Das Baby ist acht bis neun Monate alt - wie entwickelt es sich und wie kann man es beschäftigen?

Als meine Kinder neun Monate alt waren, verstand ich plötzlich, warum es heißt, dass Kinder einem "am Rockzipfel hängen". Meine Töchter krallten sich buchstäblich an meinen Hosenbeinen fest und versuchten, sich an mir hochzuziehen. Das war zunächst ganz niedlich, wurde aber mit der Zeit echt anstrengend, vor allem dann, wenn ich nur eine Schlafanzughose anhatte, die unweigerlich nach unten rutschte, sobald eine meiner Töchter daran hing, so dass sie hinfiel und ich unten ohne da stand.

Wenn man also das Gefühl hat, nirgendwo mehr hingehen zu können, ohne dass ein Baby einem am Bein hängt, ist plötzlich sonnenklar: Herr Ningel und Herr Nörgel sind zurück!
 
Herr Ningel und Herr Nörgel hängen an einem Bein

Dass mit dem achten Lebensmonat unserer Kinder das Fremdeln (die "Achtmonatsangst") beginnt hatten wir an anderer Stelle schon ausführlich erklärt. Mir fiel in dieser Zeit auch zum ersten Mal auf, dass meine Töchter im Schlaf eine Art "Albtraum" hatten - sie fingen an, nachts aufzuschreien und sich schlecht beruhigen zu lassen, manchmal wälzten sie sich unruhig wimmernd hin und her. Auch das Einschlafen gestaltete sich schwieriger als sonst - eine unserer Töchter weinte sich regelmäßig in den Schlaf. Nicht, weil wir sie allein ließen, sondern wirklich in unserem Arm im Familienbett. Ich vermute, dass sie sich den Stress von der Seele "redete".  

Das An- und Ausziehen glich in dieser Phase eher einem Nahkampf. Bei wirklich allem weinten meine Kinder. Wurden sie angezogen, war es ihnen nicht recht, wurden sie ausgezogen protestierten sie. Die Jacke anziehen zu müssen wurde als unzumutbare Einschränkung der Selbstbestimmung angesehen und jegliche Mützen, die nicht festgebunden werden konnten, wurden umgehend wieder vom Kopf befördert....


Welchen Reifeprozess macht das Baby durch? 


Unsere Kinder beschäftigen sich nun ausgiebig mit Kategorien. Als sie etwa sechs Monate alt waren, lernten sie, "Zusammenhänge" zwischen Dingen oder Personen herzustellen. Das Kind merkt, dass es zu Mama und Papa dazugehört, weil es so aussieht, wie sie und sie imitieren kann. Nun kommt die Fähigkeit dazu, dieses Wissen in bestimmte Schubladen einzuordnen, d. h. mit dem Eintauchen in die Welt der Kategorien ordnet das Kind seine Umwelt. Es ordnet zum Beispiel in "Dinge, die ich mag" und "Dinge, die nicht mag". Es ordnet in "Menschen", "Tiere", "Gegenstände". Es ordnet alle Bälle in die Kategorie "Ball", egal, wie groß oder klein, bunt oder einfarbig sie sind. Es ist dabei auch unerheblich, ob der Ball nur in einem Buch zu sehen ist oder in Natura.

Es ist spannend, diese Einordnung bei Kindern nachvollziehen zu können, die in diesem Alter bereits mit den ersten Worten beginnen. Viele Mütter wundern sich, dass ihre Babys nicht nur sie, sondern alle anderen Frauen als "Mama" betiteln. Bei uns waren lange Zeit alle vierbeinigen Tiere "Wauwau". Diese Verallgemeinerung liegt nicht daran, dass unsere Kinder irgendwie "doof" sind - das Gegenteil ist der Fall. Sie zeigen uns, dass sie verstanden haben, dass alle Menschen, die aussehen wie Mama, in die Kategorie "Frau" fallen. Da sie meist das Wort "Frau" nicht kennen oder aussprechen können, betiteln sie ihre Kategorie schlicht mit der Bezeichnung "Mama". Meine Töchter wiederum benannten alle Frauen tatsächlich mit der Gebärde "Frau", da diese einfacher war, als unsere persönliche Gebärde für "Mama".

Bitte behaltet immer im Blick, dass unsere Kinder zwar nach dieser Entwicklungsphase in der Lage sind, in Kategorien einzuteilen, sich dies aber durchaus erst in ein paar Wochen oder gar Monaten äußern kann! Die Gebärde für "Frau" kam bei meinen Töchtern zum Beispiel erst mit 11 Monaten und auch das Wort "Mama" kommt nur sehr wenigen (sprachbegabten) Babys mit 8 Monaten über die Lippen!

