Reichen Intuition und Bauchgefühl bei der Erziehung?

Immer wieder liest man in Foren oder den sozialen Medien, man solle sich bei der Erziehung endlich mal auf die elterliche Intuition zu besinnen und die Finger von Ratgebern lassen. Das vielfältige Angebot würde heutzutage ohnehin wegen der Widersprüchlichkeit nur verwirren.

In diesem Artikel beispielsweise heißt es:
"Eltern wird etwas Fantastisches von der Natur mitgegeben: die Fähigkeit, ihr Kind über alle Maßen zu lieben und zu bewundern - von Geburt an. Kein anderes ist toller, schöner, besser! Sie wissen instinktiv, dass ihr Kind perfekt ist, so wie es ist. Und doch beginnen sie zwangsläufig irgendwann zu schauen, wie sich denn andere Kinder entwickeln. Dann wird verglichen, auf Entwicklungskurven geguckt, es wird optimiert und therapiert: Erziehung wird heute oftmals nach einer Art Businessplan betrieben, unterstützt von jeder Menge Ratgeberliteratur. Schuld an dieser Entwicklung ist vor allem die Verunsicherung, mit der viele Mütter und Väter heute zu kämpfen haben. Die Folge: Nicht alle Eltern vertrauen auf ihre eigenen Erfahrungen, lieber wäre ihnen eine konkrete Gebrauchsanleitung für ihren Nachwuchs.

Doch Patentrezepte gibt es nicht. Jedes Kind, jede Mutter und jeder Vater sind einzigartig. Statt Anleitungen bekommen Eltern aber von Natur aus eine ganz besondere Verbindung zu ihrem Kind mitgegeben. Sie können intuitiv erspüren, welche Bedürfnisse ihr Kind hat. Sie müssen nur das Vertrauen in sich haben, diesen natürlichen Draht zu ihrem Nachwuchs auch in der Erziehung zu nutzen."
Mich irritieren solche Artikel immer, da sie zunächst einmal den Eindruck erwecken, dass Eltern, die viel zum Thema Erziehung lesen, gänzlich ohne Bauchgefühl erziehen würden und ihre Erziehung allein auf Grundlage der Bücher erfolgt. Darüber hinaus habe ich persönlich eigentlich den Eindruck, dass die intuitive Erziehung doch sehr weit verbreitet ist. Bei dieser Umfrage von Eltern.de gaben 74 % der Befragten auf die Frage "Vertrauen Sie in der Erziehung auf Ihre Intuition?" die Antwort "Ja". Insgesamt 24 % antworteten immerhin mit "manchmal" und nur magere 2 % gaben an, nicht auf ihre Intuition zu vertrauen.

Frau liest Buch

Auch in Foren und Krabbelgruppen ist man sich bezüglich der Frage, ob es besser ist, intuitiv zu erziehen oder sich etwas ausführlicher mit den wissenschaftlich theoretische Grundlagen zu beschäftigen, ziemlich  einig. Da gibt es viele Mütter, die sagen "Ich habe noch nie irgendeinen Ratgeber gelesen, ich tausche mich mit Bekannten und Verwandten aus und höre auf mein Gefühl, das sagt mir schon, was richtig ist und was nicht". 

Die meisten informieren sich nur grob über die Grundlagen (Ernährung, Entwicklung, Krankheiten) oder wenn sie in konkreten Situationen Rat brauchen (Trotzphase, Schlechtesser). Nur wenige Mütter beschäftigen sich über die Grundlagen hinaus mit dem Thema Erziehung intensiver. Zwei vollkommen unwissenschaftliche und unrepräsentative Umfragen von mir in zwei Elternforen ergaben: Etwa 20 bis 30% der Mütter befassen sich ausführlich mit dem Thema Erziehung und lesen dazu in der Fachliteratur. Zwischen 11 und 26% gaben an, noch nie einen Ratgeber zur Hand genommen zu haben und rein intuitiv zu handeln. Die übrigen etwa 53% haben schon mal in einen allgemein gehaltenen Ratgeber geschaut oder beim Auftreten von besonderen Problemstellungen zu einem Buch gegriffen, wenn das Bauchgefühl nicht mehr weiter half .

Hätte man mich vor der Geburt meiner Tochter gefragt, welche Meinung ich zu dem Thema vertrete, hätte ich aus tiefstem Herzen überzeigt behauptet: "Das kriege ich super allein hin - absolut kein Problem. Mein Instinkt funktioniert sicher hervorragend - am wichtigsten ist es, auf das Bauchgefühl zu hören! Ich werde schon wissen, was richtig für mein Kind ist!" 

Ich musste sehr lange auf meine erste Tochter warten, drei künstliche Befruchtungen waren nötig, bis ich sie endlich in die Arme schließen durfte. Vor der Geburt fühlte ich mich gut vorbereitet, die klassische Erstausstattung lag gut sortiert in den Schränken und auf meinem Tisch lag der Klassiker von GU "Unser Baby - Das erste Jahr" bereit, um gelegentlich nachzulesen, wie sich das Kind entwickelt, wie man Beikost einführt oder was man bei Babys erstem Schnupfen alles machen kann. Es konnte losgehen - ich war voller Vorfreude und hatte keinerlei Bedenken, dass etwas nicht klappen könnte - schließlich haben Milliarden Frauen vor mir Kinder bekommen und sie zumeist erfolgreich groß gezogen - mein Bauchgefühl würde mir schon sagen, was ich tun soll.

Im März 2009 war es dann so weit. Die Geburt war lang und schmerzhaft und danach war ich tatsächlich froh, als die Schwestern mein Kind nach dem Kennenlernen mit ins Babyzimmer nahmen, damit ich ein paar Stunden schlafen konnte. Nach einer halben Stunde jedoch wurde mir mein Kind gebracht - mit dem etwas entnervten Hinweis: "Sie beruhigt sich gar nicht und schreit die ganze Zeit!" Hm - was tun? Die Schwestern sagten zu mir, ich solle sie anlegen, so oft sie danach verlange, das brächte die Milchbildung in Schwung. Ich ließ sie also stundenlang an meiner Brust nuckeln, wo sie sich auch vorübergehend beruhigte. Sobald sie kurz eingeschlummert war und ich sie in ihr Bettchen legen wollte, war sie sofort wieder wach - und brüllte aus Leibeskräften. Ich war ratlos. Die Schwestern meinten: Anlegen, anlegen, anlegen - das tat ich weiter - nur selbst das beruhigte mein Kind irgendwann nicht mehr. Etwas neidisch schielte ich auf die anderen Mütter, die ihre Neugeborenen in ihren Wägelchen friedlich schlummernd umher schoben  - nur mein Kind dachte überhaupt nicht dran, mal zu schlafen.

