Was ist der Unterschied zwischen Wünschen und Bedürfnissen?


Letztens hatte ich am Morgen ein sehr interessantes Erlebnis mit meinem zweijährigen Sohn. Er verweigerte plötzlich wirklich alles. Ich durfte ihm nicht den Schlafanzug ausziehen, nicht die Zähne putzen, keine neue Windel ummachen, ihm keine Sachen anziehen. Er lief die ganze Zeit vor mir weg und schrie sehr laut und vehement "Nein!" Auch das Frühstück wurde konsequent abgelehnt. Als es Zeit war, zur Kita zu gehen und ich mit seinen Schuhen und seiner Jacke zu ihm kam, versteckte er sich sogar hinter unserem Lesesessel und rief weiterhin laut "Nein! Nein! Nein!" 

Von außen betrachtet war es ein klassischer Trotzanfall eines Trotzkindes in der Trotzphase. Man hätte durchaus meinen können, er würde "seine Grenzen testen" und gucken, wie weit er gehen darf. Da ich an diese Grenzen-Testen-These nicht glaube und ihn besser kenne, war mir bald klar, dass hinter seiner Weigerung ein echtes Bedürfnis steckte, das ich herausfinden und erfüllen musste. Ich wartete also ein wenig ab, denn ich hatte noch einen guten  Zeitpuffer. Wenn ich eins mit drei Kindern gelernt habe, dann dass genügend Zeit eigentlich 90% aller Probleme löst. So war es auch diesmal. Irgendwann kam er hinter dem Lesesessel hervor, kuschelte sich an mich und flüsterte in herzzereißendem Ton: "Hause bleim!" Als ich bedauernd sagte, ich müsse doch zur Arbeit, schlug er vor "Ich Mama helfe Arbeit! Ich mit!". Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Er wollte mich davon abhalten, ihn zur Kita zu bringen. Er wusste, dass eine Bezugserzieherin krank war und eine etwas kühlere Vertretung,  zu der mein Sohn noch keine Bindung aufgebaut hat, an ihrer Stelle die Gruppe übernommen hatte.

Kind spielt nur mit Windel bekleidet


Diese Erkenntnis ließ mich nachdenken über Bedürfnisse, Wünsche und Strategien, um diese erfüllt zu bekommen. Herr Friedlichs Bedürfnis war, den Tag mit einer Bindungsperson zu verbringen. Da seine Bindungsperson in der Kita nicht anwesend war, hatte er daher den Wunsch, zuhause zu bleiben oder auch mit mir zur Arbeit zu gehen, denn ich bin ja seine liebste Bindungsperson. Seine Strategie, das zu erreichen war, sich den Dingen zu verweigern, die Fixpunkte auf dem Weg nach draußen sind: Anziehen, neue Windel, Zähne putzen, Frühstück. Vermutlich dachte er, wenn dieser Programmablauf nicht passiert, kann ich unmöglich mit ihm losgehen.

Häufig sehen wir Eltern nur die Strategien unserer Kinder und werden sauer. Es ist ja auch wirklich ärgerlich, wenn ein zweijähriger Dreikäsehoch zu allem und jedem Nein sagt und so die gesamte Morgenroutine torpediert. Wenn man dann als Elternteil wirklich dringend los muss, dann bleibt im Alltag oft keine Zeit, um tiefer zu forschen und zu erkunden, welches Bedürfnis hinter der Strategie steckt. Manche Eltern sind sich nicht einmal bewusst, dass da überhaupt ein Bedürfnis im Hintergrund steht. Dann werden Erklärungen wie "Er will nur testen, wer der Herr im Haus ist", "Er möchte seine Grenzen aufgezeigt bekommen" oder "Er will seinen Willen durchdrücken" bemüht, um das Verhalten der Kleinen zu interpretieren.

Viele von uns Eltern schaffen es schon, hinter dem Verhalten ihres Kindes den Wunsch zu erkennen. Das ist ein großer Schritt vorwärts, denn damit gibt es immerhin einen nachvollziehbaren Grund für uns Großen. Wer kennt nicht den Gedanken, nicht zur Arbeit zu wollen? Wir können uns also mit ihrem Wunsch, nicht zur Kita zu müssen, identifizieren und das stimmt uns im Hinblick auf ihre - für uns anstrengende - Strategie milder.

Manchmal können wir die Wünsche anderer jedoch nicht nachvollziehen, weil wir sie selbst nicht haben. Dann ärgern wir uns weiterhin. Manchmal richtig doll. Ein Cafébesitzer zum Beispiel, der ein "Kinder verboten!" Schild an die Tür hängt, bekommt Zustimmung von denjenigen, die seinen Wunsch nach Ruhe verstehen und vehementen Gegenwind von denen, die finden, Kinderlärm störe doch überhaupt nicht. So läuft das auch bei Eltern und Kindern. Ist uns der Wunsch unseres Kindes selbst fremd, reagieren wir genervter auf die Art und Weise, mit der er geäußert wird, als wenn wir ihn nachvollziehen können.

Hinter sehr vielen Wünschen stehen echte Bedürfnisse, die denjenigen, die diese Wünsche äußern, meist jedoch gar nicht bewusst sind. Eine Mutter, die ihre Kinder annörgelt, weil diese Tag für Tag ihre Jacken achtlos in der Wohnung auf den Boden fallen lassen, statt sie an den Haken zu hängen, hat vordergründig den Wunsch nach mehr Ordnung. Sie mault oder schimpft so lange, bis die Kinder entnervt ihre Jacken nehmen und diese aufhängen. Das wirkliche Bedürfnis der Mutter ist aber die Wertschätzung ihrer Arbeit. Sie möchte, dass ihre Kinder sehen, dass sie mit Mühe die Wohnung ordentlich und sauber hält und sie diese Arbeit würdigen, indem sie selbst darauf achten, nicht zu viel zusätzliche Unordnung zu schaffen. Da sie sich ihres wirklichen Bedürfnisses nicht bewusst ist - die wenigsten von uns haben gelernt, eigene Bedürfnisse sicher zu erkennen - wählt sie eine nicht zielführende Strategie, nämlich die des Nörgelns. Sie erreicht damit zwar, dass ihr Wunsch nach Ordnung widerwillig erfüllt wird, da ihre Kinder nach ihrer Schimpftirade die Jacken dann maulend aufhängen. Doch ihr echtes Bedürfnis, die Wertschätzung ihrer Arbeit, bleibt unberücksichtigt. Deshalb fühlt sie sich nicht besser, auch wenn die Jacken endlich hängen. Sie ist weiter unzufrieden. Die Kinder konnten möglicherweise ihren Wunsch nach Ordnung nicht nachvollziehen - sie haben vielleicht eine andere Toleranzgrenze, was Unordnung angeht. Sie haben nun aber schlechte Laune, weil sie von ihrer Mutter so angenörgelt wurden und reagieren wiederum auf sie gereizt und patzig. Dies ist kein weltfremdes Szenario - so etwas passiert tagtäglich in vielen Haushalten auf der Welt. Wäre sich die Mutter ihres echten Bedürfnisses bewusst gewesen, hätte sie vielleicht eine völlig andere Strategie zur Erfüllung gesucht.

Unordnung


Eine Möglichkeit wäre, sich eine Putzfrau zu nehmen. Dann wäre die Mutter nicht mehr für die Ordnung verantwortlich gewesen und es hätte nicht mehr ihr Bedürfnis nach Wertschätzung ihrer Arbeit tangiert, wenn die Kinder die Jacken fallen lassen. Sie hätte aber auch offen ansprechen können, was sie bedrückt. Hätte sie ihren Kindern (ohne Vorwurf in der Stimme) gesagt: "Ich gebe mir wirklich Mühe, dass unsere Wohnung ordentlich ist, aber ich habe das Gefühl, ihr seht gar nicht, wie viel Arbeit das ist. Ich fühle mich wie eure Dienerin, wenn ihr eure Jacken einfach so auf den Boden werft. Ich wünschte, ihr würdet daran denken, sie aufzuhängen.", hätten diese ihr Problem möglicherweise besser nachfühlen können. Wer hat schon gern den undankbaren Job des Aschenputtels? Die Chance, dass die Kinder zumindest in der nächsten Zeit die Jacken von selbst aufhängen und damit das mütterliche Bedürfnis nach Wertschätzung erfüllen, ist so in jedem Fall größer als bei der Strategie des Nörgelns.

Der Grund, warum das Ansprechen unserer echten Bedürfnisse bei anderen meist eine positive Resonanz hervorruft und dann dazu führt, dass sie sich tatsächlich bemühen, uns zu helfen, ist, dass alle Menschen dieselben Grundbedürfnisse haben. Wir können sie immer nachvollziehen. Menschen haben unterschiedliche Leben, unterschiedliche Charaktere, unterschiedliche Wünsche und unterschiedliche Strategien - diese können deshalb bei anderen Wut auslösen - aber alle brauchen dieselben lebenswichtigen Grundpfeiler in ihrem Leben! 

Welche Bedürfnisse haben alle Menschen?


Luft, Nahrung, Wasser, Schlaf, Körperhygiene - ohne die Erfüllung dieser Grundbedürfnisse würden wir relativ schnell sterben, das ist uns allen klar. Auch Bewegung/Körpertraining, Ruhe/Erholung, Sex und Körperkontakt sowie Schutz vor Gefahren sind Bedürfnisse, die den meisten von uns nach einigem Nachdenken einfallen. Doch es gibt noch andere, weniger offensichtliche Bedürfnisse, die im Leben eines jeden Menschen erfüllt sein müssen. Ich schreibe "müssen" bewusst, weil nur bei befriedigten Bedürfnissen ein Mensch wirklich glücklich ist - denjenigen, denen mehrere wichtige Elemente fehlen, werden depressiv und verlieren größtenteils den Mut, zu leben. Das Gehirn des Menschen ist nämlich so angelegt, dass die Erfüllung von Bedürfnissen die Ausschüttung von körpereigenen Opioden, Dopaminen und Oxytocin nach sich zieht - es werden also glücklich machende Hormone ausgeschüttet und der Mensch fühlt sich wohl. Werden die Bedürfnisse dagegen missachtet oder gar nicht erst erkannt, stockt die Ausschüttung. Der Mensch fängt an, unglücklich zu sein. Dummerweise ist das ein sehr unbestimmtes Unglücklichsein. Eins, ohne wirklich greifbaren Anlass. Da wir uns unserer eigenen echten Bedürfnisse häufig nicht wirklich bewusst sind, fangen wir in solchen Momenten an, Strategien zu finden, um wieder glücklicher zu werden. Meist nutzen wir allerdings die falschen Mittel. Doch bevor wir die falschen Strategien  genauer erläutern, wollen wir zunächst einmal klären, was denn nun wirklich die lebenswichtigen Bedürfnisse eines Menschen sind. 

Selbst sein (Authentizität/Integrität)


Jeder Mensch möchte er selbst sein dürfen, ohne sich für einen anderen verbiegen zu müssen. Dieses Bedürfnis haben wir von Geburt an. Leider wurde in der Vergangenheit von Babys und Kleinkindern sehr viel Anpassung an die Wünsche ihrer Eltern abverlangt, was dazu führte, dass die meisten von uns eben nicht ihr ureigenes Selbst entwickeln konnten, sondern etwas windschief in die Richtung gewachsen sind, in der man uns haben wollte. Die Folge eines solchen Lebens "neben der Spur" kann sein, dass man sich zeitlebens irgendwie vage unglücklich oder falsch fühlt. Grundsätzlich gilt: Jedes Kind möchte so geliebt werden, wie es ist. Darf es all seine Facetten zeigen und wird auch bei Konflikten seine Integrität gewahrt, wächst es psychisch gesund heran. 

Selbstwirksam sein


Nichts macht Kinder (und Erwachsene) glücklicher, als zu sehen, dass sie selbst etwas bewirken können. Sei es, wenn ein Baby es zum ersten Mal schafft, an der Schnur des Hampelmanns zu ziehen und dieser daraufhin die Arme und Beine bewegt. Sei es, wenn der Einjährige mit großer Mühe den Hochstuhl allein erklettert. Sei es, dass der Zweijährige sich mit dem Kindermesser selbst die Butter aufs Brot schmiert.... Deshalb ist es wichtig, dass wir Eltern unseren Kindern nicht zu viel abnehmen, aus Angst, sie könnten sich verletzen. Damit beschneiden wir nämlich automatisch ihre Bedürfnisse nach Selbstwirksamkeit und Autonomie. 

