Wie kann man sein Kind beim Sauberwerden unterstützen?
Kürzlich bekam ein eine nette E-Mail mit der Bitte, mich doch bitte mal des Themas "Trockenwerden" anzunehmen. Um ehrlich zu sein - ich habe zwar leichthin gesagt: "Klar, das mache ich mal..." aber nun sitze ich vor diesem Artikel und habe nicht die geringste Ahnung, wie er am Ende aussehen wird. Über dieses Thema habe ich mir ehrlich gesagt noch so gar keine vertieften Gedanken gemacht. Das, was ich gelesen hatte war, dass das Sauberwerden ein Entwicklungsschritt ist, der nicht zu beschleunigen ist. Daher wollte ich meinen Kindern alle Zeit der Welt lassen und darauf warten, dass sie von sich aus keine Windel mehr möchten.
Bei meiner Tochter bekam ich damals von der Kita im Alter von etwa 2,5 Jahren den Hinweis, dass sie so weit sein könnte und man daher gerne die Windel weg lassen würde. Das hätte ich persönlich nun nicht unbedingt so erkannt aber ich dachte mir: "Na macht einfach mal". Ich wusste, dass sie garantiert nicht unter Druck gesetzt werden würde und als ich mein Kind fragte, ob sie gerne möchte, bejahte sie das dann auch.
Also nahm ich eine Woche lang nasse Wäsche mit heim und dann war es das. Nachts ließ ich sie noch mit Windel schlafen, stellte aber sehr schnell fest, dass diese am Morgen stets trocken war. Alles war so gelaufen, wie ich mir das immer gewünscht hatte - ohne Stress, ohne Druck und von einem Tag auf den anderen. Es war so unspektakulär, dass ich die genauen Umstände irgendwie schon völlig vergessen habe. Auch an Unfälle kann ich mich kaum erinnern - seitdem die Windel weg war, hat sie in 2,5 Jahren vielleicht insgesamt zwanzig mal eingepullert. Meist geschah das dann zwei bis drei mal hintereinander. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Blase gewachsen war und sich deswegen die Verbindung Blase-Hirn neu programmieren muss. Seitdem sie etwa fünf Jahre alt ist, gab es keinerlei Unfälle mehr.
Mein Sohn ist jetzt gerade drei Jahre alt geworden und trägt fröhlich seine Windel. Zwar geht er (zumindest in der Kita) regelmäßig zur Toilette - etwas produziert hat er dort jedoch noch nie. Auf die Frage, ob die Windel voll ist, kriege ich nie eine ehrliche Antwort - selbst wenn er zum Himmel stinkt, versichert er mir sehr glaubhaft "Ich hab gar nicht eingekackert!" Vor drei Monaten wurde aus meinem Krippenkind ein Kitakind - im neuen Raum gab es keinen Wickeltisch mehr. Nun ist mein Sohn zwar einer der jüngsten in der Gruppe, aber ich fragte schon etwas erstaunt, ob denn schon soooo viele sauber seien. Die Erzieherin meinte etwas verlegen: "Ja, eigentlich alle - ihr Sohn ist der letzte". Oh - das war dann doch erst mal eine Überraschung. Die Erzieherin tröstete mich jedoch mit: "Aber er hat auch gerade sooo viel mit Sprechenlernen zu tun, der ist einfach noch nicht so weit". Zwei, drei Monate später hieß es dann: "Hm - da tut sich rein gar nichts. Da hätten wir jetzt mehr erwartet".
Das ist dann der Punkt, wo man anfängt, doch etwas zu grübeln. Ehrlich gesagt - ich hasse das! Man weiß es doch besser - warum lässt man sich dennoch verunsichern? Sich Gedanken zu machen heißt, dem Kind nicht zu vertrauen. Ihm ja im Grunde zu unterstellen, dass es eigentlich könnte und nur nicht will. Dabei hatte ich im letzten Sommer die Windel schon gelegentlich weggelassen, wenn er nackt durch den Garten lief. Und das hat mir eindrucksvoll demonstriert, dass er überhaupt nicht merkt, wann er muss. Er blieb dann immer völlig erschrocken stehen und staunte total über das lustige Flüsslein, das sich da zwischen seine Füße schlängelte.