Auch die Säuglingspflege überforderte mich erst einmal vollkommen unerwartet. So klein war das Baby, so zerbrechlich! Ich hatte vorher noch nie ein Baby im Arm gehabt und beobachtete staunend, wie die Schwestern mein Kind routiniert badeten, wickelten und anzogen - für mich selbst eine riesige Herausforderung, die mir den Angstschweiß auf die Stirn trieb und gefühlt Stunden dauerte! Das waren die ersten Moment, in denen ich zweifelte. An mir, an meinem Instinkt, an der Gerechtigkeit. Warum lief eigentlich nicht alles wie von selbst? Warum fühlte ich mich so unsicher, so voller Fragen und Zweifel? Im Grunde hatte ich erwartet, dass ich vom ersten Moment an genau instinktiv und intuitiv wissen würde, was mein Kind braucht und was ich tun muss. Die Erkenntnis, dass dem nicht so ist, war für mich ein großer Schock.
 
Neugeborenes schreit

Nach weiteren 20 Stunden Dauernuckeln waren meine Brustwarzen natürlich wund, ich am Ende meiner Kräfte, den Tränen nahe und hätte der Schwester auf ihren Hinweis: "Das Kind hat Hunger, legen sie es doch mal an" am liebsten die Blumenvase an den Kopf geschmissen. Mein Kind kann kein Hunger haben - es liegt seit einem Tag ununterbrochen an der Brust und saugt. Ich wurde gefragt, ob man es mal mit Zufüttern probieren solle und ich habe lange mit mir gerungen. So oft hatte ich gehört, dass man keinesfalls zufüttern solle - letzendlich entschied mich ich unter Tränen dafür. 

Schlagartig war Ruhe. Mein Kind ließ sich ablegen, drehte den Kopf zur Seite und schlief 5 Stunden. Das Spiel wiederholte sich am nächsten Tag - stundenlanges Genuckel und Geschrei, dann bekam sie Pre-Milch, trank gierig Mengen, die angeblich gar nicht in den Magen hätten passen können und war danach zufrieden. Kein Instinkt hatte mir gesagt, dass sie Hunger haben könnte - schließlich war sie ununterbrochen an der Brust! Das Bauchgefühl hatte zum ersten Mal komplett versagt. Etwa 72 Stunden nach der Geburt kam der Milcheinschuss und mein Kind konnte sich endlich satt trinken - die Stillbeziehung entwickelte sich danach vollkommen harmonisch, aber mein Glaube daran, dass die Natur es schon richten wird, war grundlegend erschüttert.

Zwei Wochen nach der Geburt begann meine Tochter, unzufrieden zu werden. Vor allem abends wand sie sich und schrie aus Leibeskräften und war durch absolut nichts zu beruhigen. Ich verzweifelte - egal, was ich ich tat, es hatte keinen Einfluss auf ihr Schreiverhalten. Ich dachte, meine Milch reicht nicht, lieh mir überstürzt eine Milchpumpe, pumpte, legte an, fütterte, wiegte in den Armen, lief umher, tröstete, wippte auf dem Pezziball... Diese Situation kennen nicht wenige Eltern - ca. 20% aller Säuglinge leiden unter den sogenannten "Drei-Monats-Koliken", wobei "unspezifisches Schreien" es vielleicht besser beschreibt, da es sich nicht um eine Verdauungsstörung sondern um ein Problem mit der Selbstregulation handelt.

Etwa 4 Wochen lang lebten wir in einer Ausnahmesituation - überfordert, übermüdet, überlastet und voller Zweifel. Wie konnte es sein, dass sich unser Kind nicht beruhigen ließ? Am meisten zweifelte ich an meinem Bauchgefühl - wir konnte das nur so kolossal versagen? Von allen Seiten hörte man nur "Koliken", "normal" und "dauert eben 12 Wochen". In der sechsten Lebenswoche schenkte mir mein Freund Martin das Buch "Das glücklichste Baby der Welt" von Dr. Harvey Karp. Er erklärt darin, dass Babys drei Monate zu früh auf die Welt kommen und in der Zeit zur Beruhigung eine mutterleibähnliche Umgebung benötigen. Er beschreibt eine Methode, die bei Babys einen Beruhigungs-Reflex auslöst, wenn sie nicht unter Schmerzen leiden. 
 
Ich las das Buch aufmerksam, probierte die Tipps aus und mein ewig meckerndes Baby schlief innerhalb von Sekunden ein. Dass es kein Zufall war, bewiesen die nächsten Tag - wann immer sie knödelig wurde, "karpte" ich sie und sie schlief: öfter, länger, ruhiger, besser.

Ein Element der Methode ist das Pucken - niemals wäre ich instinktiv auf die Idee gekommen, ein Baby so fest einzupacken, dass es die Arme nicht mehr bewegen kann. Kein Bauchgefühl, keine Intuition hat mir das gesagt. Im Gegenteil - als sie das erste Mal gepuckt da lag, rebellierte mein Bauchgefühl massiv und von Omas Einschätzung dazu will ich mal gar nicht anfangen - die war von der "Zwangsjacke" regelrecht entsetzt! Apropos Oma... ihre Meinung war - was sollte man anderes annehmen - "Man darf sich doch nicht zum Sklaven machen und muss das Kind auch mal schreien lassen!" So hat sie es damals tatsächlich praktiziert. 

Die Karp-Methode beinhaltet u. a. ein "weißes Rauschen" - mein Sohn schlief die ersten 10 Monate nur mit einem Staubsaugergeräusch ein. Mein Bauchgefühl hätte mir nie gesagt, dass Lärm beim Schlafen förderlich sein könne. Instinktiv hätte ich mein Baby sanft ausschweifend gewiegt - dass kurze, hochfrequente Bewegungen viel besser helfen - keine Intuition verriet mir das. Karps Methode veränderte unser Leben schlagartig - ebenso wie meine Einstellung zum Thema Bauchgefühl. Warum konnte ich mein Kind nicht "instinktiv" beruhigen? Warum musste ich die Methode aus einem Buch erlernen? Warum hatte mir mein Bauchgefühl nie gesagt, dass mein Kind einfach "nur" an Übermüdung und Überreizung litt? Ich hatte endlos Windeln gewechselt, gefüttert, abgelenkt - dabei war die Lösung in unserem Falle einfach nur Schlaf.