Entscheidungen treffen/autonom sein


Sobald ein Kind feststellt, dass es "Ich" ist und der andere "Du", beginnt das Bedürfnis zu wachsen, seine eigenen Entscheidungen treffen zu können. Der Beginn der Autonomiephase wird markiert vom ersten vehementen "Nein!" des Kindes. Wir Eltern sollten darauf achten, - altersgerecht natürlich - möglichst viele Neins zu akzeptieren und die Kinder ihre eigene Entscheidungen im Hinblick auf ihren persönlichen Bereich treffen zu lassen. Dass das nicht bedeutet, mit einem nur in Windel bekleideten Einjährigen auf dem Fahrrad durch die winterliche Stadt zu fahren, wie es kürzlich in der Zeitung zu lesen war, sollte jedem klar sein. Ein solches Verhalten ist unterlassene Fürsorgepflicht und gehört bestraft. Und doch ist es möglich, auch Kleinkinder Entscheidungen treffen zu lassen, wie ich in einem Artikel über die Abende im Hause Snowqueen beschreiben werde. Je älter das Kind wird, desto mehr Entscheidungen sollte es selbst treffen dürfen: Was ziehe ich an? Wann bin ich müde und gehe schlafen? Wie viel esse ich? Wann gehe ich auf die Toilette? Was möchte ich lernen? Beachten Eltern dieses Bedürfnis ihres Kindes nicht, wird es immer wieder dafür kämpfen. 

Junge spielt im Gras mit einer Pusteblume

Wertgeschätzt werden


Wertschätzung für unser Tun und unser Sein, ist eins der größten Grundbedürfnisse der Menschheit. Oft wird Wertschätzung mit Lob verwechselt - Lob ist allerdings nur eine Ersatzdroge. Echte Wertschätzung kann mit einem Blick, einer Körperhaltung, einem einfachen "Danke!" oder einem Kopfnicken ausgedrückt werden. Sie ist das Funkeln im Auge einer Mutter, wenn sie ihr Kind anguckt und wirkt viel stärker als jedes überschwängliche Wort. Kränkelt eine Beziehung zwischen zwei Menschen, liegt es häufig daran, dass sich einer der beiden vom anderen nicht genügend wertgeschätzt fühlt. Kinder fangen dann oft an, absichtlich zu ärgern. Frauen und Männer nörgeln oder werden passiv-aggressiv - all das sind unbewusste Strategien, die angewandt werden, um auszudrücken, dass man das Gefühl hat, nicht mehr wertvoll für den anderen zu sein. 

Emotionale Verbundenheit/Liebe


Babys, die einem länger andauernden Mangel an emotionaler Zuwendung ausgesetzt sind, behalten eine lebenslange Erhöhung der Empfindlichkeit ihrer biologischen Stressantwort zurück. [vgl. Weaver, I., Meaney, M.: Epigenetic programming by maternal behavior. Natures Neuroscience 7: 1-8, 2004] Säuglinge, die von Ammen aufgezogen wurden, denen es vom Stauffer-Kaiser Friedrich II verboten worden war, mit ihnen zu sprechen, starben [vgl. Bauer, J. Warum ich fühle, was du fühlst. 2006: 108]. Die fehlende emotionale Verbundenheit und Liebe in ihrem Leben schlug sich auf die Biologie ihres Körpers durch - ihre Systeme gaben einfach auf. Auf der anderen Seite schüttet das menschliche Gehirn bei liebevoller sozialer Zuwendung Glücksgefühl-auslösende Botenstoffe aus. Ohne Liebe sterben wir, mit Liebe gedeihen wir - was beweist, dass wir von Natur aus so angelegt sind, eine Mindestdosis an emotionaler Verbundenheit zu benötigen.  Sie ist ein wichtiges Grundbedürfnis.

Kind kuschelt mit Mama


Ein Ziel/einen Traum haben


Menschen haben ein biologisch verankertes Zukunftsbedürfnis. Ist es uns nicht möglich, z. B. aufgrund unserer Lebensumstände einen erreichbaren Traum für uns zu formulieren, reagieren wir mit Aggressionen, Depressionen oder Suchttendenzen. Ich arbeite als Sonderpädagogin mit Kindern aus bildungsfernen Familien in einem Brennpunktbezirk. Es ist äußerst schwer, sie dazu zu motivieren, irgendwelche Anstrengungen zu unternehmen: "Warum soll ich das lernen? Ich werde eh nie einen Job bekommen. Ich werde wie meine Eltern Hartz IV beziehen und den ganzen Tag vor der Glotze hängen". Sie haben die Pubertät noch nicht einmal erreicht und bereits vor dem Leben kapituliert. Glücklich sind sie nicht. Um gesund und vital zu bleiben, brauchen auch Erwachsene ein Entwicklungs-Ziel. Wer hat noch nicht vom lähmenden Gefühl gehört, im Job in einer Sackgasse gefangen zu sein? Oder vom gähnenden Loch, in das manche fallen, wenn sie in den Ruhestand gehen. Wir Menschen sind die einzigen Tiere, die Zukunftspläne machen können und die ihren Träumen nachjagen. Wir brauchen diese Träume von einer lebenswerten Zukunft, um glücklich zu sein. 

Teil einer Gemeinschaft sein/Zugehörigkeit/Geborgenheit


Die Sozialpsychologin und Neuroforscherin Naomi Eisenberger bewies in einem Experiment, dass der soziale Ausschluss aus einer Gemeinschaft die Regionen des menschlichen Gehirns aktivieren, die normalerweise dann feuern, wenn echter, körperlicher Schmerz gefühlt wird: Ein Mann spielte mit zwei anderen, für ihn nicht sichtbaren Probanden, per Computer Ball. Zunächst warfen sich alle drei die Bälle relativ gleichmäßig zu. Nach einer Weile jedoch bekam der Mann von seinen Mitspielern keinen einzigen Ball mehr virtuell zugeworfen. Im Kernspintomographen war klar zu sehen, wie sehr ihn dieser Ausschluss „schmerzte“ [vgl. Eisenberger, N., Liebermann, M. D., Williams K.D.: Does rejection hurt? An fMRI study of social exclusion. Science 302: 290-292, 2003]. Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Geborgenheit lässt sich auch im Alltag mit Kindern leicht erkennen. Nichts lässt sie panischer werden, als die Drohung der Eltern, sie würden nun allein losgehen, wenn das Kind nicht augenblicklich mitkäme. Nichts macht sie so abgrundtief unglücklich, wie ihre Freunde, die plötzlich ohne sie spielen wollen. Kinder, wie Erwachsene, haben das dringende Bedürfnis, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Gerade in unsicheren Zeiten rücken Menschen enger zusammen – auch zu Gruppen, die gegen andere Gemeinschaft sind: gegen Flüchtlinge, gegen Homosexuelle, gegen die etablierten Politiker. Das Bedürfnis nach der Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist grundlegend … und kann leicht verführen. 

Zur Bereicherung einer Gemeinschaft beitragen


Als Studentin habe ich alte Menschen gepflegt, bin täglich zu ihnen gefahren, habe sie gewaschen, angezogen und ihnen Essen gemacht. Die meisten von ihnen wollten nicht mehr Leben und auf die Frage, warum, kam immer die gleiche Antwort: "Weil ich nicht mehr gebraucht werde". Sie hatten das Gefühl, keinen wertvollen Beitrag für ihre Gemeinschaft mehr leisten zu können. Dieses "gebraucht werden" ist ein großes menschliches Bedürfnis und es zeigt sich schon in frühsten Jahren. Kinder, denen nichts zugetraut bzw. alles abgenommen wird, sind irgendwann frustriert und werden aggressiv - das liegt daran, dass sie nicht ihren Teil zum Wohlergehen der Familie beitragen können. Erst, wenn sie echte Aufgaben erhalten, also solche, die echte Verantwortung innehaben, ist ihr Grundbedürfnis erfüllt und die Aggressionen verschwinden. Es hilft Kindern nicht, einfach nur irgendwelche Aufgaben übertragen zu bekommen, wie z. B. Blumen zu gießen. Diese Aufgaben müssen einen Sinn ergeben. Das muss auch gar nichts Großartiges sein: Der Mama helfen, die schweren Einkaufstüten die Treppe hochzutragen. Löwenzahn für die Meerschweinchen pflücken. Die Sauce im Topf umrühren und vorm Anbrennen retten, bis der Papa dem Geschwisterchen die Windel gewechselt hat. Zum Bäcker laufen und Brötchen kaufen, während die Mama in der Zeit den Frühstückstisch deckt. Die Liste ließe sich beliebig erweitern: Alle Aufgaben, bei denen die Familie (für einen kurzen Moment) wirklich auf die Mithilfe des Kindes angewiesen ist, damit alles reibungslos laufen kann, befriedigen des Bedürfnis danach, eine Bereicherung für die Gemeinschaft zu sein. 

Freude/Lachen/Spielen


Die Professoren Dean Mobbs und Allan Reiss der Stanford Universität konnten nachweisen, dass auch Lachen das Belohnungssystem des menschlichen Gehirns nachhaltig anregt. Wenn wir Lachen und Freude empfinden, fühlen wir uns gut. Eng verbunden damit ist Spielen. Selbst niedere Säugetiere, die miteinander spielen, zeigen eine (vom Menschen unterschiedliche) Form des Lachens. Auch bei ihnen werden dabei glücklich-machende Hormone ausgeschüttet. Es lässt sich daraus folgern, dass dem Spiel, dem Lachen und der Freude von der Natur eine zentrale Rolle zugeordnet wurde [vgl. Berns, G., Something funny happend to reward. Trends in Cognitive Sciencees 8: 193, 2003]. Sie sind demnach lebenswichtige Bedürfnisse. 

Gefühle ausleben


Alle Gefühle ausleben zu dürfen, ist ein wichtiger Bestandteil unserer Psychohygiene und gehört deshalb ebenfalls zu den Bedürfnissen eines Menschen. Leider ist dieser Punkt noch immer derjenige, an dem es in unserer Gesellschaft gewaltig hakt. Wut und Trauer, begleitet mit der Strategie Aggression, sind nicht gern gesehen und werden häufig zu schnell "abgeschaltet". Schon Kinder werden darauf trainiert, nicht zu viele Gefühle zu zeigen. Nicht zu laut zu weinen, oder zu lange zu wüten oder zu intensiv zu trauern. 

Struktur


Egal, ob man sich selbst als ordentlich empfindet oder nicht, jeder Mensch hat ein biologisch verankertes Bedürfnis nach Struktur. Das bedeutet nicht, dass wir uns nur dann wohl fühlen, wenn immer alles aufgeräumt ist. Es bedeutet, dass wir uns wohl fühlen, wenn wir bestimmte Abläufe voraussehen können. Deshalb sind für Babys und Kleinkinder Rituale so entspannend. Ein chaotischer, nicht vorhersehbarer Alltag würde unser Gehirn enorm stressen. Eine Weile lässt sich so ein Zustand vielleicht aushalten und überbrücken, doch schon bald würde er zu Krankheiten führen. Das bedeutet jedoch nicht, wie von Experten oft postuliert, dass Kinder deshalb unbedingt Regeln und Richtlinien brauchen. Zum einen bedeuten Regeln und Richtlinien nicht zwangsläufig Struktur. Ein Tag ist schon strukturiert, wenn klar ist, dass morgens aufgestanden und angezogen wird, es dann zum Kindergarten oder zum Spielplatz geht und am Abend wieder ins Bett gegangen wird. Selbst, wenn es im Verlaufe dieses Tages für das Kind keinerlei Regeln gäbe, wäre er dennoch strukturiert. Zum anderen ist es charakterabhängig, wie viel Struktur wirklich benötigt wird - manche haben das Bedürfnis nach viel, manche nach wenig Ordnung im Leben.

Halten wir also fest: Echte Bedürfnisse sind davon gekennzeichnet, dass alle Menschen auf der ganzen Welt sie haben. Das liegt daran, dass echte Bedürfnisse biologisch in unserem Gehirn verankert sind. Werden sie befriedigt, löst das Belohnungssystem unseres Gehirns ein Hormonfeuerwerk aus. Wir fühlen uns dann gesund, glücklich und lebensbejahend.

