Babys beruhigen - was gegen abendliches Schreien hilft

Mein Baby schreit abends! Was hilft?


Es scheint zunächst so einfach: Das Neugeborene schläft viel, wacht es auf, bekommt es Milch, wird gewickelt und nach kurzem Spiel schläft es in absehbarer Zeit friedlich ein um ein paar Stunden zu schlummern. Ein scheinbar erst einmal zunehmend regelmäßig werdender, unkomplizierter Ablauf… doch dann kommt alles anders. 

Baby lässt sich nicht beruhigen

Was in der Regel in den ersten Wochen reibungslos funktioniert, gestaltet sich zwischen der 2. und 6. Lebenswoche zunehmend schwieriger. In den Abendstunden wird das Baby zunehmend unruhiger, schreit und weint, scheint sich mit Blähungen und Bauchschmerzen zu plagen. Mütter beginnen hektisch stundenlang auf Einschlafhilfen zu wippen, Väter tigern unruhig mit dem Nachwuchs durch alle Zimmer und fahren in letzter Verzweiflung die halbe Nacht mit dem Kind im Auto oder Kinderwagen durch die Nacht, nur damit das Geschrei endlich aufhört – das abendliche Schreien wird zur extremen Geduldsprobe. 

In den ersten zwei Lebenswochen schreien Babys zunächst vergleichsweise wenig, da sie die meiste Zeit schlafen. Ab der dritten Woche werden sie dann zunehmend wacher, aber auch unruhiger. Die Schreidauer nimmt bei fast allen Kindern bis zur 6. Lebenswoche stetig auf bis zu 3 Stunden pro Tag  zu, ab der 7. Lebenswoche wird das Schreien wieder weniger. Üblicherweise wird in den Abendstunden am längsten geschrien.

Nach 12 bis 14 Lebenswochen ist die Phase bei den meisten Kindern vorbei - wenige sind bis zu einem Alter von 6 Monaten weiterhin unruhig. Babys, die länger als 3 Wochen an 3 Tagen in der Woche mehr als 3 Stunden schreien, werden "Schreibabys" genannt. Hier bieten Schreiambulanzen ihr Hilfe an. In unserem Blog findet ihr auch einen ausführlichen Artikel speziell über Schreibabys.


Wie lange schreien Babys am Tag? (nach Largo)

Das kindliche Schreiverhalten wurde früher als „Dreimonatskolik“ bezeichnet. Man ging davon aus, dass das Verdauungssystem des Säuglings nicht ausgereift ist und es sich daher in den ersten Wochen seines Lebens massiv mit schmerzhaften Blähungen plagt. Mittlerweile hat sich jedoch die Erkenntnis durchgesetzt, dass Babys in der Regel nicht schreien, weil sie unter schmerzhaften Blähungen leiden, sondern dass die Blähungen durch das Schreien erst entstehen, da die Babys dabei übermäßig viel Luft schlucken, die sie wieder loswerden müssen.

Warum schreit mein Baby? 


In den häufigsten Fällen sind die Ursachen für das Schreien folgende: Schmerzen, Überreizung oder Hunger. In unserem Blog findest Du einen Artikel, in dem beschrieben ist, wie Du erkennst, ob Dein Stillbaby wirklich satt wird

Wenn das Baby gleichmäßig über den Tag verteilt immer wieder schreit, auch ohne erkennbares Muster oder das Schreien oft nach der Nahrungsaufnahme aufzutreten scheint, sollten zunächst organische Gründe in Erwägung gezogen werden. Möglicherweise liegen eine Laktoseintoleranz, ein gastroösophagealer Reflux, eine Magenschleimhautentzündung, eine Hodenquetschung, ein Leistenbruch oder ähnliche medizinische Probleme vor.

Wenn der Säugling vornehmlich in den Abendstunden schreit und tagsüber nur vereinzelt, dann wird das Phänomen von der Wissenschaft „Regulationsstörung“ genannt – dahinter steckt eine vollkommene Übermüdung/Überreizung. Die Schreikinder schaffen es nicht, die Reize in „wichtig“ und „unwichtig“ zu sortieren; es werden ungefiltert alle Reize aufgenommen und verarbeitet. Das kindliche Gehirn ist damit jedoch vollkommen überfordert, es möchte eigentlich nur noch Ruhe haben, schafft es aber nicht, abzuschalten und sich im Schlaf zu erholen.

Das Ganze endet in einer erschöpfenden Spirale - das Baby weint, weil es nicht schlafen kann und kann nicht schlafen, weil es so sehr weint. Oft schläft es erst nach Stunden und dann vollkommen erschöpft ein. Leider fallen Neugeborene in den ersten Monaten zunächst in einen leichten Traumschlaf, so dass sie sehr schnell wieder aufwachen und dann sofort weiter schreien. Ein Teufelskreis beginnt, der leider schon zu manchem tödlichen Schütteltrauma geführt hat, weil Eltern die Nerven verloren. 
Untersuchungen haben gezeigt, dass bis zu 5 % aller SIDS-Fälle nicht erkannte Kindstötungen - auch aus Überforderung wegen des Schreiens - sind.

