Kuh gebärdet, man öffnet und schließt seine Hände, während man die Arme abwechselnd nach oben und unten bewegt. Meine Töchter verkürzten das selbständig auf ein gleichzeitiges Auf- und Abbewegen beider Arme, die Hände waren zu Fäustchen geschlossen. Insbesondere nachts war diese - sehr vehemente - Gebärde hilfreich, da ich auch im Halbschlaf das energische "Milch!!!" registrierte.

"Weintraube" wird in der DGS normalerweise mit zwei Händen gebärdet. Die eine Hand wird so in der Luft gehalten, als würde man eine ganze Traube Weintrauben am Stiel festhalten, die andere Hand formt mit den Fingern von unten die daran dranhängenden Trauben nach. Meine Töchter zeigten immer nur die obere Hand - und das reichte auch aus, ich verstand sie ohne Probleme.

Manchmal dauerte es etwas, bis ich kapierte, was sie mir sagen wollten: Wir waren oft in einem Spielcafé (Freund Blase), in dem ein wirklich super netter, von meinen Kindern schwer angehimmelter Mann hinterm Tresen steht. Eines Tages stand eine meiner Töchter vor mir und zuppelte sich bedeutungsschwanger vorn an ihren Haaren und guckte dabei immerzu zum Tresen. Ich wusste, sie wollte mir etwas sagen - aber was?! Sehr ausdauernd zeigte sie mir immer wieder die Gebärde "Haarzuppeln", bis bei mir endlich der Groschen fiel - "Mann! Du gebärdest Mann! Du fragst, wo Jan ist? Er steht gerade nicht hinterm Tresen, stimmt. Er ist in der Küche und kocht!" Zufrieden grinste meine Tochter, sichtlich erfreut, dass Mama doch nicht so doof ist, wie sie aussieht und ihre wunderbar klare Geste doch noch erkannt hatte. 

Nachdem meine motorisch fitte Tochter das erste eigene Zeichen regelmäßig gebärdete, erweiterte ich meine Gebärden Stück für Stück. Zu "Milch" kamen zunächst noch "essen", "müde", "schlafen", "Windeln wechseln" hinzu. Sehr selten zeigte ich auch andere Gebärden, meist, um für mich selbst zu üben. Beim Windeln wechseln guckte meine Tochter interessiert auf die Schlafzimmerlampe. Ich gebärdete und sprach "Lampe! Die Lampe ist an." und wickelte sie dann zuende. Eine Woche später fuhr ich mit ihr durch ein Einkaufszentrum. Ein sehr hell erleuchtetes Einkaufszentrum. Nach einigem interessierten Gucken hielt meine Tochter die Hand nach oben und öffnete die Finger - sie gebärdete "Lampe"! Ich war ziemlich verblüfft, denn dieses Zeichen hatte ich ihr nur einmal gezeigt. Ich hätte gedacht, dass ein für ihr Überleben relevanteres Zeichen als nächstes von ihr kommt - aber nein, "Lampe" war ihr wohl wichtiger. An diesem Nachmittag hatten wir beide noch unheimlich viel Spaß. Meine Tochter machte mich wirklich auf jede Lampe in der Berlin aufmerksam. Ich konnte richtiggehend sehen, wie viel Vergnügen es ihr bereitete, sich mir mitzuteilen und ich war erstaunt, mit wie viel Blick zum Detail ein zehn Monate altes Kind durch die Welt geht. Mir wären all die Lampen gar nicht mehr aufgefallen.

Babygebärde Licht
"Licht" Quelle: Zwergensprache GmbH

Nach der "Lampen"-Gebärde gab es für mich kein Halten mehr. Ich gebärdete wirklich wild drauf los. Jeder Gegenstand, den ich als Gebärde kannte, wurde nun in Gegenwart meiner Kinder benannt: "Blume", "Schlüssel", "Fenster", "Tür auf - Tür zu", "Mann"; Frau", "Mädchen", "Junge", "Ball", "Bär"..... es nahm gar kein Ende und ich entwickelte richtig Spaß daran, neue Gebärden zu lernen und zu finden. Die meisten lernte ich durch zwei Apps, die ich mir eigens dafür heruntergeladen hatte: Spread the Sign und DGS, wobei letztere ziemlich teuer war. Die Apps haben aber den Vorteil, dass man sie immer im telefon dabei hat und bei Bedarf schnell nachschlagen kann. Manchmal suchte ich auch im Internet nach bestimmten Gebärden, oft würde ich dabei bei Birgit Butz von "Sprechende Hände" fündig.  Einmal sprach ich sogar auf der Straße ein gehörloses Paar an und fragte (in Gebärden!) nach der Geste für das Sandmännchen, weil meine Kinder sich - kurioserweise ohne ihn aus dem Fernsehen zu kennen - in eine Sandmännchen-Puppe verliebt hatten.