Junge liegt auf dem Bauch und lacht

 

Zielführende, scheinbar zielführende und irreführende Strategien, um echte Bedürfnisse zu befriedigen 

 

Irreführende Strategien 


Nicht allen Menschen sind ihre eigentlichen Bedürfnisse bewusst, weshalb es dazu kommt, dass sie irreführende Strategien anwenden. Als mein Sohn zwölf Monate alt war, waren wir oft auf dem Spielplatz. Ebenfalls dort waren die damals fast 7-jährigen Zwillings-Nachbarmädchen Rosa und Marie aus unserem Haus, die eigentlich dort ihre beste Freundin Millie zum Spielen treffen wollten. Die Zwillinge waren sehr vernarrt in meinen Sohn (der zugegebenermaßen ein wunderhübsches Baby war ;-)) und beschäftigten sich oft ausschließlich mit ihm. Millie hatte kein Verlangen, mit Herrn Friedlich zu spielen. Sie war wegen ihrer Freundinnen da und irgendwann sehr genervt, dass diese sich ihr nicht zuwandten. Zuerst versuchte sie, neutral zu fragen: "Kommt ihr jetzt spielen?", doch das kam gegen die Magie des Babys nicht an. Er quietschte und giggelte vergnügt, weil die großen Mädchen für ihn Quatsch machten. Millie fing an, sich allein zu beschäftigen, sah aber sehr traurig aus. Irgendwann versuchte sie, Rosa und Marie zum Fangespielen zu animieren, indem sie zu ihnen rannte, sie antippte und "Du bist!" rief. Auch das funktionierte nicht.

Die beiden buddelten nun mit Herrn Friedlich. Millie wurde ärgerlich. Patzig stieß sie hervor: "Es ist gemein, dass ihr immer mit dem Baby spielt!",  und warf (zögerlich, aber bewusst) etwas Sand auf Marie. Das störte diese natürlich. Sie sagte erbost, Millie solle aufhören. Millie hörte aber nicht auf - sie warf noch mehr Sand. Daraufhin wurden die Zwillinge wütend und ein Streit entspann sich. Millie lief mit hoch rotem Kopf weg. Sie kam an meiner etwas entfernten Bank vorbei. Mit unterdrücktem Zorn warf sie mir vor: "Marie und Rosa spielen immer nur mit deinem Baby. Dabei waren sie mit mir verabredet." Ich nickte. "Ich hab es gesehen", sagte ich und wartete ein bisschen ab. Würde sie sich öffnen? Sie blieb etwas unschlüssig vor mir stehen und schaute stumm auf ihre Zehnspitzen. Das Warten zog sich ein bisschen. "Die sind so gemein!", platzte es irgendwann unglücklich aus ihr heraus. Dann hatte sie eine Idee: "Kannst du dein Baby wegnehmen? Dann spielen sie bestimmt mit mir." Ich überlegte. "Hast du ihnen denn schon gesagt, wie du dich fühlst?", fragte ich. - "Na klar, ich habe gesagt, dass ich es gemein finde, dass sie mit dem Baby spielen und nicht mit mir." - "Mmhhh. Nein, ich meinte eigentlich, ob du ihnen gesagt hast, wie du dich fühlst. Wie fühlst du dich denn? - "Ich bin sauer auf die beiden!" - "Das kann ich verstehen. Fühlst du noch etwas anderes?" - "Ich bin traurig. Nein, warte, ich bin enttäuscht. Ich hatte mich auf das Spielen gefreut." Ich nickte wieder und schaute ihr direkt in die Augen. "Weißt du, ich habe euch beobachtet. Du hast wirklich eine Menge ausprobiert, um die beiden zum Spielen zu überreden. Du hast sie freundlich gebeten, du hast sie angestupst und dann bist du sauer geworden und hast sie mit Sand beworfen. Das alles waren Strategien. Die haben nicht so gut funktioniert... Vielleicht gehst du mal zu ihnen hin und sagst ihnen, wie du dich fühlst. Also, du fängst den Satz nicht mit "Ihr seid gemein!" an, sondern du sagst "Ich bin enttäuscht und traurig, weil...". Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das hilft". Millie schaute mich forschend an und drehte sich dann abrupt um. Sie lief zu den Zwillingen. Ich hörte, was sie sagte. Sie machte das wirklich ganz wunderbar: "Ich hatte mich auf euch gefreut. Wir wollten doch spielen. Aber jetzt spielt ihr mit dem Baby. Das macht mich irgendwie traurig". Marie und Rosa schauten ganz bestürzt. "Ja, stimmt, wir wollten spielen. Okay, warte". Sie wandten sich meinem Baby zu: "Herr Friedlich? Wir spielen jetzt mit Millie, ja? Bis später! Und nicht so viel Sand essen, Kleiner!" Dann rannten sie zusammen mit ihrer Freundin los. Millies neue Strategie hatte funktioniert.

Ein ähnliches Erlebnis hatte ich mit meiner Mutter, als Herr Friedlich etwa acht Monate alt war. Meine Eltern hatten meine Töchter zum Schwimmunterricht gebracht und ich kam mit Herrn Friedlich nach, um ihnen durch die Scheibe zuzuschauen. Ich wusste, dass mein Sohn die Atmosphäre in der Schwimmhalle nicht mochte - er hatte dort Angst - deshalb ließ ich ihn nach Ankunft in der Trage. Er kuschelte sich ein. Sein Gesicht war kaum zu erkennen. Er war auch nicht bereit, seine Großeltern anzuschauen oder sich gar aus der Trage nehmen zu lassen. Seine Bedürfnisse waren ganz klar Geborgenheit und Sicherheit, und ich erfüllte sie ihm.

Nachdem sie sich eine Weile vergeblich um Herrn Friedlich bemüht hatte, indem sie ihn freundlich ansprach, wandte sich meine Mutter an mich mit den Worten: "Er ist aber wirklich ein ganz schönes Muttersöhnchen!" Ich zuckte merklich zusammen, presste meine Lippen aufeinander und hielt ein paar wütende Tränen zurück. Wie konnte sie nur so etwas sagen? Wie konnte sie diesen süßen, freundlichen Knirps so beleidigen? Verletzt schwieg ich und lenkte dann auf ein anderes Thema um. Doch ihre Worte beschäftigten mich noch lange an diesem Tag. Meine Eltern sind die besten Großeltern der Welt. Sie sind engagiert, liebevoll, großzügig und sie sind verdammt stolz auf meine drei Kinder. Der Muttersöhnchen-Satz passte einfach nicht zu ihrer großen Enkel-Liebe. Was war da los? Es musste ein unerfülltes Bedürfnis hinter ihrem verletzenden Verhalten geben.

Ich überlegte, was ihr Bedürfnis sein könnte und fand es bald: Emotionale Verbundenheit. Sie wollte gern mit ihrem kleinen Enkel in Verbindung treten, wollte ihn halten, mit ihm spielen und scherzen, so, wie sie es mit den großen Mädchen tut. Doch seit seiner Geburt sahen wir uns viel weniger mit meinen Eltern, weil ich es so anstrengend fand, mit allen dreien quer durch die Stadt zu ihnen zu fahren. Die beiden hatten Herrn Friedlich bisher weit weniger gesehen, als die Mädchen damals im gleichen Alter. Und weil er sich in der Schwimmhalle so zurückgezogen hatte und sie nicht an ihn ran ließ, konnte meine Mutter dieses Bedürfnis nach emotionaler Verbindung mit ihm nicht befriedigen. Ihre Strategie, die dann folgte, war die denkbar schlechteste, die sie wählen konnte. Es ist eine Strategie, die wir alle oft genug anwenden: Sie verletzte, indem sie Schuld zuwies. ("Er ist ein Muttersöhnchen, deshalb will er nicht auf meinen Arm"). Natürlich ist diese Strategie absolut irreführend. Keine Mutter dieser Welt würde nach so einem Satz ihr Kind aus der Trage holen und der Oma auf den Arm setzen. Kein Kind dieser Welt würde die Geborgenheit der Trage aufgeben für jemanden, der es gerade beleidigt hat. Aber meiner Mutter war eben gar nicht klar, was ihr Bedürfnis überhaupt gewesen war. Sie hat nur den unbestimmten Stich verspürt, als es nicht erfüllt wurde und der Schmerz darüber machte sie verbal leicht aggressiv. Hätte sie gewusst, dass sie sich eigentlich Verbindung mit ihrem Enkel wünscht, wäre sie ganz sicher anders an die Sache herangegangen. Dann wäre ihr klar gewesen, dass so eine emotionale Verbindung nicht an einem Nachmittag entsteht. Sie hätte vielleicht geduldiger reagiert und sein Bedürfnis nach Geborgenheit besser akzeptieren können, weil sie gewusst hätte, dass es für ihr Ziel eher zuträglich ist, seine Grenzen zu achten. Vielleicht hätte sie ihre Enttäuschung besser ausdrücken können, indem sie gesagt hätte: "Wie schade, dass er heute nicht aus der Trage rauskommen will. Ich hätte ihn so gern auf den Arm genommen. Ich habe das Gefühl, ihn noch gar nicht richtig zu kennen und habe Angst, dass er mir gegenüber immer so reserviert bleiben wird". Eine solche Offenbarung ihrer echten Gefühle hätte bei mir etwas ganz anderes ausgelöst, als die Strategie, die sich in Wirklichkeit nutzte. Ich hätte dann, weil ich ihr Bedürfnis nach Verbindung nachvollziehen kann, aktiv eine Lösung für das Dilemma gesucht. Ich hätte ihn an dem Tag zwar trotzdem nicht aus der Trage genommen (weil ich sein Bedürfnis erfüllen wollte und Vorrang vor dem Bedürfnis der Oma hat), aber vorgeschlagen, mich öfter mit ihr und ihm auf dem Spielplatz zu treffen, wo die Atmosphäre für ihn weniger beängstigend ist.


Hände einer Erwachsenen halten Kinderhände


Schauen wir noch einmal auf mein Eingangsbeispiel mit Herrn Friedlich, der sich nicht anziehen ließ, weil er nicht in die Kita wollte. Auch mein Sohn hätte, wenn er besser sprechen könnte und sich seines Bedürfnisses bewusster gewesen wäre, eine andere Strategie wählen können. Statt sich am Morgen allem zu verweigern,  hätte er mir sagen können: "Hör mal zu, Mama - ohne meine Erzieherin fühle ich mich in der Kita einsam und verloren. Ich möchte deshalb heute nicht hingehen und lieber bei dir bleiben. Denn bei dir fühle ich mich immer geborgen und gut". Ganz unabhängig davon, ob ich ihm das dann erfüllen hätte können, hätte die Offenbarung seines echten Bedürfnisses bei mir keine Wut ausgelöst, was die Chance, dass ich versucht hätte, eine gute Lösung für ihn zu finden, dramatsich ansteigen lässt. Mir ist natürlich klar, dass so ein Bewusstmachen des eigenen Bedürfnisses die Kompetenz eines Kindes übersteigt. Es übersteigt ja sogar die Kompetenz der meisten Erwachsenen. Deshalb ist es unsere Aufgabe als Eltern, die echten Bedürfnisse hinter dem Verhalten unserer Kinder zu suchen und dann darauf zu reagieren, statt auf ihre ungünstigen Strategien. 

Scheinbar zielführende Strategien


Ich hatte schon in diesem Artikel angedeutet, dass sich das Belohnungssystem unseres Gehirns, welches ja die Glückshormone ausschüttet, wenn unsere echten Bedürfnisse erfüllt sind, leider durch Ersatzbefriedigungen düpieren lässt. Sprich: Wir können es verarschen. Die Glücks-Maschinerie in unserem Hirn wird auch dann angeworfen, wenn wir Süßigkeiten essen, Alkohol und andere Drogen konsumieren, vor dem Fernseher abhängen oder uns in sozialen Netzwerken herumtreiben. Das alles sind Strategien, die scheinbar unsere Bedürfnisse gut befriedigen.