Schlaf! Der nächste Punkt. Mein Kind hasste schlafen. Eingeschlafen wurde niemals allein, aufgewacht regelmäßig. Ablegen lassen? Auf keinen Fall! Ich hatte wirklich das Gefühl, mein Kind sei irgendwie "kaputt" - alle anderen Kinder in der Krabbelgruppe schliefen natürlich länger, besser und überhaupt - bei denen war alles unkompliziert. Um so schlimmer war es für mich, dass mein Kind so gar nicht dem perfekten Baby entsprach - ich wollte so gerne auch ein pflegeleichtes Baby haben. Das friedlich in Omas Arm juchzt und sonst brav spielt und schläft. Offenbar machte ich also etwas falsch. Damals wusste ich nicht, dass diesbezüglich auch gerne mal über- oder untertrieben wird. Damals glaubte ich den anderen ganz arglos, was dazu führte, dass ich um Haaresbreite an einer postnatalen Depression vorbeirutschte. Ich verstand es einfach nicht - ich gab mir die größte Mühe und hatte dennoch ein permanent unzufriedenes Kind. Das Gefühl des Versagens war übermächtig.

Niemand hatte mir vorher gesagt, dass die Realität ganz anders aussehen kann. Wirklich niemand! In meiner Bekannt- und Verwandschaft gab es kaum Babys - und die wenigen, die es gab, entsprachen meinen eben genannten Vorstellungen - lieb, leise und gut schlafend. Und nicht ein Mensch erwähnte bisher auch nur irgendein Problem. Als ich der Versuchung widerstand meine vermeintliche Unfähigkeit durch Schweigen dazu zu verschleiern, erhielt ich reichlich guten Rat aus der Umgebung (wobei man sich eigentlich hätte fragen müssen, woher denn alle so gut Bescheid wissen, wenn sie die Probleme doch angeblich gar nicht hatten). In meinem Kopf schwirrten Aussagen wie "trage nicht so viel, das verwöhnt sie" oder "lass sie nicht bei dir schlafen, du kriegst sie nie wieder aus dem Bett" oder "stillen scheint nicht zu reichen, sie ist so unzufrieden - fütter mal lieber zu, nicht dass sie Hunger leidet" oder "langsam muss sie doch mal lernen, alleine einzuschlafen, ich kenne da ein tolles Buch".

Ganz offenbar machte ich also wirklich einfach etwas falsch - also begab ich mich auf Ursachenforschung und auf die Suche nach Lösungsansätzen. Durch den "Aha-Effekt" bei Karp inspiriert, begann ich mich durch die Ratgeberliteratur zu lesen - Largos "Babyjahre", "In Liebe wachsen" von Gonzales, "Kinder verstehen" von Renz-Polster. Nach und nach dämmerte mir, dass gar nicht mein Kind außergewöhnlich sei, sondern vielmehr meine Erwartungen. Ich verstand die Zusammenhänge, die grundlegende entwicklungspsychologischen Grundlagen und fragte mich, wie ich von so falschen Annahmen ausgehen konnte. Ich begriff, dass das Bauchgefühl, überhaupt nichts mit Instinkten oder Intuition  zu tun hat, sondern massiv von der Umwelt und meinen Eltern geprägt wurde.

In der Artikel-Reihe Die Erziehung unserer Großeltern und Eltern ist beschrieben, wie unsere Eltern erzogen wurden und wodurch sie beeinflusst waren. Diese Erziehung haben sie häufig auch bei uns umgesetzt - die meisten von uns wurden früh an Beikost herangeführt, schreien gelassen und bekamen ein Töpfchentraining. Nicht wenige haben auch Klapse oder Schläge bekommen - das war ein vor nicht allzu langer Zeit durchaus akzeptiertes Erziehungsmittel. Je mehr ich darüber nachdachte, wie ich erzogen wurde, desto mehr bröckelte mein Glaube an eine naturgegebene mütterliche Intuition. Wie kann (fast) eine ganze Generation planvoll nach Zeit- und Essensplan füttern, Kinder vorsätzlich schreien lassen oder hier und da einen Klaps verteilen? Wo waren denn da bloß die Instinkte? Hätten nicht sofort rote Warnleuchten signalisieren müssen, dass das Verhalten falsch ist? Frage ich meine Mutter zu dem Thema, sagt sie relativ unbeteiligt, dass man es damals eben so gemacht habe, wie man es "für richtig gehalten habe". Schließlich hätten das alle Ärzte empfohlen und alle anderen auch gemacht. Noch heute geht sie davon aus, dass es vollkommen in Ordnung ist, ein Kind aus Erziehungszwecken weinen zu lassen - ihr "Bauchgefühl" sagt, dass das eine geeignete Methode ist - schließlich habe das ja bei mir auch geholfen und schließlich sei aus mir auch was "geworden".

Endgültig bewiesen, dass mein persönliches Bauchgefühl für meine Erziehung nicht allein ausreicht, hat die Trotzphase. Wie jeder andere war ich vollkommen überrascht von der Heftigkeit der Wutanfälle. Meine Hilflosigkeit und mein Unvermögen adäquat darauf zu reagieren, haben mich verwirrt. "Instinktiv" habe ich mein Kind stehen gelassen und gesagt: "Bock doch, dann gehe ich ohne dich". Natürlich kam sie hinterher - unglücklich, verzweifelt, hilflos. Meine Mutter meinte: "Das ist genau richtig so" - was mich erst recht zum Nachdenken brachte. Ich schaute, was die Fachliteratur zum Thema Trotzen so hergab und las alles. Immer wieder fand ich ein interessantes Puzzlestück. Besonders hilfreich war für mich damals dabei "Das glücklichste Kleinkind der Welt" - von eben jenem Dr. Karp, dessen Methode uns die Babyzeit so enorm erleichterte. Ich verschlang das Buch wie alle anderen zuvor und fand einige wirklich richtig gute Ratschläge, die ich ausprobierte. Es fühlte sich komisch bis befremdlich an - ach, ich kam mir sogar lächerlich vor! Mein Bauchgefühl sagte "So ein Quatsch" - aber die Wirkung war verblüffend bis umwerfend. Die Intensität und Häufigkeit der Wutausbrüche nahm rapide ab - und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es fühlte sich so komisch an - niemals im Leben wäre ich intuitiv auf die Idee gekommen, so zu handeln - aber nachdem ich die theoretischen Zusammenhänge begriffen hatte, verstand ich auch, warum es wirkt. Auch wenn es immer heißt, dass die Trotzphase normal ist (mein Bauchgefühl fand wütende, fassungslos kreischende Kinder irgendwie nicht "normal") - unsere war seitdem quasi vorbei. Natürlich gab es auch bei uns gelegentlich Dissenzen, Dispute und Tränen, aber extreme oder ausufernde Situationen wie das Bodenwälzen im Kassenbereich gab es nie.

Einige Jahre später fragte man mich, warum wir denn hier im Blog Karp empfehlen, der sei doch gar nicht bedürfnisorientiert. Verwundert las ich dann noch mal das Buch und stellte fest, dass tatsächlich auch einige furchtbar manipulierende Ratschläge darin gegeben werden. Aus heutiger Sicht würde ich das Buch daher nicht mehr empfehlen - aber damals war es trotzdem für uns ein erster Schritt zu einer bedürfnisorientierten Elternschaft. Das, was mir heute im Buch sauer aufstößt, erschien mir damals vollkommen normal - ein Bauchgefühl hätte doch rebellieren müssen.
  