Neulich beobachtete er seine Schwester beim Toilettengang und als es plätscherte, lief er hin, drückte sie und rief begeistert: "Du hast in die Toilette gepullert!" Gestern erzählte er freudestrahlend, dass er in der Kita bescheid gesagt hat, dass die Windel voll war! Das hat mir bewusst gemacht, dass er sich ganz sicher nicht verweigert oder zu faul ist, sondern es schlicht einfach noch nicht kann. Offenbar ist Bescheidsagen oder in die Toilette pullern in seinen Augen eine riesige Leistung, auf die man stolz sein kann. Wenn er dann soweit ist, dann wird er ganz sicher auch gehen (wollen). Meine Entspannung in Bezug auf das Sauberwerden ist nach den Recherchen zu diesem Artikel mittlerweile wieder vollständig zurückgekehrt.
Sauberwerden - Wissenschaft und Geschichte
Die Studienlage zum Thema "Sauberwerden" ist nicht sehr umfangreich. Die heutige Empfehlung für gelassenes Abwarten basiert auf den Zürcher Longitudinalstudien, an denen der Schweizer Kinderarzt Remo Largo maßgeblich beteiligt war. Seit 1954 wurden dabei mehr als 700 Kinder beim Erwachsenwerden begleitet und während ihrer Entwicklung genau beobachtet. Dazu muss jedoch angemerkt werden, dass zu dieser Zeit die Begleitung von Kindern nicht sehr bedürfnisorientiert war. Die Zahlen beziehen sich also auf Kinder, bei denen wahrscheinlich Signale, die ein früheres Sauberwerden ermöglicht hätten, nicht gesehen wurden. Sie sind aber interessant, für Eltern, die sich - wie ich - nicht allzu viel Gedanken um das Sauberwerden gemacht haben und nun an dem Punkt stehen, dass sie sich sorgen, weil der Prozess scheinbar zu lange dauert.
Zu Beginn dieser Untersuchungen in den 50er-Jahren wurde das Töpfchentraining üblicherweise bereits im ersten (!) Lebensjahr begonnen - im ersten Lebenshalbjahr wurden schon 32 % der Kinder über einen Topf oder eine WC-Schüssel gehalten. Mit 9 Monaten war das schon bei 64 % der Kinder der Fall und um den ersten Geburtstag wurden 90 % der Kinder "getopft". Dieses Vorgehen änderte sich in den 70er- und 80er-Jahren grundlegend - zum einen wurde der allgemeine Erziehungsstil kindorientierter, zum anderen hielt die Waschmaschine Einzug in deutsche Haushalte und erleichterte das Windeln waschen enorm, was nachhaltig den Druck aus der Thematik nahm.
Nachdem dann die Wegwerfwindeln auf den Markt kamen, entspannte sich die Erwartungshaltung an die Kinder zusätzlich - es wurde nun durchschnittlich etwa 14 Monate später als vorher mit der Sauberkeitserziehung begonnen. Dennoch wurden und werden Kinder weiterhin ganz genauso schnell trocken, wie vorher. Die Longitudinalstudien belegen, dass die Kinder genauso schnell trocken wurden, wie vorher - nämlich durchschnittlich mit etwa 28 Monaten.
Diese Ergebnisse belegen, dass es sich beim Sauberwerden um einen Reifungsprozess handelt. Wir können ihn entgegen dem Willen unserer Kinder ebenso wenig beschleunigen, wie das Laufen oder Sprechen lernen. Es gibt einige Dinge, die diese Prozesse durchaus unterstützen, bspw. indem wir aufmerksam ihre Signale erkennen und sie begleiten, aber kein Kind läuft, spricht oder benutzt den Topf wirklich schneller, weil man es mit ihm übt oder trainiert.
Wie heißt es so schön? Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
Wann werden Kinder trocken?
Schon Neugeborene können signalisieren, wann sie mal müssen. Daher ist es grundsätzlich möglich, Babys "windelfrei" aufwachsen zu lassen. Wird auf diese Signale jedoch nicht geachtet und dem Baby dauerhaft eine Windel angezogen, verliert sich diese erstaunliche Fähigkeit leider recht schnell. Wir trainieren unseren Kindern mit Windeln die Sauberkeit im Säuglingsalter quasi ab. Dadurch, dass moderne Windeln sofort alle Ausscheidung nahezu vollständig absorbieren, empfinden Kinder volle Windeln nicht als unangenehm. Stoffwindeln unterstützen dabei, dass Kinder ihre Ausscheidungen bewusster wahrnehmen.