Nehmen wir die sozialen Netzwerke. Ich bin für unseren Blog auf Twitter zu finden. Danielle wiederum ist diejenige, die unseren Facebook-Account betreut. Nun bin ich also jeden Tag auf Twitter und habe dort einen wirklich lieben, super unterstützende Online-Clan gefunden. Wir lieben uns. Wir unterhalten uns, soweit das die 140 Zeichen-Grenze zulässt, wälzen gemeinsam Probleme, heulen uns aus, machen Vorschläge für die Blogs der anderen, manchmal zanken wir uns auch. Einmal setzte jemand einen Hilferuf ab, sein iPhone sei kaputt gegangen und er habe gerade kein Geld für ein neues. Schon meldete sich eine, die ihm ihr altes kostenlos zuschickte. Man kann sagen, es haben sich echte Freundschaften entwickelt - wir erfüllen also unser Grundbedürfnis nach Gemeinschaft dort. Nun weiß ich nicht, wie es den anderen geht, aber für mich ist Twitter seltsam süchtig machend. Ich ertappe mich immer öfter dabei, wie ich mein Handy gedankenverloren aus der Hosentasche zücke, um "nur mal schnell" zu gucken, was die anderen so machen, sagen und posten. Habe ich selbst einen Tweet geschrieben, bin ich alle paar Minuten neugierig, ob er schon von jemandem geliked wurde. Noch mehr geht mir das so, wenn ich einen Link zu meinem neusten Artikel poste - ich kann es dann kaum erwarten, bis jemand ihn kommentiert und mir Feedback gibt. Es scheint so, als fände mein Gehirn meine Online-Gemeinde so großartig, dass es nicht genug davon bekommen kann. Es möchte immer mehr. Und das ist auch das Merkmal von Ersatzbefriedigungen: Sie scheinen auf den ersten Blick unsere Grundbedürfnisse zu erfüllen: Im Fall von Twitter ist das die Zugehörigkeit zu einer Gruppe und die Wertschätzung meiner Arbeit. Doch echte Befriedigung ist es nicht, jedenfalls nicht für mein Gehirn. Die Befriedigung ist nicht nachhaltig. Das Gehirn braucht davon schnell immer mehr, um die gleiche Menge an Glückshormonen auszuschütten und der Mensch gerät in eine Art Suchtkreislauf. Somit ist also meine Strategie, mein Bedürfnis nach Gemeinschaft durch ein soziales Netzwerk zu erfüllen, nur scheinbar zielführend.

Vor ein paar Wochen nun ist etwas wunderbares passiert: Mein Online-Clan hat sich offline getroffen, nämlich bei der Blogfamilia-Konferenz in Berlin. Ich habe dort einen wirklich grandiosen Tag verbracht. Ich habe mit meinen Freunden Herrn Pfarrfrau und Florian von Großstadtküste kichernd in den Vorträgen gesessen und Lego gebaut. Mit Christian vom Familienbetrieb konnte ich übers Bücherschreiben philosophieren. Ich habe die schönsten Männer der Welt, den Papa mit Hut und Jonny Weddingerberg, umarmt. Ich habe die Babybäuche der wunderbaren Alu von Große Köpfe, Bettie von Frühes Vogerl und Bella von Familie Berlin bewundert, mit der bezaubernden Kerstin von Chaoshoch2 über Zwillingsprobleme geplaudert und wurde von Anneliese von Einerschreitimmer freundlich dazu geknufft, nun endlich mal die Abgesandte der Zeitschrift Eltern anzusprechen und ihr von meinem Blog zu erzählen (Danke!). Gleich im Anschluss beeindruckte mich Jessica von Feiersun mal wieder mit ihrem Selbstbewusstsein. Sarah von Mamaskind und Sonja von Mama Notes habe ich leider nur von Weitem gesehen, aber schon allein das Winken war schön! Ich war dabei, als meine Freundin Jessi vom Blog Terrorpüppi aus einem Gespräch mit der unglaublich tollen Juramama so bestärkt herausging, dass sie förmlich schwebte. Ich habe mit Sandy von Einhaufenliebe jemanden kennen gelernt, die noch schüchterner war, als ich und die ich so gern noch einmal auf einen Kaffee treffen würde. Ich wechselte kurze, aber liebe Worte mit Carola von Frischebrise und  Jette und Olli von Halbesachen. Ich habe mit Bea Beste ein Bier getrunken (na gut, in meinem Glas war nur Wasser) und mal wieder festgestellt, was für eine unglaubliche Naturgewalt diese Frau ist.... Und wisst ihr was? Nach diesem Tag war ich wirklich und wahrhaftig beseelt. Ich lief tagelang mit einem Lächeln durch die Stadt und das ging nicht nur mir so. Wenn ihr euch durch die Artikel klickt, die meine Blogger-Freunde nach der Konferenz veröffentlichten, dann werdet ihr lesen, wie viel Glück und nachhaltige Freude dieses echte Treffen in uns allen auslöste. Unsere Belohnungszentren liefen auf Hochtouren -  langanhaltend und komplett erfüllend.

Ich will also nicht sagen, "Haltet euch von den sozialen Netzwerken fern, die sind der Teufel!" Nö. Alles gut. Ich möchte euch aber ans Herz legen, im Hinterkopf zu behalten, welche echten Bedürfnisse ihr damit eigentlich befriedigen wollt und dann nicht zu vergessen, das auch zu tun. Wenn ihr euch also wieder und wieder mit dem Smartphone in der Hand wiederfindet, um zu gucken, ob euer neustes Instagram Bild schon Herzchen bekommen hat, wenn ihr euch abends k.o. mit Chips und Cola auf das Sofa vor den Fernseher haut und euch danach trotzdem irgendwie nicht regeneriert fühlt, dann denkt daran, dass ihr nur scheinbar eure Grundbedürfnisse erfüllt und ihr, um wirklich glücklich zu sein, andere Strategien finden solltet. 

Abwägen von Bedürfnissen


Nun ist es schön und gut zu wissen, dass jeder Mensch Bedürfnisse hat. Doch manchmal kollidieren diese im Alltag miteinander - das macht das Erfüllen etwas kompliziert. Im Beispiel mit meiner Mutter und Herrn Friedlich kamen sich ihr Bedürfnis nach Verbindung mit ihm und sein Bedürfnis nach Geborgenheit und Schutz in die Quere. Beide Bedürfnisse haben ihre Berechtigung und sollten irgendwie erfüllt werden. Es ist trotzdem möglich, sie in der Situation zu gewichten. Das Bedürfnis nach Verbindung hätte vermutlich in der Schwimmhalle auch dann nicht erfüllt werden können, wenn ich Herrn Friedlich aus der Trage genommen hätte. Denn dann hätte mein Sohn so laut geweint und protestiert, dass ein Auf-den-Arm-Nehmen durch seine Oma sowieso zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. Eher hätte so ein Vorgehen die Möglichkeit einer Verbindung zwischen den beiden torpediert. Deshalb war schnell klar, dass hier Herr Friedlichs Bedürfnis Vorrang hatte. Die Erfüllung des Bedürfnisses meiner Mutter musste auf eine günstigere Gelegenheit warten. Nun wohnen wir recht nah beeinander, so dass das kein Problem darstellt. Was aber, wenn die Oma kilometerweit weg wohnt, den Enkel nur 2x im Jahr sieht und ihn dann gern auf den Arm nehmen will, obwohl das Kind signalisiert, dass es das nicht will? Hier ist das Abwägen schwieriger. Ich würde sagen: Auch hier gehen die Bedürfnisse des kleinen Kindes vor, doch sollten sich die Eltern Gedanken machen, wie es vielleicht doch noch möglich ist, dass auch das Bedürfnis der Oma befriedigt wird. Vielleicht nimmt das Kind aus der Sicherheit des elterlichen Arms eher Kontakt mit ihr auf? Vielleicht ist es einfacher, wenn alle gemeinsam spazieren gehen und die Oma dabei immer mal einen vorsichtigen Vorstoß in Richtung Kind macht? Das muss man ausprobieren.

Junge fährt Fahrrad

Wenn ein Vierjähriger mit seinen älteren Freunden um den Teich radeln will, ohne dass seine Eltern dabei sind, dann möchte er autonom und Teil einer Gemeinschaft sein. Wenn dieser Junge aber noch nicht schwimmen kann und rund um den Teich auch Autos fahren, dann werden - zurecht - die elterlichen Bedürfnisse nach Sicherheit und Schutz aktiviert. Wieder muss abgewägt werden - wessen Bedürfnis wiegt schwerer? In diesem Fall das der Eltern, da die reelle Gefahr vom Kind noch nicht eingeschätzt werden kann. Trotzdem sollten die Eltern darauf achten, ihm andere Gelegenheiten zu bieten, autonom zu agieren. Möchte er also auf einen Baum oder auf das Dach eines Spielplatz-Häuschens klettern, sollten sie das nicht schon wieder aufgrund ihres Bedürfnisses verbieten. Die echte Gefahr ist hier viel geringer, als der Nutzen für das Kind. Beschneiden die Eltern, weil sie Angst haben, immer wieder die Möglichkeiten zur Erfüllung des Bedürfnisses, wird das Kind irgendwann aggressiv und unwirsch reagieren. Möglicherweise wird es, wenn sie nicht hinsehen, trotzdem auf den Baum klettern oder vor lauter Frust etwas noch Gefährlicheres tun. Unerfüllte Bedürfnisse lassen nicht locker - sie nagen so lange in unserem Inneren, bis wir einen Weg gefunden haben, sie zu erfüllen.

Noch schwieriger wird es, wenn die Bedürfnisse mehrerer Kinder aufeinanderprallen. Erwachsene schaffen es meist gut, ihr eigenes Bedürfnis, zumindest für kurze Zeit, zurückzustecken, aber Kinder? Es ist wirklich die hohe Kunst der Elternschaft, in einem solchen Moment allen gerecht zu werden. Ich sehe mich noch mit einem Neugeborenen im Tuch an der Brust stillend mit der rechten Hand den Zwillingswagen meiner mittagsmüden und schlafen wollenden Töchter schieben und in der linken Hand zwei heiße Pizzapackungen und obendrauf zwei große Becher Eiscafé balancieren. Call me Superwoman! Es ist meist unmöglich, alle kindlichen Bedürfnisse gleichzeitig zu erfüllen. Auch hier muss abgewägt werden, wer für den Moment zurückstecken kann und wer nicht.

Wichtig ist jedoch, die Bedürfnisse, die nicht sofort erfüllt wurden, im Blick zu behalten und dann freiwillig gleich zu beantworten, wenn die Kapazität da ist. Das ist wirklich immens wichtig. Denn nur so lernen unsere Kinder, dass sie nicht um die Befriedigung ihrer Bedürfnisse kämpfen und deshalb nicht eifersüchtig reagieren müssen, wenn einem Geschwisterkind Vorrang gegeben wird. Möchte das Baby also an der Brust trinken, und das Kleinkind in diesem Moment jedoch ebenfalls Aufmerksamkeit von der Mama, dann muss man schauen, ob es ihm ausreicht, nebenbei beim Stillen ein Buch vorgelesen zu bekommen. Ist das nicht der Fall, muss es leider abwarten, bis das Stillen vorbei ist. Doch dann sollte die Mutter wirklich dringend ihr Baby kurz beiseite legen und sich aktiv dem Kind, dessen Bedürfnis noch nicht gestillt ist, zuwenden. Ich werde das in dem Artikel über die Abende in unserer Familie noch einmal detaillierter darstellen.

Schlagen wir einen Bogen zurück auf das Beispiel mit Herrn Friedlich von oben, als er sich weigerte, sich anzuziehen, Zähne zu putzen und zu frühstücken. Ich hatte hinter seiner ungünstigen Strategie sein echtes Bedürfnis erkannt: Er wollte den Tag geborgen bei einer Bindungsperson verbringen und deshalb nicht in den Kindergarten. Nun überkreuzte sich sein Bedürfnis mit meinen Verpflichtungen. Ich musste zur Arbeit und ich musste auch pünktlich dort ankommen. Selbst wenn ich sein Bedürfnis erfüllen wollte, hätte ich es nicht gekonnt. Deshalb brachte ich ihm erst einmal Verständnis für sein Bedürfnis entgegen. Ich redete mit ihm, ich tröstete ihn. Das allein reichte schon aus, dass ich ihn doch noch anziehen durfte. Er kooperierte. Einfach so, obwohl ich nichts weiter getan hatte, als seinem Kummer zuzuhören! Ich überlegte bei der Arbeit dann hin und her, wie ich ihm sein Bedürfnis doch noch zumindest teilweise erfüllen könnte und schaffte es tatsächlich, ihn direkt nach dem Mittagschlaf abzuholen. Somit hatte er dann zwei Stunden ungestörte Zweisamkeit mit mir, die ihm sichtlich gut taten. Nun ist es mir nicht möglich, das jeden Tag zu tun - mein Arbeitgeber würde mir kündigen, würde ich mir das erlauben. Aber das muss ich auch gar nicht: Die - manchmal abstrusen-  Wünsche unserer Kinder verschwinden von ganz allein, wenn die echten Bedürfnisse, die dahinter stehen, vollständig befriedigt wurden. Deshalb sollten wir Eltern uns merken: Wir müssen nicht alle Wünsche unserer Kinder erfüllen. Wir müssen auch nicht alle Strategien unserer Kinder gutheißen. Aber wir sollten alles daran setzen, ihre echten Bedürfnisse zu befriedigen. Und unsere eigenen auch.