Jahre später schrieben Snowqueen und ich daher dann das wirklich ausschließlich bindungs- und bedürfnisorientierte Buch über die Trotzphase, das wir damals selbst gerne gelesen hätten - es ist eine wirklich tolle Zusammenfassung aus all den unzähligen Büchern zur kindlichen Entwicklung, die ich seitdem verschlungen habe.

Ich habe mich immer wieder mit dem Thema Bauchgefühl und Mutterinstinkt auseinandergesetzt und war überrascht, dass nicht wenige Wissenschaftler tatsächlich die Existenz eines naturgegebenen "Mutterinstinktes" bezweifeln. Der von mir sehr geschätzte Wissenschaftler und Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster geht davon aus, dass das, was wir für unser "Bauchgefühl" halten, auf "implizitem Lernen" beruht. Im Laufe unseres Lebens sammeln wir unterschiedliche Erfahrungen, haben vielfältige Erlebnisse, werden durch Gelesenes und Gehörtes beeinflusst und speichern alle Einflüsse der Umwelt im Unterbewusstsein ab. Wer also Babys in seiner Umgebung schreien sah, hat abgespeichert, welche Methoden und Strategien erfolgreich waren, um die Kinder zu beruhigen - wenn wir nun das eigene Kind beruhigen wollen, wenden wir unterbewusst das als erfolgreich erlebte Verhalten anderer an - ohne uns bewusst zu sein, dass das Gefühl "Ich scheine intuitiv zu wissen, wie es geht!" eigentlich nur das Ergebnis unserer Erfahrungen ist. 

Ich habe mich immer gewundert, warum beispielsweise der vermeintlich einfache Vorgang des Stillens so dermaßen problembehaftet ist. Die wenigsten Frauen würden sich vermutlich zutrauen, ohne jede Hilfe eines Fachkundigen ihr erstes Kind anzulegen. Man liest in Internetforen häufig von Ängsten und Unsicherheit, weil das Kind nicht "richtig" trinkt oder zu wenig zunimmt. Auch ich selbst hatte Probleme mit meinem extrem schlecht zunehmenden Sohn. Auch wenn man im Grunde weiß (und beim zweiten Kind sollte man das eigentlich), dass eigentlich so gut wie jede Frau stillen kann - unterbewusst schüren die Unkenrufe der Verwandtschaft wie "Das Kind wird nicht satt!" oder "Wann kriegt es endlich was Ordentliches?" Ängste, denen man sich nur schwer entziehen kann (worauf die Annahmen basieren, darüber mehr in diesem Teil unserer Reihe "Die Erziehung unserer Großeltern"). 

Sollte man nicht meinen, dass - wenn es denn einen "Instinkt" gäbe - dieser wenigstens beim überlebenswichtigen Stillen (die Natur kennt die Alternative der Pulvermilch ja nicht) reibungslos funktioniert? Offenbar kann man nicht instinktiv oder intuitiv stillen - Herbert Renz-Polster berichtet in seinem Buch "Menschenskinder" beispielsweise von Experimenten mit Affen dazu. Isoliert aufgewachsene Gorillaweibchen, die niemals gesehen haben, wie eine andere Affenmutter ihr Kind betreut, waren dort nicht in der Lage, sich rein instinktiv angemessen um ihr Kind zu kümmern. 

Eine Affenmutter beispielsweise schaffte es nicht, das Kind zum Stillen anzulegen - sie hielt den Hinterkopf an die Brustwarze. Das Kind musste ihr weggenommen werden, weil es sonst verhungert wäre. Bei einer weiteren Schwangerschaft bekam dieses Weibchen von anderen Gorillas gezeigt, wie diese ihre Kinder stillten - danach war sie in der Lage, auch das eigene Kind zu säugen. Renz-Polster schließt daraus, dass es keine wirkliche mütterliche Intuition gibt. Das, was wir mit unseren Kindern tun, ist vielmehr das Ergebnis von gesammelten Beobachtungen und Erfahrungen - also tatsächlich Erlerntes, kein Instinkt. Das erklärt auch, warum ich meinem schreienden Säugling so hilflos gegenüber war - ich hatte nie im Leben bei anderen wirklich beobachtet, wie man ein Baby "richtig" tröstet.

Affenfamilie

Ich glaube durchaus, dass es eine gewisse mütterliche Intuition gibt - nichts ist verlässlicher, als das Gefühl einer Mutter "es stimme etwas nicht" mit ihrem Kind. Ich glaube auch, dass es einen Mutterinstinkt gibt, der uns über uns hinaus wachsen lässt, wenn es um den Schutz unserer Kinder geht - die Auslösung dieses Mutterinstinktes nach der Geburt ist auch hormonell nachweisbar. 

Ich glaube aber mittlerweile nicht mehr, dass es ein natürliches Bauchgefühl gibt. Denn dieses Bauchgefühl setzt sich offenbar maßgeblich aus unterbewussten Einflüssen und Erfahrungen zusammen, daher haben viele Mütter das Gefühl, automatisch zu wissen, was zu tun ist und halten es für einen naturgegebenen Instinkt. Doch das funktioniert leider nur einfach und problemlos, wenn man eine entsprechend liebevolle Kindheit hatte und viele positive Erfahrungen sammeln konnte. Doch wessen Erziehung nach den damals üblichen Umwelteinflüssen ("Schreien stärkt die Lungen") erfolgte und wer wenig Kontakt im Leben mit Babys oder Kleinkindern hat, dem fehlt dieser Wissensschatz. Daher ist ein pauschaler Appell an das Bauchgefühl nicht hilfreich - es verstärkt allenfalls bei den Müttern, die nicht über eine so für andere scheinbar selbstverständliche Fähigkeit verfügen,  das Gefühl, offenbar teilweise schlicht unfähig zu sein. Wenn der "Mutterinstink" tatsächlich ein naturgegebener Instinkt wäre, dann würden alle Frauen darüber verfügen.

Selbst wenn man umfangreiche und positive Erfahrungen in Bezug auf die Erziehung und Betreuung von Babys und Kleinkindern sammeln konnte und es einem leicht fällt, (vermeintlich) rein intuitiv zu erziehen, halte ich es für schwierig sich allein auf sein "Bauchgefühl" zu verlassen. Man sollte keinesfalls unterschätzen, wie sehr dieses auf unterschwelliger Beeinflussung durch die Umwelt beruht. 