Ich selbst habe von "windelfrei" leider zu spät erfahren, so dass ich es nicht mehr ausprobieren konnte. Daher geht es in diesem Artikel ausschließlich um das Sauberwerden von Kindern, die durch die Verwendung von Windeln ihre natürliche Kontrolle über Blase und Darm verloren haben.
Die Spannbreite beim Sauberwerden ist enorm groß - üblicherweise reifen die Blasen- und Darmkontrolle irgendwann zwischen dem zweiten und dem fünften Geburtstag so weit, dass Kinder trocken werden können. Es gibt aber auch viele Kinder, die schon deutlich früher soweit sind - wenn ihr also Euer Kind beobachtet und feststellt, dass das Interesse und die Signale schon vor dem zweiten Geburtstag gezeigt werden, scheut Euch nicht, einfach mal die Windel weg zu lassen und einen Topf anzubieten!
Während des Sauberwerdens gelingt es Kindern zunächst nach und nach besser, Ausscheidungen bewusst wahrzunehmen. Sie ziehen sich zunehmend zurück und wollen ungestört bei ihren Geschäften sein. Der erste Schritt beim Trockenwerden ist die Mitteilung, dass die Windel voll ist.
Allmählich beginnen Kinder dann, Interesse für Toiletten, Töpfchen und Windelinhalte zu entwickeln - die nachfolgende Grafik zeigt, wie sich dieses Interesse und damit die Eigeninitiative zum Trockenwerden entwickelt:
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Anteil der Kinder in %, die bis Eigeninitiative zum Sauberwerden zeigen
(Angabe des Alters in Monaten)
Quelle: "Babyjahre" von Remo Largo |
Die Kontrolle über die Blasenaktivität
Säuglinge, die nicht windelfrei aufwachsen, entleeren ihre Blase unwillkürlich etwa zwanzig mal am Tag. Ab dem sechsten Lebensmonat werden die Intervalle zwischen den Entleerungen immer länger. Mit durchschnittlich 2,5 Jahren nehmen Kinder bewusst das Gefühl wahr, dass die Blase voll ist.
Das Einhalten - also das Zurückhalten des Harns - erfordert die Anspannung der Schließmuskel und der Beckenbodenmuskulatur. Das gelegentliche Zurückhalten des Harns beherrschen die meisten Kinder mit etwa drei Jahren vollständig - das heißt aber nicht unbedingt, dass sie schon komplett sauber werden können oder wollen.
Zwischen dem zweiten und dritten Geburtstag werden etwa die Hälfte aller Kinder tagsüber trocken. Bis zum vierten Geburtstag schaffen das weitere 40 %. Die restlichen 10% sind dann in der Regel bis zum fünften Geburtstag tagsüber windelfrei. Die nachfolgende Grafik zeigt die Entwicklung der Blasenkontrolle tagsüber:
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Anteil der Kinder in %, die tagsüber über Blasenkontrolle verfügen
(Angabe des Alters in Monaten)
Quelle: "Babyjahre" von Remo Largo |
Die nächtliche Blasenkontrolle entwickelt sich meist ein paar Monate verzögert:
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Anteil der Kinder in %, die nachts über Blasenkontrolle verfügen
(Angabe des Alters in Monaten)
Quelle: "Babyjahre" von Remo Largo |
Häufiges Einnässen während des Sauberwerdens ist völlig normal - manche Kinder schaffen es zwar, von heute auf morgen trocken zu sein, die meisten haben jedoch über längere Zeit noch einige Piesel-Pannen. Im Alter von 5 Jahren passieren noch etwa 5 % der Mädchen und 10 % der Jungen nächtliche Unfälle.
Im Alter zwischen sechs und 16 Jahren nässen sogar noch etwa 640.000 Kinder in Deutschland nachts ein. Passiert das regelmäßig nach Vollendung des 5. Lebensjahres, bezeichnet man das als "Enuresis" - laut WHO ist es dann eine behandlungsbedürftige Krankheit, wenn das Kind an mindestens zwei Tagen im Monat einnässt und organische oder medizinische Ursachen ausgeschlossen wurden.