© Snowqueen


Quellen


Bauer, J., Warum ich fühle, was du fühlst: Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone, 2006

Bauer, J., Selbststeuerung: Die Wiederentdeckung des freien Willens, 2015

Bauer, J., Prinzip Menschlichkeit: warum wir von Natur aus kooperieren, 2008

Rosenberg, M.B., Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens, 2004


57 Kommentare:

  1. Ich verspüre gerade wieder ganz dringend den Wunsch, dass du als kleiner Engel auf meiner Schulter sitzt und meinen Altag soufflierst ;o)
    Ganz ehrlich wäre ich bei Herrn Friedlich nicht mal annähernd darauf gekommen, dass er als 2-Jähriger eine so weitreichende und vorrausschauende Strategie anwendet.

    Mal wieder und immer wieder: DANKE :o)

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    1. Guten Morgen, liebe Nadine, und danke für deinen Kommentar - mein Belohnungszentrum läuft gerade auf Hochtouren. :-*

      Ich glaube, ein wirkicher 'Plan' war es bei Herrn Friedlich nicht. Dazu ist sein Gehirn tatsächlich noch nicht gereift genug. Ich denke, der Morgen ist in seinem Kopf als 'Programm' abgespeichert (siehe Artikel zu den Entwicklungssprüngen), also Aufstehen, neue Windel, Zähne putzen, anziehen, früstücken, zur Kita losgehen. Wenn da Teile des Programms fehlen, dann stoppt für ihn das Programm. Ihm ist, glaube ich, noch nicht klar, dass das Programm auch abweichend sein kann, dass man also ohne Zähne putzen und ohne neue Windel trotzdem zur Kita loslaufen kann. Das lernt er jetzt erst.

      Auf deiner Schulter wäre ich mit 75 Kilo ein bisschen schwer, glaub ich. ;-) Aber immerhin bin ich in deiner Hosentasche auf deinem Handy zu finden. Das ist ja schonmal was, nicht?

      Liebe Grüße, snowqueen <3

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    2. Trotzdem hat sich der Herr Friedlich ja irgendwie "gedacht": Wenn ich mein morgendliches Programm durch Verweigerung stoppe, dann muss ich nicht in die Kita. Bzw. das war doch sein eigentliches Ziel, dass er nicht zu der fremden Betreuungsperson in die Kita wollte. Das finde ich so faszinierend und hätte es bei einem 2-jährigen so nicht vermutet... "Logischer" aus meiner Sicht auf einen 2-jährigen wäre, dass er dann beim Losgehen oder erst in der Kita rebelliert, aber nicht schon gleich nach dem Aufstehen...

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  2. Vielen vielen Dank für diese erhellenden und durchdachten Artikel!

    Leider stelle ich immer wieder fest, dass ich mir trotz meiner Begeisterung so wenig davon merken kann und dass die Umsetzung oftmals schon an meiner Unfähigkeit für mich zu erkennen und zu sorgen hapert....ich wünschte, dass ließe sich schnell reparieren, damit meine Kinder liebevoller groß werden als es bei meinem Mann und mir der Fall war.

    Ich werde das alles einfach wieder und wieder und wieder lesen und hoffen, dass ich dann irgendwann auch entsprechend handlungsfähig sein werde :)

    Liebe Grüße

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    1. Ich musste auch lange üben und übe eigentlich immmernoch täglich. Manchmal klappt es besser, manchmal schlechter. Ich habe auch Tage, da gerate ich in eine Ärger-Spirale mit meinen Kindern, weil ich es nicht schaffe, ihre Bedürfnisse zu erkennen. Oder ich zu lange meine eigenen Bedürfnisse nicht erfüllt habe. Wir sind die besten Mütter, die wir sein können. Nicht mehr, nicht weniger. LG, snowqueen

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    2. Es ist so schwer, gewohnte und erlernte Muster zu durchbrechen. Kopf hoch, der Wille zählt und mit der Zeit wird es besser. Und selbst wenn es nicht perfekt wird (wo ist es das schon), hat man das Kind auf eine richtige Spur gebracht, auf der es dann weiter Richtung "Perfektion" laufen darf. Manche Dinge entwickeln sich eben über die Generationen hinweg (so tröste ich mich manchmal :-)

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  3. Vielen Dank für deinen informativen Beitrag! Ich nehme immer so viel Rückendeckung und den ein oder anderen aha-Effekt aus euren Artikeln mit, dass allein bringt mir schon ganz viel. Gleichzeitig stärkt es aber auch meine Erklärungsversuche, wenn ich mal wieder für den "merkwürdigen" Umgang mit meiner Tochter schiefangeguckt werde. Wenn ihr mir jetzt noch beibringen könntet, mich gar nicht erst zu rechtfertigen...aber zaubern könnt ihr wohl auch nicht, oder? *augenzwicker*

    Liebe Grüße und macht weiter so!
    Ina

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  4. Auch ich möchte mich herzlich für den wieder einmal sehr informativen Artikel bedanken.

    Die Geschichte mit Herrn Friedlich habe ich so ähnlich ebenfalls mit meinem Sohn erlebt. Ausgerechnet beim letzten Termin der Krabbelgruppe verweigerte LaMa vehement das Anziehen und stellte auch sonst die Kooperation vollständig ein. Schweren Herzens sagte ich schließlich ab. Eine Stunde später hatte er heftigen Durchfall.

    Meine größte Schwierigkeit (sowohl persönlich als dann eben auch bei meinem Sohn) sind die scheinbar zielführenden, offenbar süchtigmachenden Strategien wie z.B. Süßigkeiten oder das Ansehen von Videos. An Stellen, die mir problematisch erscheinen, behelfe ich mir mit ein paar Regeln (höchstens 2 Tassen Kakao zum Frühstück, weil er sonst kein Brot isst und früh wieder Hunger hat, Video nur bei mir auf dem Schoß, ohne Ton und wir reden dabei über das, was wir sehen, kein Video nach 16:30, weil es offenbar das Schlafen beeinflusst...), aber ansonsten bin ich mir nicht schlüssig, wie ich mich bei solchen Wünschen verhalten soll. Soll ich fest reglementieren (eine Handvoll, 30 Minuten), es flexibel halten (heute mehr, dafür morgen weniger...), oder - wie ich es auch schon gelesen habe - dem Wunsch so oft wie möglich nachkommen, im Vertrauen darauf, dass es sich irgendwann von selbst einpendelt, solange seine Bedürfnisse insgesamt halbwegs erfüllt sind und mit der Zeit andere Strategien wieder spannender werden?

    Jeder Mal wenn ich sage: "Komm, lass uns mal rausgehen. Wir könnten zum Spielplatz/zur Baustelle/Pfützenplatschen..." und er dann laut kontert: "Nein! Lieber Zuhause ein Video ansehen!", stehe ich vor dem Rätsel, ob sein Wunsch eine bessere Strategie für seine derzeitigen Bedürfnisse darstellt als meine Vorschläge (weil er nach dem stressigen Kindergarten-Vormittag viel Ruhe und Geborgenheit benötigt) oder ob aus Bequemlichkeit oder Sucht heraus eine weniger gute Strategie wählt und ich mich an dieser Stelle als 'Leitwolf' stark machen sollte.

    Liebe Grüße,
    Julia

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    1. Liebe Julia,

      wie ihr das macht, also ob klare
      Regeln oder heute mehr, morgen weniger, das hängt von euch und eurem Charakter ab. Da müsst ihr einfach selber schauen. Was ich als problematisch empfinde sind Emfehlungen, das Kind das selbst regulieren zu lassen. Also so viel Fernsehen/Computerspiele, wie es will, denn 'irgendwann wird es langweilig'. Das stimmt so nämlich nicht. Es gibt sicherlich Kinder, die sich selber gut regulieren können und nicht zu viele Süßigkeiten essen oder TV gucken. Aber die Regel sind sie nicht. Unser 'innerer Schweinehund', also das Basissystem unseres Gehirns, ist faul - wenn wir seiner Faulheit nachgeben, also uns mit Fernsehen entspannen und Süßes oder Fettes essen, wenn wir Hunger haben oder bei Twitter hängen, wenn wir Gemeinschaft wollen, dann stärkt das das Basissystem. Es wird noch fauler und es wird mächtiger, als unser vernünftiges Gehirn, welches uns eigentlich dazu bringt, uns gesund und fit zu halten. Entspannen wir dagegen, indem wir über eine Wiese spazieren oder am Fluß spielen oder ein Bild malen oder puzzeln, dann wird sowohl das Belohnungssystem des Basissystems angeregt, als auch unser präfrontaler Cortex (der vernünftige Teil) gestärkt. Beide Gehirne sind dann in Balance. Aber dazu muss man sich erst einmal aufraffen und den inneren Schweinehund überwinden. Man darf dann eben nicht zuhause auf die Couch fallen und ne DVD einschieben, sondern sich nochmal die Schuhe anziehen, und in den Park gehen. Hat man sich erst einmal überwunden, gefällt es einem nämlich. Kindern geht das genauso. Insofern, ja, solltest du an dieser Stelle Leitwolf sein.

      LG, snowqueen

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  5. Hallo Julia,

    ein bisschen hängt das sicher vom Kind ab, aber ich hab hier die Erfahrung gemacht, dass ein lockerer Regelrahmen ( der sich bei mir klar aus der Sorge der Suchtentwicklung begründet), mit flexiblem Inhalt am besten funktioniert. So gilt bei uns bspw nicht vor dem Frühstück, eine ca. Zeit von 20-40 min . täglich, bzw eine ca. angestrebte Wochenzeit von 4-7 Std, und wir richten unseren Alltag nicht nach dem Fernsehen aus. ( Sprich, bei sommerlichem Wetter komme ich nicht nach Hause gerannt, um eine Sendung sehen zu können. Eine weitere wichtige Regel lautet, wir können mit dem Konsum, besser gesagt, mit dem Nichtkonsum umgehen. Also bei Nein keine Wutanfälle, stundenlanges Gebettel, Gejammer etc. ( Wobei er das Gefühl nicht unterdrücken soll, wir achten darauf, dass es möglichst nicht entsteht). Dazwischen ist gaaaanz viel Flexibilität möglich, um auch einfach mal spontan einen Wunsch zu erfüllen, sich den Gegebenheiten anzupassen :-). Da ich oft auch einfach nur Wünsche erfülle :-) ( Nur sollten eben Bedürfnisse, nicht unerfüllt bleiben, während Wünsche eben auch einfach erfüllt werden dürfen. :-) )
    Wenn mir der Wunsch nach Fernsehen gerade überhaupt nicht zusagt, und ich das Gefühl habe, dass da gerade ein Bedürfnis dahinter steckt, ( was es meiner Meinung nach nicht immer ist, manchmal findet er die Geschichten einfach toll und es macht Spaß), dann lege ich den Fokus darauf, eine Alternative vorzuschlagen, von der ich auch weiß, dass sie das Bedürfnis stillen würde. Junior nutzt Schauen auch als Entspannung, sprich, ich sage Nein zum Fernsehen, aber schlage vor, dass wir uns aufs Sofa kuscheln und ich vorlese.

    Wenn er jetzt nicht würde rausgehen wollen, dann würde ich vorschlagen ( wenn ich die Vermutung hätte, dass er Entspannung braucht), dass wir gerne drinnen bleiben können, Fernsehen gibt's aber trotzdem nicht. Wir können lesen, CD hören etc.
    Wenn es um Entspannung ging, dann nimmt er das an, wenn nicht, dann geht er raus, ( oder, falls es um eine bestimmte Sendung geht, fängt er an, einen Deal auszuarbeiten);-)
    So kann man das ganz gut unterscheiden, finde ich.