Wie viele Mütter sind der Meinung, ihr Kind habe ein Schlafproblem, nur weil es mehrfach nachts aufwacht und die mütterliche Nähe sucht? Wie viele Mütter sorgen sich, weil das Kind vermeintlich schlecht isst? Wir alle unterliegen ständig externen Impulsen, die sich auf unsere Erwartungen an unser Kind auswirken und die unsere Erziehung (in der Regel unbewusst) beeinflussen. Leider sind sehr viele davon auch negativ - ohne dass wir es merken.

Ein kleiner Test dazu? Welcher dieser Aussagen würdest Du intuitiv sofort zustimmen:

Kinder, die nicht hören oder sich schlecht benehmen, wurden zu wenige Grenzen gesetzt.

Um Kindern Grenzen zu setzen sollte man logische Konsequenzen einsetzen. 

 Bei der Erziehung ist vor allem Konsequenz wichtig - sobald Kinder merken, dass man den kleinen Finger haben kann, wollen sie die ganze Hand.

Bei der Erziehung ist es ist wichtig, dass Kinder die Autorität Erwachsener anerkennen.

Man muss nicht immer alles erklären, Kinder müssen auch einfach mal hören, nur weil es die Eltern sagen.

Eine Erziehung, bei der die Kinder gleichwürdig sind, kann nicht funktionieren.

Loben steigert das Selbstbewusstsein des Kindes.

Teilen lernen sollte man aktiv fördern. 

Belohnungen sind ein gutes Mittel, die Motivation von Kinder zu steigern.

Auszeiten eignen sich sehr gut, um erhitzte Gemüter abzukühlen.

Ich stimme - obwohl ich das aus meinem "Bauchgefühl" heraus früher teilweise durchaus getan habe - mittlerweile keiner dieser Aussagen mehr zu. Mehr dazu kannst Du in unseren Artikeln über das Teilen, Auszeiten, das Loben und logische Konsequenzen lesen.

© Danielle



24 Kommentare:

  1. ja nu - is klar, wer vorher GAR NIX von kindern und erziehung gehört hat, gelesen hat und nie kontakt zu anderen mit kindern hatte (einödhof im berner oberland, impf-frei...), der ist ohne buch aufgeschmissen wie die gorilla-dame :-) logisch.

    nun lebt der mensch ja von ERFAHRUNGEN, die du offenbar vor dem ersten kind nicht gemacht hattest, aber dann nachgeholt hast. entweder eigene erfahrungen, oder gutes zuhören beim schildern anderer erfahrungen (buch lesen...)

    in summe ist es wichtig, DASS man es weiß, nicht WOHER man es weiß. und dass man das RICHTIGE weiß. klar, wenn man fernsehsendungen auf SAT oder RTL schaut, wäre ein buch schon gut....

    aber nicht jeder lebt in der welt der privatfernsehprogramme. mit dem einzigen buch im haus - der bedienungsanleitung des TVgerätes.

    wichtig ist, dass menschen, die keinerlei erfahrungen (eigene..) haben, die RICHTIGEN buchtips bekommen, oder den richtigen "umgang".

    damit ist der blog hier gemeint, die erwähnten bücher, sogar noch einige mehr, und überhaupt - das VERBREITEN der richtigen infos, gegen den storm der SAT/RTL-infos.

    weiter so! nur durch information ändert man die welt. oder die erziehung :-)

    greta

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    1. Ist es denn nicht nur "ja nu - is klar" sondern auch "ja - nu is klar" ;-)?

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  2. Toller Artikel. Habe ich ähnlich erlebt. Danke!!

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  3. Tausend Dank für diesen wunderbar offenen und ehrlichen Beitrag! :-) Auch ich habe es ähnlich erlebt, dachte immer "Ich wurde doch regelrecht geboren, um Mutter zu sein, das klappt mit links" und bin gerade in den ersten 4 Monaten mit meinem 24-h-Baby oft verzweifelt; und auch, wenn ich meinen Popelprinzen nicht mehr hergeben würde, hätte manchmal sogar am liebsten die Zeit zurückgedreht, um mich davon abzuhalten oder zumindest um mir selbst zu sagen: "Mach dich auf was gefasst! Das Kind schreit von morgens bis abends! Schlaf JETZT noch mal und koche auf Vorrat, so wie du es geplant hast!" (und so viel mehr, sei es der Ablauf der Geburt, der Anfang und das viel zu frühe Ende des Stillens... ich hoffe, meine Erfahrung dann beim zweiten nutzen zu können!). Wie oft ich Dr. Karp für sein Buch gedankt habe - ich kann es nicht sagen! Auch jetzt, wo er schon viel ruhiger geworden ist, gibt es oft Situationen, wo ich mir denken "Meine Güte, was mach ich bloß falsch?" und an meinen Mutterqualitäten zu zweifeln beginne. Da tut es gut zu lesen, dass man nicht alleine ist mit seinen Sorgen und dass es nicht nur durchschlafende dauerglucksende Sonnenscheinkinder gibt. :-)
    Liebe Grüße,
    Tina
    PS: Mein Stapel an Literatur zum Thema wächst auch geradezu stündlich. Meine Wunschliste minütlich. ;-)

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    1. Liebe Tina,

      herzlichen Dank für Deinen Kommentar! Mit dem Stillen ging es mir auch ähnlich - die Große wurde eher unabsichtlich durch eine Abendflasche mit 7 Monaten abgestillt - mein kleiner Sohn wird mit 20 Monaten noch immer gestillt - allerdings fordert er das gerade so vehement ein, dass ich mich auch frage, ob das so gut und richtig ist oder ob ich jetzt in die andere Richtung versage. Nach allem, was ich gelesen habe, möchte ich Dir "Liebe und Eigenständigkeit" von Alfie Kohn empfehlen (findest Du in unseren Buchempfehlungen in der 3. Reihe auf dem 3. Platz) - das ist das Buch, das mich am meisten inspiriert und bewegt hat. Alles Gute für Euer zweites Kind!

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    2. Nun - immerhin 7 Monate! Bei uns waren es nur 5 Wochen. Und auch, wenn ich es nicht unbedingt bereue (so wie es war, war es zum scheitern verurteilt), bedaure ich es doch sehr - zumal ich die meisten "Probleme" hätte vermeiden können, wenn ich mich auf das verlassen hätte, was ich mir in der Schwangerschaft schon angelesen und vorgenommen hatte - aber dann kommt eine Hebamme und sagt was anderes und schon lässt man sich verunsichern (und der Alltag, der all' die guten Vorsätze zunichte macht). Wie auch immer, rückgängig machen kann man es nicht, über Relaktation habe ich lange nachgedacht und mich dagegen entschieden, mit der Hoffnung, dass ich mein "Langzeitstillerfahrung" noch bekomme. :-)
      Nun denn, genug gequatscht, eigentlich wollte ich dir nur für den Buchtipp danken, ich wollte es eigentlich auf meine Wunschliste setzen, hab es dann aber doch sofort bestellt - mein Konto schimpft schon wieder. ;-)
      Also dann, ich lese weiter hier mit, ob nun still (wie schon seit einigen Monaten) oder mit Kommentaren! :-) Weiter so!
      Ganz liebe Grüße!