Häufigste Ursache ist eine genetische Reifungsstörung des zentralen Nervensystems, bei dem die hormonelle Regulation eines bestimmten Hormons gestört ist, das den Wasserhaushalt im Körper beeinflusst. Man unterscheidet eine primäre und eine sekundäre Enuresis - eine primäre liegt vor, wenn das Kind noch nie tags oder nachts trocken war, also immer noch nachts einnässt, die sekundäre liegt vor, wenn das Kind bereits mehr als sechs Monate trocken war und nun rückfällig wird. Die sekundäre Enuresis ist meist psychisch bedingt oder von einer Harnwegserkrankung verursacht. Über die Behandlungsmöglichkeiten könnt ihr Euch hier näher informieren.
Die Kontrolle über die Darmaktivität
Die Darmaktivität kann in der Regel eher kontrolliert werden, als die Aktivität der Blase. Das liegt daran, dass der Entleerungsvorgang nicht so "zeitkritisch" ist. Das Gefühl der nahenden Darmentleerung kündigt sich lange vorher an. Der Druck im Bauch nimmt kontinuierlich zu, so dass das Kind genügend Zeit hat, einen Toilettengang zu planen. Der Harndrang hingegen "überfällt" das Kind quasi - der Zeitraum, eine Toilette aufzusuchen, bevor es zu spät ist, ist deutlich kürzer. Ein großes Geschäft lässt sich auch im Notfall temporär unterdrücken - das ist mit dem Pullern jedoch nicht über einen längeren Zeitraum möglich.
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Anteil der Kinder in %, die über vollständige Darmkontrolle verfügen
(Angabe des Alters in Monaten)
Quelle: "Babyjahre" von Remo Largo |
Auch wenn sie ihre Darmaktivität schon kontrollieren können, bevorzugen einige Kinder für die Darmentleerung noch über längere Zeit eine Windel. Es kommt auch häufiger vor, dass Kinder für die Blasenentleerung Topf oder Toilette verwenden, dieses aber für den Stuhlgang verweigern. Das war bei meiner Tochter auch der Fall und hat mich etwas verwirrt. Sie trug keine Windel mehr, verlangte aber, dass ich ihr eine anzog, als sie merkte, dass sie mal muss.
Auch hier empfehle ich abwarten. Es ist nicht sinnvoll, Druck aufzubauen, indem man die Windel verweigert - irgendwann ist jedes Kind ganz sicher so weit. Bei uns platzte der Knoten, als wir bei Freunden spielten und sie zu einem für sie unüblichen Zeitpunkt mal musste. Sie bat um eine Windel und ich konnte ihr leider keine geben. Stattdessen begleitete ich sie auf die Toilette, wo sie dann notgedrungen ihr Geschäft verrichten musste. Danach war es auch zu Hause überhaupt kein Problem mehr, die Toilette zu benutzen.
Nutzt Töpfchentraining?
Die Wörter Töpfchentraining und Sauberkeitserziehung suggerieren, dass man aktiv handelnd zu diesem Prozess beitragen muss. Das ist jedoch nicht der Fall. Lässt man den Kindern die Zeit, die sie brauchen, muss man nichts trainieren oder anerziehen, sondern kann irgendwann einen plötzlichen Entwicklungsschritt erstaunt beobachten.
Im Rahmen der oben erwähnten Zürcher Longitudinalstudien wurde u. a. der Einfluss des Töpfchentrainings auf das Sauberwerden untersucht. Dazu wurden die Ergebnisse von zwei Einzeluntersuchungen verglichen - die eine war von 1954 bis 1956 durchgeführt worden, die andere in den 70er/80er-Jahren. Wie oben schon erwähnt, verschob sich in der Zwischenzeit das Auf-das-Töpfchen-Setzen durchschnittlich um 14 Monate nach hinten. Das bedeutete, dass Kinder durchschnittlich bis zu 1.300 (!) mal weniger auf das Töpfchen gesetzt wurden, bis sie sauber waren.
Das Sauberkeitstraining führte zwar durchaus dazu, dass im Verlauf des zweiten Lebensjahres tatsächlich mehr Kinder sauber wurden - diese "trockenen" Kinder machten jedoch vor allem deshalb nichts mehr in die Windel, weil sie bis zu 10 mal am Tag auf den Topf gesetzt wurden. Mit 36 Monaten war der Effekt sogar umgekehrt - da waren dann sogar mehr nicht-topftrainierte Kinder trocken. Im Alter von 48 bis 60 Monaten gab es dann keine signifikanten Unterschiede mehr.