Beim Einführen neuer Gebärden war es mir weiterhin wichtig, dass dies im Kontext geschah. Niemals setzte ich meine Kinder irgendwo hin und hielt dann Gegenstände oder Bilder hoch, um zu "üben". Alles passierte einfach im Alltag. Wenn wir irgendwo entlang liefen und ich eine Blume sah, hielt ich kurz an, nahm die Blume in die Hand, zeigte sie meinen Töchter und sagte/gebärdete: "Oh, so eine schöne Blume. Sie ist ganz rosa und riecht gut!" 

Babygebärde Blume
"Blume"
Quelle: Zwergensprache GmbH
Meine sprachliche fitte Tochter machte derweil übrigens überhaupt keine Anstalten, zu gebärden. Ich hatte sogar das Gefühl, sie guckt überhaupt nicht hin, wenn ich gebärdete. Sie fing zwar mit 9 Monaten an, zu sprechen - ihr erstes Wort war Kaaaka für "Kater" - zeigte aber keinerlei Affinität, ihre Hände zum Mitteilen zu benutzen. Auch gut, dachte ich, dann braucht sie es eben nicht. Mit 12 Monaten jedoch zeigte sie mir plötzlich überraschend, dass sie alle Gebärden, die ihre Schwester schon lange zeigte, ebenso beherrschte! Sie hatte sie nur, warum auch immer, nicht zeigen wollen. Ab da gebärdete und sprach sie gleichzeitig, während ihre Schwester weiterhin nur gebärdete und selten ihren Mund benutzte. Ich muss ehrlich sagen - hätte nicht meine motorisch fitte Tochter so früh mit dem Gebärden begonnen, hätte ich es sicherlich aufgegeben. Ich habe mit 8 Monaten angefangen und erst vier Monate später kamen die ersten Gebärden meiner zweiten Tochter zurück - ich denke, ich hätte da schon nicht mehr daran geglaubt, dass doch noch etwas kommt. Ich hatte also Glück, ein gebärdenbegeistertes Kind zu haben, sonst hätte ich das ganze Konzept der "Babygebärden" sicherlich als unnötig und klappt sowieso nicht abgestempelt.

So aber tauchten wir gemeinsam ab in eine wunderbare Welt des gegenseitigen Verstehens. Es war wirklich spannend für mich zu beobachten, was in den Köpfen von so kleinen Kindern schon vor sich geht. Dass eine meiner Töchter mit 11 Monaten einmal zwei Stunden nach einem Sportkurs erzählte, Monique hätte "Krokodil schwimmt im Nil" gesungen, hatte im Artikel über den 46-Wochen-Schub schon einmal erwähnt. Ich war wirklich unglaublich verblüfft, in welchen Zeitdimensionen sich ein Kind unter einem Jahr erinnern kann. Einen Monat später gingen wir an einem Volleyballfeld, das auf unserem Nachhauseweg liegt, vorbei und ein paar Jungs spielten Ball. Nach diesem Tage fing es für drei Wochen fürchterlich an zu regnen, so dass dort niemand mehr Volleyball spielte. Trotzdem gebärdeten meine Töchter jeden Tag, an dem wir dort entlang liefen: "Junge Ball!" und ich antwortete: "Ja, dort haben die Jungs Ball gespielt." Zwei Wochen lang war dieser Dialog für meine Kinder interessant und ihnen wichtig, mir mitzuteilen, was sie dort gesehen hatten. Das ist doch nicht zu fassen, oder? 

Auch interessante Einblicke in die kuriose Gedankenwelt meiner Kleinkinder hatte ich durch die Gebärden: meine Töchter gebärdeten beim Anblick eines Posters, auf dem ein spitzer Bleistift zu sehen war "Vogel", sie gebärdeten "Ball" als sie die Kugel vom Fernsehturm sahen. Das Logo des Oxfam Shops in unserer Straße war für sie ein "Fisch"...

Babygebärde horch
"Horch!"
Quelle: Zwergensprache GmbH

Mit ca. 14 Monaten hatten wir einen richtigen Gebärdenhöhepunkt mit etwa 100 aktiv gezeigten Gebärden (wobei einige sehr verschwommen gezeigt wurden und nur von uns, nicht von Fremden, erkannt wurden). Zu diesem Zeitpunkt mit ihnen durch die Stadt zu fahren, sah in etwa so aus: Meine Kinder saßen im Doppelkinderwagen und schauten sich die Welt an. Dabei hielten ihre Finger und Arme nie still. Sie gebärdeten: "Da, Flugzeug! Da, Blume. Da, Mann und Hund! Angst Hund! Mann Hut. Mann Tür. Schlüssel, schließen. Hund weg. Wo? Katze Fenster. Katze schläft. Da, Mädchen. Mädchen Fahrrad. Mädchen rot. Weg. Wo? Da, Schmetterling! Horch - Tatütata....."