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  6. Wow, vielen Dank, dieser Artikel passt - mal wieder :)! - gerade so hervorragend zu den Themen/Herausforderungen in meinen/unseren Alltag! Sensibel und gleichzeitig klar und anwendungsorientiert geschrieben, vielen Dank! Schöne Grüße, Kirsten

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  7. Auf vielen Dank auch von mir für diesen Artikel.
    Wieder kann ich viel in meinen Alltag mitnehmen, meine kleinen Mäuse werden es zu schätzen wissen:-)
    Es bleibt aber mit zwei Kleinkinder für mich Wunschdenken immer die einzelnen Bedürfnisse zu erkennen und erst recht sie zu befriedigen. Im wesentlichen wurschtel ich mich durch den Alltag und bete das es irgendwie reicht, dass keine nachhaltig zu kurz kommt
    Die Sache mit dem medienkonsum der kleinen interessiert mich auch brennend es wäre so großartig wenn ihr dazu mal einen Beitrag schreiben könntet...
    Wieviel ist noch in Ordnung, und vor allem - was ist wenn sie krank sind oder auf langen Autofahrten
    ?? Oder wenn Mama mal 15 min braucht um das Baby in ruhe zu stillen?

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    1. Ich wurschtele mich auch nur durch den Alltag, das werdet ihr dann in dem Artikel zu den Abenden bei uns zuhause lesen können. Es bleibt ja gar nicht so viel Zeit, in der akuten Situation groß nachzudenken. Zum Medienkonsum wird Danielle etwas schreiben, es steht schon auf ihrer to-do-Liste.
      LG, snowqueen

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  8. Was für ein toller Artikel. Ich würde mich auch gerne so äußern und verhalten können. Dein Ansatz erinnert mich sehr an Gewaltfreie Kommunikation. Erkenne ich den das richtig? Ich würde mich auch gerne so verhalten und äußern können. Leider bin ich da echt sehr gehemmt (meine Familie hat es nicht so mit offener und schon gar nicht mit gewlaltfreier Kommunikation) und möchte das aber ändern, bevor und während mein Kleiner dann auf der Welt ist. Ich habe vor einiger Zeit auch schon das Buch von Rosenberg gelesen, aber ich komme einfach nicht dazu, entsprechend einzuüben. Hast du da vielleicht Ideen/Empfehlungen?

    Rebecca :)

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    1. Liebe Rebecca, das hast du ganz richtig erkannt. Der Artikel fußt auf den Grundprinzipien der Gewaltfreien Kommunikation. Ich nehme immer wieder an Seminaren dazu teil, muss aber sagen, dass es mir trotzdem im Alltag oft unendlich schwer fällt, gewaltfrei zu kommunizieren. Aber immerhin die Bedürfnisse kann ich meistens erkennen. Das ist ja schonmal eine große Erleichterung. Das Einüben... mmmh. Also es gibt in fast allen Großstädten sogenannte Giraffen-Gruppen, wo man in sicherer Umgebung üben kann. Es gibt auch Online-Kurse. Ich guck mal, was ich finde und schreibe dann darüber.
      LG, snowqueen

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    2. Was mir sehr geholfen hat, ist das Buch "So sag ich's meinem Kind"
      Es geht um gewaltfreie Kommunikation mit Kindern und enthält viele Fallbeispiele und Beispielaufgaben, bei denen man sich überlegen soll, wie man selber antwortet.

      Liebe Grüße Fliegenpilz

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  9. Ich möchte an dieser Stelle auch ein dickes Dankeschön da lassen. Dieser Artikel wird vielen Mamas und Papas helfen, die sich oft fragen "ist das jetzt Wunsch oder Bedürfnis?". Aber auch vielen, die ihre eigenen Bedürfnisse außer acht lassen.
    Ich möchte mich Nadine G. anschließen und hätte sich auch gern auf meiner Schulter in Alltag dabei (allein das Bild im Kopf ist einfach zu knuffig ;-)). Du und Danielle haben das Aufwachsen meiner Tochter auf unbeschreibliche Weise positiv beeinflusst, wäre ich doch in so viele "Fallen" getappt. Ich kann meinen Dank kaum in Worte fassen, die ihn auch tatsächlich so rüberbringen würden wie ich ihn empfinde *hach* fühlt Euch alle beide gedrückt. Ich freue mich über jeden weiteren Artikel.
    Dieser Artikel hilft mir nun etwas besser mit meinem genervt sein umzugehen, bzw an diesem Punkt vielleicht einfach mal hinter die Kulissen meiner Kleinen zu sehen.

    Liebe Grüße
    Kathy

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  10. Manchmal glaube ich du kannst Gedanken lesen ;) als nach dem heutigen wirklich verkorksten Vormittag mein Zwerg endlich schlief habe ich erschöpft und frustriert weinend eigentlich im blog den Auronomieartikel lesen wollen und voilà, dieser kam quasi wie bestellt und mir wurde klar warum mein Kind den ganzen Vormittag mit Ja-nein-doch-doch nicht hin und her mit mir beschäftigt war. Ein riesengroßes Danke :)
    Squirrel

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  11. Hach Du wunderbare tolle Frau. Ich freu mich immer so Dich zu sehen - wir müssen echt mal länger sprechen - einfach weil ich Dich so mag und ich seit unserem ersten Treffen immer wieder an Dich denken muss..... Jessi (die nur selbstbewusst ist, wenn sie sich sicher fühlt) ;)

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  12. Herzlichen Dank für diesen wunderbaren Artikel, der das Thema wie immer umfangreich, eingängig und ohne zu verurteilen beleuchtet. Was mich interessieren würde: Sprichst du diese Art von Situationen gegenüber deiner Mutter an? Wenn ja, wie? Und wie reagiert sie? Ich finde das sehr schwierig und habe dafür noch keinen guten Weg gefunden.

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    1. Nein, normalerweise spreche ich das nicht an. Ich kann das nicht so gut. In diesem speziellen Fall war es so, dass meine Mutter hinterher in einer Sms fragte, warum ich Tränen in den Augen gehabt hätte. Daraufhin habe ich ihr geschrieben, dass mich das "Muttersöhnchen" verletzt hätte und was ich denke, ihr echtes Bedürfnis gewesen war - und das ich das nachvollziehen kann. Darüber hat sie dann nachgedacht und eingesehen, dass es keine schöne Reaktion von ihr gewesen war. Aber insgesamt spreche ich Konflikte mit meinen Eltern eher nicht an, nein. Ich denke, das geht den meisten von uns so...
      Liebe Grüße, snowqueen

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  13. Liebe Snowqueen!
    Auch ich finde diesen Artikel wieder sehr hilfreich, allerdings komm ich beim Thema Süßigkeiten nicht weiter, es gibt Tage, da will mein Sohn so gar nichts naschen und an anderen fordert er sofort nach dem aufwachen Süßigkeiten ein und wird super wütend, wenn wir diesem Wunsch nicht nach kommen.
    Dienen die Süßigkeiten dann häufig als Ersatzbefriedigungen?
    Du sagtest ja schon zu einer meiner Vorrednerinnen , dass der Konsum abhängig vom Kind und von uns ist, aber gibt es nicht irgendwie doch ne "Richtlinie"?
    Liebe Grüße Steffi

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    1. Liebe Steffi, die Richtlinie bestimmst du. Du entscheidest, wie viel Süßigkeit für euch ok sind. Es kommt ja auch drauf an, wie viel ihr euch bewegt usw. Es ist auch eine persönliche Entscheidung, ob Schokolade vor dem Essen oder gar vor dem Frühstück gegeben wird. Wenn dein Sohn dann sauer wird wegen eines Neins, ist sein Bedürfnis, über deine Begrenzung trauern zu dürfen. Also er möchte seine Gefühle äußern dürfen - und deine Aufgabe ist es, ihn dabei zu begleiten. Nicht sauer wegen seines Wütens zu werden, sondern verständnisvoll bleiben.
      LG, snowqueen

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    2. Danke liebe Snowqueen für deine Antwort!
      Zum Glück bewegt er sich (3 3/4 Jahre) wirklich viel ;)

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  14. Hi Steffi,

    ich antworte mal, wenn ich darf :-)

    Die Richtlinie, die ich kenne, ist tägl. ca. eine Hand voll ( also eine Kinderhand).

    Ich glaube gar nicht, dass Süssigkeiten immer eine Ersatzbefriedigung darstellen. So dogmatisch würd ich das nicht sehen. Klar gewöhnt man sich an Zucker und klar ist auch, dass er das Belohnungssystem aktiviert. Aber es schmeckt auch eben einfach mal nur gut.
    Ich habe festgestellt, dass es Phasen gibt, wo er stark und viel nach Süssem verlangt und Phasen, so wie im moment, wo er praktisch nichts süßes zu sich nimmt, aber nach salzigem verlangt.

    Ich finde die Trennung, ob es jetzt Nährstoffe sind, oder einfach nur Appetit, bzw das ganze Ananlysieren, immer etwas anstrengend und unglücklich. Ich persönlich sehe auch nicht grundsätzlich das Problem, einfach mal die "falschen Strategien" sprich, sich mit Naschis vor den Fernseher zu werfen, auch nicht schlimm. Selbst, wenn es eine Ersatzbefriedigung darstellt. Wichtig finde ich, dass man das selber unter Kontrolle hat und da denke ich, sind manche Menschen einfach stärker und andere nicht. was von einem selber, aber in meinen Augen auch vom Umfeld abhängt.
    Ich weiß jetzt nicht, wie alt dein Kind ist, aber ab einem gewissen Alter finde ich, gibt es eine gute Methode, um festzustellen, wie es mit der Regulierung aussieht.
    Bei uns ist es relativ locker ( ich bin selber auch ziemlich vernasch ;-)Nasche allerdings ganz bewußt auch sehr maßvoll in seinem Beisein. ) als grobes Maß gilt tägl. ca. eine Kinderhand voll ( am Wochenende kommt aber auch Kuchen, Popcorn oder so noch dazu, im Sommer manchmal Eis). Bei uns einzige Regel: nicht vorm Frühstück. Ansonsten ist es mir wirklich schnurz, weil eine Handvoll süsses wenig Einfluss auf sein Essverhalten hat. Hatte er einen Tag weniger, kanns am nächsten Tag auch mal mehr sein.
    Wo ich gut sehen konnte, wie es mit seiner Regulation aussieht: geschenkte Süssigkeiten darf er unbegrenzt behalten. In sein Zimmer stellen. Ich schaue ca. wieviel Hände das sind und von mir gibt's dann bspw eine Woche keine. Die ersten 2 male war das super spannend. Und es wird heute noch sehr zelebriert. Aber ich konnte auch beobachten, dass der Konsum im Laufe der Tage abnahm und sehr viel verschenkt wird.
    Worauf ich achte, ist, dass Süssigkeiten nicht bewußt als Trost eingesetzt werden bspw, und wenn ich weiß, dass Hunger dahinter steckt, biete ich oft auch erstmal Obst an oder so, wofür er sich freiwillig entscheiden darf. Oder ich mach einen gemixten Teller, wo auch etwas süsses drauf ist.
    Wenn du morgens also nichts süsses geben möchtest ( morgens könnte es ja Hunger sein) würde ich da bei bleiben und vielleicht ein Marmeladenbrot oder so anbieten.
    Ich finde man sollte sich der Ersatzbefriedigungen bewusst sein, muss sie aber nicht auf Teufel komm raus vermeiden. wieviele Menschen genehmigen sich regelmäßig ein Glas wein?

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  15. Liebe Anonym!
    Klar darfst du antworten! Freue mich und bedanke mich für deine Worte!
    Mein Sohn ist jetzt 3,75 Jahre alt. Und ich glaube , manchmal ist es auch einfach nur Langeweile, und wenn ich es schaffe, ihn gut abzulenken, dann kommt sein Verlangen zwar trotzdem irgendwann später, (aber so konnte ich dann wenigstens seine Geduld trainieren ;) )

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  16. Danke für diese Seite, eure Haltung und die vielen, feinen Worte, Ideen und die zauberhaften Gefühle, die ihr mir und uns schenkt. Gelassenheit, Information, Selbstvertrauen, innere Ruhe und den Mut unser Leben und unsere Beziehungen so zu gestalten, wie es für uns in unserer Familie passend ist, fernab von oberflächlichen Verhaltensregeln...DANKE!!!
    Hanna A.