Dass es rein gar nichts bringt, den Töpfchengang zu trainieren, zeigte auch eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2003. Sie ergab, dass Kinder, die vor dem 27. Lebensmonat an des Töpfchen gewöhnt wurden, genauso lang in die Windeln machten, wie Kinder, bei denen keine solchen Aktivitäten stattfanden. Es dauerte bei ihnen etwa durchschnittlich ein Jahr, bis ganz auf Windeln verzichtet werden konnte. Wurde erst nach dem 27. Lebensmonat begonnen, auf das Töpfchen zu gehen, brauchten die Kinder durchschnittlich nur sechs Monate, bis sie sauber waren. Mädchen waren in dieser Studie übrigens mit etwa 3 Jahren soweit, Jungen brauchten zwei Monate länger.
Schadet Töpfchentraining?
Das kommt drauf an. Es verzögert die Entwicklung nicht - so viel ist zumindest erwiesen. Und wenn alles vollkommen ohne Druck geschieht, wird der spielerische Umgang mit dem Topf nicht schaden. Problematisch wird es in meinen Augen dann, wenn eine bestimmte Erwartungshaltung besteht - und das passiert leider in den meisten Fällen automatisch.
Kinder schaffen es nämlich durchaus recht früh, zielgerichtet in ein Töpfchen zu pullern. Sie begreifen gut, was von ihnen erwartet wird, so dass es anfangs recht schnell zu Erfolgen kommen wird. Diese werden dann oft ausgiebig gelobt und das Kind ist dadurch auch zunächst hochmotiviert (wen auch leider vorrangig extrinsisch).
Allerdings: aktiv auf Ansage pullern zu können und rechtzeitig zu merken, dass man dringend muss, sind zwei vollkommen verschiedene Sachverhalte. Leider gehen einige Eltern jedoch davon aus, dass ein Kind, das erfolgreich ins Töpfchen macht, auch automatisch rechtzeitig merken müsste, wann es muss. Das ist jedoch meistens nicht der Fall. Das führt schnell zu Frustrationsspiralen, weil zu viel erwartet wird. Die Eltern denken "Mein Kind müsste es doch rechtzeitig merken, es pullert doch schließlich schon in den Top!", dabei kann das Kind noch gar nichts anderes, als einfach zielgerichtet pullern.
Eine solche Erwartungshaltung setzt das Kind unter Druck. Dabei ist es ganz egal, ob die Eltern ihre Erwartung formulieren oder nicht - Kinder spüren ganz deutlich, wenn ihre Eltern enttäuscht sind, auch dann, wenn diese versuchen ihre Enttäuschung zu verstecken. Und elterliche Enttäuschung ist für Kinder sehr belastend, weil sie das Gefühl vermittelt, dass das Kind nicht gut genug sein könnte. Kinder streben immer nach der Aufmerksamkeit und der Zuneigung der Eltern und der Gedanke, diese zu verlieren, setzt sie unter Stress und Erfolgsdruck. Sie spüren ganz intuitiv, dass sich die Eltern sorgen, warum das Sauberwerden so gar nicht voran geht - wo das Kind doch eigentlich so super ins Töpfchen pullert.
Jeder Unfall - und solche kommen in diesen Situationen naturgemäß sehr häufig vor - enttäuscht auch das Kind. Es ist ja anfangs hochgradig durch die elterliche Euphorie motiviert und will so gerne die Erwartungen der Eltern zu erfüllen. Wenn sie immer und immer wieder Rückschläge erleben, weil sie eben nur gezielt pullern können, aber nicht rechtzeitig merken, wann sie müssen, frustriert sie das zutiefst.
Es gibt die Beobachtung, dass die Kinder, die wegen späten Einnässens einem Arzt vorgestellt werden, häufig schon früh mit einem Töpfchentraining konfrontiert waren. Dies wird allerdings nicht als ursächlich angesehen - vielmehr geht man davon aus, dass das späte Einnässen von einem stark kontrollierenden Erziehungsstil - bei dem das Töpfchentraining häufig sehr früh praktiziert wird - verursacht sein könnte.