Manchmal führten sie regelrechte Gespräche miteinander. Am Frühstückstisch gebärdete eine Tochter "Avocado alle alle." und die andere antwortete altklug "Mama einkaufen!". Da waren sie knapp 13 Monate alt. 

Wie führen wir "abstrakte" Gebärden ein? 


Bei Gebärden für klassische Gegenstände wie "Nuckel", "Ball", "Puppe" ist es nicht schwer, sich vorzustellen, wie man diese dem Kind näher bringt. "Heiß" und "kalt" mag auch noch gehen, aber wie sieht es bei abstrakteren Begriffen aus? Wie ist es mit "gefährlich", "Angst" und "erschreckt"? Ganz einfach: Man macht es wie beim normalen Sprechen auch: Wenn ein Hund vorbei kam, habe ich gesagt: "Guck mal, da ist ein großer Hund!" und Hund habe ich gleichzeitig gebärdet. Meist haben sich meine Kinder hinter meinen Beinen versteckt, also bin ich in die Hocke gegangen und habe gesagt: "Du hast Angst! Angst. Du sagst: Weg, Hund, weg!" Ich wollte, dass sie das seltsame Gefühl in ihrem Bauch gleich mit einem Wort verbinden, weil ich es wichtig finde, dass Kinder ihre Gefühle verbalisieren können. Am Anfang muss man ihnen natürlich beibringen, wie sich Angst anfühlt. Bald schon übertrugen sie die Gebärde "Angst" auf andere Situationen. In einem Spielcafé lag einmal ein roter Schneeanzug auf einem Stuhl und eine meiner Töchter weigerte sich strikt, dort hinzulaufen. Ich fragte sie, warum sie nicht weiterläuft, da gebärdete sie: "Angst. Da was?" Ich hob den Schneeanzug auf und sagte und gebärdete: "Es ist nur ein Schneeanzug." Da nickte sie erleichtert und ging weiter. Ich weiß bis heute nicht, was sie dachte, was es ist, aber immerhin konnte sie mir ihr Problem mit dem "Ding" mitteilen. Da war sie 14 Monate alt.
 
Babygebärde kaputt
"kaputt"
Quelle: zwergensprache GmbH

"Kalt" war eine Rutsche im Winter, die meine Töchter anfassten. Im Sommer würde ich einfach "Eis" als "kalt" deklarieren. Auch Sachen aus dem Kühlschrank sind kalt. Man findet eigentlich immer genügend Beispiele, auch für "heiß". "Heiß" ist meiner Meinung  nach eine wunderbar eindrückliche Gebärde, die ich oft nutzte, wenn sie dem Herd zu nahe kamen oder meine Teetasse anfassen wollten. Auch Heizungsrohre - sehr gefährliche Verletzungsherde übrigens - wurden mit der Gebärde "heiß" belegt. Wenn sie hingefallen sind und geweint haben, habe ich gesagt: "Du hast dich erschreckt! Erschreckt! Du bist hingefallen." und habe sie dann getröstet. Immer wenn ein anderes Kind geweit habe, habe ich gesagt und gebärdet: "Das Baby weint. Es ist traurig."

Schwieriger war es bei der Gebärde "gefährlich". Ich habe sie zunächst im Straßenverkehr eingesetzt und habe, wenn wir an einer Straße ankamen gebärdet: "Die Straße ist gefährlich! Allein rübergehen ist verboten. Du darfst nur an Mamas Hand rübergehen." Nach und nach schlich es sich aber ein, dass ich die "gefährlich"-Gebärde immer stärker ersetzte mit "verboten". Mir war einfach wichtig, dass sie verstehen, dass sie an bestimmte Dinge nicht herandürfen wie Steckdosen, Straßen und Herd zum Beispiel, deshalb reduzierte ich an dieser Stelle auf das Wesentliche.