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  4. Anlässlich des heutigen Artikels "Bauchgefühl verzweifelt gesucht!" auf dem Hebammenblog habe ich euren Artikel zum Thema noch einmal herausgesucht und dort in einem Kommentar verlinkt: http://www.hebammenblog.de/bauchgefuehl-verzweifelt-gesucht/#comment-46259

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  5. Mir ging es genauso. Wenn ich diesen Artikel vor 3,5 Jahren gelesen hätte, hätte ich mich vermutlich nicht ganz so unfähig gefühlt. Ich dachte auch, ich bekomme das schon hin, ich kam ja immer gut klar mit Kindern. Meine Vorstellungen von einem friedlich glucksenden Kind waren völlig falsch!Ich wurde schon im Krankenhaus total verunsichert. Dort wurde mir u.a. auch gesagt, ich solle auf mein Bauchgefühl hören. Bauchgefühl? Wie sollte ich ohne Erfahrung ein Bauchgefühl haben? Ich war auch der Meinung, dass das nicht vom Himmel fällt, sondern sich durch Erfahrung entwickelt. Woher soll ich wissen, ob ich ein Neugeborenes zum Stillen wecken soll oder nicht? Jedenfalls wurde eigentlich alles so, wie in deinem Artikel beschrieben (wenig Schlaf, Still-Probleme, Action den ganzen Tag, etc.). Nachdem ich inzwischen viele Bücher gelesen habe, weiß ich, dass es 24-Stunden-Babys genauso gibt wie Babys, die fast den ganzen Tag schlafen. Und es war nicht mein Fehler! Hätte ich es vorher gewusst, hätte ich mich vermutlich nicht so verrückt gemacht und nicht so an mir gezweifelt.

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  6. Das ist wirklich ein interessanter Artikel. Ich hab auch immer den Ratschlägen "hör auf dein Bauchgefühl" zugestimmt. Bei mir hat es mit Intuition auch geklappt. Ich lese jetzt vermehrt Fachliteratur, weil es mich interessiert und stoße trotzdem auf Denkansätze die ich allein durch Intuition nicht gehabt hätte. Ich stimme dir also zu :) Das Beispiel mit der Gorilladame werde ich mir auf jeden Fall merken.
    Ich dachte eigentlich auch immer das Mütter (die selbe eine normale kindliche Enwicklung und soziale Reife haben) ihre Kinder nicht intuitiv schreien lassen. Das kann aber daran liegen, dass in meinem Umfeld der Tipp "Lass es doch Schreien" nur von Männer kam. Meine Mutter erzählte mir, dass ihr kleiner Bruder öfter als Baby schrie, ob er ein Schreikind war weiß ich nicht aber er war halt nicht so "pflegeleicht" wie meine Mutter. Wenn er nachts schrie hat mein Großvater meiner Mutter mit dem Worten "Du bleibst liegen!" verboten zu ihrem Sohn zu gehen.
    Wenn jetzt Leute kommen mit "Aber aus uns ist doch auch was geworden" Nenne ich immer dieses Beispiel. Weil aus meinem Onkel nämlich kein vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft geworden ist (das das wahrscheinlich nicht allein mit dem Schreien lassen zu tun hat ist mir natürlich klar aber wer mit so einfache Argumente bringt bekommt auch simple Gegenargumente...).

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  7. Danke danke danke!! Mein Sohn ist 4 Monate alt und ich fühle mich wie ein Depp - denn scheinbar sind alle anderen Babys super unkompliziert. Das Buch Kinder verstehen lese ich aktuell und es öffnet mir auch die Augen. Und ich frage mich weshalb mir niemand geraten hat in der schwangerschaft schon mal etwas Theorie zu lesen. Immer hieß es: hör auf dein bauchgefühl.
    Und wenn man von seinen sorgen erzählt wird man angeschaut als hätte man den Verstand verloren.
    Über die zukünftigen Entwicklungsschritte werde ich mich jedenfalls schon vorher informieren

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  8. Das Buch "das glücklichste Baby der Welt" hat mich damals gerettet!
    Ein toller Artikel!
    Liebe Grüße
    Miriam

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  9. Hallo, ich muss dazu sagen das ich immer erstmal auf meine Intuition/Bauchgefühl höre und das obwohl ich nie nie nie Kinder haben wollte (obwohl ich heute gar nicht mehr weiß warum) ......
    mein kleiner "Unfall " ist mittlerweile acht Monate alt. Wir hatten auch Koliken und er konnte auch nie alleine einschlafen , im Moment übrigens wieder nicht ...
    stillen konnte ich übrigens ohne das es mir jemand erklärt hätte ,als die Schwestern es mir im kh beider stillberatung zeigen wollten wie es denn richtig geht klappte alles schon hervorragend . Weil ich allein meinem Instinkt gefolgt bin.
    Natürlich lese ich auch Ratgeber oder diese wirklich schöne informative seite und tausche mich mit anderen Müttern aus das sollte man denke ich auch tun um mal weitere Denkanstöße zu bekommen:)
    allerdings vergleiche ich mein Kind nicht ständig mit anderen das entspannt ungemein es hat sein eigenes Tempo und das soll auch so sein ich lass mich da nicht unter Druck setzen warum er dieses oder jenes noch nicht kann... und ungefragte Meinungen von Leuten die meinen sie müssten sich in meine Erziehung einmischen prallen an mir ab. Wenn ich einen Rat hören will frage ich nach!
    Fazit also liebe Mamis setzt euch nicht so unter Druck informiert euch aber hört auch auf eure Intuition ihr kennt eurer Kind doch am allerbesten:)
    Sorry für so viel Text :)
    Liebe Grüße

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  10. Liebe Danielle,

    mir tut dieser Beitrag ebenfalls sehr gut, da ich mich auch lieber informiere, als einfach nach Bauchgefühl zu handeln, und deshalb öfter mal "verkopft" genannt werde. Das klingt manchmal etwas abfällig; dabei ist der Kopf bzw. der Verstand doch so hilfreich!

    Ich finde es plausibel, dass das "Bauchgefühl" im Grunde durch Erfahrung und/oder Wissen entsteht, das man nicht bewusst, aber blitzschnell auf die aktuelle Situation anwendet. Denn es trifft auf viele unserer Kompetenzen zu, dass man sich nicht mehr erinnern kann, wo und wie man sie genau erworben hat - genau so ist es wohl mit dem Bauchgefühl auch.