Belohnungen bei der Sauberkeitserziehung
Immer wieder lese ich die Empfehlung, das Sauberkeitstraining mit Belohnungen und Loben zu verbinden. Treue Leser dieses Blogs kennen meine Meinung zum Loben sicher - mit der gleichen Argumentation würde ich immer von Belohnungen abraten. Zwar klappt es in der Hundeerziehung hervorragend, mit Leckerlis das gewünschte Verhalten zu verstärken, aber bei Kindern beeinflussen Lobe/Belohnungen die Motivation. Ich hatte im verlinkten Artikel bereits über Studien geschrieben, die zeigten, dass Belohnungen dazu führen, dass das gewünschte Verhalten weniger oft und gerne gezeigt wird.
Der Hauptgrund für mich, von Belohnungen für den Töpfchengang abzuraten ist, dass es für Kinder frustrierend ist, die Belohnung nicht zu erhalten, obwohl sie sich wirklich bemüht haben. Das Ausbleiben einer Belohnung wird von ihnen im Grunde wie eine Strafe empfunden. Wenn sie also körperlich noch gar nicht in der Lage sind, ihre Blase zu kontrollieren, dann wird man das mit Belohnungen nicht ändern können. Kein Mensch käme doch auf die Idee, einem Kind für jeden erfolgreichen Lauf- oder Sprechversuch ein Gummibärchen anzubieten ;-).
Außerdem liest man immer wieder, dass Kinder durch die Aussicht auf eine Belohnung anfangen, etwa zwanzig mal am Tag das Töpfchen aufzusuchen und einen Tropfen dort zu hinterlassen - nur um das Gummibärchen naschen oder den Sticker kleben zu können. Das ist ja nun auch überhaupt nicht zielführend.
Belohnungen signalisieren außerdem mangelndes Vertrauen in die Fähigkeiten des Kindes. Zu sagen: "Wenn du rechtzeitig auf den Topf gehst, dann gibt es einen Sticker" suggeriert ganz eindeutig: "Ich glaube nicht, dass du es wirklich allein schaffst. Offenbar muss man dich erst motivieren, weil du ohne Anreiz zu faul oder unfähig bist". Natürlich freuen sich die Kinder, wenn sie eine Belohnung erhalten - aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass sich das auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirkt.
Sanfte Unterstützung beim Sauberwerden
Woran erkennt man die Bereitschaft zum Sauberwerden?
Es gibt verschiedene körperliche Entwicklungsschritte, die erforderlich sind, damit die Windel überhaupt erfolgreich weggelassen werden kann:
- das Kind muss die Hose allein herunterziehen können,
- es muss eigenständig in der Lage sein, sich auf den Topf oder die Toilette zu setzen,
- es sollte verbalisieren können, dass es mal muss und
- es gibt längere Zeiträume (etwa drei bis vier Stunden), in denen die Windel trocken bleibt.
Außerdem sollte das Kind ernsthaftes Interesse zeigen, also
- verlangen, die Eltern auf die Toilette begleiten zu dürfen,
- keine Windel mehr tragen wollen und/oder
- volle Windeln sofort anzeigen und gewechselt bekommen wollen.
Viele Eltern berichten, dass es im Alter zwischen zwei und drei Jahren zu einem "Wickelkampf" kommt. Das Wehren gegen die Windel kann man als ernstzunehmendes Signal dafür sehen, dass das Kind in Bezug auf seine Ausscheidungen autonom werden möchte. Dann können wir unsere Kinder
sinnvoll unterstützen, indem wir ihnen das Gefühl für ihre
Ausscheidungen zurück geben. Dazu können wir sie zum Beispiel immer mal
wieder ohne Windel herum laufen lassen oder mit Stoffwindeln
wickeln. Wenn das Kind sein Geschäft gemacht hat, können wir ihnen
zeigen, wozu die Toilette da ist und was mit dem Ausgeschiedenen
passiert - ganz ohne Druck oder Belehrungen.
Sobald Kindern der Blasen- oder Harndrang bewusst ist, beginnen sie in der Regel, sich auffällig zu verhalten. Manche verziehen die Gesichter, die meisten nehmen eine bestimmte Körperhaltung ein und wenn sie sprachlich dazu in der Lage sind, machen einige darauf aufmerksam, was gerade passiert. Erst mit dem Entstehen dieses Bewusstseins, beginnt der Prozess der willentlichen Steuerung.