Es ist selbstverständlich, dass ein Baby nicht von heute auf morgen seine Umwelt kategorisieren kann. Es braucht dafür Zeit und vor allem die Möglichkeit, alles in Ruhe zu untersuchen. Es muss Menschen, Tiere und Gegenstände im Detail kennenlernen dürfen. Nur, wenn es durch Anfassen und Angucken das Objekt in all seinen Facetten erfassen darf, kann es für sich selbst Kategorien erschaffen, in das es passt. Ist es weich? Schwer? Groß? Kalt? Schnell? Rot? Für ein Baby haben z. B. der Berliner Fernsehturm und ein Ball mehr gemeinsam, als wir uns denken können, wie meine Tochter mir mit 11 Monaten bewies. Sie gebärdete aufgeregt "Ball! Ball!", als wir zusammen am Fernstehturm vorbeiliefen und sie in der Manduca sitzend nach oben schaute und die Kugel des Turms erblickte. Sie hatte also den oberen Teil des Turms in die Kategorie "Ball" gesteckt und lag damit gar nicht daneben. 

Das bedeutet aber für uns Eltern, dass wir unseren Kindern möglichst viel zugänglich machen sollten. Alles, was nicht lebensgefährlich ist oder kaputt gehen kann, sollten unsere Kinder anfassen dürfen, um unsere Welt im wahrsten Sinne des Wortes "erfassen" zu können.

Kugel des Berliner Fernsehturms

  

Beliebte Spiele und Beschäftigungsideen für Kinder im Alter von 9 Monaten 


Da ich ein großer Bücherfan bin, habe ich in diesem Alter bei meinen Kindern damit angefangen, ihnen Bücher näher zu bringen. Da es für ein Kind zunächst nicht leicht ist, die 2D Zeichnung im Buch als Abbild eines Gegenstandes in der Realität wiederzuerkennen, habe ich eine Buch-Kiste zusammengestellt. Zunächst suchte ich mir ein Babybuch, in denen Alltagsgegenstände dargestellt warenNuckel, Puppe, Lätzchen, Schuhe, Strümpfe...sowas in der Art war in unserem Buch abgebildet. Dann suchte ich die echten Gegenstände in der Wohnung zusammen und packte sie zusammen mit dem Buch in eine Kiste. 

Zunächst guckten wir uns zusammen das Buch an und jeden Gegenstand, der im Buch zu sehen war, zog ich als Realia aus der Kiste heraus und gab ihn meinen Kindern in die Hände. Wir legten den Gegenstand gemeinsam auf die entsprechende Seite im Buch und ich erklärte ihnen, dass das das Gleiche sei. Später variierten wir das Spiel - ich schlug eine Seite im Buch auf und meine Kinder kramten in der Kiste nach dem Gegenstand oder ich holte einen Gegenstand aus der Kiste und sie blätterten solange im Buch, bis sie die entsprechende Seite gefunden hatten. Sobald dann der echte Gegenstand auf die Seite gelegt wurde, war der nächste Gegenstand dran. Dieses Spiel rettete mir übrigens so manchen Morgen im Familienbett. Bücher, in denen auf jeder Seite nur ein Gegenstand abgebildet ist, gibt es von Ravensburger oder von Duden.

Baby sieht sich ein Buch an

Wenn meine Kinder wieder einmal um 5.30 Uhr wach waren, stellte ich die Buch-Kiste auf das Bett und konnte im Halbschlaf mit ihnen spielen. Einen kuriosen Nebeneffekt hatte die Bücherkiste übrigens - lange Zeit, nachdem die Kisten schon abgeschafft waren, legten meine Kinder noch Lego-Duplo-Tiere oder andere reale Dinge auf diverse Buchseiten und mit 12 Monaten fingen sie an, Lege-Lotto zu spielen. Eigentlich ist das nicht so überraschend, denn im Prinzip ist dieses Spiel ja nichts anderes, als eine 2D-Version der Buchkiste. Mit anderen Büchern machte ich es eigentlich genauso. Fuhren wir in den Zoo oder gingen auf den Kinder-Bauernhof, war immer ein Tierbuch mit uns mit, so dass ich jedem Tier, dass sie anfassen und riechen konnten ein gemaltes Tier im Buch in Verbindung brachten. Ob das jetzt notwendig war, weiß ich nicht, aber zumindest sind meine Kinder echte Leseratten geworden. 