    Und wenn man diesen Ansatz vertritt, warum sollte man mit dem Lernen ausgerechnet dann aufhören, wenn man das Kind da ist, also wenn man das Wissen um Baby- oder Kinderpflege am allerdringendsten braucht? Auch wenn man mit dem Bauchgefühl scheinbar gut fährt, finde ich, es gehört dazu, auch mal Dinge zu hinterfragen. Denn nicht immer laufen Dinge wirklich gut, nur weil sie augenscheinlich funktionieren.

    Zu dem Beispiel mit der Gorilla-Dame möchte ich aber noch sagen, dass sie sich ja immerhin um ihr Kind gekümmert hat und es sogar angelegt hat - wenn auch falschrum. Da war doch jenseits der Erfahrung ein gewisser Mutterinstinkt am Werk. Ich stimmt daher nicht mit Renz-Polster überein, wenn er folgert, es gäbe gar keinen Mutterinstinkt.

    Danke für diese Stärkung und die wertvollen Argumente!

    Libby

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    1. Wenn wir gestillt wurden, können wir mit Leichtigkeit stillen, wenn wir geliebt wurden, können wir großzügig lieben, wenn wir viel bekommen haben, können wir viel geben, wenn wir umsorgt wurden, können wir ohne Bücher umsorgen.
      Die armen Gorillas wurden missbraucht, ihr Instinkt war daher brutal beeinträchtigt.
      Wir alle sind in Einsamkeit aufgewachsen, brauchen daher Ratgeber.

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  11. Vorweg: Deutsch ist nicht meiner Muttersprache, also Verzeihung in voraus für alle Fehler. Ich finde es nur wichtig zu erwähnen: Instinkt und Bauchgefühl sind zwei verschieden Sachen. Das erste hat eher was mit Biologie und Evolution zu tun, das zweite (wie so schön in Artikel erwähnt) mit Erfahrung. Das uns der Leistungsduck und das streben nach Perfektion der Gesellschaft dazu verleiht beide Begriffe zu vermischen und in deren Bedeutung das patent Rezept für Erziehung, oder auch die Erklärung für das gefühlte versagen in unseren Handeln mit eigenen Kinder zu finden, ist zu einfach. Kinder kriegen und erziehen ist wie so vieles andere in Leben eine Mischung zwischen das was die biologie uns erlaubt und das was wir gelernt haben, man wird fehler machen und daraus lernen, es wird nicht perfekt sein aber auch das ist in ordnung, leben ist halt nicht makellos. Daher finde ich die antwort sollte heißen: manchmal reichen Intuition und Bauchgefühl für die Erziehung, manchmal eben nicht, so oder so wird man "Fehler" machen, also sollte es nicht an der Zeit sein, das streben auf das non plus ultra weg zu lassen?

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  12. Liebe Danielle,

    Was ich nicht so ganz verstehe.. du empfiehlst das Buch "Das glücklichste Kleinkind der Welt" von Dr. Karp. Ich habe es selbst nicht gelesen.. allerdings wird es teilweise auf Amazon sehr kritisch bewertet. Da schreiben Menschen, dass Dr. Karp gar keine bedürfnisorientierte Sicht auf das Kind hat, sondern im Gegenteil zum Konditionieren aufruft. Er arbeitet mit Methoden wie Lob und Belohnung (Hand markieren und eine Runde mit dem Kind spielen als Belohnen). Es geht laut Aussage der Bewerter um Gehorsam (also darum die Wutanfälle in der Autonomiephase zu unterbinden? ..frage ich mich). Aber das passt doch gar nicht mit eurem bedürfnisorientiertem Ansatz in eurem Blog und eurem Buch zusammen. Oder? Würdest du mich da mal aufklären? Ich hatte kurz überlegt, das Buch von Dr. Karp zu lesen, nachdem du ja geschrieben hattest, dass es euch so geholfen hat und das Kind keine Wutanfälle mehr hatte (Wirklich?). Aber Wutanfälle gehören doch dazu... es kommt doch eher darauf an, wie wir damit umgehen. Auch so schreibt ihr es in eurem Wunschkind- Buch. Ich verstehe gerade nicht, wie das zusammenpassen soll....

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    1. Liebe Meike,

      dieser Artikel ist schon ein paar Jahre alt - in ihm beschreibe ich unseren Weg, der auch über beide Bücher von Karp führte. Damals war ich (leider) noch nicht allzu bedürfnisorientiert, sondern eher klassisch erziehend. Karp war einer der ersten, die diesen Weg eröffneten, indem er schrieb, dass Trotz keine Manipulation ist, sondern der Gehirnentwicklung geschuldet. Und so gingen wir Schritt für Schritt weiter.

      Es stimmt, es steht acuh einiger Mist in dem Buch (das werde ich hier auch noch mal deutlich dazu schreiben, danke, dass Du mich darauf hingewiesen hast!) aber es stehen eben auch ganz viele geniale Dinge drin, die wirklich funktionieren - nicht im Sinne von Manipulieren, sondern von "den Wutanfall so begleiten, dass das Kind sich angenommen fühlt". Das meinte ich mit "keine Wutanfälle mehr hatte" - sie ließen sich schnell beruhigen und arteten nicht mehr in ewigem Geschrei aus.

      Liebe Grüße
      Danielle

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  13. Danke schön, liebe Danielle. Jetzt verstehe ich es besser in diesem Zusammenhang!

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  14. Eure Artikel sind wirklich immer toll! Ich lese sehr gerne auf eurer Seite.

    Mein Sohn kam vor noch nicht ganz einem Jahr per Kaiserschnitt zur Welt - und auch ich habe von Anfang an auf mein "Bauchgefühl" gehört. Wahrscheinlich geprägt durch mein Umfeld, wobei ich nicht wirklich viele Freundinnen mit Kindern um mich hatte. Alle haben mich vor einem KS gewarnt und gesagt was das für Probleme mit dem Stillen geben kann etc. etc.

    Für mich ist und war das Stillen das natürlichste der Welt und so kam es, dass ich meinen Sohn (auf anraten der Hebamme) nach dem KS das erste Mal ansetzte und er sofort korrekt andoggte und trank.. wir stillen immer noch regelmässig und fast überall wenn nötig und hatten nie Probleme.

    Vielleicht hat es mir auch geholfen, dass ich mich vor der Geburt bereits ins Artgerecht Buch eingelesen habe und so schon einige Dinge über die kleinen Wesen gelernt habe und daher schon mal gut vorbereitet und gewappnet war.

    Ich denke auch, dass es ohne Literatur und Vorbildern nicht geht - aaber ich denke auch, dass wir uns doch irgendwie, irgendwo auf unser Bauchgefühl verlassen können - auch wenns nicht der Urinstinkt ist, sondern von äusseren Einflüssen, unserer Erziehung etc. herbeigeführt wurde - es ist und bleibt dennoch unser Bauchgefühl.