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  17. Erstmal DANKE für eure Tipps und Erklärungen, die mir seit gut einem Jahr helfen, mein Kind zu verstehen und zu leiten. Ich bin ein totaler Fan eurer Artikel, und verwende sie tatsächlich als richtigen Erziehungsleitfaden. Auch wenn ich manche Artikel zeitmäßig nicht schaffe fertig zu lesen, sie sind leider doch sehr lange.
    Ich habe auch diesen Artikel aufmerksam gelesen, in der Hoffnung ein Lösung für unser derzeit größtes alltagsbestimmendes Problem zu finden. Leider konnte ich keine finden.
    Zur Geschichte: Bei uns fahren viele Traktoren, und F. (1,5 Jahre alt) wollte immer raus Traktor anschauen gehen. Da hat unser Nachbar mal gemeint, er könne sich gerne raufsetzen und wenn wir die Kühe anschauen wollen auch jederzeit in den Hof rein gehen. Und damit haben wir die Büchse der Pandora geöffnet. Oh Graus sag ich dir. Wir wollen ihm so oft wie möglich seinen Wunsch erfüllen und sind mit ihm alle 2 bis 3 Tage beim Nachbarn, wo er sich von einem Traktor auf den nächsten heben lässt und das ohne Probleme 1 Stunde lang. Und ein Rasenmähertraktor hats ihm besonders angetan, da kann er mittlerweile sogar schon alleine drauf. Jedes Mal heim gehen ist dann ein riesen Theater, selbst wenn er sogar mitfahren durfte!!
    Nur leider geht das nicht IMMER. Denn wenn es nach F. gehen würde, würde er jedes mal wenn wir zum Auto raus gehen, vom Auto zum Haus gehen oder in den Garten gehen, zum Nachbarn rüber gehen. wir lassen sagen dann meistens, dass es heute nicht geht, weil der Nachbar nicht da ist, oder so. Das wird mit tobenden Geschrei kommentiert. Egal was wir sagen.
    Seit zwei Tagen verlassen wir also 10 min früher das haus, damit er hinter dem Lenkrad unserer Autos noch etwas sitzen darf. Erst hats funktioniert, dass er sich dann freiwillig in den kindersitz setzen hat lassen, aber jetzt will er auch da ewig sitzen.
    Es ist so schlimm, dass ich mir 2 Mal überlege, ob ich mit ihm raus gehe, im Garten etwas arbeite. er gießt ja gerne und hilft gerne mit, aber schließlich will er dann doch irgendwann rüber!! Wie können wir besser reagieren??
    eve

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    1. Liebe Eve, ich frage mich ob es eine Loesung waere, ihm einen Spieltraktor zu schenken? Das faellt mir jetzt spontan ein...aber ich weiss natuerlich nicht ob das als "Ersatz" genuegt? Petra

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    2. Hallo Petra.
      Spielzeugtraktoren hat er genug ja. Ich habe es jetzt mit einem Übergangsobjekt versucht, und das klappt manchmal. Also im Auto lass ich ihn Drücker vom Garagentor mit nach hinten nehmen, nachdem er auf meiner Schoß sitzend aus der Garage raus fahren durfte. Nur das ist für ihn jetzt auch so selbverständlich geworden dass er jetzt wieder oft bockt.
      Beim Nachbarn tu ich mir schwer immer etwas zu finden. Einmal darf er den Trettraktor (er hat auch einen eigenen) oder eine essbare Blume, die wir unbedingt dem Papa zeigen müssen mitnehmen.
      Aber meist ist es doch recht schwierig. Und er tut mir leid, weil er kein Zeitgefühl hat.
      LG Eve

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  18. Mein Kommentar von gestern taucht irgendwie nicht auf. Daher versuche ich es nochmal. Bettina.roth#web.de

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  19. Erst mal vielen herzlichen Dank für eure tollen Artikel!
    Bin durch unser Schreibaby auf eure Seite gestoßen und das war unsere Rettung! Seitdem habe ich schon viele hilfreiche Anregungen und Vorschläge eurer Seite umsetzen können. Vielen Dank nochmal für eure Mühe!

    Was mir bei diesem Artikel super gefallen hat, war die Möglichkeit ihn anzuhören. Mit Kind ist das viel einfacher als zu lesen. Wird es in Zukunft mehr solche "Hörartikel" geben? Das wäre echt klasse!
    Viele Grüße, Tina

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    1. Liebe Tina,

      vielen Dank für Deinen Kommentar. Das Projekt von Narando ist toll! Leider finden wir keinen Sponsor für regelmäßige Vertonungen. Unsere Artikel sind oft so lang, dass das relativ aufwändig ist. Aber Priya von Narando versucht immer mal wieder, dennoch einen zu vertonen. Daher: ja, wird es, aber unregelmäßig.

      Liebe Grüße!
      Danielle

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  20. Auch von mir ein dickes DANKESCHOEN. ich war jetzt schon ein paar Wochen nicht mehr auf Eurem Blog und habe heute wieder reingeschaut - und gemerkt dass Ihr mir gefehlt habt! Eure Worte sind Balsam auf der Seele und dieser und alle anderen Artikel bestaerken mich in meinem Versuch, kindgerecht und respektvoll mit meinem kleinen Zwerg umzugehen, waehrend fast 99% meines Umfelds mich hauptsaechlich bemitleiden, weil ich mich in ihren Augen vom "Kind-Koenig" (mit 9 Monaten) manipulieren lasse. Danke fuer diesen grossartigen Artikel der dazu anregt, alles einschliesslich sich selbst immer wieder zu hinterfragen. Diesen moechte ich auf alle Faelle wieder uebersetzen lassen!!! Liebe Gruesse Petra

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  21. Hey ihr,

    kleine Anmerkung vorab: im Inhaltsverzeichnis ist der Artikel falsch verlinkt, ich komme immer nur auf "Warum man Kinder nicht dazu anhalten muss, sich zu entschuldigen".

    Ansonsten: Wow, vielen Dank für euren Blog. Ich bin seit ein paar Tagen völlig gefangen und habe ständig gefühlte 20 Tabs mit interessanten Artikeln offen ;)
    Einige waren schon richtige Augenöffner, was mich vor allem unglaublich beeindruckt, sind die vielen Erklärungen und Fakten. Ich hatte schon ein paar bindungs-/bedürfnisorientierte Blogs angeschaut und vom Gefühl her weiß ich, dass das die richtige Methode für mich ist. Bei euch erfährt man dann die Hintergründe und erhält das "Aha-Moment", WARUM es tatsächlich der richtige Weg ist!

    Also: Danke Danke Danke für eure unermüdliche Arbeit, ich will mir gar nicht ausmalen, was das für ein Aufwand ist!

    Liebe Grüße,

    Susi

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  22. Hallo,
    ich liebe eure Seite und vieles davon wenden wir auch erfolgreich an.
    Mein Sohn ist mit seinen 20 Monaten sehr selbstbewusst, selbstbestimmt und differenziert immer mehr was er will und vor allem nicht will! Manchmal treibt es mich in den Wahnsinn, auch wenn ich sehr stolz auf ihn bin.
    Aber was mache ich, wenn er sich morgens nicht anziehen lässt... ich habe nun herausgefunden, das er mehr Zeit mit mir braucht, bevor es zur Krippe geht und werde nun früher aufstehen und ihn auch eher wecken.
    Aber es ist November, ich musste ihn heute zwingen, wenigstens einen Teil anzuziehen. Ich hasse es, etwas gegen seinen Willen zu tun und schöpfe vorher alles aus, doch irgendwann rennt mir die Zeit davon und ich will nicht, das er krank wird.
    Also was tun, wenn alles spiegeln, Verständnis haben ect. nichts hilft? Augen zu und durch?

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    1. Hallo,

      hast Du unseren Artikel dazu schon gelesen? Du findest ihn hier: http://www.gewuenschtestes-wunschkind.de/2015/10/mein-kind-zieht-sich-nicht-allein-an-tipps-und-tricks-fuer-kinder-die-sich-nicht-anziehen-wollen.html.

      Ich schreibe übrigens gerade einen Artikel darüber, dass Kälte nicht krank macht - insofern würde ich ihn durchaus die Erfahrung machen lassen, wie es sich anfühlt, nicht ausreichend bekleidet hinaus zu gehen.

      Herzliche Grüße
      Danielle

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  23. Hallo ihr Lieben, ich habe mir heute mal wieder diesen Artikel durchgelesen und hätte da mal eine Frage. Ich vermute hinter vielen Verweigerungen meiner 17-monatigen Tochter ein Bedürfnis nach "Anregung" oder manchmal auch "nicht unterbrochen werden". Ich finde aber in dieser Aufzählung kein Bedürfnis, das so recht dazu passt. So weigert sie sich zum Beispiel grundsätzlich, ins Auto einzusteigen und läuft stattdessen in irgendeine Richtung. Sie will dann dort etwas erkunden. Im Auto ist es eben langweilig. Nach dem Autofahren machen wir aber sehr oft tolle Sachen, es kann also nichts damit zu tun haben, dass sie das Fahrziel nicht erreichen möchte.

    "Etwas Interessantes erleben" kommt mir so vor, als könnte es ein reguläres Bedürfnis sein. Das steht aber nicht in eurer Liste. Welches Bedürfnis würdet ihr hierfür benennen?

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  24. Hallo ihr Lieben,

    erstmal danke für den tollen Blog! In letzter Zeit ist mir meinem grade zweijährigen Sohn immer öfter ein Problem aufgetaucht, bei dem ich wirklich ratlos bin und einen Input von euch wirklich sehr schätzen würde.
    Mein Sohn wird zwar nicht direkt wütend aber er fängt an zu weinen wenn er bereits etwas müde ist und dann noch Dinge bestimmen will. Wie neulich z.B. als ich die Treppe gehen wollte, er aber den Lift. Da er eben schon etwas müde war, sagte ich ihm, dass wir heute auch den Lift nehmen können. Daraufhin wollte er die Treppe. Als ich dann zur Treppe kam, wollte er wieder den Lift usw. Dieser Konflikt ist jetzt schon öfterns (in ganz unterschiedlichen Situationen) aufgetaucht und ich weiss nicht was ich dann tun soll. Sage ich zu etwas "ja" will er es nicht mehr, sage ich "nein" und versuche etwas vorzugeben ist es auch nicht gut und wenn ich ihn einfach nehme und ihn aus der Situation hole fängt er auch an zu weinen. Egal was ich also versuche, er weint in jedem Fall. Ich verstehe nicht ganz, was hier sein Thema ist und wie ich am besten damit umgehen kann. Könnt ihr mir dazu etwas sagen?

    Vielen lieben Dank schonmal!

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    1. Das ist eine Situation, in der du nicht gewinnen kannst. Er weiß dann nämlich selbst nicht, was er will. Wenn du also merkst, ihr seid wieder in einem solchen Hin-Und-Her-Moment gefangen, dann entscheide du für ihn. Weinen wird er sowieso, egal, was du machst. Es ist besser, dann eher schneller aus der Situation rauszukommen, damit er schlafen kann, als lange herum zu eiern, um zu vermeiden, dass er weint.