Ein anderes Spiel, das ich ihnen in diesem Alter anbot, waren unsere Farbkisten. Ich hatte in einem Billigladen etwa A4-große Kisten in den Farben Rot, Grün, Blau, Gelb gekauft und einfach ins Kinderzimmer gestellt. Am Anfang war ich es, die, immer, wenn sie einen Gegenstand in einer der Farben gefunden hatte, diese in die entsprechende Kiste sortiert habe. Ein roter Ball kam in die rote Kiste, einer grüner Duplo-Stein in die grüne Kiste, das blaue Dreieckstuch in die blaue Kiste usw. Lange Zeit spielte ich das Spiel quasi allein, meine Kinder guckten nur verwundert zu. Nach ein paar Monaten (!) aber konnten sie - zögerlich zunächst - farbige Bausteine sortieren. Als nächstes kamen Wäscheklammern dazu und irgendwann hatten sie es dann wirklich verstanden und das halbe Kinderzimmer wurde in den Kisten versteckt. Vor allem wurden die Kisten übrigens dafür verwendet, selbst ein- und auszusteigen. Also achtet darauf, dass ihr standfeste Kisten bekommt.
 
Ein weiteres Spiel, das in diesem Alter durchaus schon angeboten werden kann (es passt in die Welt der Kategorien) sind Formen-Sortier-Boxen. Meine Kinder konnten die Steine da übrigens noch lange nicht reinsortieren, aber anbieten kann man es seinem Kind zu diesem Zeitpunkt durchaus. Manche Kinder finden vielleicht das viel spannender als z. B. unsere Farbkisten. Aber nicht verzweifeln, wenn dein Kind die Steine der Formen-Sortier-Box nur anlutscht - erstens ist das dann seine Art, die Formen der Steine zu erfassen (mit dem Mund) und zweitens finden die meisten Kinder daran frühestens ab 12 Monaten Gefallen. 

Ein weiteres Spielzeug war bei meinem Töchtern mit 9 und 10 Monaten sehr beliebt: die Stapelpyramide. Sie war zu meiner Überraschung ein Spielzeug, mit dem sich meine Töchter (beim selbständigen Sitzen) lange und intensiv beschäftigen konnten. Ich dachte ja, in diesem Alter sei es nur spannend, dieses Spielzeug auseinander zu nehmen und anzulutschen, doch meine Töchter begannen schon bald, zu versuchen, die Ringe auf die Pyramide wieder raufzustecken. 


Baby spielt mit Stapelturm

Auch hier erforscht das Kind wieder Kategorien: "Mehr/weniger" oder "Kleiner/größer"). Nehme ich einen Ring herunter, wird der Ringstapel kleiner, es sind weniger Ringe drauf. Stecke ich die Ringe auf die Pyramide drauf, werden es wieder mehr Ringe. Ganz unproblematisch kann man die gleiche Kategorie übrigens mit einem Stapel Zeitschriften erfassen. Setzt euer Kind einfach vor einen wohlgeordneten Stapel von Hochglanzmagazinen und ihr werdet sehen, mit welchem Eifer es eine Zeitschrift nach der anderen abbaut. Nur das wieder Aufbauen eines Zeitschriftenstapels ist natürlich noch zu schwer. Hinweis: Eure Kinder müssen in diesem Alter noch nicht selbständig sitzen können! Nur eine meiner Töchter tat das, die andere lag noch mit 11 Monaten fröhlich auf dem Bauch herum.

Auch Entdeckerkugeln 
von Haba wurden von meinen Töchtern vielfältig verwendet. Sie haben eine unterschiedliche Oberflächenstruktur sowie unterschiedliche Innenleben, so dass man sie gut sortieren kann nach "Fühlen", "Hören" und "Sehen". Trotzdem entsprechen sie gleichzeitig alle der Kategorie "Ball" oder "Kugel". Sie rollen alle weg, wenn man sie runterwirft. Einige klingeln dabei (die Hörkugeln), einige glitzern dabei im Licht (die Sehkugeln), einige rollen irgendwie schlechter, weil ihre Oberfläche nicht glatt ist (die Tastkugeln). Gerne zogen sich meine Töchter an einer kleinen Kiste hoch, legten die Kugeln einzeln auf den Deckel und schauten begeistert hinterher, wenn sie von der Kiste runter rollte, laut auf dem Boden aufschlug und dann weiter unter den Schrank rollte. Dann krabbelten meine Töchter verzückt hinterher, guckten lange unter den Schrank, angelten mit ihren Armen nach der Kugel und freuten sich wie ein Keks, wenn sie die Kugel wiedererobert hatten. Und dann ging es von neuem los: an der Kiste hochgezogen, Kugel auf die Kiste gelegt und .... Weitere Varianten der Kugeln gibt es von Bright Starts.

© Snowqueen


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