Warum lässt sich mein Baby nicht trösten? 


Frisch gebackene Erstlingseltern neigen dazu, die Schreiursache durch das Ausschlussverfahren zu ergründen. Hat das Kind Hunger? Auch wenn die letzte Mahlzeit gerade eine Stunde her ist – es wird Nahrung angeboten. Dabei möchte das Kind eigentlich nur schlafen. Es werden Windeln gewechselt, das Kind bespaßt, getröstet, abgelenkt. Umhergetragen, besungen, abgelegt, angelegt, gewippt, geschaukelt. Die Eltern sehen, wie müde das Kind ist, es reibt die Augen, quengelt, wendet sich ab. Sie denken: Warum schläft es denn nicht einfach? Offenbar gibt es dafür eine andere Ursache und so suchen sie weiter… Mit jeder neuen Aktion entstehen dann immer wieder neue Reize, die es für das Baby noch schwerer machen, Ruhe zu finden. Es schreit und schreit und schreit. 

Wie kann ich mein Baby effektiv beruhigen?


Das Schreien wird in den meisten Fällen durch Übermüdung und Überreizung ausgelöst. Viele Kinder sind in den ersten Wochen und Monaten auf eine Fredregulation von uns angewiesen. Keinesfalls sollten wir unser Baby allein schreien lassen. Sinnvoller ist es, die Bedingungen zu simulieren, die es im Mutterleib hatte.  

1. Enge


Das Baby war im Mutterleib ständiger Enge ausgesetzt und wird sich sehr wohl fühlen, wenn es in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist. Viele Babys überfordert nach der Geburt vor allem die plötzliche Grenzenlosigkeit. Um diesen Zustand nachzubilden, kann man das Baby pucken. Das Kind wird dabei fest mit einem Tuch oder einem speziellen Pucksack eingewickelt, so dass es die Arme nicht mehr bewegen kann. Manche Kinder protestieren zunächst, wenn sie gepuckt werden, man sollte jedoch trotzdem versuchen, normalerweise beruhigen sich die meisten Babys innerhalb von zwei bis drei Minuten. Will das Kind partout nicht gepuckt werden bietet es sich an, die Bewegungsfreiheit des Babys mit den eigenen Armen etwas einzuschränken (Kind fest, aber nicht zu fest, umarmen). 

2. Reizabschirmung


Der Säugling wird in den Arm genommen und auf die Seite gelegt. Der Kopf schaut idealerweise den Bauch der Person an, die es hält, da so die meisten Reize abgeschirmt werden. Auch tagsüber ist es sinnvoll, die Reize weitestgehend fernzuhalten und immer wieder Erholungspausen anzubieten, in denen es nicht viel zu sehen gibt. So ist es empfehlenswert, in einer dunklen, ruhigen Umgebung zu stillen. Das wird vielen irgendwann langweilig, dann sind Handys oder E-Book-Reader die besseren Alternativen zum Zeitvertreib als bspw. Fernsehen. Auch Musik sollte man als Reizquelle nicht unterschätzen. 

3. Nuckeln


Das Kind sollte die Möglichkeit haben, zu saugen. Von der Natur dafür vorgesehen ist die Brust. Da man die unter Umständen nicht dauerhaft zur Verfügung stellen kann oder will, ist es möglich, einen Schnuller anzubieten. Dabei sollte man sich jedoch des Risikos einer Saugverwirrung bewusst sein. Saugen ist ein absolutes Grundbedürfnis von Babys. Manche Kinder saugen auch gerne am Finger ihrer Eltern. Auch bei Babys, deren Saugbedürfnis nicht so stark ausgeprägt ist, wirkt Nuckeln in der Regel sehr beruhigend.

4. Weißes Rauschen


Im Mutterleib ist der Fötus neun Monate lang einer Kulisse aus lauten Geräuschen ausgesetzt: der mütterliche Herzschlag, laute Verdauungsgeräusche und der Blutfluss. Letzterer klingt wie ein konstantes Rauschen, daher wirken gleichförmige, rauschende Geräusche enorm beruhigend auf Säuglinge. Wie man das Rauschen hervorbringt, ist nicht wichtig – am einfachsten ist es, langgezogen laut (!) „schhhhhhhhhh“ zu machen. Ebenso eignen sich die Dunstabzugshaube, der Fön oder der Staubsauger. Umweltfreundlich geht es mit dem Baby-Shusher oder CDs wie dieser und dieser oder einer MP3-Datei. 