Hier können Eltern unterstützen, indem sie das Kind besonders aufmerksam beobachten und diese Zeichen erkennen und entsprechend einen Topf anbieten oder auf die Toilette begleiten.
Die meisten Kinder zeigen irgendwann sehr großes Interesse an der Toilette. Sie setzen sich darauf - meistens noch ohne dass etwas passiert. Sie spielen mit der Spülung, der Toilettenpapierrolle und der Toilettenbürste. Einige finden das Ganze so spannend, dass sie die Eltern auch immer wieder begleiten wollen. Es mag nicht jedermanns Sache sein, das Kind bei seinen Geschäften teilhaben zu lassen - dem Sauberwerden ist dies jedoch durchaus zuträglich. Kinder lernen durch Vorbilder und Nachahmung - auch hierbei. Ohne zu sehen und zu erleben, was auf Toilette geschieht, ist der Toilettengang für Kinder sehr abstrakt und manchmal auch furchterregend.
Tipps und Tricks zum Sauberwerden
Gerade am Anfang muss es schnell gehen - der Zeitraum zwischen dem Gefühl "Oh, ich muss!" und dem Moment, wo es losgeht, ist zunächst sehr kurz. Nach und nach lernen Kinder, einzuhalten - am Anfang ist dies die größte Herausforderung. Daher sollte die Kleiderwahl gut durchdacht sein. Für Mädchen sind in diesem Zeitraum Kleider oder Röcke ideal - Unterhosen, Leggins oder Strumpfhosen sind schnell herunter gezogen.
Bei Hosen sollte man darauf achten, dass diese möglichst leicht und schnell herunter gezogen werden können. Bei uns bewährt hat sich der Clip-Ho-Gürtel, weil der leicht zu weite Hosen, die ja besonders gut runter gezogen werden können, ohne lästige Schnalle an Ort und Stelle hält. Runter geht die Hose meist recht gut - einige Kinder haben Schwierigkeiten, beim Hochziehen. Wenn man das Kind anleitet, die Hose beim Hochziehen hinten zu greifen, wird es das bald alleine schaffen.
Wenn das Kind zwar grundsätzlich bereit ist, auf die Toilette zu gehen, sich aber noch nicht zutraut, die Windel weg zu lassen, sind Windelslips sinnvoll. Sie können wie ein Slip hoch und runter gezogen werden. Solche gibt es eigentlich von fast allen Marken - wir haben die besten Erfahrungen mit Easy Up von Pampers und der LIDL-Eigenmarke gemacht. Nachteilig sind der vergleichsweise hohe Preis und die nicht mehr ganz so praktische Entsorgung, weil die Schmutzwindel nur noch an einer Stelle verschlossen wird (dazu ist übrigens der Klebestreifen hinten dran - der hat schon so manchen verwirrt).
Töpfchen oder Toilettenaufsatz?
Kinder sind sehr individuell. Während manche unbedingt rauf auf die große Toilette wollen - ganz wie die Großen! - ist das anderen viel zu unheimlich. So ein großes Loch und so hoch sitzen? Nein - sie ziehen lieber ein bodennahes Töpfchen vor. Bei der Auswahl des Töpfchens sollte man dem Kind die Wahl lassen. Wenn es sich selbst eins ausgesucht hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es das auch gerne nutzt, sehr hoch.
Wird die Toilette bevorzugt, sollte die Öffnung mit einem Sitzring (gut geeignet ist der Flexifit) verkleinert oder gleich ein Familiensitz angeschafft werden. Letzterer hat zwischen Sitz und Deckel einen gesonderten Kindersitzring. Viele Kinder mögen es nicht, wenn ihre Beine in der Luft baumeln, während sie auf der Toilette sitzen. Abhilfe schafft ein Tritt oder eine Toilettentreppe - diese erleichtern auch das "Drücken", weil die Füße abgestützt werden können.
Unsere Leserin Sonja hat mir den Rotho-WC-Sitz Top empfohlen. Er ist durch vier verschiedene Einstellungen auf unterschiedliche WC-Brillen anpassbar. Der vordere Spritzschutz ist vergleichsweise hoch - ein wichtiges Detail für Jungs. Schon Dreijährige können den Sitz selbständig installieren.