Für die Bezeichnung von Mama, Papa, Oma, Opa etc. gibt es natürlich ganz normale Gebärden und die Einführung dürfte nicht schwer fallen. Ich selbst fand jedoch, dass mein "Mama" für meine Kinder etwas anderes sein sollte, als der Begriff "Mama" für die Mutter eines anderen Kindes. Deshalb habe ich, wie es bei gehörlosen Menschen üblich ist, mir eigene Namensgebärden ausgedacht, die eine Eigenschaft der betreffenden Person aufzeigte. Ich selbst habe rote Haare, deshalb legte ich, wenn ich "Mama" sagte, meinen Zeigefinger zuerst auf die Lippen ("rot") und dann auf die Haare. Die Oma meiner Kinder hat die allertollste weiche Oma-Haut dieser Welt, deshalb bekam sie als Namensgebärde die Geste für "Samt". Meine Kinder haben - sehr richtig übrigens - ihr noch eine zweite Gebärde gegeben: die für "Essen". Immer, wenn wir dort sind, kocht die Oma für uns nämlich sehr leckere Gerichte, etwas, was meine Kinder wohl positiv beeindruckt hat. Der Onkel hat einen Vollbart, daher bekam er die Gebärde "Vollbart". Oft gebärdeten meine Kinder noch "Buch" nach dem "Vollbart" und ja, der Onkel liest sehr gerne vor. Der Opa hat einen Dreitagebart, daher gebärdeten wir, wenn wir "Opa" aussprachen, "kratzig" dazu. Die nette Monique, die unseren Turnkurs leitet, bekam die Geste als Gebärde, die sie immer, aber auch wirklich immer, am Anfang jedes Kurses mit den Händen macht (sie singt "Wozu sind die Hände da" und dreht dabei die Hände). Diese Gebärde war auch tatsächlich eine der ersten, die meine Kinder zeigten. Ganz offensichtlich ist ihnen Monique wichtig genug gewesen, um sie in den Wortschatz aufzunehmen. 

Helfen Gebärden, Trotzanfälle zu verringern? 


Bei uns zumindest schon. Wir sind im Alter von 12-18 Monaten eigentlich nie in den Genuss dieser ersten kleinen Wutanfälle aufgrund von Sprachbarrieren gekommen. In den allermeisten Fällen, könnten wir das Problem gleich gestisch lösen.

Da lief z.B. eine unserer Töchter mit 13 Monaten in eine völlig andere Richtung als wir und ich frage sie: "Wo willst du denn nur hin?" - "Brot einkaufen!" gebärdete sie zurück und ich verstand endlich, warum sie partout nicht in unsere Richtung wollte. Denn der Weg, den sie eingeschlagen hatte, führte tatsächlich zum Bäcker.


Babygebärde Willst Du einen Keks
"Willst du einen Keks?"
Quelle: Zwergensprache GmbH

Das einzige Mal, als wirklich ein Sprachproblem vorlag, war, als eine meiner Töchter "Keks" gebärdete und dann einen riesigen Trotzanfall erlitt, als ich ihr tatsächlich einen Keks geben wollte. Sie hatte nämlich zwar "Keks" gebärdet, wollte aber eigentlich die gerade eingekaufte Banane! Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schnell ich danach sämtliche Gebärden für verschiedenes Essen und Trinken eingeführt habe!

Auch sprachliche Missverständnisse konnten wir mithilfe der Gebärden schnell auflösen. Eines meiner Kinder und ich gucken uns ein Bilderbuch an. Ich fragte (ohne Gebärde, da ich das Buch in der Hand hielt): "Kannst du mir das Boot zeigen?" Meine Tochter guckte aufs Buch, runzelte die Stirn und fragte mit Gebärde nach: 'Brot???' Ich musste erst einmal herzhaft auflachen, schüttelte dann den Kopf und gebärdete "Boot". Schon konnte sie mir das gewünschte Bild zeigen. Auch, als wir einmal spazieren gingen, kam es zu einem Mißverständnis. Meine zweite Tochter hat (bis heute) einen totalen Schuhtick und als wir an einer Schule vorbeigingen erklärte ich ihr: "Das ist eine Schule. Viele Kinder lernen hier." Verdutzt drehte sich mein Kind vom Buggy aus nach mir um und gebärdete: "Schuhe"? - "Nein, Püppchen, Schule." 

Haben Gebärden einen positiven oder negativen Einfluss auf das Lautsprachelernen? 