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  25. Liebe Snowqueen, liebe Danielle,

    als allererstes ein tief empfundenes DANKESCHÖN für die großartige Arbeit, die ihr hier leistet!! Ich habe vor ein paar Wochen euren Blog entdeckt und merke, wie durch viele eurer Artikel mein Denken und mein Fühlen in Bezug auf Kinder gerade "umgekrempelt" wird. Ich schreibe euch stellvertretend unter diesem Beitrag, weil es hier beim Lesen in mir besonders laut Klick! gemacht hat.
    Ich bin Grundschullehrerin und seitdem ich selber Mutter bin (7 Monate alter Sohn) sehe ich das Thema Kinder und Erziehung mit anderen Augen. Wobei, vielleicht nicht mit anderen Augen, mir kommt es eher so vor, dass ich vorher sehr kurzsichtig war und nun anfange, tiefer zu blicken und wirklich zu verstehen. So oft kommen mir beim Lesen eurer Texte Szenen mit meinen Schulkindern in den Sinn, wo ich mich manchmal hilflos, unglaublich wütend (provoziert), inkompetent oder auch total gefühlskalt erlebt habe. Immer wieder dieser leidige "Kampf" mit den Kindern, wer gerade "der Stärkere" ist... und das Gefühl, gerade in den Momenten, wo sich Kinder "daneben" benehmen, keinerlei herzliche Verbindung mehr zu ihnen zu spüren, einfach in der Rolle als Lehrer funktionieren zu müssen, dabei innerlich immer härter und kälter zu werden und die Frage ist nicht mehr, was eine gute Lösung sein könnte, sondern nur noch, wer den längeren Atem hat... kein Wunder, dass ich oft so erschöpft war. Und hier nun beim Lesen der Augenöffner: Ich habe so oft nur den Gipfel des Eisbergs (Verhalten) gesehen und bin gar nicht auf den Gedanken gekommen, nach dem Rest des riesigen Berges (Bedürfnis) Ausschau zu halten. Das macht mich manchmal richtig traurig, wenn ich an all diese Situationen und vorallem an die Kinder denke, denen ich bestimmt oft (in guter Absicht!) unrecht getan habe...
    Und zugleich dieses freudige Kribbeln, die unglaubliche Neugier, was sich möglicherweise ändern kann, wenn ich anders auf Kinder und auf deren vermeintliches Fehlverhalten eingehe.
    Sehr hilfreich finde ich auch eure Beiträge zum Thema "Kooperieren", gerade auch die konkreten Beispiele (davon kann es irgendwie nie genug geben...). Da wurde mir erst richtig klar, wie sehr und wie oft Kinder im Schulalltag kooperieren. Und das, wo das gesamte System Schule - wenn man es aus der Sicht der bedürfnisorientierten Erziehung betrachtet - sowieso recht fragwürdig ist... Die Kinder leisten unglaublich viel! Und für uns Lehrer (und Eltern) scheint das selbstverständlich zu sein, Wertschätzung oder eher noch Lob (sehr interessant auch eure Ausführungen dazu!) gibt es nur bei herausragenden Leistungen, dafür wird bei jedem störenden Verhalten sofort kritisiert, gedroht und auch gestraft.
    Wie ihr merkt, geht mir das gerade alles ziemlich stark im Kopf und im Bauch herum... aber da ist diese noch schwer zu greifende, aber unglaublich schöne und mutmachende Ahnung davon, wie Schule sein könnte, wenn man nicht nur als Eltern, sondern auch als Lehrer auf die Bedürfnisse der Kinder eingeht. Regeln und Rahmenbedingungen, an denen man nur wenig rütteln kann, gibt es da eh mehr als genug...

    Und das, was ich eben geschrieben habe, ist auch schon mehr als genug. :)
    Also nochmal: Danke für eure Augen- (und Herz-)öffner!

    Liebe Grüße
    Theresa

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    1. Liebe Theresa, ich habe deinen Kommentar damals gelesen und mich sehr, sehr gefreut, komme aber erst heute dazu, zurückzuschreiben. Danke! Du hast mich mit deinen Worten tief im herzen berührt. Und ja, was du über Schule schreibst, stimmt leider. LG, Snowqueen

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  26. Vielen dank für diesen wunderbaren Artikel, der vermutlich mein Leben ändert und viele viele Probleme löst. Danke!

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  27. bietet ihr auch Beratungsgespräche an? Fände ich richtig!

    Nachdem ich hier endlich Antworten auf meine Fragen finde und jetzt meinen Alltag ganz anders sehe, stehe ich vor unzähligen neuen Fragen.
    Ich hab mir immer eingebildet, ich sei ganz gut darin, die "Fassade" von mir und anderen zu umgehen und das, was wirklich dahinter steht zu erkennen. Bei meinem Mann kann ich das gut. Blöderweise scheint das bei meinen Kindern nicht zuzutreffen. Das ist doch auch der Grund, warum Ärzte ihre eigenen Kinder nicht operieren dürfen oder so?!

    Wie kriegt man also die echten Bedürfnisse der Kinder so schnell klar? Und wie kann man kollidierende Bedürfnisse erfüllen? Mein Sohn will oft nicht in den Kindergarten. Wenn er hier bleibt, langweilt er sich aber und weint, weil sein großer Bruder so viele Freunde hat und er nicht.
    Ich bin zu Hause, aber ich würde mir gerne einen eigenen Blog aufbauen und habe ich der Schlafpause des Jüngsten das Bedürfnis keine Bedürfnisse zu erfüllen, nur meins: zu Schreiben und tolle Artikel wie diesen zu lesen. Wie schrecklich das klingt! Und so egoistisch. Wenn mein Mittlerer aber zu Hause bleibt, sitzt er dann neben mir und sagt alle paar Minuten: guck mal, Mama. Dann kann ich das Schreiben abhaken und am Abend ist mein größtes Kind inzwischen so lange wach, und ich bin dann so gegen 9 Uhr so ko, das auch nicht mehr so viel geht.
    Ich habe das Gefühl aufgefressen zu werden.

    Ich habe das sichere Gefühl, wenn ich besser die wirklichen Bedürfnisse der Kinder erkennen und erfüllen könnte, dann würden sie nicht so an mir zerren. Ist ja logisch.

    Also ganz liebe Grüße
    Susanne

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    1. Liebe Susanne, ich denke, bei dir hakt es daran, dass du deine eigenen Bedürfnisse nicht stark genug in die Waagschale legst. Du hast den dringenden (!) Wunsch, zu schreiben (das Bedürfnis dahinter weißt du selbst am besten). Er hat den Wunsch, zuhause zu bleiben (Bedürfnis: Bindung). Nun müsst ihr abwägen. Er kann zuhause bleiben, und du spielst auch mit ihm, so lange es geht, aber dann ist dein Bedürfnis auch dran, und darauf darfst du pochen. Die Mittagspause gehört dir, ob er sich langweilt, oder nicht. Was du dann in der Mittagspause machst, ist dein Bier. Selbst, wenn du nur auf dem Balkon sitzt und Kaffee trinkst, ist das GENAUSO WICHTIG, wie sein Bedürfnis davor. Das sagst du ihm so. Er wird protestieren, aber diesen Ärger darf er ruhig rauslassen. Das heißt nicht, dass du einknicken musst. Bei uns ist es z.B. so, dass nach dem Abendbrot kurz Erwachsenenzeit ist und wir am Tisch sitzen und quatschen. In der zeit müssen sich die Kinder allein beschäftigen. Das finden sie auch nicht so prickelnd, besonders der Dreijährige, aber es wird akzeptiert.
      Viel Glück! LG, Snowqueen

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  28. Danke für diesen tollen Artikel!
    Momentan hat mein "Großer" (3,5 Jahre) eine Phase, in der er vor allem abends ein furchtbares Theater aufführt. Weigern,Schreien, schimpfen, weinen, hauen...das volle Programm. Oft reagiere ich einfach nur genervt und werde sauer. Meist endet es damit, das wir erschöpft im Bett liegen (wir haben ein Familienbett und beide Kinder, 3,5 und 2 Jahre, brauchen noch Einschlafbegleitung) und ich bin die "doofe Mama, die immer nur schimpft". Diese Situation ist für uns alle sehr unbefriedigend, und ich erwarte schon immer das Theater und bin dementsprechend schon gereizt bevor es überhaupt losgeht. Euer Artikel hilft mir dabei, den "Großen" und sein Verhalten zu hinterfragen (natürlich gibt es einen Grund warum er so reagiert), und mich mehr damit auseinander zu setzen anstatt zu schimpfen.
    Vielen Dank :)

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    1. Liebe Denise, vielen Dank für das tolle Feedback. Ein Tipp aus eigener Erfahrung: Such mal nach dem Grund des Verhaltens weit früher im Tag. Bei uns z.B. war es so, dass sich meine Tochter, die ebenso ein Theater abends machte, das Gefühl hatte, ich wende mich ihr im Laufe des Tages nicht oft genug zu (ich hatte ein neues Baby zu der Zeit). Als ich das verstanden hatte und gelöst habe, verschwand das abendliche Theater. (In dem Artikel "Die Entthronung der Erstgeborenen" schreibe ich darüber).
      LG, Snowqueen

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  29. Guten Morgen,
    vielen Dank für euren tollen Blog! Danke dass Ihr euer Wissen und vorallem auch euren Alltag mit uns teilt.
    Wir/ich haben derzeit ein Problem. Unsere Tochter (2 Jahre 3 Monate) fragt mich bzw. sagt derzeit mehrmals am Tag zu mir "Mama, Du hast mich auch lieb!?". Dies kommt vorallem dann vor, wenn ich "Nein" zu etwas sage oder wenn ich ungeduldig werde oder gar auch mal schimpfe. Also z.B. wenn sie schon etwas zu naschen hatte und ich der Meinung bin, heute war es schon genug. Oder wenn ich morgens, wenn wir uns fertig machen für Krippe/Arbeit, nach mehrmaligem auffordern sich z.B. die Hose/Schuhe anzuziehen ungeduldig werde. Ich sag dann z.B. Schatz, zieh jetzt bitte die Hose an, wir müssen gehen, ich muss pünktlich in der Arbeit sein.... Dann fragt/sagt sie das und ich versichere ihr dass ich sie lieb habe. Heute war ich dann aber irgendwann auch ganz genervt deswegen, weil ich es morgens schon ein paar mal "beteuern" musste. Ich weiß nicht was unsere Tochter mir damit sagen möchte? Nachdem ich mir den Artikel mit den Wünschen/Bedürfnissen nochmals durchgelesen habe, bin ich aber auch nicht auf eine Lösung/Idee gekommen.
    Vielleicht merkt sie meine Unsicherheiten, dass ich mir schwer tue ihr Dinge zu verbieten, weil ich immer alles richtig machen will bzw. mir es leid tut, wenn ich ungeduldig werde etc.
    Ich hab keine Ahnung. Aber es beschäftigt mich sehr! Ich liebe meine Tochter, aber irgendwie scheint es nicht so anzukommen. Sonst würde sie ja sowas nicht sagen/fragen!?
    Vielen Dank für´s Zuhören.

    Liebe Grüße

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  30. Vielen Dank für einen weiteren erhellenden Artikel.
    Ich verstehe trotzdem noch nicht so ganz den Unterschied zwischen Wünschen und Bedürfnissen? Nicht hinter jedem Wunsch steckt doch ein Bedürfnis? Und vor allem: Ist es förderlich, jeden Wunsch zu erfüllen (sofern es mir nichts ausmacht)?

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    1. Das stimmt - hinter Wünschen steckt nicht immer ein (Grund-)Bedürfnis, weswegen man sie nicht zwingend erfüllen sollte.

      Meine persönliche Erfahrung ist: Je öfter ich Wünsche erfülle (wenn sie mir nichts ausmachen!), desto mehr kooperieren meine Kinder auch bei meinen Wünschen. Es ist aber eben auch wichtig, dass sie nicht alle Wünsche erfüllt bekommen, weil sie auch negative Gefühle er- und durchleben müssen.

      Liebe Grüße
      Danielle

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  31. Monika & Thomas27. Juli 2022 um 10:27

    Vielen Dank für den spannenden Beitrag. Was für ein Augenöffner. Es ist wertvoll, diese Unterscheidung zwischen Wünschen und Bedürfnissen klar wahrzunehmen. Mit dieser Klarheit können die Situationen ganz anders angehen.
    Genau dieses Zusammenspiel sehen wir so klar in Lernsituationen mit Kindern, die an Lernschwierigkeiten leiden: Sie verwenden viele ungünstige Strategien, wie Tränen, Blockade, Wutfälle und Rückzug. Das wahre Bedürfnis dahinter ist Selbstschutz. Die Kinder scheitern immer wieder - beispielsweise in Mathe. Sie wollen sich vor diesen schmerzhaften Gefühlen schützen. Vor dem beklemmenden Gefühl, wieder hilflos vor dem Aufgabenblatt zu sitzen.
    Von außen ist nur die Strategie des Kindes sichtbar: Sie wird fälschlicherweise als Unlust, Verweigerung und Blockade wahrgenommen. Sie lösen bei gestressten Eltern oder überforderten Lehrpersonen wiederum Reaktionen aus, die das wahre Bedürfnis nicht adressieren. Ja, es ist wertvoll hinter die Bedürfnisse zu blicken. Vielen Dank für die Klarheit!

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