    Es gibt doch Dinge die fühlen sich für einem instinktiv richtig und logisch an - für mich z.B. das Tragen und das BLW, klar aufs Tragen kam ich dank einer guten Freundin (schon vor der Geburt) und über BLW las ich per Zufall einen Artikel und beides erschien mir irgendwie einfach logisch und auch beim drüber nachdenken - so ursprünglich und "urmenschlich".

    Jetzt bin ich etwas vom Thema abgekommen, aber ich wollte einfach auch mal einen Kommentar da lassen und mich für eure tolle Seite bedanken!

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  15. Liebe Danielle,

    ich finde es auch wunderschön, dass man sich Inspiration aus der Literatur oder wie hier aus dem Blog holen kann.
    Aber das Bauchgefühl besteht für mich nicht nur aus gelernten Erfahrungen.

    Ich weiß ja zumeist, was mir als Kind gut getan hat und was mir nicht gut getan hat. Und ich versuche, mich darauf zu besinnen und es in den Alltag mit meinen Kindern zu übertragen. Letztendlich lässt sich das auch auf Babys übertragen. Wenn ich zum Beispiel als Kind in meinen Gefühlen ernst genommen werden wollte und mich beim Satz "Stell dich nicht so an" sehr ungerecht behandelt fühlte, kann ich auch die Gefühle eines Babys ernst nehmen und ihm viel Nähe geben.
    Und letztendlich lebt die Kommunikation mit dem Kind ja davon, dass ich versuche, mich in es hineinzuversetzen und seine Sichtweise zu verstehen.

    Natürlich habe ich als Basis, doch auch andererseits viele positive Erinnerungen an meine Kindheit zu haben. Wenn die negativen Seiten stark überwiegen würden, wäre diese Orientierung wahrscheinlich schlecht möglich.
    In diesem Rahmen und unter diesen Voraussetzungen möchte ich eine Lanze fürs Bauchgefühl brechen. Wenn ich in mich hinein höre, merke ich schon, ob ich mich in einer Situation mit mir im Reinen fühle oder ob es irgendwo in der hintersten Ecke - ja, Bauchschmerzen bereitet.

    Euch alles Gute und herzliche Grüße
    Kerstin

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  16. Wenn ich das nur früher gewusst hätte....
    Gottlob stehen meine Jungs (42,44) trotz Lobens auf soliden Füßen. Ich selbst (71) muss allerdings zugeben, dass ich vieles geleistet habe, um irgendjemand zu gefallen. Frage: was motiviert uns sonst eigentlich, unseren Kram durchzuziehen? Stolz? Selbstwert? Arbeitgeber? Partner?
    Bei allem Wissen um Erziehungsmethoden sollten wir als Erziehende auch darauf achten, uns als das, was wir sind zu gebärden und nicht als das, was wir gelesen oder gelernt haben.
    Allen aktuell Erziehenden viel Erfolg und starke Nerven..... ist heute nicht mehr einfach!

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    1. "Bei allem Wissen um Erziehungsmethoden sollten wir als Erziehende auch darauf achten, uns als das, was wir sind zu gebärden und nicht als das, was wir gelesen oder gelernt haben." Da haben Sie einen ganz wichtigen Satz geschrieben - ganz genau. Wir dürfen uns nicht verstellen, das würde unsere Kinder total verwirren. Aber wir können natürlich unser angelerntes Bauchgefühl durch neues Wissen verändern, wenn klar ist, dass die alten Methoden Schaden angerichtet haben (jetzt nicht so sehr das Loben, sondern andere Methoden). Und wenn man das verinnerlicht hat, wirkt man beim Erziehen auch nicht mehr hölzern oder unecht.
      Was das Loben angeht: Haben Sie denn die Sachen für das LOB desjenigen gemacht, oder weil Sie denjenigen gern hatten und ihm eine Freude bereiten wollten? Das ist ein Unterschied, finde ich. Beziehung ist ein großer Motivator. Wenn meine Schülerinnen und Schüler in der Schule mich mögen, dann lernen Sie mit mir und für mich viel mehr, als wäre ich eine unbeliebte Lehrerin, die viel lobt oder Gummibärchen als Belohnung verteilt.
      Liebe Grüße!

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  17. Vielen Dank für den obigen Artikel.
    Weil ich mich mit dem demokratischen und partnerschaftlichen Umgang in Familien beschäftige und seit 30 Jahren viel dazu gelernt habe bin ich als Mann in den letzten Wochen von Müttern auf das Bauchgefühl aufmerksam geworden.
    Nach intensiven Suchen im Internet habe ich Ihren Artikel oben gefunden und schnell erkennen können was das Bauchgefühl eigentlich ist. Vor allem kann ich jetzt die Reaktionen von Müttern auch meine Angebote noch besser verstehen.
    Viele setzen tatsächlich ihre Erfahrungen bei ihren Kindern ein, wenn sie zum ersten Mal mit Verhalten der Kinder konfrontiert werden, die sie nicht kennen. Genau das macht sie unsicher, weil sie nicht wissen, aus welcher Ursache heraus die Kinder sich verhalten und wie sie die Welt sehen.
    Bei dem Versuch dafür einfühlsam beobachten und zuhören zu nutzen stoße ich auf großen Widerstand. Natürlich klingt das zunächst theoretisch, weil es für sie neu ist.
    Man sagt mir, das brauche man nicht und meint, das Bauchgefühl ist ausreichend.
    Durch ihren Artikel allerdings erfahre ich, dass das nicht so ist. Sie liefern auch ein interessantes Beispiel dafür. Allerdings ist das nur auf Kleinkinder bezogen.
    Über Ihren Hinweis auf eine „Umfrage von Eltern.de“ habe ich weiter im Internet folgendes gefunden:
    Erfolgreiche Erziehung braucht mehr als das Bauchgefühl von Melanie Schüer in:
    https://www.elternleben.de/elternwissen/kleinkind/erziehung-und-bildung/die-sache-mit-dem-bauchgefuehl-erziehung-und-intuition/
    und
    Nachteile von Strafen von Melanie Schüer in:
    https://www.elternleben.de/elternwissen/kita-kind/erziehung-und-bildung/strafe-muss-sein-warum-strafen-in-der-erziehung-wenig-taugen/#c14902

    Damit konnte ich Ihre Ausführungen auf ältere Kinder bezogen ergänzen.

    Insgesamt bin ich auch der Meinung, dass die frühere Erziehung nicht effektiv war. Aber auch meine Eltern haben es nicht besser gewusst. Wenn man aber heute noch den gleichen Standpunkt vertritt, habe ich auf Grund meiner Erfahrungen eher Bedenken.
    Ich bin dankbar dafür, dass ich unter Anderem die Familienkonferenz von Thomas Gordon kennenlernen und manches während meiner gelegentlichen Kinderbetreuung als Rentner weiterentwickel konnte.

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