Oft wird von skeptischen Großeltern gefragt, ob die Gebärden auf das Lautsprachelernen negativen Einfluss haben, also ob die Kinder deshalb nicht vielleicht später mit dem Sprechen beginnen, da sie sich ja verständigen können. Bei uns war das nicht so. Meine verbal fitte Tochter hat die Gebärden zwar benutzt, fing aber schon mit 13 Monaten an, die unglaublichsten Wörter auszusprechen. Sie sammelte richtiggehend Wörter, am liebsten dreisilbige. Meine motorisch fitte Tochter hat die Gebärden dagegen richtig gebraucht - es fiel ihr viel schwerer, mit dem Mund Sachen nachzusprechen. Aber auch diese Tochter hat mit 18 Monaten ganz normal angefangen zu sprechen und zwar gleich mit 2 Wort Sätzen, da sie das mit den Gebärden ja auch schon getan hatte. Ihre Aussprache war altersgemäß verwaschen. Sie sagte bei der U7 Sätze wie "Güne Wosch weg!" ("Der grüne Frosch ist weg.") und hatte insgesamt einen Sprachwortschatz von ca. 250 Wörtern inklusive Drei-Wort-Sätzen. 

Dazu muss jedoch gesagt werden, dass sie mit 22 Monaten nur einen Wortschatz von 20 Wörtern, mit 23 Monaten von 50 Wörtern hatte und die 200 zusätzlichen Vokabeln innerhalb der letzten vier Wochen vor ihrem zweiten Geburtstag dazu kamen. Manche ihrer Wörter waren auch Eigenkreationen - wie "Bui" für Rutschen, "Aate" für Schaukeln oder das allseits bekannte "Mnjamnjam" für Essen. Unsere Kinderärztin aber sagte, dass diese Ersatzwörter dazu gezählt werden, wenn sie immer für den gleichen Gegenstand benutzt werden. Meine sprachlich fitte Tochter hatte laut Ärztin bei der U7 ein Sprachvermögen einer 3,5 Jährigen. Ihren Wortschatz konnten wir nicht mehr zählen und sie sprach sehr lange, verschachtelte Sätze in perfekter Aussprache. 

Mit 23 Monaten sagte sie zum Beispiel nach dem Martins-Umzug: "Den Mann und den Pferdchen haben wir hinter uns gelassen!" und beim Zähneputzen philosophierte sie mit 24 Monaten: "Man muss nämlich immer die Zahnmännlein wegputzen. Die heißen Bakterien." Sie hätte die Gebärden ganz sicher nicht gebraucht - aber geschadet haben sie ihr auch nicht. Für meine andere Tochter dagegen waren die Gebärden ein Segen und für mich als ihre Mama auch. Sonst hätte ich so viele kluge, manchmal aberwitzige Gedanken verpasst, die sie verbal noch nicht äußern konnte, aber die schon so lange in ihr drin steckten. Ich hätte ein ganz anderes Bild von meiner Tochter gehabt, da bin ich ganz sicher. Ich hätte viel von ihrem Potential nicht erkannt, hätte sie vielleicht sogar für weniger schlau als ihre Schwester gehalten.

Die Gebärden verschwanden übrigens so nach und nach. Jedes Wort, welches sie in der Lautsprache lernten wurde als Gebärde fast sofort abgelegt. Lediglich "Angst" und "kalt" wurden noch eine Weile gleichzeitig gesprochen und gebärdet und manchmal, wenn sie den Mund voll mit Brötchen haben und deshalb nicht artikulieren können, gebärden sie noch heute "trinken" als Aufforderung an mich. Auch das energische "Milch!" wurde noch bis ich abstillte in der Nacht gebärdet, dann aber abgelegt.

Ein wenig wehmütig macht mich das Verschwinden der Gebärden durchaus. Es war eine tolle, viel zu kurze Zeit, die mich meinen Kindern näher gebracht hat, als ich gedacht hätte und die mir einen Zugang zum Reichtum ihrer Gedanken verschaffte. Beim nächsten Kind gebärde ich auf jeden Fall wieder, vielleicht besuche ich dann sogar einen Baby-Gebärden-Kurs. Ich freue mich schon drauf.
 
Babygebärde schlafen
"schlafen"
Quelle: Zwergensprache GmbH
© Snowqueen 

Literatur 


Acrelodo, L., Goodwyn, S. Babysign. How to talk to your baby before your baby can talk

Acrelodo, L. Goodwyn, S., https://www.babysigns.com/

 
Clibbens, J., Powell, G.G. & Atkinson, E. (2002). Strategies for achieving joint attention when signing to children with Down’s syndrome. International Journal of Language and 

Communication Disorders, 37(3), 309–323


Greiner, K.: Babyzeichensprache – Ich zeige, also spreche ich! Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. Februar 2008, online


Johnston JC, Durieux-Smith A: Teaching gestural signs to infants to advance child development: A review of the evidence. First Language, Vol. 25, No. 2, 235-251 (2005) online 



 
Kiegelmann, M. : Baby Signing – Eine Einschätzung aus entwicklungspsychologischer Perspektive. 82 (2009), 262-272, online