5. Das kurze schnelle Wiegen/Wippen


Im Mutterleib war es selten ruhig - die Mutter war die meiste Zeit des Tages in Bewegung. Daher sind Babys mit kurzen ruckartige Bewegungen (wie beim Laufen) vertraut. Entscheidender Faktor ist die Frequenz – das Baby sollte mindestens im Sekundentakt, besser noch etwas schneller auf und ab bewegt werden (bitte nicht schütteln!) Ideal ist eine Frequenz von 70 bis 80 Bewegungen, das entspricht in etwa dem mütterlichen Herzschlag. Die Spannbreite der Bewegung sollte nicht zu hoch sein – es reicht, das Kind über eine Distanz von 3-5 cm hin und her zu bewegen. Wichtig ist wirklich, es nicht zuuu zaghaft zu machen.

Das erklärt auch, warum Kinder im Kinderwagen oder im Auto vergleichsweise schnell einschlafen, während sie sich in einem ruhigen Bett eher schwer tun: Die Bewegung beim Autofahren ist rüttelnd/vibrierend, die Geräuschkulisse eintönig. Um diese Bewegung zu simulieren, gibt es übrigens einige u.a. von verzweifelten Eltern entwickelte technische Hilfsmittel. 

Hier seht ihr einen Film, wie die Methode richtig angewendet wird:


Wenn Du mehr darüber lesen möchtest - im Buch "Das glücklichste Baby der Welt" von Dr. Harvey Karp ist die Methode genau beschrieben - es enthält auch noch viele weitere gute Tipps für Neugeborene.  
 

Andere Beruhigungsmethoden


Die oben genannte Beruhigungsmethode ist nicht nur geeignet, Neugeborene zu beruhigen, sie leistet auch nach den Dreimonatskoliken gute Dienste, wenn das Kind nicht allein in den Schlaf findet. Normalerweise reichen immer weniger Elemente, um das Kind in den Schlaf zu wiegen, bei uns blieb am Ende nur noch das schnelle Wiegen übrig – mein Sohn fiel damit innerhalb von Sekunden in den Schlaf (wohingegen er alleine im Bett liegend über eine Stunde lang nicht allein in den Schlaf fand). Man sollte keine Angst wegen eines „Gewöhnungseffektes“ haben – letztendlich schafften es bei uns beide Kinder mit etwa 10 Monaten ohne Hilfsittel in den Schlaf zu finden.  

Tragetuch


Auch das Tragen im Tragetuch hat sich in den abendlichen Schreistunden ausgezeichnet bewährt - dort ist es (ähnlich wie durch das Pucken) eng, die Reize sind abgeschirmt, Dein Säugling hört Dein Herz schlagen und fühlt sich Haut an Haut wohl und geborgen, so dass es ihm leichter fällt, sich zu entspannen und einzuschlafen. Die Bewegungen, die durch das Herumlaufen entstehen, fühlen sich für ihn zudem exakt so an, wie vorher im Bauch. Es bietet sich also an, das Baby ins Tuch zu packen und während der abendlichen Schreistunde einen Spaziergang an der frischen Luft zu machen (die Geräuschkulisse einer stark befahrenen Straße oder das Rauschen eines Flusses verstärken den Beruhigungseffekt). 

Federwiegen


Wem das Schütteln auf die Dauer zu anstrengend wird: Diese Arbeit kann auch eine so genannte Federwiege erfüllen, diese schwingt mit genau der richtigen Frequenz auf und ab. Mein Sohn - der extrem schwer in den Schlaf fand - hat das erste halbe Jahr tagsüber in einer solchen Federwiege neben dem laufenden Staubsauger geschlafen. Ob Dein Kind das Wippen mag, lässt sich mit einem Pezzi-Ball oder einem Tuch (in das man das Kind legt und das man mit einer Frequenz von ca. 60 Bewegungen/Minute schwingt) herausfinden. Auch wenn die Investition etwas höher ist - es lohnt sich über eine Federwiege mit Antrieb nachzudenken, bspw. die Swing-to-sleep, da man sonst unter Umständen selbst die ganze Zeit neben der Wiege sitzt uns sie anstupsen muss.

Kontaktatmung


Eine weitere Möglichkeit ein unruhiges Kind zu beruhigen (und beim Einschlafen zu begleiten) ist auch die Kontaktatmung. Das Baby liegt dabei im Arm oder im Bett und man legt eine Handfläche auf die Brust des Babys und übt leichten Druck aus. Atmet das Baby ein, verringert die Hand den Druck, atmet das Baby aus, wird der Druck wieder stärker. Man kann sich dem Atemrhythmus des Babys anpassen und sollte dabei möglichst entspannt sein.

Wenn Du es geschafft hast, dass Dein Kind gut einschläft, Dein Baby aber wieder ständig wach wird, dann hilft Dir vielleicht dieser Artikel weiter: Ständiges Aufwachen - Warum Kinder sich ungern ablegen lassen und alle Nase lang aufwachen.

© Danielle