In der Phase des Sauberwerdens bietet es sich an, mobile Töpfchen bei sich zu führen. Zwar nimmt es vermutlich kaum einer übel, wenn sich ein Kleinkind in der freien Natur erleichtert, aber Stuhlgang im Freien kann ziemlich auf Mamas Oberschenkelmuskulatur gehen und die Entsorgung großer Geschäfte ist auch nicht so super angenehm. Nicht immer ist eine Toilette in der Nähe und manchmal muss es auch sehr schnell gehen.
Töpfchen für unterwegs gibt es in der Variante Einmalverwendung und gleich komplett Wegschmeißen aus Pappe oder für die Handtasche ein Töpfchen aus Kunststoff, das mit einem Tütchen ausgekleidet wird. Bekanntester Vertreter des klappbaren mobilen Töpfchens ist die Potette. Dort wird ein Einlegetütchen hinein gelegt, das dann nach der Benutzung entsorgt werden kann. Besonders praktisch an der Potette ist, dass sie unterwegs auch als Toilettenaufsatz verwendet werden kann - einfach auf öffentliche WC-Sitze legen und das Kind kommt dann damit nicht in Berührung. Etwas günstiger ist das Tippitoes Travel Potty, das jedoch nicht ganz so flach ist.
Podcast
Mit Nicola Schmidt haben wir in unserem Podcast über das Sauberwerden (und auch über Windelfrei gesprochen - hört unbedingt mal rein!
Buchtipps
Wenn man die Kinder nicht sooo gerne mitnimmt, wenn man die eigenen Geschäfte verrichtet, dann kann man das Mysterium Toilettengang für Kinder mit Büchern erklären. Wirklich schöne Bücher zu dem Thema sind:
Zu guter Letzt - ein Wort zum ständigen Lamentieren der älteren Generation
Das Trockenwerden war eines der heißesten Konfliktfelder zwischen mir und meiner Mutter. Sie hat mittlerweile von meinem Vater verboten bekommen, darüber zu reden, weil er es nicht mehr hören kann. Meine Mutter behauptet, ich sei mit 11 Monaten trocken gewesen. Das habe ich mal ihrer Schwester (also meiner Tante) erzählt, die in schallendes Gelächter ausbrach.
Das Problem an der Stelle ist wieder die Definition des "Trockenseins". Vermutlich war ich durchaus in der Lage, in ein Töpfchen zu pullern - aber gut, die Wahrscheinlichkeit, dass da mal was rein geht ist recht hoch, wenn man das Kind stündlich auf den Topf setzt. Damals ließ man die Kinder auch gerne mal so lange sitzen, bis sie etwas rein gemacht haben - auch das kleinste Kind begreift entnervt irgendwann, dass es etwas produzieren muss, um aufstehen zu dürfen. Nur - ich hatte es ja schon geschrieben - hat Pullern auf Befehl wenig mit dem Wahrnehmen des Urinierbedürfnisses zu tun.
Meine Mutter will partout nicht verstehen, dass die Aussage, dass das Trockenwerden ein Reifungsprozess ist, nicht von Pampers in Umlauf gebracht wurde. Für sie ist das heutige Gewese um das Sauberwerden eine Verschwörung der Windelindustrie. Ich habe es aufgegeben. Es ist nicht meine Aufgabe, meiner Mutter die Welt zu erklären - ich kann mich aber freundlich für ihre Ratschläge bedanken und sie höflich darum bitten, mich einfach machen zu lassen, was ich für richtig halte.
Nachtrag: Wir haben das Thema Trockenwerden gegenüber meinem Sohn nicht weiter thematisiert. Ein Jahr nachdem dieser Artikel erschien - das war etwa ein Monat, nachdem er 4 Jahre alt wurde - stolzierte mein Sohn eines Morgens in die Kita, zog seine Windel aus und drückte sie der Kita-Leiterin mit den Worten: "Die brauche ich nicht mehr" in die Hand und ging ab da wie selbstverständlich auf die Toilette. Auch bei ihm nahm ich in den nächsten ein bis zwei Wochen ein paar nasse Hosen mit nach Hause und dann war das Thema innerhalb kürzester Zeit erledigt.
Blum NJ, Taubnam B, Nemeth N. Relationship between age at initiation of toilet training and duration of training: A prospective study. Pediatrics. 2003;111:810–4